Runes of Magic – Wettbewerbswidrige Werbung an Kinder in Online-Rollenspielen

05. November 2014
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Urteil des BGH vom 18.09.2014, Az.: I ZR 34/12

Werbung, die Kinder im Rahmen eines Online-Rollenspiels zum Erwerb von kostenpflichtigen virtuellen Spielgegenständen auffordert, ist nicht zulässig. Die Werbung “Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse 'Etwas'” spreche Kinder direkt an, in dem es in kindertypischer Sprache verfasst wurde und ist deshalb wettbewerbswidrig.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 18.09.2014

Az.: I ZR 34/12

 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.Juni 2014 durch die Richter (…)

für Recht erkannt:

Das Versäumnisurteil vom 17. Juli 2013 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte bietet im Internet unter der Bezeichnung „Runes of Magic“ein Fantasierollenspiel an. Die für die Spielteilnahme erforderliche Software steht zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. Die Ausstattung der Spielcharaktere kann durch virtuelle Gegenstände erweitert werden, die entgeltlich erworben und unter anderem per SMS bezahlt werden können.

Die Beklagte wirbt auf ihrer Internetseite für den Erwerb virtueller Gegenstände unter anderem mit folgenden Aussagen:

Pimp deinen Charakter-Woche (Überschrift)

Ist Dein Charakter bereit für kommende Abenteuer und entsprechend gerüstet?

Es warten tausende von Gefahren in der weiten Welt von Taborea auf Dich und Deinen Charakter. Ohne die entsprechende Vorbereitung kann die nächste Ecke im Dungeon der letzte Schritt gewesen sein.

Diese Woche hast Du erneut die Chance Deinen Charakter aufzumotzen!

Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘!

Von Montag, den 20. April 17:00 bis Freitag, den 24. April 17:00 hast du die Chance, Deinen Charakter aufzuwerten!

Die unterstrichenen Wörter „Deinen Charakter aufzuwerten“ sind durch einen elektronischen Verweis (Link) mit einer Internetseite verbunden, auf der die Beklagte im Einzelnen dargestellte „Zubehörartikel“ aufführt.

Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, hat dies als wettbewerbswidrig beanstandet. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, sieht er darin einen Verstoß gegen Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sowie gegen § 4 Nr. 1 und 2 UWG.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen des Online-Spiels „Runes of Magic“ mit der Aufforderung „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘ “ für den kostenpflichtigen Erwerb von Spielgegenständen zu werben oder werben zu lassen.

Außerdem hat der Kläger die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 100 € verlangt.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Werbung enthalte keine direkte Aufforderung zum Kauf bestimmter Waren und spreche Kinder nicht ausdrücklich an.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17. Juli 2013 war die Beklagte nicht vertreten. Der Senat hat am 17.Juli 2013 folgendes Versäumnisurteil verkündet (GRUR 2014, 298 =WRP 2014, 164 – Runes of Magic):

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 24.Zivilsenats des Kammergerichts vom 30.Januar 2012 aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer
16 des Landgerichts Berlin vom 29.Juni 2010 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen

im Rahmen des Online-Spiels „Runes of Magic“ mit der Aufforderung “ Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas'“für den kostenpflichtigen Erwerb von Spielgegenständen zu werben oder werben zu lassen;

2. an den Kläger 100 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt, mit dem sie die Aufhebung des Versäumnisurteils sowie die Zurückweisung der Revision erstrebt. Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

I.
Der Einspruch der Beklagten ist gemäß § 555 Abs. 1 Satz 1, § 338 ZPO statthaft (BGH, Urteil vom 7.April 1992 -XI ZR 71/91, NJW-RR 1992, 957) und auch im Übrigen zulässig, nämlich in der gesetzlichen Form (§ 340 ZPO) und Frist (§ 339 Abs. 1 ZPO) eingelegt.

II.
Der Einspruch hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassende Entscheidung stimmt mit der im Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung überein. Das Versäumnisurteil ist deshalb gemäß §§ 342, 343 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten. Wie der Senat bereits im Versäumnisurteil vom 17.Juli 2013 im Einzelnen ausgeführt hat, ist die Revision des Klägers begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten. Auf die Begründung des Versäumnisurteils wird Bezug genommen. Die mit dem Einspruch vorgebrachten Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch.

