Produktbezeichnung „Marsecco“ für Wein ist nicht irreführend

29. November 2013
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Eigener Leitsatz:

Die Produktbezeichnung "Marsecco" für einen in Italien hergestellten und in Deutschland vertriebenen Wein ist nicht irreführend. Der deutsche Verbraucher schließt aufgrund des Wortteils "secco" weder auf den Zuckergehalt noch auf die Geschmacksrichtung des Weins.

Oberlandesgericht Saarbrücken

Urteil vom 13.11.2013

Az.: 1 U 407/12

 

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. August 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 8 O 112/11 (KfH), wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. August 2012 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 8 O 112/11 (KfH), unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 263.197,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.000 Euro seit dem 14. September 2011 und aus 253.197,13 Euro seit dem 16. Februar 2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche                            Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.380,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 775,64 Euro seit dem 14. September 2011 und aus 2.605,15 Euro seit dem 16. Februar 2013 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

4. Das Urteil, sowie das angegriffene Urteil des Landgerichts Saarbrücken, ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zahlung von Schadensersatz wegen Nichtabnahme von Schaumwein, die Beklagte im Wege der Widerklage Schadensersatz aufgrund Nicht-Verkehrsfähigkeit der Ware.

Der Kläger, Inhaber der Wortmarken „Castle of Dracula“ und „Marsecco“ betreibt – zumindest auch – einen Weinhandel. Die Beklagte vertreibt vor allem den von ihrer Muttergesellschaft in Frankreich hergestellten Champagner, aber auch verschiedene Weine.

Mit Vertriebsvertrag vom 18. April 2007 gewährte der Kläger der Rechtsvorgängerin der Beklagten unter anderem das alleinige Recht, das Produkt „Castle of Dracula – Marsecco“, einen in Italien hergestellten Perlwein, zu vertreiben. Der Vertrag wurde für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2009 fest geschlossen. Es wurde vereinbart, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten jährlich 150.000 Flaschen zu einem Preis von 3,75 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer ab Werk in Italien abnimmt. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 79 f. d.A. Bezug genommen. Mit 2. Nachtrag vom 14. März 2008 (Bl. 82 d.A.) vereinbarten der Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Laufzeitverlängerung des Vertrages auf drei Jahre und legten die Abnahmemengen wie folgt fest: im ersten Vertragsjahr 75.000 Flaschen, im zweiten Jahr 100.000 Flaschen und im dritten Jahr 125.000 Flaschen.

Der Kläger lieferte insgesamt 100.000 Flaschen, welche die Beklagte auch bezahlte. Jedenfalls ca. 60.000 Flaschen im Wert von 248.125,44 Euro befinden sich noch bei der Beklagten.

Mit Schreiben vom 20. November 2009 (Bl. 149 f. d.A.) kündigte die Beklagte den Vertriebsvertrag. Sie sehe sich außerstande, die Restmenge von 125.000 Flaschen noch abzunehmen. Die Parteien vereinbarten in der Folge eine Vertragsverlängerung bis zum 30. April 2011 und eine Abnahme der Restmenge bis dahin. In ihrem Schreiben vom 21. Dezember 2009 führte die Beklagte unter anderem aus (Bl. 113 d.A.):

„Wir haben Ihr Schreiben vom … erhalten und werden auf der Basis einer Vertragsverlängerung bis zum 30.04.2011 die restlichen Verkäufe von Castle of Dracula abwickeln. (…) Die Restbestände planen wir bis Ende April 2011 folgendermaßen abzunehmen: …“

Unter Verweis auf die gesetzeswidrige Etikettierung der Ware forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2010 auf, die noch bei ihr befindlichen Flaschen, welche unter unbehebbaren Mängeln litten, zurückzunehmen. Sie sehe sich nicht mehr in der Lage den Vertrag fortzuführen (Bl. 19 ff. d.A.). Nach weiterem Schriftwechsel erwirkte die Klägerin hinsichtlich der gerügten Mängel der Etikettierung unter dem 13. Juli 2010 eine Ausnahmegenehmigung der Stadt (Bl. 23 ff. d.A.). Die Beklagte nahm daraufhin den Vertrieb des Produkts wieder auf.

Am 2. August 2010 untersuchte das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz (LSGV) bei der Beklagten einen Teil der vom Kläger gelieferten Flaschen. Neben den Kennzeichnungsmängeln, bezüglich deren die Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, beanstandete das LSGV die Bezeichnung „Marsecco“. Hierin sei der Wortteil „secco“ enthalten. Dieser sei als Geschmacksangabe für einen italienischen Perlwein IGT delle Venezie zugelassen, wenn der Restzuckergehalt zwischen 0 und 15 g/Liter liege. Da der Restzuckergehalt des vom Kläger vertriebenen Perlweins bei 32 g/Liter liege, sei die Bezeichnung „Marsecco“ irreführend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 93 ff. d.A. Bezug genommen. Hieran anknüpfend wurde die Beklagte durch Schreiben der Landwirtschaftskammer (LWK) vom 23. August 2010 dahingehend belehrt, dass das Inverkehrbringen von Erzeugnissen mit irreführender Bezeichnung nach § 25 Abs. 1 WeinG unzulässig sei.

Unter Verweis auf diese Belehrung teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27. August 2010 mit, ein weiteres Festhalten am Vertrag sei für sie unzumutbar. Der Kläger wurde aufgefordert, den noch bei ihr lagernden Bestand binnen vier Wochen abzuholen.

Nach der Bitte des Klägers, die LWK möge ihre Rechtsauffassung überprüfen, teilte diese mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 (Bl. 31 d.A.) mit, ihr vorheriges Schreiben sei nicht als Verkaufsverbot zu verstehen. Einem Abverkauf der an Lager befindlichen Ware stehe aus Sicht der Weinüberwachung nichts entgegen. Der Kläger leitete dieses Schreiben an die Beklagte weiter und forderte sie auf, ihrer Abnahmepflicht sofort nachzukommen.

In der Folge verhandelte die Beklagte mit der LWK, der sie u.a. mitteilte, es gehe ihr um die zuverlässige Klärung der Frage, ob sie die bei ihr lagernden Bestände mit der Bezeichnung „Marsecco“ in den Verkehr bringen dürfe. Nach Beteiligung des Ministeriums für Wirtschaft und Wissenschaft als übergeordneter Behörde erließ die LWK am 20. Dezember 2010 ein Verkaufsverbot hinsichtlich der bei der Beklagten lagernden Flaschen aufgrund deren irreführender Bezeichnung (Bl. 35 f. d.A.). Die Beklagte teilte dem Kläger mit, sie werde hiergegen keinen Widerspruch einlegen und forderte zur Abholung der Ware auf.

