Vorherige Unterlassungserklärung gegenüber Dritten nicht immer geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen

11. Juli 2011
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Eigener Leitsatz:

Ein Unterlassungsschuldner kann sich nicht immer darauf berufen, dass er wegen des abgemahnten Wettbewerbsverstoßes bereits gegenüber einem Dritten eine Unterlassungserklärung abgegeben habe und daher die Wiederholungsgefahr bereits entfallen sei. Erforderlich ist, dass keine Zweifel an der Ernstlichkeit der Unterlassungserklärung und dem Verfolgungswillen des vormaligen Abmahners bestehen.

Oberlandesgericht Stuttgart

Urteil vom 20.05.2010

Az.: 2 U 95/09

Tenor:

1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 13. November 2009 (Az.: 11 O 67/09)  a b g e ä n d e r t  und wie folgt  n e u  g e f a s s t:

I. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Produkt „… Achselpads" anzubieten und oder zu vertreiben mit der Angabe: „100% Baumwolle".

II. Im Übrigen ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungsbeklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung im Kostenpunkt durch Sicherheit in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages und in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,- EUR abzuwenden, sofern nicht der Verfügungskläger vor der Vollstreckung wegen der Hauptsache Sicherheit in gleicher Höhe und vor der Vollstreckung im Kostenpunkt Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000,- EUR.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Verfügungskläger, der zunächst Unterlassung auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage begehrt hatte, erstrebt nunmehr hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstandes die Feststellung, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe; im Übrigen verfolgt er sein Klagebegehren fort.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 13. November 2009 (11 O 67/09 – GA 159/167) nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und hierzu ausgeführt:

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Kennzeichnung „… ®" und die Angabe „100 % Baumwolle" Wettbewerbsverstöße darstellten, welche die Verfügungsklägerin zur Abmahnung berechtigt hätten. Denn eine Wiederholungsgefahr sei durch die Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten vom 15. September 2009, abgegeben gegenüber der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in B., entfallen.

Der Vortrag der Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 sei nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 06. Oktober 2009 erfolgt und nach § 296a ZPO präkludiert; es bestehe kein Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, nachdem das Thema der Aufbrauchfrist in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden sei (GA 93) und sich die Verfügungsklägerin kein Schriftsatzrecht zu dem Vortrag der Verfügungsbeklagten im Schriftsatz vom 06. Oktober 2009 einräumen habe lassen.

Eine Aufbrauchsfrist von etwa drei Wochen erscheine angemessen und notwendig. Sie hätte deshalb auch von ihr gewährt werden müssen und stehe der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung somit nicht entgegen. Auf Ausführungen in einem Parallelverfahren, an dem die Verfügungsbeklagte nicht beteiligt gewesen sei, komme es nicht an.

Zweifel an der Ahndungs- und Verfolgungsbereitschaft der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. in B. bestünden nicht. Unstreitig seien mehrere Märkte mit gleichartigen Abmahnungen überzogen worden (AG 4). Aufgrund des bundesweiten Vertriebs habe für die Verfügungsbeklagte die Gefahr bestanden, mit einer Vielzahl von Abmahnungen überzogen zu werden. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sich die Verfügungsbeklagte gegenüber der Zentrale freiwillig ohne vorherige Abmahnung unterworfen habe. In dieser Erklärung liege keine unzulässige Beweislastumkehr durch die Formulierungen „solange keine eingetragene Marke besteht" bzw. „sofern dies nicht sachlich zutreffend ist". Die Erklärung sei nicht beschränkt auf die Sanktion einer kumulativen Verletzung beider vorgeworfenen Verstöße. Auch stelle die Bezugnahme auf die Abbildung in der Drittunterwerfung keine Einschränkung dar, da insoweit nur das Produkt näher bezeichnet werde, ohne dass hierin eine Beschränkung der Verstöße gegen die Verwendung eines „®" bzw. der Angabe „100 % Baumwolle" verbunden wäre.

Der Verfügungskläger könne nicht glaubhaft machen, dass die Verfügungsbeklagte entgegen ihrer Unterlassungsverpflichtung die Produkte weiterhin mit den beanstandeten Angaben vertreibe. Die eidesstattliche Versicherung der A. T. vom 17.09.2009 bestätige diesen Vortrag nicht; er werde durch den vorgelegten E-Mail-Verkehr (AG 2) vielmehr widerlegt.