1. Die Beklagte rügt in ihrer Einspruchsbegründung ohne Erfolg, der Verbotsantrag und ihm folgend der Tenor des Versäumnisurteils enthalte ein auch zulässige Werbeaussagen umfassendes Schlechthinverbot.

a) Das Charakteristische der vom Kläger für verbotswürdig erachteten Werbeaussage „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas'“ ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Werbung. Hiervon ist auch der Senat in seinem Versäumnisurteil ausgegangen. Die nach Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG per se verbotene Verhaltensweise liegt in der in eine Werbung einbezogenen unmittelbaren Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen. Im Streitfall liegt der Kern der Verletzungshandlung nach dem Verbotsbegehren des Klägers in der an Kinder gerichteten Aufforderung, die beworbenen Produkte selbst zu erwerben. Das Charakteristische dieser Verletzungshandlung kommt im Verbotsantrag und im Tenor des Versäumnisurteils unter Heranziehung des Klägervortrags und der Entscheidungsgründe hinreichend deutlich zum Ausdruck. In seinem Versäumnisurteil hat der Senat angenommen, dass die konkrete Art und Weise der beanstandeten Aussage „Schnapp Dir …“ einen für die Annahme einer „Aufforderung zum Erwerb“ im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ausreichenden Kaufappell enthält (Rn. 24 ff.).

Die Beklagte weist zwar im Ansatz zutreffend darauf hin, dass sich die maßgeblichen Umstände der nach der Verbotsvorschrift weiterhin erforderlichen und vom Senat bejahten „Unmittelbarkeit“ des Kaufappells nicht aus dem Verbotsantrag und ihm folgend aus dem Tenor des Versäumnisurteils ergeben. Dies ist vorliegend aber unschädlich. Die Beurteilung, ob die im Unterlassungstenor zum Ausdruck kommende „Aufforderung zum Erwerb“ auch „unmittelbar“ und darüber hinaus auch „in eine Werbung einbezogen“ ist, lässt sich nur aus dem Gesamtkontext der in Rede stehenden Werbung vornehmen. Dies gilt in gleicher Weise für die Beurteilung, an wen sich der Kaufappell richtet. Insbesondere liegt hier kein Fall vor, in dem die fragliche Konsumentengruppe der Kinder bereits durch die eigentliche Werbeansprache als solche ausdrücklich angesprochen wird (etwa in der Weise: „Kinder, schnappt Euch …“; vgl. auch die Beispiele bei Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32.Aufl., Anh. zu § 3 III Rn. 28.9).

b) Kommen die verbotsbegründenden Umstände, die zugleich zulässige Formen der Werbeansprache aus dem Verbotsbereich ausgrenzen, im Verbotsantrag nicht unmittelbar zum Ausdruck, ist der Antrag und ihm folgend der Urteilstenor zur Bestimmung seiner Reichweite auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 30.April 2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 37 = WRP 2008, 1104 – Internet – Versteigerung III; Urteil vom 19.Mai 2010 – I ZR 177/07, GRUR 2010, 855 Rn. 17 = WRP 2010, 1035 -Folienrollos; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rn. 2.106). Bei der Prüfung von Bedeutung und Tragweite eines Urteilsausspruchs kommt es nicht allein auf den Wortlaut der Urteilsformel an. Maßgebend sind für deren Verständnis vielmehr auch die Begründung des Unterlassungsbegehrens und die Entscheidungsgründe (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1993 – I ZR 276/91, GRUR 1994, 304, 305 = WRP 1994, 181 – Zigarettenwerbung in Jugendzeitschriften; Urteil vom 3.Februar 1994 – I ZR 321/91, GRUR 1994, 441, 443 = WRP 1994, 398 – Kosmetikstudio). Danach kommt vorliegend die Reichweite des Verbots, das sich nach den Umständen des Streitfalls nur wegen der Verknüpfung des Appells „Schnapp Dir…“ mit der durch einen elektronischen Verweis verbundenen Produktseite als begründet erweist, im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des Versäumnisurteils hinreichend zum Ausdruck. Für den Verbotstenor ist entscheidend, dass der erforderliche Bezug der mit dem Unterlassungsantrag beanstandeten Aussage zu den angebotenen Waren und Dienstleistungen tatsächlich gegeben ist. Wie dieser Bezug im konkreten Fall hergestellt wird, lassen der Tatbestand und die Entscheidungsgründe deutlich erkennen. Ebenso ist dem Vorbringen des Klägers mit hinreichender Klarheit zu entnehmen, dass es ihm nicht um ein Schlechthinverbot der Aussage „Schnapp Dir die günstige Gelegenheit und verpasse Deiner Rüstung & Waffen das gewisse ‚Etwas‘ “ geht. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger seinen Vortrag im Berufungsrechtszug gerade in Bezug auf die Verbindung des Kaufappells mit einer weiteren Internetseite mittels eines elektronischen Verweises ergänzt hat, nachdem er im ersten Rechtszug wegen des Fehlens dieses Sachvortrags unterlegen war.
2. Die Beklagte macht auch ohne Erfolg geltend, der Senat habe die Frage, ob die beanstandete Werbung eine unmittelbare Aufforderung an Kinder zum Erwerb von Produkten der Beklagten enthält, nicht aufgrund eigener Sachkunde beurteilen dürfen.

a) Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern Anwendung eines speziellen Erfahrungswissens (BGH, Urteil vom 2.Oktober 2003 – I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 254 – Marktführerschaft; Urteil vom 15.April 2010 – I ZR 145/08, GRUR 2010, 1125 Rn. 50 = WRP 2010, 1465 – Femur-Teil). Im Allgemeinen bedarf es keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses, wenn die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (st. Rspr.; BGHZ 156, 250, 255 – Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 9.Juni 2011 – I ZR 113/10, GRUR 2012, 215 Rn. 14 = WRP 2012, 75 – Zertifizierter Testamentsvollstrecker; Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 32 – Biomineralwasser). Ebenso hat der Senat bereits entschieden, dass kein Rechtssatz des Inhalts besteht, dass eine Beweiserhebung stets geboten ist, wenn die Richter von der in Rede stehenden Werbung selbst nicht angesprochen werden. Das erforderliche Erfahrungswissen kann das Gericht grundsätzlich auch dann haben, wenn die entscheidenden Richter nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen (BGHZ 156, 250, 255 – Marktführerschaft; BGH, Urteil vom 29. März 2007 – I ZR 122/04, GRUR 2007, 1079 Rn. 36 = WRP 2007, 1346 – Bundesdruckerei; Urteil vom 22. Januar 2014  – I ZR 218/12, GRUR 2014, 682 Rn. 29 = WRP 2014, 835 – Nordjob – Messe; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 322).

b) Soweit es für die Beurteilung, ob eine tatbestandliche Kaufaufforderung gegeben ist, auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds der angesprochenen Konsumentengruppe der Kinder ankommt, konnte der Senat das Verkehrsverständnis aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung feststellen. Die für die Beurteilung der Unmittelbarkeit der Kaufaufforderung entscheidende Frage, ob aus dem Gesamtzusammenhang der angegriffenen Werbeaussage hinreichend deutlich wird, dass zu einem entgeltlichen Erwerb von Produkten der Beklagten aufgefordert wird, erfordert keine ausschließlich Kindern zugänglichen besonderen Kenntnisse oder Erfahrungen, die den Mitgliedern des Senats verschlossen wären. Dies gilt in gleicher Weise für die Beurteilung, ob ein durchschnittliches Mitglied der angesprochenen Konsumentengruppe erfahrungsgemäß über die Fähigkeit verfügt, einen elektronischen Verweis zu erkennen und gerade diejenigen über einen elektronischen Verweis verknüpften Seiten durch einen einfachen „Klick“ aufrufen wird, die zur Information über die Ausstattung des Spiel-Charakters benötigt werden. Dass Kinder, die an einem Online-Rollenspiel teilnehmen, diese Fähigkeit besitzen, liegt auf der Hand. Der Senat ist aufgrund seiner ständigen Befassung mit Wettbewerbssachen in der Lage, das Vorliegen einer unmittelbaren Aufforderung zum Erwerb von Produkten der Beklagten
im Streitfall anhand seiner Erfahrungen selbst zu beurteilen (vgl. BGHZ 156, 250, 255 – Marktführerschaft).