Der Kläger seinerseits legte gegen das Verkaufsverbot Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht des Saarlandes, die LWK zu verpflichten, den Verkauf der Falschen zu dulden. Das Verwaltungsgericht wies den Eilantrag wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis ab. Sein Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, so dass das Verkaufsverbot dem Vertrieb nicht entgegenstehe.

Ein auf Anzeige der LWK gegen den Geschäftsführer der Beklagten, Herrn eingeleitetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wurde mit Schreiben vom 11. November 2011 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 151 f. d.A. Bezug genommen.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe bis zum 30. April 2010 in mehreren zeitlich befristeten Partien 125.000 Flaschen abzunehmen gehabt. Er ist der Ansicht, die Bezeichnung als „Marsecco“ sei nicht irreführend. Die Kündigungen seien schon aufgrund fehlender Abmahnung wirkungslos. Eine Abmahnung sei auch nicht entbehrlich gewesen, da die gerügten Mängel hätten abgestellt werden können.

Der Kläger machte im Wege der Teilklage den entgangenen Gewinn für 4.762 Flaschen geltend (Differenz zwischen Einkaufspreis von 1,65 Euro, mit Schriftsatz vom 28. November 2011 korrigiert auf 1,63 Euro, und Verkaufspreis von 3,75 Euro) und hat mit der, der Beklagten am 13. September 2011 zugestellten Klage beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.000 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.05.2010

sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 Euro nebst 5 Prozent Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wege der Widerklage machte die Beklagte die Erstattung des Kaufpreises für den Perlwein sowie Lagerkosten ab September 2010 von monatlich 405 Euro geltend und hat beantragt,

1. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 248.125,44 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. August 2010 zu zahlen;

2. den Kläger des Weiteren zu verurteilen, an die Beklagte 8.910,00 Euro und ab dem 1. Juli 2012 405,00 Euro je abgelaufenem Monat zu zahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht, auf die Ausnahmegenehmigung könne sich der Kläger nicht berufen, da diese von einer unzuständigen Behörde erteilt worden sei. Im Übrigen sei sie mittlerweile abgelaufen.

Der Kläger hat hinsichtlich der Widerklageforderung die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit am 21. August 2012 verkündetem Urteil (Bl. 175 ff. d.A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken der Klage in Höhe von 8.500,17 Euro stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die Kündigungen der Beklagten seien jedenfalls aufgrund fehlender Abmahnung unwirksam. Dem Kläger seien jedoch Aufwendungen in Höhe von nach § 287 ZPO geschätzten 15% der Preisdifferenz anzurechnen. Etwaige Gewährleistungsansprüche der Beklagten seien verjährt. Mangels Verstoß gegen das Irreführungsverbot und aufgrund fehlender Schutzgesetzeigenschaft scheide auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 25 WeinG bzw. der Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Wein aus.

Gegen dieses ihm am 24. August 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 23. September 2012 bei Gericht eingereichtem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. November 2012 mit am 24. November 2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Auch die Beklagte hat gegen dieses ihr am 27. August 2012 zugestellte Urteil mit am 25. September 2012 bei Gericht eingereichtem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. November 2012 mit am Vortag eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und ist der Ansicht, die Kürzung seines Anspruchs um ersparte Aufwendungen sei eine Überraschungsentscheidung. Zudem seien Generalunkosten bei der Berechnung des entgangenen Gewinns nicht abzuziehen. Sein Aufwand habe sich auf das Übersenden der Rechnungen an die Beklagte und die Begleichung der Rechnungen des Lieferanten in Italien beschränkt. Aufwand, wie im 2. Nachtrag festgehalten, sei – wenn überhaupt – nur zu Beginn der Geschäftsbeziehung der Parteien entstanden, danach nicht mehr. Musterware habe die Beklagte auf eigene Kosten eingesetzt.

Hinsichtlich der Zinsen habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass die Beklagte Grund und Höhe der Zinsen nicht bestritten habe. Zumindest sei Verzug ab ernsthafter und endgültiger Abnahmeverweigerung der Beklagten eingetreten.

Da es sich um einen Exklusiv-Vertriebsvertrag gehandelt habe, liege auch ein Dauerschuldverhältnis vor. Um sich hiervon zu lösen, habe die Beklagte treuwidrig Kündigungsgründe zu schaffen versucht.

Der Kläger hat bezüglich der Erstberufung zunächst angekündigt, er werde beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2010 zu zahlen, abzüglich zuerkannter 8.500,17 Euro nebst Zinsen seit dem 14. September 2011.

Er hat die Klage auf den entgangenen Gewinn bezüglich sämtlicher nicht abgenommener 125.000 Flaschen erweitert. Insoweit legt er einen Einkaufspreis von 1,63 Euro zugrunde.

Mit dem der Beklagten am 15. Februar 2013 zugestelltem Schriftsatz beantragt der Kläger klageerweiternd zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 253.197,13 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.09.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.198,24 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen sowie

1. das Urteil des LG Saarbrücken – Az. 8 O 112/11 (KfH) – vom 21. August 2012 aufzuheben;

2. die Klage abzuweisen;

3. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 248,125,44 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. August 2010 zu zahlen;

4. den Kläger des Weiteren zu verurteilen, an die Beklagte 8.910,00 Euro und ab dem 1. Juli 2012 405,00 Euro je abgelaufenem Monat zu zahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht Saarbrücken sei zu Unrecht von einem Dauerschuldverhältnis ausgegangen. Es handele sich um einen Sukzessivlieferungsvertrag in Form eines Ratenlieferungsvertrags. Dieser sei nicht durch Kündigung, sondern durch Rücktritt beendet worden. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger das für die Vertragsabwicklung notwendige gegenseitige Vertrauen nachhaltig zerstört habe. Er habe an die Beklagte nicht verkehrsfähig etikettierte Ware geliefert. In einer Zeitspanne von fast drei Monaten bis zur Erteilung der Ausnahmegenehmigung sei die Beklagte nicht lieferfähig gewesen. Aufgrund des Verstoßes des Klägers gegen § 241 Abs. 2 BGB habe die Beklagte nach § 324 BGB vom Vertrag zurücktreten können. Das Landgericht habe den Vertrauensverlust auf Seiten der Beklagten nicht berücksichtigt.

Bei der Berechnung der Aufwendungen habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Kläger hierzu darlegungs- und beweispflichtig ist. Eine unbegründete Schätzung werde dem Sachverhalt nicht gerecht. Ausweislich des 2. Nachtrags vom 14. März 2008 habe der Kläger durchaus Mitwirkungspflichten an dem Geschäft und ihm dadurch entstehende weitere Kosten. Der Kläger habe regelmäßig Kunden der Beklagten besucht und sei öfter am damaligen Sitz der Beklagten in gewesen. Musterwaren seien von ihm eingesetzt worden. Der Zinsanspruch vor dem 14. September 2011 werde bestritten.

Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger einen Einkaufspreis von 1,63 Euro pro Flasche gezahlt habe.

Bezüglich der Widerklageforderung ist die Beklagte der Ansicht, § 25 WeinG sei anwendbar. Die Etikettierung mit „Marsecco“ verstoße gegen das Verbot zum Schutz vor Täuschung nach Art. 118x VO (EG) Nr. 1234/2007 und § 25 WeinG. Diese Normen seien auch Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift des Landgerichts Saarbrücken vom 7. August 2012, des Senats vom 23.Oktober 2013 sowie das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21. August 2012 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet, die zulässige Zweitberufung der Beklagten dagegen unbegründet.

I. Die zulässige Erstberufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Die Tatsachen, die der Senat gemäß den §§ 529, 531 ZPO seiner Beurteilung zugrunde zu legen hat, rechtfertigen eine dem Kläger rechtlich vorteilhaftere Entscheidung, § 513 ZPO.

Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB zusteht. Dieser ist entgegen der Ansicht des Landgerichts jedoch nicht infolge ersparter Aufwendungen zu kürzen.

1. Die Klageerweiterung des Klägers ist zulässig.

Auf den vorliegenden Fall der Klageerweiterung ist die Vorschrift des § 533 ZPO nicht anwendbar. In den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO bedarf es in der Berufungsinstanz weder der Einwilligung des Gegners noch der Sachdienlichkeit, da § 525 ZPO auf diese Privilegierung der Klageänderung ebenfalls verweist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2005 – VII ZR 138/04 -, juris, Absatz-Nr. 25; Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 533 Rn. 13). Die zugrunde zu legenden Tatsachen sind mit denen der ersten Instanz im Sinne von § 533 Nr. 2 ZPO identisch, so dass auch § 531 Abs. 2 ZPO der Zulässigkeit nicht entgegensteht. Der Sachverhalt, welcher der erweiterten Klage zugrunde liegt, deckt sich mit dem in erster Instanz festgestellten, da es sich dort lediglich um eine Teilklage gehandelt hat. Das streitige Rechtsverhältnis aus dem der Kläger seine Ansprüche geltend macht, ist das gleiche.

Auf die eigentliche Klageänderung findet § 531 Abs. 2 ZPO keine Anwendung, da es sich dabei nicht um ein Angriffsmittel, sondern um den Angriff selbst handelt (vgl. Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 531 Rn. 3).

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz wegen nicht abgenommener Flaschen aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB in Höhe der nach Klage und Klageerweiterung beantragten 263.197,13 Euro.

a. Das Landgericht Saarbrücken hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte aus dem Exklusiv-Vertriebsvertrag vom 18. April 2007 in Verbindung mit dem 2. Nachtrag vom 14. März 2008 (Bl. 82 d.A.) eine Pflicht zur Abnahme von noch restlichen 125.000 Flaschen trifft. Hiergegen trägt die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung auch nichts Dezidiertes vor.

b. Die Pflicht zur Abnahme der vorgenannten Menge ist nicht infolge Kündigung nach § 314 BGB entfallen (1.). Selbst wenn man, der Rechtsansicht der Beklagten folgend, die Rücktrittsvorschriften des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts anwenden will, folgt hieraus kein anderes Ergebnis (2.).

(1.) Die Beklagte konnte sich nicht wirksam durch Kündigung vom Vertriebsvertrag lösen.

(a.) Zutreffend ist das Landgericht Saarbrücken vom Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses ausgegangen, so dass der Beklagten nur eine Loslösung durch eine Kündigung aus wichtigem Grund, § 314 Abs. 1 BGB möglich ist.

Ein solches Schuldverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass der Umfang der vertragstypischen Hauptleistung erst mit Hilfe der Zeit quantifizierbar ist. Das typische Risiko der Parteien, die ein Dauerschuldverhältnis eingegangen sind, liegt demnach in der fehlenden Überschaubarkeit des letztlich geschuldeten Leistungsumfangs sowie der Umstände der Leistungserbringung (vgl. Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 314 Rn. 5).

Nicht zu den Dauerschuldverhältnissen zählen daher Lieferverträge nur dann, wenn zwar sukzessiv geleistet wird, der Umfang der Lieferung aber von vornherein feststeht, sog. Ratenlieferungsvertrag. Wurde die zu liefernde (Gesamt-)Menge jedoch nicht schon bei Vertragsschluss vereinbart, sondern entwickelt sich diese erst im Laufe der Vertragsbeziehung, liegt ein Dauerschuldverhältnis vor. Der Umfang der zu erbringenden Leistung richtet sich nach dem Bedarf des Vertragspartners, so dass der andere Vertragspartner auf Anforderung ständig liefern können muss (vgl. Weth, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 314 Rn. 10).

Hiernach liegt ein Dauerschuldverhältnis vor.

Zutreffend verweist das Landgericht Saarbrücken auf die nicht feststehende Abnahmemenge. Es wurde lediglich eine Mindestabnahme vereinbart. Die Beklagte hatte die Möglichkeit auch ein größeres Kontingent Flaschen beim Kläger zu ordern. Eine feste Vertragsdauer war nicht vereinbart. Diese wurde vielmehr zunächst auf zwei, später auf drei Jahre, jedoch mit Verlängerungsklausel festgelegt. Der Umstand, dass die Beklagte die Rechte erhielt, die Produkte „exklusiv“ (Bl. 79 d.A.) in Deutschland zu vertreiben, zeigt auch das bei Dauerschuldverhältnissen in der Regel vorliegende persönliche Vertrauensmoment.

Für eine Loslösung vom Vertrag durch Kündigung spricht auch, dass es nicht im Interesse der Parteien liegen dürfte, auch die zuvor störungsfrei erbrachten Leistungen rückabzuwickeln, was aber im Falle des Rücktritts zu erfolgen hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. Februar 1985 – VIII ZR 15/84 -, NJW 1986, S. 124, 126; BGH, Urteil vom 23. Februar 1972 – VIII ZR 115/70 -, NJW 1972, S. 827).

(b.) Eine wirksame Kündigung liegt nicht vor.

In den Schreiben der Beklagten vom 20. November 2009 (Bl. 149 f. d.A.), 22. April 2010 (Bl. 19 f. d.A.) und vom 27. August 2010 (Bl. 26 f. d.A.) liegt zwar die Erklärung einer Kündigung, da sich aus diesen jeweils der Wille der Beklagten zur Lösung vom Vertrag entnehmen lässt. Unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes, fehlt es jedoch stets an der erforderlichen Abmahnung.