Gegen dieses Urteil hat der Verfügungskläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese prozessordnungsgemäß begründet.

Er bringt vor:

Nachdem die Antragsgegnerin die Eintragung einer Marke zu Gunsten des hier streitigen Produktes am 21. September 2009 gemäß AG 1 belegt habe, sei die Erledigung dieses Antrages nach Eingang der Antragsschrift beim Landgericht Ulm am 18. September 2009 eingetreten.

Die angebotenen Achselpads bestünden in ihrer Deckschicht aus Viskose, die Saugschicht hälftig aus Baumwollfasern und Cellulosefasertypen, wobei zusätzliche kleine Mengen nicht klar identifizierbarer Drittkomponenten vorhanden seien (Gutachten der H. T. GmbH vom 7. Januar 2010 – BB 1). Die Angabe „100 % Baumwolle" sei mithin grob täuschend.

Die Anlage AG 2 räume, wie mit Schriftsatz vom 18. September 2009 vorgetragen, die Wiederholungsgefahr nicht aus. Der Verwender trage die Darlegungs- und ggf. Beweislast, dass die Wiederholungsgefahr entfallen sei.

Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber der „Zentrale" als einem Dritten, der die Beklagte nicht abgemahnt habe, lasse die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Einer Drittunterwerfungserklärung könne die Eignung, die Wiederholungsgefahr auszuschließen, nicht generell abgesprochen werden. Da durch sie dem zunächst abmahnenden Unterlassungsgläubiger die eigenen Verfolgungs- und Sanktionsmöglichkeiten genommen würden, komme es darauf an, ob für die Drittunterwerfung ein berechtigtes Interesse bestehe.

Daran und an einem sachlich vertretbaren Grund für die von der Verfügungsbeklagten vorgenommene Drittunterwerfung gegenüber der „Zentrale" fehle es vorliegend.

Hierzu habe die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2009, Ziffer I.4.2. ff., vorgetragen, dass der Verfügungskläger seine Verfolgungsmöglichkeiten durch diese Erklärung verliere und die Empfängerin der Erklärung kein Interesse an deren Durchsetzung habe, da sie ansonsten die gewählte Formulierung nicht akzeptiert hätte.

Der Verfügungskläger habe auf das Aufforderungsschreiben vom 22. September 2009 an die Zentrale nicht einmal eine Antwort erhalten.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei das Vorbringen im Schriftsatz vom 29. Oktober 2009 nicht insgesamt verspätet. Rechtsausführungen hätte das Landgericht berücksichtigen müssen. Da das Landgericht die darin neu vorgebrachten Tatsachen nicht mehr berücksichtigt habe, nehme die Berufung auf jene nunmehr zulässigerweise Bezug.

Die abgemahnten Unternehmen, so neben vier Drogeriemärkten auch die Verfügungsbeklagte, beriefen sich auf die Abgabe ihrer Unterlassungserklärung, verschwiegen aber, dass die Annahme der Unterlassungserklärung gemäß vorheriger Absprache zwischen dem Rechtsanwalt Dr. W. und dem Vertreter der Zentrale in B., RA Dr. N. – beide seien aus der Vergangenheit kollegial verbunden – durch zwei Schreiben erfolgt sei, deren eines dazu bestimmt, bei Gericht und beim Gegner vorgezeigt zu werden (AG 2), deren zweites durch den Vertreter der Wettbewerbszentrale mit der Aufbrauchfrist bis zum 31. Dezember 2009. Vorliegend habe die Verfügungsbeklagte die Aufbrauchfrist zunächst verschwiegen.

Das B. Büro der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. habe je nach Wunsch des Verletzers Aufbrauchfristen eingeräumt, mit dem kollusiven Ziel, die Unterlassungsansprüche des Verfügungsklägers zu Fall zu bringen.

Die Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin bewirke nicht den Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Konkurrenten der Verfügungsbeklagten. Mehrere Filialen der Verfügungsbeklagten seien nicht abgemahnt worden.

Am Verfolgungswillen des 1975 gegründeten, bundesweit verfolgenden Verfügungsklägers bestehe kein Zweifel, wohingegen das Büro B. der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. seine Tätigkeit ausschließlich auf B. und Ba. beschränke. Die Verfügungsbeklagte habe nicht befürchten müssen, dass von dort ein Verstoß verfolgt werden werde, was branchenbekannt sei. Dies belegten das Vertragsstrafenaufkommen und die Unkenntnis ihres Rechtsvertreters von der hier angegriffenen Ware.