c) Dies steht auch mit den Vorgaben der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in Einklang. Nach deren Erwägungsgrund 18 Satz 6 müssen sich die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verlassen.
Es entspricht auch dem Vorgehen des Gerichtshofs der Europäischen Union, der bei der Beurteilung einer Irreführung regelmäßig auf die mutmaßliche Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers abstellt, ohne ein Sachverständigengutachten einzuholen oder eine Verbraucherbefragung in Auftrag zu geben (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Juli 1998 – C- 210/96, Slg. 1998, I-4657 Rn. 32 f. = GRUR Int. 1998, 795 = WRP 1998, 848 – Gut Springenheide, mwN). Dies gilt regelmäßig auch in Fällen, in denen die Auswirkung einer Geschäftspraktik, die sich speziell an eine besondere Verbrauchergruppe richtet, aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe zu beurteilen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 18.
Oktober 2012 – C – 428/11, GRUR 2012, 1269 Rn. 53 = WRP 2012, 1509 – Purely Creative). Die nationalen Gerichte können in der Regel in gleicher Weise verfahren. Dies gilt auch für die Beurteilung des Verkehrsverständnisses durch das Revisionsgericht sowohl in dem Fall, dass es rechtsfehlerhafte Feststellungen des Berufungsgerichts zur Auffassung eines durchschnittlichen Angehörigen einer Verbrauchergruppe aufgrund eigener Sachkunde ersetzt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 – I ZR 104/10, GRUR 2012, 942 Rn. 12 und 18 = WRP 2012, 1094 – Neurologisch/Vaskuläres Zentrum; Urteil vom 31. Oktober 2012 – I ZR 205/11, GRUR 2013, 644 Rn. 20 und 23 = WRP 2013, 764 – Preisrätselgewinnauslobung V), wie auch für den hier gegebenen Fall, dass es seinerseits die Auffassung des angesprochenen Verkehrs aufgrund eigenen Erfahrungswissens auf der Grundlage des unstreitigen oder festgestellten Sachverhalts beurteilt, ohne dass insoweit Feststellungen des Berufungsgerichts durch das Revisionsgericht ersetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – I ZR 60/11, GRUR 2013, 397 Rn. 42 f. = WRP 2013, 499 – Peek & Cloppenburg II; Urteil vom 12. Dezember 2013 – I ZR 192/12, GRUR 2014, 686 Rn. 34 = WRP 2014, 831 –
Goldbärenbarren).

3. Der Senat hält auch nach erneuter Prüfung in der Sache daran fest, dass sich die vom Kläger beanstandete Werbeaussage gezielt an Kinder richtet.

a) Die Beklagte wendet sich hiergegen vergeblich mit der Rüge, der Senat sei in seinem Versäumnisurteil von unzutreffenden Vorstellungen über die Kultur von Computer-Fantasierollenspielen und die dabei gepflegten Umgangsformen aus gegangen. Die Beklagte trägt dazu (erstmalig) mit der Einspruchsbegründung vor, 85% der Spieler von Online-Rollenspielen wie dem von ihr angebotenen seien keine Kinder und das Durchschnittsalter der Spieler liege bei 32 Jahren. Bei der Altersstruktur der Spieler, die somit von ihrer Werbung angesprochen würden, entspreche die Anrede mit „Du“ dem Standard.

aa) Auf dieses Vorbringen der Beklagten kommt es für die Entscheidung über den Unterlassungsantrag des Klägers nicht an. Der Senat hat in seinem Versäumnisurteil bereits ausgeführt, dass nicht maßgeblich ist, ob das von der Beklagten beworbene Rollenspiel auch von Erwachsenen gespielt wird (Rn. 19). Entscheidend ist vielmehr, dass mit der in Rede stehenden Werbung auch Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gezielt angesprochen werden. Unerheblich ist dagegen, dass sich von derselben Werbung möglicherweise auch Erwachsene angesprochen fühlen (Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Anh. zu § 3 III Rn. 28.7). Dieser Umstand steht einer Anwendung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht entgegen. Die dem Schutz von Kindern dienende Verbotsvorschrift ist nicht nur anwendbar, wenn ausschließlich oder zumindest hauptsächlich diese Konsumentengruppe Adressat von unmittelbaren Kaufaufforderungen in einer Werbung ist. Andernfalls würde ihr Anwendungsbereich weitgehend leer laufen, da Werbung sich häufig nicht nur an einen eng oder genau umgrenzten Adressatenkreis richtet, sondern regelmäßig Konsumentengruppen verschiedener Altersstrukturen anspricht. Der gesetzliche Schutzzweck der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG entfällt deshalb nicht schon dann, wenn „gemischte“ oder sogar überwiegend aus Erwachsenen bestehende
Zielgruppen angesprochen werden (vgl. Ernst, jurisPR – WettbR 4/2014 Anm. 3; Großkomm. UWG/Pahlow, 2.Aufl., § 3 (E) Anh. Nr. 28 Rn. 17; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO Anh. zu § 3 III Rn. 28.7; Mankowski, EWiR 2014, 161, 162).