Nach § 314 Abs. 1 BGB kann jeder Vertragsteil eines Dauerschuldverhältnisses den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Besteht der wichtige Grund jedoch in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, § 314 Abs. 2 BGB.

Der Schuldner soll hierdurch eine letzte Chance erhalten, um zu einem vertragsgemäßen Verhalten zurückzukehren. Gleichzeitig liegt der Regelung die Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde, dass Pflichtverletzungen im Regelfall erst nach erfolgloser Abhilfefrist und Abmahnung als wichtiger Grund qualifizierbar sind (vgl. Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 314 Rn. 15).

Die vermeintliche Pflichtverletzung des Klägers liegt in der Lieferung nicht verkehrsfähiger Ware und damit in einem Verstoß gegen § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Daher war die Beklagte zu einer Abmahnung verpflichtet. Diese war auch nicht entbehrlich.

Hinsichtlich der Kündigung vom 20. November 2009 fehlt es, wie das Landgericht Saarbrücken zutreffend festgestellt hat, bereits am Vorliegen eines wichtigen Grundes. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten auch nicht.

Bezüglich der Kündigung vom 22. April 2010 war eine Abmahnung erforderlich. Wie das Landgericht Saarbrücken zutreffend ausführt, zeigt der Umstand der später erteilten Ausnahmegenehmigung, dass die gerügten Verstöße bezüglich der Etikettierung behebbar waren, bzw. nicht dazu führen mussten, dass die Beklagte die Ware nicht weiterverkaufen konnte. Nach Inaugenscheinnahme einer Flasche im Termin vor dem Landgericht, stellte dieses auch fest, eine Umetikettierung sei möglich. Hieran zu Zweifeln besteht auch aus Sicht des Senats, der ebenfalls im Termin die Flasche samt Etikettierung in Augenschein nahm, kein Anlass, zumal die gerügten Etikettierungsmängel in der Ausnahmegenehmigung der Stadt Hamburg vom 13. Juli 2010 (Bl. 23 ff. d.A.) jeweils als „geringfügig“ eingestuft wurden.

Auch vor der Kündigung am 27. August 2010 wäre die Beklagte zu einer Abmahnung verpflichtet gewesen.

Diesbezüglich rügte die Beklagte die irreführende Bezeichnung „Marsecco“. Dies ist bereits, wie noch ausgeführt wird, nicht zutreffend. Unabhängig hiervon stellt das Landgericht Saarbrücken jedoch auch insoweit darauf ab, dass dem Kläger eine Änderung der Etiketten für die Zukunft möglich gewesen wäre. Eine Hinführung zu vertragsgerechtem Verhalten, hätte somit Erfolg haben können. Gerade weil dieser vermeintliche Mangel zuvor keine Rolle spielte, vielmehr die Vertragsbeziehung schon über einen längeren Zeitraum durchgeführt wurde, folgt aus der gebotenen Interessenabwägung kein Recht der Beklagten, sich sofort vom Vertrag zu lösen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Landgericht Saarbrücken auch die Vertrauensgesichtspunkte adäquat berücksichtigt.

Ein Vertrauensverlust auf Seiten der Beklagten lag jedenfalls nicht in einem Maße vor, der eine Abmahnung entbehrlich machte.

Dem Kläger kann nicht vorgeworfen werden, dass er nach der Beanstandung der Etiketten infolge der Kontrolle am 28. April 2010 erst am 13. Juli 2010 die Ausnahmegenehmigung vorlegte. Zum einen hat der Kläger diese Ausnahmegenehmigung entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht erst am 13. Juli, sondern bereits am 28. Juni 2010 beantragt, was sich aus der Ausnahmegenehmigung ergibt (Bl. 23 d.A.). Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Etikettierungsmängel, die sie im Kündigungsschreiben vom 22. April 2010 anführte, zuvor gegenüber dem Kläger gerügt hat. Dem Kläger ist daher einerseits eine gewisse Zeitspanne zur Reaktion zuzubilligen und andererseits das Recht, die erstmals mit der Kündigung vorgebrachte Beanstandung seinerseits überprüfen zu lassen. Dies hat er durch Beauftragung des Labors Dialab getan.

Ausweislich der Ausnahmegenehmigung der Stadt Hamburg lag die vom Kläger hiernach beauftragte Untersuchung durch das Handelslabor Dialab jedoch erst am 21. Juni 2010 vor (vgl. Bl. 23 d.A.). Die hierauf folgende Beantragung der Ausnahmegenehmigung am 28. Juni 2010 ist durchaus rechtzeitig erfolgt.

Schließlich hat die Stadt Hamburg die seitens der Beklagten gerügten Mängel an der Etikettierung sämtlich als „geringfügig“ eingestuft, was dem Recht auf sofortige fristlose Kündigung ohne Abmahnung ebenfalls entgegensteht.

Ein derartiger Vertrauensverlust auf Seiten der Beklagten, welcher dieser das Recht zur sofortigen fristlosen Kündigung zubilligen würde, liegt nicht vor.

Zum Zeitpunkt der Kündigung am 27. August 2010 lag das Belehrungsschreiben der LWK vom 23. August 2010 (Bl. 28 d.A.) vor. Dieses enthält keine Aussage dazu, ob die bei der Beklagten lagernde Ware noch verkauft werden darf. Unter Berücksichtigung des bei Dauerschuldverhältnissen gebotenen persönlichen Vertrauens wäre es geboten gewesen, dass die Parteien einvernehmlich eine Klärung hierzu herbeiführen. Die LWK hatte dann auch zunächst mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 (Bl. 31 d.A.) klargestellt, ihr vormaliges Schreiben sei nicht als Verkaufsverbot zu verstehen.

Dem Kläger kann auch kein bewusster Verstoß gegen seine Lieferpflichten vorgeworfen werden. Auch die Beklagte hatte die Etikettierung mit „Marsecco“ lange Zeit nicht beanstandet. Auch seitens der Stadt, die die Ausnahmegenehmigung erteilte, erfolgte keine Beanstandung. Wie gerade der vorliegende Rechtsstreit zeigt, wird die Frage der Irreführung aufgrund dieser Bezeichnung unterschiedlich beantwortet. Bei dieser Sachlage rechtfertigt eine – unterstellte – Pflichtverletzung kein sofortiges Kündigungsrecht.

Bezüglich künftiger Lieferungen hätte der Kläger auch eine andere Etikettierung wählen können, so dass eine Abmahnung durchaus Sinn gemacht hätte.

Die Beklagte kann dem Kläger auch keinen Vertrauensbruch mit Blick auf dessen Gesamtverhalten und die Lieferbeanstandungen vorwerfen.