Im Falle einer Meldung an die B. Zentrale käme es zu einer manipulativen Absprache, auf die sich der Verfügungskläger nicht einzulassen brauche. Das Landgericht verkenne (LGU 8, Abs. 2), dass die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. ihren Sitz in B. H. habe. Es müsse zu denken geben, weshalb sich die Verfügungsbeklagte nicht dort unterworfen habe, sondern bei dem ansonsten recht unbedeutenden Büro in B.

Der Verfügungskläger hätte der Verfügungsbeklagten eine Aufbrauchfrist von drei Wochen keinesfalls verwehrt.

Die abgegebene Unterlassungserklärung sei nicht vom Verfügungskläger formuliert worden (vgl. A 9) und stehe bezüglich des Unterlassungsversprechens zu a) unter dem Vorbehalt: „solange keine eingetragene Marke besteht", sodass jede irgendwie für irgendjemand eingetragene Marke hier bereits die Wiederholungsgefahr beseitigt hätte.

Das Unterlassungsversprechen zu b) „unter Verwendung der pauschalen Angabe ‚100 % Baumwolle‘, sofern dies nicht sachlich zutreffend ist" enthalte zwei wesentliche Einschränkungen: Es reiche nicht die Verwendung der Angabe „100% Baumwolle" schlechthin, sondern diese Angabe müsse „pauschal" erfolgen, also ohne Zusatz oder ergänzende Erläuterung. Und durch den Zusatz: „sofern dies nicht sachlich zutreffend ist", werde der Streit über die Verletzungshandlung in den Streit um die Verwirkung der Vertragsstrafe verlagert, denn mit dem Einwand, der Achselpad bestehe doch zu 100 % aus Baumwolle würde der Vertragsstrafenanspruch zunächst unterlaufen. Auch die nachträgliche Rechtsverteidigung, die Angabe „100 % Baumwolle" sei sachlich zutreffend, bleibe der Antragsgegnerin durch diese Formulierung vorbehalten.

Zumindest die Herstellerin täusche bezüglich der gerügten Zusammensetzungsangabe absichtlich.

Der Verfügungskläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 13. November 2009 -11 0 67/09 KfH – zu erkennen:

I. Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft,

oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr das Produkt „… Achselpads" anzubieten und oder zu vertreiben mit der Angabe: „100% Baumwolle".

II. Der Antrag zu 1.1. aus der Antragsschrift vom 17. September 2009 (Seite 2) ist in der Hauptsache erledigt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Sie sei durch RA W. zur Abgabe der Unterlassungserklärung aufgefordert worden. Die Unterlassungserklärung sei von der Verfügungsbeklagten mit der ernsthaften Absicht abgegeben worden, das beanstandete Verhalten innerhalb der Aufbrauchfrist einzustellen, was sie auch umgehend getan habe. Die Wiederholungsgefahr sei damit beseitigt. Die Wettbewerbszentrale sei anerkannter Wettbewerbsverband; an der Ernstlichkeit des Vorgehens bestehe kein Zweifel.

Die Unterlassungserklärung sei inhaltlich ausreichend. Es sei im Hinblick auf eine mögliche Veränderung des Produktes sachgerecht gewesen, die Unterlassungserklärung dahingehend einzuschränken, dass eine Bezeichnung des Produktes mit der Angabe „100 % Baumwolle" nur dann verboten sein solle, wenn die Angabe unzutreffend, d.h. irreführend sei. Der Unterlassungsgläubiger, der eine Vertragsstrafe geltend mache, habe einen Verstoß gegen die Verpflichtungserklärung immer darzulegen.

Die Verwendung des Begriffs „pauschal" in der Unterlassungserklärung sei eine zulässige Klarstellung.

Auch die Einfügung der Abbildung in der Unterlassungserklärung sei sachgerecht, um das Produkt zu bezeichnen, welches mit der Angabe „100 % Baumwolle" beworben werde.

Als der Antrag auf einstweilige Verfügung anhängig geworden sei, habe die Herstellerin über eine im Markenverzeichnis der Benelux-Staaten eingetragene Marke verfügt. Bereits zuvor sei sie zur Nutzung einer Marke „…" berechtigt gewesen. Die betreffende Marke sei bereits im November 2008 veröffentlicht worden (B 3 und Lizenzvereinbarung B 4).