Wie der Senat bereits entschieden hat, hat der Umstand, dass die beworbenen Produkte überwiegend von Erwachsenen gekauft werden, keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beurteilung einer nach § 4 Nr. 2 UWG unlauteren Werbung gegenüber Kindern, weil es bei einer Werbeaktion für solche Produkte auch darauf ankommen kann, den Absatz gerade in der Gruppe minderjähriger Käufer zu steigern (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 160/05, GRUR 2009, 71 Rn. 12 = WRP 2009, 45 – Sammelaktion für Schokoriegel). Diese Grundsätze gelten ebenso für die Beurteilung einer unmittelbaren Kaufaufforderung an Kinder im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Gegenstand der Beurteilung anhand der Vorgaben dieser Vorschrift ist nicht ein konkretes Produkt, sondern die (werbliche) Aufforderung, dieses zu erwerben. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, von welcher Konsumentengruppe das von der Beklagten angebotene Rollenspiel tatsächlich überwiegend gespielt wird, wenn – was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird – jedenfalls auch Kinder zu der Spielergruppe gehören und diese – was hier der Fall ist – Adressaten einer in eine Werbung einbezogenen unmittelbaren Kaufaufforderung sind.

bb) Diese Grundsätze, vor denen der Senat auch in seinem Versäumnisurteil ausgegangen ist, stehen nicht in Widerspruch zu der danach ergangenen Senatsentscheidung „Goldbärenbarren“ (GRUR 2014, 686). Darin hat der Senat angenommen, dass es für die Anwendung von § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die geschäftliche Handlung voraussichtlich und vorhersehbar allein das geschäftliche Verhalte
n dieser Konsumentengruppe wesentlich beeinflusst (BGH, GRUR 2014, 686 Rn. 16 – Goldbärenbarren). Nicht erforderlich ist, dass sich eine geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe schutzbedürftiger Verbraucher „wendet“ (vgl.  § 3 Abs. 2 Satz 2 UWG) oder wie bei Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG – auf sie abzielt. Der strengere Prüfungsmaßstab des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG ist mithin nicht schon heranzuziehen, wenn möglicherweise auch Kinder und Jugendliche durch die fragliche Geschäftspraktik beeinflusst werden, weil sie jedenfalls auch von ihr angesprochen werden (BGH, GRUR 2014, 686 Rn. 17 – Goldbärenbarren). Für die den Schutz von Kindern bezweckende Vorschrift der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist hingegen erforderlich, aber auch ausreichend, dass Kinder jedenfalls gezielt an gesprochen werden (BGH, GRUR 2014, 686 Rn. 30 – Goldbärenbarren). Weniger die Feststellung des Berufungsgerichts, das beworbene Produkt sei bei Kindern und Jugendlichen gleichermaßen beliebt, als vielmehr die (weiteren) Umstände des der Entscheidung „Goldbärenbarren“ zugrunde liegenden Sachverhalts waren
maßgeblich für die dortige Beurteilung, dass der angegriffene Werbespot von vornherein alle Mitglieder einer Familie anspricht, weshalb sowohl eine Anwendung des Prüfungsmaßstabs des § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG als auch der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht in Betracht kam, weil es sich um eine – nicht tatbestandsmäßige – an jedermann gerichtete Werbung handelte, von der sich gegebenenfalls auch Kinder angesprochen fühlten (BGH, GRUR 2014, 686 Rn. 18 f., 30 f. – Goldbärenbarren).

b) Die Beklagte macht weiter ohne Erfolg geltend, die Sprache, in der die Werbeaussagen abgefasst seien, erlaube nicht den Schluss auf eine gezielte Ansprache von Kindern. Die vom Senat im Versäumnisurteil herangezogenen Aussagen rechtfertigen in ihrer Gesamtheit die Annahme einer gezielten Ansprache von Kindern (durchgängige Verwendung der direkten Ansprache in der Zweiten Person Singular, einfache kindgerechte Sprache einschließlich kindertypischer Begrifflichkeiten). Mit der gegenteiligen Würdigung versucht die Beklagte lediglich, die Beurteilung des Senats durch ihre eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen.