Soweit sie auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung abstellt, verfängt dies schon aus zeitlichen Gründen nicht. Erst mit Schreiben vom 5. Januar 2011 (Bl. 96 d.A.) wurde seitens der Behörden in angeregt, den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorzulegen. Diese hat mit Schreiben vom 11. November 2011 das Ermittlungsverfahren eingestellt. Zu beiden Zeitpunkten waren die Kündigungen der Beklagten jedoch schon ausgesprochen. Eine mögliche strafrechtliche Sanktion eines Verkaufs wurde zuvor nicht thematisiert. Nach Vorlage des Schreibens der LWK vom 4. Oktober 2010, in welchem diese klarstellt, kein Verkaufsverbot ausgesprochen zu haben, hätte man der Beklagten auch kein vorsätzliches Verhalten vorwerfen können.

Eine Abmahnung bzw. Fristsetzung war auch nicht nach §§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 BGB entbehrlich.

Entsprechend § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB bedarf es keiner Abmahnung bei Vorliegen besonderer Umstände. Solche können bei Interessenwegfall oder auch offensichtlicher Zwecklosigkeit einer Abhilfefrist oder Abmahnung angenommen werden. Letzteres ist der Fall, wenn durch die Pflichtverletzung eine irreparable Störung der Vertrauensbasis gegeben ist, die auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann (vgl. Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 314 Rn. 17 mwN).

Derartiges liegt nach obigen Ausführungen nicht vor. Vielmehr zeigt der Ablauf, dass durch einvernehmliches Parteihandeln eine ordnungsgemäße Abwicklung der Vertragsbeziehung nicht ausgeschlossen gewesen wäre.

(2.) Selbst wenn man der Ansicht der Beklagten folgt und kein Dauerschuldverhältnis annimmt, ändert sich nichts. Im kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, dem Kläger das Recht zur Nacherfüllung einzuräumen, § 439 BGB. Eine Ausnahme nach § 440 BGB liegt aus den vorgenannten Gründen nicht vor.

c. Die nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung liegt im Schreiben des klägerischen Bevollmächtigten vom 6. Oktober 2010 (Bl. 29 f. d.A.). Bezüglich der Wirksamkeit dieser Fristsetzung wird auf die Ausführungen im angegriffenen Urteil (UA Seite 14/15) Bezug genommen. Diese werden in der Berufung nicht angegriffen.

d. Einen Schaden kann der Kläger in Höhe von insgesamt 263.197,13 Euro geltend machen.

(1.) Der Berechnung des entgangenen Gewinns, § 252 BGB, ist ein Einkaufspreis von 1,63 Euro zu Grunde zu legen.

Zwar hat das Landgericht Saarbrücken seiner Berechnung den zunächst seitens des Klägers genannten Einkaufspreis von 1,65 Euro zu Grunde gelegt. Dennoch liegt insoweit kein neuer Sachvortrag im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO vor. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 28. November 2011 (Bl. 112 d.A.) nach Vorlage der Rechnung des italienischen Lieferanten vorgetragen, dass sich hieraus ein Einkaufspreis von 1,63 Euro pro Flasche ergibt und der entgangene Gewinn pro Flasche somit 2,12 Euro betrage. Dies hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21. Juli 2012 (Bl. 145 d.A.) lediglich insoweit bestritten, als dass der entgangene Gewinn so nicht berechnet werden könne. Der eigentliche Einkaufspreis von 1,63 Euro wurde nicht bestritten, nur die Höhe des entgangenen Gewinns von 2,12 Euro, da noch Kosten des Klägers zu berücksichtigen seien.

Zwar hat der Kläger in der Klageschrift noch andere Zahlen genannt. Dort (Bl. 3 d.A.) führt er einen Einkaufspreis von 1,65 Euro und einen entgangenen Gewinn pro Flasche von 2,10 Euro auf. Bei bestehenden Zweifeln wäre es Pflicht des Landgerichts gewesen, dies aufzuklären. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass lediglich eine Teilklage erhoben wurde. Das Landgericht Saarbrücken hätte den Kläger für diesen Fall auffordern müssen klarzustellen, ausgehend von welchem Gesamtbetrag er den Teilbetrag von 10.000 Euro geltend macht.

Insoweit besteht auch keine Bindung des Senats an die Feststellungen des Landgerichts nach § 529 Abs. 1 ZPO.

Ein Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen. Konkrete Anhaltspunkte können sich aus gerichtsbekannten Tatsachen, aus dem Vortrag der Parteien oder aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 – VI ZR 230/03 -, juris, Absatz-Nr. 16 mwN).

Derartige Anhaltspunkte folgen vorliegend aus den divergierenden Angaben des Klägers. Dessen zuletzt genannten Zahlen decken sich jedoch mit der vorgelegten Rechnung (Bl. 131 d.A.). Auch hat die Beklagte wie ausgeführt die geänderte Zahl bezüglich des Einkaufspreises erstinstanzlich nicht bestritten.

Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist lediglich die Berechnung des Klägers aus der Klageschrift angeführt (UA Seite 5). Im Rahmen der Berechnung (UA Seite 16) wird der spätere Sachvortrag nicht erwähnt. Damit liegen keine entgegengesetzten Feststellungen im angefochtenen Urteil vor.

Das erstmalige Bestreiten des Einkaufspreises durch die Beklagte in zweiter Instanz (Bl. 352 d.A.) ist nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Nach Vorlage der Rechnung in erster Instanz und entsprechendem Sachvortrag des Klägers hätte sie dies bereits bestreiten können. Anhaltspunkte, die diese Nachlässigkeit beseitigen, liegen nicht vor.

Hiernach ergibt sich folgende Berechnung:

125.000 Flaschen x 2,12 Euro = 265.000 Euro.

Hiervon ist der „Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.802,87 Euro“ (Bl. 329 d.A.) abzuziehen, den der Kläger selbst in Abzug bringt. Hieran ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden.

Dem Kläger steht somit eine Gesamtforderung in Höhe von 263.197,13 Euro zu.

(2.) Der Kläger muss sich entgegen der Ansicht des Landgerichts Saarbrücken hiervon keine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen.

Nach §§ 249, 252 BGB kann der Kläger seinen entgangenen Gewinn als Schaden geltend machen. Die Rechtsfolge des § 252 BGB ist der Ersatz des entgangenen Güterzuwachses durch Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre (vgl. Rüßmann, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 252 Rn. 4). Daher kann ein Verkäufer von dem Käufer, der die Ware vertragswidrig nicht abnimmt, als entgangenen Gewinn den Unterschied zwischen Vertragspreis und billigerem Einkaufspreis verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 – VIII ZR 45/88 -, NJW 1989, S. 1669 f.).

