Eine Verzierung stellt keine markenrechtliche Benutzung dar
Oberlandesgericht Köln
Urteil vom 18. Oktober 2013
Az.: 6 U 75/13
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 28.03.2013 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln- 81 O 9/13 – abgeändert.
Die einstweilige Verfügung vom 28.01.2013 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Antragsstellerin ist Herstellerin von Wintersportartikeln mit Jahresumsätzen im dreistelligen Millionenbereich. Neben Wintersportartikeln wie Ski und Skischuhen vertreibt sie auch Bekleidung. Die Antragsgegnerin bereibt eine bundesweit tätige Bekleidungshauskette.
Die Antragsstellerin ist von der G Beteiligungsverwaltungs GmbH durch Prozessstandschaftserklärung ermächtigt, deren Markenrechte geltend zu machen. Die G Beteiligungsverwaltungs GmbH ist Inhaberin mehrerer internationaler Marken und einer deutschen Bildmarke, die alle das sog. G-Dreick wie nachfolgend wiedergegeben enthalten:
Die Antragsgegnerin vertreibt Herrenpullover – wie nachstehend wiedergegeben – auf denen sich Dreiecke befinden. Sie bewirbt diese Pullover bundesweit über das Internet.
Die Antragsstellerin sieht in dem Vertrieb der Pullover durch die Antragsgegnerin eine Verletzung ihrer Kennzeichenrechte sowie einen Wettbewerbsverstoß. Sie hat am 28.01.2013 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin die Verwendung des Bildzeichens „Dreieck“ im Zusammenhang mit Bekleidungsstücken, insbesondere Herrenpullovern im geschäftlichen Verkehr untersagt worden ist. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin ist die Beschlussverfügung durch Urteil vom 28.03.2013 bestätigt worden. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 14 Abs. 5 i.V. mit Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegen.
Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass es sowohl an einer kennzeichenmäßigen Benutzung des Zeichens als auch an einer Verwechslungsgefahr fehle.
Die Antragsgegnerin beantragt,
wie erkannt.
Die Antragsstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, das Landgericht sei im Rahmen des § 14 MarkenG zu Recht von einer markenmäßigen Verwendung sowie von dem Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ausgegangen. Darüber hinaus vertritt die Antragsstellerin die Ansicht, es handele sich bei dem sog. G-Dreieck um eine bekannte Marke, so dass sich ein Unterlassungsanspruch hilfsweise auch aus § 14 Abs. 5 i.V. mit Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ergebe. Die Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG leitet die Antragsstellerin in folgender Reihenfolge aus diesen Marken her:
1. Deutsche Bildmarke Nr. 30 2012 034 309
2. Internationale Marke Nr. 387 657
3. Internationale Marke Nr. 423 925
4. Internationale Wort-/Bildmarke Nr. 423 926
Daneben möchte die Antragsstellerin einen Unterlassungsanspruch hilfsweise aus dem Recht aus einer geschäftlichen Bezeichnung herleiten. Neben den zeichenrechtlichen Ansprüchen macht sie weiterhin hilfsweise einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend, den sie auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 a und b UWG sowie auf eine irreführende Produktvermarktung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 UWG stützt.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Antragsstellerin steht unter keinem der geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte ein Unterlassungsanspruch zu.
1. Ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 i.V. m. Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist nicht gegeben, weil es an einer markenmäßigen Benutzung des Dreiecks durch die Antragsgegnerin fehlt.
a) Eine markenmäßige Benutzung liegt vor, wenn das streitgegenständliche Zeichen im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung von Waren des einen Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (BGH GRUR 2012, 618 Tz. 17 – Medusa; BGH GRUR 2010, 838 Tz. 19 – DDR-Logo). Entscheidend ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise (EUGH GRUR 2007, 318 – Opel). Aus der genannten Definition folgt, dass eine markenmäßige Benutzung schon dann zu bejahen ist, wenn der Verkehr das angegriffene Zeichen sowohl als Verzierung als auch als Herkunftshinweis wahrnimmt. Nur wenn der Verkehr das Zeichen ausschließlich als Verzierung wahrnimmt, scheidet eine markenmäßige Benutzung aus. Eine andere Auslegung folgt nicht aus der von der Antragsstellerin zitierten Entscheidung Ahoj Brause des OLG Hamburg (GRUR-RR 2005, 258, 259). Abgesehen davon, dass sich das OLG Hamburg hier zum Bekanntheitsschutz äußert, bei dem das Merkmal der markenmäßigen Benutzung weiter auszulegen ist, stellt es auch darauf ab, ob die nicht völlig fernliegende Möglichkeit besteht, dass ein nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs zu der Auffassung gelangen kann, das Zeichen diene als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware oder zur Unterscheidung unterschiedlicher Vertriebsstätten.