In einem gesonderten Schriftsatz bestreitet die Verfügungsbeklagte den Verfügungsgrund. Die Dringlichkeitsvermutung sei weggefallen, weil der Verfügungskläger zunächst einen widerruflichen Vergleich mit einer Widerrufsfrist von zwei Wochen abgeschlossen, die Berufung erst am letzten Tag der Berufungsfrist eingelegt und die Berufungsbegründungsfrist weitgehend ausgeschöpft habe. Hinzu komme, dass die Verfügungsklägerin bereit gewesen sei, im Vergleichswege ihre Ansprüche fallen zu lassen. Dies ergebe sich daraus, dass sie den beim Landgericht geschlossenen Vergleich nicht widerrufen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrages wird auf die beim Oberlandesgericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 15. April 2010 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Soweit die Verfügungsklägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist der ursprünglich zulässige und begründete Verfügungsantrag unbegründet geworden und so die Hauptsacheerledigung eingetre-ten; im Übrigen ist der zulässige Verfügungsantrag begründet.

A.

Wegen der irreführenden Aussage „100 % Baumwolle“ steht der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

1.

Die Angabe „100% Baumwolle“ in Bezug auf die vertriebene Ware war falsch und geeignet, den angesprochenen Verbraucher, dessen Verständnis der mit Verbrauchern besetzte Senat aus eigener Kenntnis beurteilen kann, in wettbewerbsrechtlich erheblicher Weise über die Beschaffenheit der Ware zu täuschen.

2.

Die durch den begangenen Wettbewerbsverstoß indizierte Wiederholungsgefahr ist nicht entfallen. Ohne Erfolg beruft sich die insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Verfügungsbeklagte auf ihre Unterwerfungserklärung gegenüber dem B. Büro der Wettbewerbszentrale. Unter den gegebenen Umständen reicht diese auch nach ihrem Umfang unstreitige Drittunterwerfung nicht aus, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

a) Grundsätzlich kann eine Drittunterwerfung die Wiederholungsgefahr beseitigen.

aa) Dogmatischer Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage, ob eine Drittunterwerfung die Wiederholungsgefahr beseitigt, ist die gesetzliche Vorgabe, dass jedem im Sinne des § 8 UWG Klagebefugten ein eigenständiger Anspruch auf Unterlassung zusteht. Der Gesetzgeber hat es in die Hände jedes einzelnen Gläubigers gelegt, sein Interesse an lauterem Wettbewerbsverhalten durchzusetzen.

bb) Die Beseitigung der Wiederholungsgefahr ist jedoch grundsätzlich nur einheitlich und nicht etwa unterschiedlich im Verhältnis zu verschiedenen Gläubigern zu beurteilen. Besteht die Wiederholungsgefahr, so besteht sie gegenüber allen Gläubigern; entfällt sie, so geschieht dies grundsätzlich gleichermaßen umfassend und mit rechtsvernichtender Wirkung. Ob durch eine Unterwerfungserklärung gegenüber einem Gläubiger die Wiederholungsgefahr entfallen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, GRUR 1983, 186, 187 – [Wiederholte Unterwerfung I]; BGH, GRUR 1987, 640, 641 – [Wiederholte Unterwerfung II]; BGH, GRUR 1989, 758, 759 – [Gruppenprofil]; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl. [2010], Rn. 1.166 zu § 12 m.w.N. auch zur abweichenden Ansicht).

Dies hat zu Folge, dass soweit einer Drittunterwerfung die Wirkung zugeschrieben wird, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, die anderen zunächst Anspruchsberechtigten ihren Anspruch und damit zugleich jegliche Sanktionsmöglichkeit in Bezug auf den begangenen Verstoß verlieren.

In diesem Spannungsfeld ist zu beurteilen, ob eine Drittunterwerfung geeignet ist, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

cc) Mittlerweile wird überwiegend angenommen, die Wiederholungsgefahr entfalle durch eine Drittunterwerfung in der Regel. Damit wird zugleich dem berechtigten Interesse des Schuldners Rechnung getragen, nachdem er sich gegenüber einem der Gläubiger unterworfen hat, nicht von einer nicht übersehbaren Zahl anderer in Anspruch genommen zu werden (vgl. BGH, GRUR 1987, 640, 641 – [Wiederholte Unterwerfung II]; BGHZ 144, 165, 169 f. – [Missbräuchliche Mehrfachverfolgung]; Bornkamm, a.a.O., Rn. 1.167).