4. Der Senat hat in seinem Versäumnisurteil angenommen, dass die Notwendigkeit der Betätigung eines elektronischen Verweises, der zu einer Internetseite führt, auf der die Produkte der Beklagten nebst Preisen im Einzelnen angegeben sind, sich nicht als ein zusätzlich zu überwindender Schritt darstellt, der der Annahme einer unmittelbaren Aufforderung zum Erwerb im Sinne der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG entgegen steht.

Auch hieran hält der Senat fest. Er sieht sich insoweit im Blick auf den unionsrechtlichen Hintergrund der im Streitfall maßgeblichen Vorschrift der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, die die Regelung in Nummer 28 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG umsetzt, jedoch zu der Klarstellung veranlasst, dass diese Beurteilung nicht in Divergenz zu der Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs vom 9. Juli 2013 (4 Ob 95/13v, GRUR Int. 2014, 181 – Videospiel D-Universe) steht. Zwar hat der österreichische Oberste Gerichtshof angenommen, dass Links, die einen Zugang zu einem Internet-Kaufforum ermöglichten, in dem die beworbenen Produkte erhältlich seien, bloße, den Tatbestand der Ziffer 28 des Anhangs des österreichischen UWG, die der deutschen Regelung in Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG weitgehend entspricht, nicht verwirklichende Aufforderungen zum Betreten eines virtuellen Geschäftslokals seien (GRUR Int. 2014, 181, 182 aE). Zu dieser Beurteilung steht die vom Senat in seinem Versäumnisurteil vertretene Sichtweise nicht in Widerspruch. Ausweislich der Entscheidungsgründe fehlte es in dem der Entscheidung „Videospiel D-Universe“ des österreichischen Obersten Gerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt – anders als im vorliegenden Fall – bereits an einer tatbestandsmäßigen „direkten Aufforderung an Kinder“, weil sich die beanstandete Werbung darauf beschränkte, auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch der beworbenen Produkte hinzuweisen. Der Sachverhalt war daher von vornherein anders gelagert und somit nicht ebenso zu bewerten wie der hier zur Beurteilung stehende Streitfall.

5.Der Senat hat in seinem Versäumnisurteil des Weiteren ausgeführt, dass die mit der in Rede stehenden Werbeaussage verknüpfte Internetseite es dem kindlichen Verbraucher ermöglicht, einen auf den angegriffenen Appell hingefassten Erwerbsentschluss sogleich in die Tat umzusetzen. Die dagegen vorgebrachten Einwände der Beklagten verhelfen ihr nicht zum Erfolg.

a) Lässt sich – wie im Streitfall – aus den Gesamtumständen eine unmittelbare Aufforderung zum Erwerb feststellen, bedarf es für die Anwendung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG keiner weitergehenden Feststellungen dazu, dass sich der auf den verbotswürdigen Kaufappell hin gefasste Erwerbsentschluss unmittelbar umsetzen lässt. Ausreichend für die Annahme einer unmittelbaren Aufforderung zum Erwerb im Sinne der Verbotsvorschrift ist allein das Vorliegen einer Aufforderung, bei der kein zusätzlicher, vom Umworbenen (gedanklich) zu vollziehender Schritt zwischen Aufforderung in der Werbung und Entstehung des Erwerbsentschlusses erforderlich ist, sondern der Erwerbsentschluss auf einen Kaufappell hin sogleich gefasst werden kann (BGH, GRUR 2014, 298 Rn. 25 – Runes of Magic, mwN). Dass dieser Entschluss sogleich in einen Kauf um gesetzt werden kann, ist keine tatbestandliche Voraussetzung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Dies gilt für eine Werbung im Internet in gleicher Weise wie für jedes andere Werbemedium. Allein entscheidend ist, dass der Nutzer die Internetseite mit dem Kaufappell und die mit einem Link verknüpfte Internetseite als zusammengehörig ansieht. Auf den von der Beklagten in ihrer Einspruchsbegründung im Einzelnen dargelegten genauen Ablauf des Erwerbs- und Bezahlvorgangs kommt es für die Qualifizierung der angegriffenen Werbeaussage als wettbewerbswidrig nach Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht an.