Dabei sind jedoch die ohne das schädigende Ereignis angefallene Aufwendungen, die infolgedessen jedoch unterbleiben, bei der Berechnung des entgangenen Gewinns im Wege der Vorteilsausgleichung abzuziehen. Das Gericht hat bei hinreichenden Anhaltspunkten, die von Amts wegen zu prüfen sind, die Höhe der Aufwendungen gemäß § 287 ZPO zu schätzen (vgl. Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 252 Rn. 12).

Der Kläger hat jedoch infolge der Nichtabnahme von 125.000 Flaschen keine Kosten erspart.

Zu den Kosten, die sich der Geschädigte nicht in Ansatz bringen lassen muss gehören die sog. fixen Kosten (Generalunkosten). Dies sind jene Kosten, die mit der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft, der Unterhaltung der Be- und Vertriebsanlagen sowie mit der Betriebsführung und der Verwaltung zusammenhängen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 – VIII ZR 45/88 -, NJW 1989, S. 1669, 1670).

Daher zählen die von der Beklagten angeführten Kosten für die Pflege des Internetauftritts nicht zu den ersparten Aufwendungen. Die Homepage hält der Kläger unabhängig von konkreten Lieferungen an die Beklagte vor.

Vorliegend muss sich der Kläger auch keine weiteren Aufwendungen anspruchsmindernd anrechnen lassen.

Zu Recht hat das Landgericht Saarbrücken keine Transportkosten berücksichtigt, da diese nicht gesondert angefallen wären. Im angegriffenen Urteil fehlen jedoch Ausführungen dazu, welche anderen Aufwendungen mit pauschal 15% abgezogen wurden. Zwar ist eine Schätzung nach § 287 ZPO möglich. Es fehlt in vorliegendem Fall jedoch an einer tauglichen Schätzgrundlage.

Die Beklagte hat insoweit auf den 2. Nachtrag und die dort niedergelegte Pflicht des Klägers zur Tragung der Schulungskosten und der Presseclippings verwiesen. Zudem hat sie in ihrem Schriftsatz vom 2. Januar 2013 (Bl. 300 d.A.) auf Kosten des Klägers für die Teilnahme an Kundenveranstaltungen, Teilnahme an Tagungen des Verkaufsteams der Beklagten, Musterwareneinsatz bei eigenen Verkostungen etc. abgestellt. Der Kläger hat hierzu ausgeführt, solche Veranstaltungen hätten im hier streitgegenständlichen Zeitraum der Vertragsbeziehung nicht mehr stattgefunden und die Beklagte habe Musterwaren auf eigene Kosten eingesetzt habe. Dies ist zwischen den Parteien streitig.

Für das Vorliegen abzugsfähiger Spezialunkosten trägt jedoch der ersatzpflichtige Käufer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2001 – III ZR 361/99 -, NJW-RR 2001, S. 985, 986; Helling, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2008, § 252 Rn. 28).

Bereits dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Sie hat lediglich pauschal zu möglichen Aufwendungen vorgetragen, jedoch keinerlei konkrete Angaben gemacht. Ihr als Vertragspartnerin wäre es durchaus möglich gewesen, substantiiert zu durchgeführten und noch durchzuführenden Schulungs- oder Verkaufsveranstaltungen vorzutragen. Auch der abstrakte Verweis auf die vertraglichen Mitwirkungspflichten des Klägers aus dem 2. Nachtrag genügt nicht. Die Beklagte hätte auch insoweit konkret auf die Vertragsbeziehung bezogen zu Tätigkeiten des Klägers, die er sich infolge der Nichtabnahme der Beklagten ersparte, vortragen müssen.

e. Dem Kläger stehen gemäß § 291 BGB, §§ 263 Abs. 1, Abs. 2, 253 Abs. 1 ZPO, § 187 BGB analog Zinsen erst ab Rechtshängigkeit der jeweils geltend gemachten Teilbeträge zu. Das Landgericht Saarbrücken hat zutreffend darauf abgestellt, dass ein früherer Verzugsbeginn nicht gegeben ist.

Der Kläger kann nicht darauf abstellen, dass der Zinsbeginn, der in der Klageschrift genannt wurde, seitens der Beklagten nicht bestritten worden sei, da der Kläger selbst diesen nicht schlüssig dargelegt hatte. In der Klageschrift fehlten jegliche Ausführungen hierzu.

Auf die Verweigerung der Abnahme der Flaschen kann sich der Kläger ebenfalls nicht stützen. Entscheidend ist, wann die Beklagte mit der Zahlung des klagegegenständlichen Schadensersatzbetrages in Verzug kam, nicht mit der Ausgangspflicht, der Abnahme der Kaufsache.

Schließlich liegt im Schreiben des Klägers vom 6. Oktober 2010 (Bl. 29 d.A.) keine Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB.

Eine solche setzt eine eindeutige und bestimmte Leistungsaufforderung voraus. Eine Fristsetzung für die Leistung ist nicht notwendig. Der Gläubiger muss jedoch – für den Schuldner erkennbar – klar zum Ausdruck bringen, dass er die Vornahme der geschuldeten Leistung verlangt (vgl. Ernst, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rn. 48). Dies ergibt sich aus vorgenanntem Schreiben nicht. Zwar beziffert der Kläger seinen entgangenen Gewinn. Jedoch wird die Beklagte alternativ zur Erfüllung des Vertriebsvertrages bzw. zur Zahlung aufgefordert. Primär ging es dem Kläger daher um Vertragserfüllung. Es fehlt somit an einer eindeutigen Zahlungsaufforderung.

Daher kann der Kläger aus 10.000 Euro Zinsen ab dem 14. September 2011, aus 253.197,13 Euro seit dem 16. Februar 2013 verlangen.

f. Nach § 280 Abs. 1 BGB kann der Kläger auch die nicht anrechenbare anwaltliche Geschäftsgebühr geltend machen. Dabei erfolgt jedoch keine Aufspaltung in die Gebühr aus dem zunächst geltend gemachten Teilbetrag von 10.000 Euro und dem später klageerweiternd geltend gemachten Betrag von 253.197,13 Euro. Dies würde dem degressiven Verlauf der anwaltlichen Gebührentabelle – die hier noch in der Fassung bis zum 31. Juli 2013 anzuwenden ist – nicht gerecht.

Dem Kläger steht daher eine 1,3 Geschäftsgebühr (2.821 Euro) aus dem beantragten Gesamtwert von 263.197,13 Euro, zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer zu, mithin 3.380,79 Euro.

Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB, §§ 263, 253 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB analog. Aus dem mit der Klage geltend gemachten Betrag von 775,64 Euro sind daher Zinsen ab Klagezustellung, bezüglich des Restbetrages ab Zustellung des Klageerweiterungsschriftsatzes zuzusprechen, § 261 Abs. 2 ZPO.

II. Die zulässige Zweitberufung der Beklagten ist unbegründet. Dieser stehen die mit der Widerklage verfolgten Ansprüche nicht zu.

1. Die Beklagte hat keinen durchsetzbaren Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB.

Kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen steht die Einrede der Verjährung entgegen, § 214 BGB. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Saarbrücken, die mit der Berufung der Beklagten nicht angegriffen werden, wird Bezug genommen.

2. Die Beklagte hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 118x der Verordnung (EG) 1234/2007, Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/13/EG.

Hiernach darf die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein, den Käufer irrezuführen, insbesondere nicht über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung etc.

a. Durch die vorgenannten Vorschriften wird das nationale Irreführungsverbot aus § 25 WeinG verdrängt (so Rathke/Boch, Weinrecht, 2012, § 25 WeinG Rn. 7; Boch, Weingesetz, 2. Aufl., 2013, § 25 Rn. 1). Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 WeinG entspricht jedoch inhaltlich den gemeinschaftsrechtlichen Irreführungsverboten; es gilt ein einheitlicher Irreführungsbegriff (vgl. Rathke/Boch, a.a.O. Rn. 89). Daher ergäbe sich auch bei dessen Anwendung kein anderes Ergebnis, da mangels Irreführung bzw. falscher Angaben kein Verstoß gegen ein etwaiges Schutzgesetz vorliegt (b.). Überdies fehlt es am Verschulden (c.). Die Frage der Schutzgesetzeigenschaft der genannten Normen kann daher offen bleiben (d.).

b. Der Kläger hat kein – unterstelltes – Schutzgesetz verletzt. Die Bezeichnung „Marsecco“ ist nicht irreführend.

(1.) Maßgebend für die Frage, ob eine Angabe irreführend, d.h. zur Täuschung geeignet ist, ist der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Weinkonsument (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 45/07 -, juris, Absatz-Nr. 30). Abzustellen ist auf den gelegentlichen Weinkäufer, der gewisse Elementarkenntnisse über Weinsorten und Weinlagen wie überhaupt über den Weinbau hat (vgl. Rathke/Boch, a.a.O. Rn. 22; Boch, a.a.O., Rn. 2).

Dieser wird entgegen der Ansicht der Beklagten aus dem Wortbestandteil „secco“ nicht darauf schließen, dass das streitgegenständliche Produkt einen Zuckergehalt nur in der Höhe aufweist, der eine solche Bezeichnung in Italien zuließe.

(2.) Vorliegend wurde die Bezeichnung „secco“ nicht als Geschmacksangabe verwendet, sondern ist Teil der Produktbezeichnung.

Zwar ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass nach italienischem Recht Perlwein mit der Bezeichnung „secco“ nur einen Zuckergehalt bis 15 Gramm pro Liter aufweisen darf, was das streitgegenständliche Produkt überschreitet. Für fakultative Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse enthält Art. 64 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 Vorgaben, wonach für bestimmte Zuckergehalte bestimmte Bezeichnungen vorgesehen sind. Zutreffend weist das Landgericht Saarbrücken darauf hin, dass Art. 64 Abs. 4 u.a. für Perlwein mitliedstaatliche Regelungen für verbindlich erklärt.

Der Kläger verwendet vorliegend jedoch keine Geschmacksangabe. Lediglich der Produktname enthält diesen Bestandteil. Zwar steht die Eintragung dieser Produktbezeichnung als Marke der Irreführung des Begriffs „Marsecco“ nicht entgegen (vgl. Rathke/Boch, a.a.O. Rn. 109). Jedoch genügt die Feststellung, dass ein in der Marke enthaltenes Wort mit der Bezeichnung des Erzeugnisses verwechselt werden kann, zur Bejahung der Irreführung nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Januar 1999 – C-303/97 -, juris, Rn. 38). Der aufmerksame Verbraucher wird aus dem Wortbestandteil „secco“ nicht ohne weiteres darauf schließen, dass der Name zugleich auch die Geschmacksrichtung angibt.

(3.) Dies deshalb, da der Weinkonsument aus der Bezeichnung „Marsecco“ nicht auf den Zuckergehalt schließen, sondern beim Lesen der Produktbezeichnung an „Prosecco“ denken wird.

Der Produktname „Marsecco“ ist ein an die Bezeichnung „Prosecco“ angelehnter Phantasiename, wobei „Mar“ für die verwendete Traubensorte „Marzemino“ steht. Auch die vom Senat in Augenschein genommene Flasche ist denjenigen, in welchen in Deutschland gemeinhin schlagwortartig als „Prosecco“ bezeichnete italienische Perlweine abgefüllt sind, ähnlich. Daher wird der aufmerksame Weinkonsument bei Wahrnehmung der Etikettenbezeichnung den Zusammenhang mit einem „Prosecco“ herstellen. Der Name Prosecco war jedoch der Name einer weißen Rebsorte und ist nunmehr eine geschützte Herkunftsbezeichnung (vgl. Verordnung (EG) Nr. 1166/2009 DER KOMMISSION vom 30. November 2009). Ihren Namen hat die Rebsorte von einem gleichnamigen Dorf. Mit dem italienischen Adjektiv secco (trocken) hat der Name nichts zu tun (so Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Prosecco#cite_note-1, abgerufen am 11. November 2013).

Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, ein Verbraucher assoziiere mit dem Wortbestandteil „secco“ eine trockene Geschmacksbezeichnung.

Überdies hat sich in Deutschland das Wort "Secco" in den letzten Jahrzehnten zu einer allgemeinen Kurzbezeichnung für Perlwein entwickelt, so dass in der Verwendung des Begriffs "Secco" auch keine Irreführung der Verbraucher dahingehend gesehen werden kann, dass das vorliegend betroffene Erzeugnis aus der in Italien angebauten, früher so bezeichneten, Rebsorte "Prosecco" hergestellt worden sei (so VG Trier, Urteil vom 20. Januar 2010 – 5 K 650/09.TR –, juris, Absatz-Nr. 27). Dieser allgemeine Sprachgebrauch kann auch ein Kriterium zur Beurteilung der Irreführung sein (vgl. Boch, a.a.O. Rn. 3). Wenn aber schon keine Herkunft mit der Bezeichnung assoziiert wird, dann erst Recht kein bestimmter Maximalzuckergehalt.