Allerdings schlägt dieses Schuldnerinteresse nur durch, wenn Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung und dem Verfolgungswillen des Gläubigers, bezogen auf den Unterwerfungszeitpunkt, nicht bestehen (vgl. BGH, GRUR 1983, 186, 188 – [Wiederholte Unterwerfung I]; zur Beweislast ferner BGH, GRUR 1987, 640 – [Wiederholte Unterwerfung II]).

dd) Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterwerfung und dem Verfolgungswillen des Gläubigers liegen regelmäßig nahe, wenn derjenige, gegenüber dem der Schuldner sich unterwirft, den Verletzer zuvor nicht abgemahnt hatte. Denn mangels eigener Abmahnung ist nicht zu erkennen, dass er – ungeachtet seiner Befähigung hierzu – ein konkretes Interesse daran habe, das wettbewerbswidrige Verhalten zu unterbinden und – folglich – bereit sei, das Verhalten des Schuldners zu überwachen und künftige Verstöße zu verfolgen (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2003, 1430; Bornkamm, a.a.O., Rn. 167 ff.).

ee) Außerdem kann nur eine inhaltlich zureichende Drittunterwerfung die Wiederholungsgefahr beseitigen. Dies braucht der Senat nicht näher zu erläutern, da rechtlich zwischen den Parteien nicht im Streit.

b) Die Umstände, die der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, lassen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der abgegebenen Unterwerfungserklärung sowie am Verfolgungswillen und an der Verfolgungseignung der Unterwerfungsgläubigerin bestehen. Darüber hinaus war die abgegebene Erklärung inhaltlich unzureichend.

aa) Es bestehen aus der Auswahl des Empfängers durch die Verfügungsbeklagte Zweifel an der Ernsthaftigkeit der abgegebenen Erklärung.

Aus Sicht der Verfügungsbeklagten lag kein sachlicher Grund dafür vor, ihre Erklärung nicht gegenüber der Abmahnenden anzugeben. Weder etwa drohende Abmahnungen gegenüber anderen Drogeriemärkten (Konkurrenten), noch eine Empfehlung des Herstellers erklären diese Vorgehensweise überzeugend.

Vielmehr hätte es für die Verfügungsbeklagte zumindest nahe gelegen, die Erklärung, wenn schon gegenüber der Wettbewerbszentrale, dann nicht gegenüber einem unstreitig untergeordneten Regionalbüro abzugeben.

Zwar kann nicht verkannt werden, dass die Verfügungsbeklagte glaubhaft gemacht hat, sich umgehend und erfolgreich darum bemüht zu haben, die beanstandete Ware aus dem Sortiment aller ihrer Ladengeschäfte zu nehmen. Gleichwohl legt ihre Auswahl des Erklärungsempfängers (eines ersichtlich einer engen räumlichen Beschränkung auf die Länder B. und Ba. unterliegenden Büros der Wettbewerbszentrale) den Verdacht nahe, dass sie sich daraus illegitime Vorteile in Gestalt einer lückenhafteren Überwachung oder einer schwächeren Verfolgungsneigung der Gläubigerin versprochen habe, zumal ihr Verteidigungsvorbringen zu den Einschränkungen ihrer Unterlassungserklärung zeigt, dass sie künftige Auseinandersetzungen um dasselbe oder ersatzhalber geführte Produkte fürchtete.

bb) Unstreitig ist ein Unterwerfungsvertrag der Verfügungsbeklagten mit der Wettbewerbs-zentrale, Büro B., und damit gegenüber einem Dritten, zustande gekommen. Jedoch hatte dieser die Verfügungsbeklagte vorher nicht abgemahnt. Hiervon ist auszugehen, da die Verfügungsbeklagte, die allein in der Lage wäre, hierzu substantiiert vorzutragen, sich auf eine pauschale und damit unzureichende Behauptung beschränkt. Zweifelhaft ist auch, ob die Wettbewerbszentrale (B.) ihre Rechte aus dieser Vereinbarung ernstlich und nachhaltig verfolgen wollte, als sie sie annahm.

(1) Von einer Bereitschaft, eine solche Vereinbarung durchzusetzen, kann nicht per se ausgegangen werden, wenn der Gläubiger gar keine Initiative ergriffen hatte (vgl. Bornkamm, a.a.O., Rn. 168 a).