b) Die Frage, ob eine kennzeichenmäßige Benutzung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, deren Beurteilung aber weitgehend von tatsächlichen Feststellungen über das Verständnis des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers abhängt. Diese Feststellungen sind von dem Tatrichter zu treffen (BGH GRUR 2012, 618 Tz. 18 – Medusa; BGH GRUR 2005, 583, 584 – Lila-Postkarte, BGH GRUR 2004, 151 – Farbmarkenverletzung I).
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es somit darauf an, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Abbildung der Dreiecke auf dem Pullover der Antrags- gegnerin wahrnehmen. Die insoweit vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum Verkehrsverständnis entsprechen nach Auffassung des Senats nicht der Lebenserfahrung. Die angesprochenen Verkehrskreise nehmen die Dreiecke auf dem Pullover der Antragsgegnerin nicht als Herkunftshinweis, sondern ausschließlich als Verzierung wahr.
aa) Bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist davon auszugehen, dass der Verkehr bei Zeichen, die sich nicht als eingenähtes Etikett auf der Innenseite des Bekleidungsstückes befinden, sondern an einer anderen Stelle, nicht generell davon ausgeht, es handele sich bei diesen Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern um einen Herkunftshinweis. Ob eine solche Wahrnehmung gegeben ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall (vgl. BGH GRUR 2010, 838 Tz. 20 – DDR-Logo). Befindet sich das Zeichen etwa großflächig auf der Vorderseite eines Pullovers oder in verkleinerter Form in Höhe der linken Brust, ist der Verkehr weitgehend daran gewöhnt, hierin einen Herkunftshinweis zu sehen. Anderes gilt jedoch dann, wenn dem Zeichen vom Verkehr ein konkreter Sinngehalt beigemessen wird (vgl. BGH GRUR 210, 838 – DDR-Logo, OLG Hamburg GRUR-RR 2009, 300 – Aufdruck „Mit Liebe gemacht“ auf einem Babystrampler bzw. OLG Hamburg, BeckRS 2009, 18504, – „Zicke“). In diesen Fällen wird das Zeichen als reines Dekor wahrgenommen, so dass die Funktion als Herkunftshinweis zu verneinen ist. Ebenfalls verneint hat der BGH eine markenmäßige Verwendung in einem Fall, in dem auf der Vorderseite eines Pullovers zahlreiche Marken nebeneinander aufgedruckt waren (vgl. BGH GRUR 1994, 635 – Pulloverbeschriftung). Selbst wenn diese Entscheidung noch zum Warenzeichengesetz ergangen ist, haben die Feststellungen über die Verkehrswahrnehmung weiterhin Gültigkeit.
bb) Unter Zugrundelegung dieser Erfahrungssätze aus der Rechtsprechung sowie aus Sicht der Mitglieder des erkennenden Senats, die sämtlich zu den angesprochenen Verbraucherkreisen gehören, fasst der Verkehr die Dreiecke auf dem Pullover der Antragsgegnerin als reines Dekor auf. Er sieht darin keinen Herkunftshinweis.
Dafür spricht in erster Linie die Art und Weise, wie das Zeichen auf dem Pullover angebracht ist. Anders als bei einer üblichen Platzierung von Marken auf Oberbekleidung befindet sich das Zeichen nicht mittig auf dem Pullover oder auf Brusthöhe. Der streitgegenständliche Pullover ist vielmehr mit dem angegriffenen Zeichen „übersät“. Hinzu kommt, dass das Zeichen sehr klein abgebildet wird. Damit handelt es sich um eine völlig untypische Positionierung für eine Marke.
Gegen eine markenmäßige Benutzung spricht darüber hinaus der Umstand, dass es sich bei dem angegriffenen Zeichen um eine einfache geometrische Form handelt. Auch wenn der Senat nicht verkennt, dass nicht die Grundform eines Dreiecks abgebildet wird, sondern das sog. Sierpinski-Dreieck, so nimmt der Verkehr ein solches Zeichen doch wesentlich eher als Dekor wahr denn als eine ungewöhnliche graphische Gestaltung wie etwa den „Opel-Blitz“ oder einen Namen.