b) Die Beklagte rügt auch ohne Erfolg, dass die Annahme des Senats in seinem Versäumnisurteil, die beworbenen virtuellen Gegenstände könnten per SMS bezahlt werden, keine tragfähige Grundlage im Vorbringen der Parteien habe. Dieser Angriff der Beklagten geht schon deshalb ins Leere, weil der Bezahlvorgang nicht Gegenstand des Tatbestands der Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist. Im Übrigen ist die Rüge aber auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Allerdings hat das Landgericht dieses Vorbringen im Tatbestand seines Urteils als streitigen Vortrag des Klägers angeführt. Das ist jedoch unschädlich. Der Kläger hat – von der Beklagten unbestritten – vorgetragen, es bestehe die Möglichkeit, die beworbenen Gegenstände per SMS zu erwerben und zu bezahlen. Der Senat konnte von diesem Vortrag ausgehen, weil er in den Tatsacheninstanzen unstreitig war. Die Beklagte räumt diese Zahlungsart im Übrigen in ihrer Einspruchsbegründung selbst ein. Ist der Sachverhalt unstreitig, ist das Revisionsgericht befugt, auf dieser Grundlage zu entscheiden (vgl. auch MünchKomm.ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 563 Rn. 20).Die Beklagte macht allerdings mit Recht geltend, dass eine Bezahlung per Kreditkarte auf Guthabenbasis tatsächlich nicht möglich ist. Unstreitig bietet die Beklagte eine solche Zahlungsmodalität nicht mehr an. Die Beklagte hat mit der in der Einspruchsbegründung in Bezug genommenen Unterlassungserklärung, die sie gegenüber dem Kläger abgegeben hat, allerdings selbst eingeräumt, dass eine solche, gerade für minderjährige Spieler zur Verfügung gestellte Zahlungsmöglichkeit jedenfalls früher bestanden hat, und damit auch zu erkennen gegeben, dass sie sich mit dem von ihr beworbenen Spiel auch an Minderjährige richtet. Hierauf kommt es indes nicht weiter an, da die Möglichkeit der Bezahlung per SMS eine hinreichende Grundlage im unstreitigen Parteivortrag findet. Dass die Abwicklung eines Erwerbs der beworbenen Spielgegenstände per SMS entgegen den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts tatsächlich nicht ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist, zeigt die Beklagte in ihrer Einspruchsbegründung im Übrigen auch nicht auf. Insbesondere kann es nicht als besondere Schwierigkeit angesehen werden, dass nach ihrem Vortrag lediglich ein sogenannter „In-Game“ – Kauf erst nach Anmeldung zu ihrem Spiel vorgenommen werden kann, da sich die beanstandete Werbeaussage von vornherein an den Kreis der (bereits angemeldeten) Spieler richtet.

6. Die Beklagte macht in ihrer Einspruchsbegründung schließlich ohne Erfolg geltend, die vom Senat vorgenommene weite Anwendung der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG führe dazu, dass sich ein Großteil der am Markt befindlichen Spiele gezielt an Kinder richte und damit potentiell wettbewerbswidrig sei. Die Beklagte übergeht dabei, dass vorliegend nicht das von ihr vertriebene Spiel zur Beurteilung steht, erst recht nicht vergleichbare Spiele, sondern allein deren Bewerbung mit einer konkret beanstandeten Aussage in Form eines Kaufappells, der an Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zu messen ist. Im Übrigen steht auch ein generelles Verbot der Bewerbung von Onlinespielen gegenüber Kindern bei der hier zu treffenden Entscheidung ebenso wenig in Rede wie ein Verbot der Werbeansprache in der zweiten Person Singular (vgl. Ernst, urisPR – WettbR 4/2014 Anm. 3).

7. Der Senat sieht aus den bereits im Versäumnisurteil dargelegten Gründen (Rn. 35) weiterhin keine Notwendigkeit zu einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union über die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen der Nummer 28 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG (vgl. BGH, GRUR 2014, 298 Rn. 35 in Verbindung mit Rn. 18  f. sowie Rn. 26 bis 28 – Runes of Magic).

III.
Danach ist das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen.

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