(2) Hinzu tritt die unstreitige räumliche Beschränkung des Betätigungsfeldes des Büros B. der Zentrale auf einen kleinen Teil des Bundesgebietes, der es unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sie hunderte von Kilometern entfernt Kontrollen in Ladengeschäften der Verfügungsbeklagten durchführt oder dass gerade sie von deren Konkurrenten oder Verbrauchern auf von jener begangene Wettbewerbsverstöße hingewiesen wird.

c) Darüber hinaus reicht die abgegebene Unterlassungserklärung mit ihrem unstreitigen Inhalt nicht aus, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.

aa) Durch eine Drittunterwerfung entfällt die Wiederholungsgefahr nicht, wenn ein Gläubiger berechtigterweise eine andere, namentlich eine weitergehende Unterwerfungserklärung auf Grund desselben Wettbewerbsverstoßes verlangt hatte (vgl. BGH, GRUR 2002, 824 – [Teilunterwerfung]; OLG Frankfurt, WRP 1987, 255; OLG Hamm, WRP 1987, 261, 263; Bornkamm, a.a.O., Rn. 172).

bb) Der Kläger hatte von der Verfügungsbeklagten bzgl. der Materialkennzeichnung eine weiterreichende Unterlassungserklärung gefordert und hierauf auch Anspruch.

(1) Die Verfügungsbeklagte hat ihre Erklärung gegenüber der Wettbewerbszentrale unstreitig mit zwei Zusätzen versehen, indem sie zum einen das Wort „pauschal“ einfügte und zum anderen den Halbsatz „sofern dies nicht sachlich zutreffend ist" anfügte. Darüber hinaus hat sie ein Bild des angegriffenen Artikels in ihre Erklärung eingefügt.

(2) Das Wort „pauschal“ stellt entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten nicht lediglich klar, um die verbotene von zulässigen Aussagen abzugrenzen, sondern es schränkt die Reichweite der Unterlassungserklärung inhaltlich dahin ein, dass sie Materialangaben nicht erfasst, die die Aussage „100% Baumwolle“ in einem Kontext enthalten, gleich welchen Inhalts. Damit hat die Verfügungsklägerin einen Teil des Unterlassungsanspruchs aus ihrer Erklärung herausgeschnitten, in dem diese die Behauptung „100% Baumwolle“ auch in Bezug auf das Gesamtprodukt nicht erfasst, sofern sie nur mit einem Zusatz versehen ist. Damit wird sie dem durch den Wettbewerbsverstoß entstandenen umfassenden Unterlassungsanspruch nicht gerecht.

Der Verfügungskläger ist auch nicht auf eine Auslegung nach der Kernbereichstheorie zu verweisen.

(3) Auch den Zusatz „sofern dies nicht sachlich zutreffend ist“ muss der Verfügungskläger nicht hinnehmen. Denn dieser kann zwar, wie es die Verfügungsbeklagte dazustellen trachtet, dahin verstanden werden, dass der Verfügungsbeklagten diese Bezeichnung erlaubt bleiben soll, falls das Produkt umgestaltet wird. Er kann aber auch dahin verstanden werden, dass die Richtigkeit der beanstandeten Aussage in Bezug auf das angebotene Produkt offen bleiben solle.

Eine Mehrdeutigkeit der Unterwerfung geht zu Lasten des Schuldners, der die Wieder-holungsgefahr zu beseitigen hat. Auf die aus ihr erwachsende Unsicherheit muss sich der Verfügungskläger gleichfalls nicht einlassen, zumal durch die Bezugnahme auf das konkrete Produkt und die Formulierung ihrer Abmahnung hinreichend klar war, dass sie die Materialangabe nur in Bezug auf die angebotene Ware in ihrer konkreten Materialzusammensetzung beanstandete. Eine Beschränkung dergestalt, wie sie die Verfügungsbeklagte sich angeblich offen halten wollte, war dem Verlangen damit schon immanent und eine textliche Klarstellung also nicht mehr geboten.

(4) Dahinstehen kann angesichts dessen, ob das einbezogene Lichtbild gleichfalls als Beschränkung verstanden werden konnte.

3.

Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht entfallen.

a) Die nach § 12 Abs. 2 UWG zu vermutende Dringlichkeit kann nicht nur durch eine verzögerliche Antragstellung entfallen, auch durch eine verzögerliche Verfahrensführung (vgl. statt vieler OLG Frankfurt, MMR 2009, 564, 565). Eine solche ist regelmäßig nicht darin zu sehen, dass der Anspruchsteller Rechtsmittelfristen ausschöpft (OLG Köln, NJWE-WettbR 1997, 176, 177; OLG Hamm, GRUR 1993, 512). Der Gesetzgeber hat dem ersichtlich keine Dringlichkeitsschädlichkeit beigemessen; ansonsten hätte er diese Fristen für das Verfügungsverfahren verkürzt (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 3.16 zu § 12; OLG München, GRUR 1992, 328; offen gelassen in BGH, GRUR 2000, 151, 152 – [Späte Urteilsbegründung]). Nur ausnahmsweise kann daher etwas anderes gelten, wenn besondere Umstände darauf hindeuten, das die Frist zweckwidrig ohne Grund ausgenutzt und so zu erkennen gegeben wird, dass die Sache dem Anspruchsteller nicht eilig sei (vgl. auch OLG Köln, WRP 1980, 503; OLG Düsseldorf, NJWE-WettbR 1997, 27, 28; Köhler, a.a.O., m.w.N.; s. auch OLG Karlsruhe, WRP 2005, 1188, 1189; OLG Celle, GRUR-RR 2008, 441, 442; KG, GRUR-RR 2008, 368; Traub, GRUR 1996, 709, 710 f., m.w.N.).

b) Nach diesen Grundlinien ist das Verhalten des Verfügungsklägers im vorliegenden Rechtsstreit nicht dringlichkeitsschädlich. Er hat weder eine Verlängerung einer gesetzlichen Frist beantragt, noch stellt sich die Sache als objektiv so außergewöhnlich eilbedürftig dar, dass schon das Ausschöpfen der gesetzlichen Fristen als Anzeichen dafür gewertet werden könnte, dass der Verfügungskläger sein Interesse an dem Verfügungsantrag verloren habe.

Auch der von der Verfügungsbeklagten angesprochene Abschluss eines Widerrufsvergleichs kann – schon wegen der Vorgabe des § 279 ZPO – vorliegend nicht als dringlichkeitsschädlich gewertet werden. Aus der maßgebenden Sicht des Verfügungsklägers war dieser Vergleich die erfolgversprechende Chance, den Rechtsstreit und damit den Streit im Ganzen schneller als durch ein Urteil inhaltlich vertretbar zu beenden. Schon dies spricht dagegen, aus dem Vergleichsschluss ein Anzeichen dahin zu lesen, dass dem Verfügungskläger die Sache nicht eilig gewesen sei. Besondere Umstände, die ein anderes Ergebnis tragen könnten, namentlich eine überlange Widerrufsfrist, sind nicht vorgetragen.

B.

Der auf unberechtigte Behauptung eines Markenrechts gestützte Anspruch ist in der Hauptsache erledigt. Da sich die Verfügungsbeklagte der Erledigungserklärung des Verfügungsklägers nicht angeschlossen hat, hat der Senat die Hauptsacheerledigung durch Urteil festzustellen. Denn dieser Klageteil war anfänglich zulässig und begründet.

Insoweit behauptet die Verfügungsbeklagte lediglich eine Lizenzberechtigung der Herstellerin aus einem Markenschutz für die Benelux-Staaten, ohne dass der im zweiten Rechtszug neue Vortrag auch nur erkennen ließe, dass jene sich beim Eintritt der Anhängigkeit des Verfügungsantrages auf das nach ihrem Vortrag fremde Markenrecht in Deutschland stützen hätte können. Der Lizenzvertrag wurde von der Lizenznehmerin am 01. Oktober 2009 unterzeichnet, der Verfügungsantrag trägt den gerichtlichen Eingangsstempel des 21. September 2009 und wurde am 23. September 2009 zugestellt (GA 70). Auch die pauschale, bestrittene Behauptung, die Unterlagen bestätigten lediglich eine zwischen den Vertragsparteien schon länger bestehende Rechtslage, ist – schon mangels Substantiierung und mangels Glaubhaftmachung – ungeeignet, ein abweichendes Ergebnis zu tragen.

Die lediglich in Kopie mit der Berufungserwiderung vorgelegten Anlagen ergeben nicht prozesserheblich etwas anderes.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Die Revision kann nicht zugelassen werden (§ 542 Abs. 2 ZPO).

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