Dieser Verkehrswahrnehmung als Dekor steht es auch nicht – wie die Antragsstellerin meint – entgegen, dass der Verkehr möglicherweise zu einer anderen Einschätzung käme, wenn der Pullover mit einer bekannten Marke, wie beispielsweise dem Mercedes-Stern, versehen wäre. Diese unterstellte abweichende Wahrnehmung würde ganz maßgeblich darauf beruhen, dass es sich bei dem Mercedes-Stern um eine Marke mit erhöhter Kennzeichnungskraft handelt. Zutreffend ist bei dieser Würdigung der Ausgangspunkt, dass die Frage, ob der Verkehr ein Motiv nur als dekoratives Element oder (auch) als Herkunftshinweis auffasst, von der Kennzeichnungskraft und dem Bekanntheitsgrad der Klagemarke abhängt (vgl. BGH GRUR 2012, 618 Tz. 24 – Medusa; BGH GRUR 2010, 838 Tz. 20 – DDR-Logo). Allerdings kann der Vortrag der Antragsstellerin eine so stark erhöhte Kennzeichnungskraft der Bildmarke, die bei den angesprochenen Verkehrskreisen zu einem Erkennen als Herkunftshinweis führen würde, nicht begründen. Die Erfolge, die professionelle Athleten in „G“-Ausrüstung erzielen, die Marktpräsenz der Antragsstellerin sowie ihr Umsatz beziehen sich allein auf die Verwendung von Waren, auf denen neben der Bildmarke auch immer die Wortmarke „G“ zu sehen ist. In Alleinstellung wird die Bildmarke so gut wie nicht verwendet, so dass sie in den angesprochenen Verkehrskreisen keine gesteigerte Bekanntheit und damit keine gesteigerte Kennzeichnungskraft genießt. Abzustellen ist insoweit auf die Gesamtbevölkerung, denn es geht um das Verständnis von Personen, die Pullover kaufen.
Nicht zuletzt weil sich auf der Innenseite des Pullovers ein eindeutiger Herkunftshinweis der Antragsgegnerin befindet, ist eine markenmäßige Benutzung zu verneinen.
cc) Schließlich rechtfertigt auch das von der Antragsstellerin in Bezug genommene Urteil des Bundesgerichtshofes in der Sache Adidas (vgl. BGH GRUR 2001, 158) kein anderes Ergebnis. Der Bundesgerichtshof ist hier davon ausgegangen, dass die Zwei-Streifen-Muster des dortigen Beklagten in den angegriffenen Verwendungsformen markenmäßig und nicht als bloßer Zierrat verwendet werden. Wörtlich heißt es: „Das kann angesichts der auch in diesem Zusammenhang für die Revisionsinstanz zu unterstellenden großen Bekanntheit der Klagekennzeichnungen nicht zweifelhaft sein, weil der Verkehr angesichts der Kennzeichnungspraxis der Klägerin daran gewöhnt ist, in der in Rede stehenden Aufmachung von Bekleidungsstücken einen Herkunftshinweis zu sehen.“ Abgesehen davon, dass das G-Dreieck – wie ausgeführt – nicht derart bekannt ist wie die Adidas-Streifen, fehlt es hier an einer vergleichbaren Kennzeichnungspraxis der Antragsstellerin.
2. Ein Unterlassungsanspruch aus § 14 II Nr. 3 MarkenG scheitert daran, dass die Bildmarke der Antragsstellerin aus den unter 1. b) bb) genannten Gründen keine bekannte Marke i.S. dieser Regelung ist. Selbst wenn man bei der Frage nach der Bekanntheit auf einen engeren Verkehrskreis abstellt und nur solche Personen einbezieht, die selbst Wintersport betreiben oder sich für diesen als Zuschauer interessieren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bildmarke in Alleinstellung einem bedeutenden Teil dieses Kreises bekannt ist.
3. Die rechtlichen Erwägungen gelten für jede von der Antragsstellerin in den Rechtsstreit eingeführten Marken gleichermaßen, weil für sie alle eine markenmäßige Benutzung Voraussetzung ist.
4. Ein Anspruch aus § 15 MarkenG besteht ebenfalls nicht, weil die Antragsgegnerin die Dreiecke auf dem Pullover nicht kennzeichenmäßig verwendet.
5. Schließlich bestehen auch keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche. Wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Dreiecke als bloße Verzierung des Pullovers und nicht als Herkunftshinweis wahrnehmen, scheiden eine Herkunftstäuschung und eine Rufausbetung ebenso aus wie eine Irreführung.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Streitwert (im Hinblick auf die Entscheidung auch über die eventualiter geltend gemachten Streitgegenstände maßvoll erhöht): 300.000,00 €