Anders zu entscheiden, würde die Frage aufwerfen, ob nicht eine Vielzahl von „Proseccos“ ebenfalls eine irreführende Bezeichnung tragen, da deren Restzuckergehalt über 15 g/Liter liegt. Der beschriebene durchschnittliche Weinkonsument wird nicht wissen, dass die Bezeichnung „Prosecco“ ursprünglich die Traube bezeichnete und nunmehr auf eine geschützte Herkunftsbezeichnung verweist. Folgerichtig wäre auch bei derartigen Produktbezeichnungen das Wortbestandteil „secco“ als irreführend anzusehen, was jedoch nicht ernsthaft angenommen werden kann.

(4.) Schließlich wird der aufmerksame Weinkonsument in Deutschland, zum Vertrieb auf dem inländischen Markt ist das Produkt vorgesehen, aus dem Wortbestandteil „secco“ nicht auf die in Italien geltenden Grenzen für den entsprechenden Restzuckergehalt schließen.

Zwar kann nach Art. 64 Abs. 4 der Verordnung (EG) 607/2009 jeder Mitgliedstaat die Bedingungen für die Angabe des Zuckergehalts regeln. Der deutsche Verbraucher wird jedoch auch bezüglich des in Italien hergestellten Produkts nicht zwingend darauf schließen, dass sich der Wortteil „secco“ auf die dortigen Regelungen, sondern auf die inländischen bezieht.

Dies gerade deshalb, da auch hierzulande eine Geschmacksbezeichnung mit „trocken“ bzw. „sec“ zulässig ist. Schaumweine dürfen in Deutschland derartige Geschmacksangaben tragen, wenn sie einen Restzuckergehalt von 17-35 g/Liter enthalten (vgl. Warning, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrechtshandbuch, Stand: November 2002, II. F. Rn. 267b). Der Restzuckergehalt des streitgegenständlichen Schaumweins liegt nach der Feststellung der Landwirtschaftskammer vom 20. Dezember 2010 (Bl. 35 d.A.) bei 32 g/Liter. In Deutschland dürfte das Produkt daher die Geschmacksangabe „trocken“ tragen. Daher muss ein inländischer Konsument aus der Etikettierung, bei welcher lediglich der Name als ein Wortbestandteil auf „trocken“ hindeutet, nicht darauf schließen, dass das Produkt die insoweit in Italien geltenden Grenzwerte einhält. Einem zwar aufmerksamen, aber nur gelegentlichen Weinkäufer, der über gewisse Elementarkenntnisse verfügt, aber kein Weinkenner ist (hierauf ist abzustellen; vgl. Boch, a.a.O. Rn. 2) werden ohnedies derartige Zuckergehaltsangaben nicht bekannt sein.

Eine Irreführung bezüglich des Wortbestandteils „secco“ liegt daher nicht vor. Eine Irreführung hinsichtlich geographischer Angaben ist weder ersichtlich, noch von den Parteien vorgetragen.

c. Überdies hat der Kläger nicht schuldhaft gehandelt.

Anhaltspunkte für vorsätzliches Handeln, d.h. eine Kenntnis des Klägers von der möglichen Irreführung der Bezeichnung „Marsecco“ liegen nicht vor. Ihm kann auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf, § 276 Abs. 2 BGB, gemacht werden.

Dass der Kläger hätte damit rechnen müssen, dass die Bezeichnung des Produkts irreführend ist, ist bereits durch den Verfahrensablauf widerlegt.

Hieraus wird deutlich, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Bezeichnung divergierte. So sah die Stadt Hamburg, welche bezüglich anderer Etikettierungsmängel eine Ausnahmegenehmigung erteilte, hierin offensichtlich keinen Grund zur Beanstandung. Auch die Landwirtschaftskammer weist in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2010 (Bl. 39 d.A.) an das Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft darauf hin, in einer Besprechung habe „letztlich nicht geklärt“ werden können, ob die Bezeichnung „Marsecco“ irreführend sei. Daher wurde die übergeordnete Behörde um Prüfung gebeten. Diese kam dann zur Einschätzung der Irreführung. Wenn jedoch weder maßgebende Behörden, noch die Beklagte über einen langen Zeitraum keinen Anlass zur Beanstandung der Etikettierung sehen, kann dem Kläger kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden.

Gerade die Beklagte ging selbst zunächst nicht von einer irreführenden Bezeichnung aus. Im Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22. April 2010 (Bl. 19 d.A.) sieht sie in der Angabe „Marsecco“ eine Phantasiebezeichnung. Warum demgegenüber der Kläger auf eine Unzulässigkeit hätte schließen müssen, ist nicht ersichtlich.

Selbst wenn man eine objektive Verletzung des Schutzgesetzes unterstellt, könnte hieraus nicht auf ein fahrlässiges Handeln des Klägers geschlossen werden.

Es ist zwar anerkannt, dass im Falle der objektiven Verletzung eines Schutzgesetzes der Schädiger in der Regel Umstände darlegen und beweisen muss, die geeignet sind, die Annahme eines Verschuldens auszuräumen. Das gilt aber nur, wenn das Schutzgesetz das geforderte Verhalten bereits so konkret umschreibt, dass mit der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Schluss auf einen subjektiven Schuldvorwurf naheliegt. Beschränkt sich das Schutzgesetz dagegen darauf, einen bestimmten Verletzungserfolg zu verbieten, so löst die bloße Verwirklichung einer solchen Verbotsnorm keine Indizwirkung in Bezug auf das Verschulden aus (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 1991 – VI ZR 171/91 -, NJW 1992, S. 1039, 1042).

Dies ist hier der Fall. Die genannten Normen verbieten lediglich allgemein eine irreführende bzw. falsche Etikettierung. Konkrete Verhaltensanforderungen, an welche eine Indizwirkung anknüpfen könnte, fehlen.

d. Mangels Verletzung der einschlägigen Vorschriften und mangels Verschuldens kann im Ergebnis offen bleiben, ob den europarechtlichen Normen Schutzcharakter im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zukommt. Dem Verweis des Landgerichts Saarbrücken auf die fehlende Schutzwürdigkeit des Händlers, könnte das Gebot effektiver Sanktionierung von Verstößen gegen gemeinschaftsrechtliche Normen (vgl. hierzu Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 823 Rn. 391 ff.) und deren Eigenschaft als Marktverhaltensregel im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 45/07 -, juris, Absatz-Nr. 14 aE) entgegenstehen. Die Frage bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Dabei war auch zugunsten des Klägers eine Abwendungsbefugnis auszusprechen. Zwar ist dieser in der Hauptsache nicht beschwert. Jedoch steht die Vorschrift des § 713 ZPO dem nicht entgegen, da sich der Kläger einer Revision der Beklagten anschließen kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Wert der Beschwer 20.000 Euro übersteigt (vgl. Ackermann, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; Herget, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 713 Rn. 3).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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