Keine Vorauszahlung von Mitgliedsgebühren bei Partnerschaftsvermittlungsverträgen

05. September 2014
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Urteil des OLG Dresden vom 19.08.2014, Az.: 14 U 603/14

Partnerschaftsvermittlungsverträge sind als Dienste höherer Art qualifiziert, wodurch dem Kunden grundsätzlich auch ohne wichtigem Grund das Recht zur fristlosen Kündigung gem. § 627 Abs. 1 BGB zusteht. Regeln die AGB eines Anbieters, dass sich die Laufzeit eines solchen Vertrages automatisch verlängert und im Falle einer Kündigung bereits geleistete Beiträge nicht zurückerstattet werden, sofern nicht der Anbieter die Kündigung zu vertreten hat, ist eine Vorleistungspflicht für die jeweilige gesamte Vertragslaufzeit unzulässig, da eine solche Regelung den Kunden unangemessen benachteiligt.

Oberlandesgericht Dresden

Endurteil vom 19.08.2014

Az.: 14 U 603/13

 

In dem Rechtsstreit (…)

wegen Unterlassung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch die Richter (…) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.07.2014

für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Leipzig abgeändert und im Tenor wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken am Geschäftsführer, zu unterlassen, in Bezug auf Partnerschaftsvermittlungsdienstverträge für eine Laufzeit von mindestens einem Jahr, die mit Verbrauchern auf der Seite unter (…) geschlossen werden, die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen:

„Die Mitgliedsgebühr ist für die jeweilige Laufzeit im Voraus zu zahlen.“

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 3.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.

Von der Formulierung eines Tatbestandes wird abgesehen, § 313a Abs. 1 ZPO. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

II.

Die zulässige Berufung führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Der Kläger hat gegen das am 18.03.2014 zugestellte Endurteil form- und fristgerecht am 17.04.2014 Berufung eingelegt (§§ 511, 517, 519 ZPO) und diese binnen der gesetzlichen Frist am 19.05.2014 (18.05.2014 war ein Sonntag) begründet.

2. Berufung und Klage sind auch begründet. Der Kläger kann mit Erfolg einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend machen, weil die streitgegenständliche Allgemeine Geschäftsbedingung („Die Mitgliedsgebühr ist für die jeweilige Laufzeit im Voraus zu zahlen.“) im betreffenden Verwendungszusammenhang die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, §§ 1 UKlaG, 305, 307 BGB.

a) Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung i.S.v. § 4 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 UKlaG klagebefugt, § 1 UKlaG.

b) Die vertragliche Regelung unterliegt der Inhaltskontrolle der §§ 305c ff. BGB. Unstreitig verwendet die Beklagte die vorfomulierte Klausel auf ihrem lnternetportal (…) für den Abschluss von kostenpflichtigen Partnervermittlungsverträgen unter der Bezeichnung „Premiummitgliedschaft“. Sie dient daher der regelmäßigen Einbeziehung in Verbraucherverträge (§ 305 BGB).

c) Die Klausel ist unwirksam, weil sie von wesentlichen Grundgedanken des Dienstvertragsrechts (§ 614 BGB – Vorleistungspflicht) abweicht und im konkreten Verwendungszusammenhang das sich aus der für diese Art von Verträgen anzunehmenden besonderen Vertrauensstellung der Beklagten herzuleitende (wesentliche) Recht des Verbrauchers zur jederzeitigen freien Kündigung des Vertrages (§ 627 BGB) so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks aus Verbrauchersicht gefährdet ist und ihn damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1, 2 BGB).

aa) Eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers entgegen den Geboten von Treu und Glauben i.S.d. § 307 BGB ist im Zweifel dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Bei der Prüfung der Klausel ist von Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrages auszugehen. Ihr Inhalt ist vor dem Hintergrund der übrigen vertraglichen Regelungen auszulegen und zu bewerten. Zur Beurteilung bedarf es einer umfassenden Ermittlung und einer – an den Grundsätzen von Treu und Glauben orientierten – Abwägung der beiderseitigen typischen Interessen der Parteien unter Einbeziehung der Art des konkreten Vertrages, der Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und der sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien (BGH NJW 2010, 2793). Unangemessen ist eine sich im Vergleich zum dispositiven Gesetzesrecht ergebende Benachteiligung dann, wenn der AGB-Verwender durch die einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich seine eigenen Interessen auf Kosten seiner Vertragspartner durchzusetzen versucht, ohne dabei auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich vorzusehen (BGH NJW 2010, 57).

bb) Die von der Beklagten bestimmte Vorleistungspflicht des Kunden weicht vom gesetzlichen Leitbild des anzuwendenden Dienstvertragsrechts ab, § 614 BGB. Bei den unter Einbeziehung der streitgegenständlichen AGB-Klausel auf dem Internetportal (…) abzuschließenden Vereinbarungen handelt es sich um Partnerschaftsvermittlungsdienstverträge, welche auf die Erbringung von Diensten höherer Art i.S.d. § 627 Abs. 1 BGB gerichtet sind (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 04.03.2004, III ZR 124/03, zitiert nach juris; Staudinger-Coester, 2013, § 307 Rn. 546). Die Qualifizierung des Vertrages als auf Dienste höherer Art gerichtet rechtfertigt sich dadurch, dass „es in der Natur der Sache liegt, dass ein Kunde, der um Unterstützung bei der Partnerschaftsvermittlung nachsucht, besonderes Vertrauen zu seinem Auftragnehmer, auf dessen Seriosität er setzt, haben muss. Es ist notwendig, zumindest aber auch geboten und üblich, dass er seinem Vertragspartner Auskünfte über seine eigene Person und die des gewünschten Partners gibt. Das Vertragsverhältnis berührt insoweit in besonderem Maße die Privat- und Intimssphäre des Kunden“ (BGH, Urteil vom 08.10.2009, Az. III ZR 93/09 Rz. 19 – zitiert nach juris).

cc) Bei der vorzunehmenden Angemessenheitsbeurteilung ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf Partnerschaftsvermittlungsverträge § 656 Abs. 1 S. 1 BGB entsprechend anwendbar ist (Palandt-Sprau, BGB, 73. Auflage, § 656, Rn. 1a, m.w.N.) und die Beklagte daher den vereinbarten Lohn – der lediglich den Charakter einer Naturalobligation hat – nicht mit Erfolg einklagen kann. Sie hat somit ein grundsätzlich anerkennenswertes, elementares Interesse daran, ihren Lohn möglichst bald und auch schon vor der Leistungserbringung zu erlangen. Dieses Ziel muss sie (nahezu zwangsläufig) auch für gewisse Laufzeiten anstreben, weil sie jederzeit Gefahr läuft, gemäß § 627 Abs. 1 BGB gekündigt zu werden. Infolgedessen hat der Betreiber eines auf Partnervermittlung gerichteten Internetportals ein auf der Hand liegendes Interesse an Vorausleistungen des Kunden (BGH Urteil vom 04.03.2004, III ZR 124/03, Rz. 15 – zitiert nach juris; Staudinger a.a.O. Rn. 547).

dd) Eine nach den beschriebenen Vorgaben [vgl. oben unter II. 2. c) aa)] vorzu-nehmende Interessenabwägung führt zur Unwirksamkeit der hier im Streit stehenden Formularklausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher.

Unter Berücksichtigung der Gesetzes- und Interessenlage und der Einbindung der Regelung in die weiteren vertraglichen Bestimmungen benachteiligt die vom dispositiven Gesetzesrecht (§ 614 BGB) abweichende formularmäßige Vereinbarung einer Vorleistungspflicht des Kunden die Verbraucher hier entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB), weil sie in Kombination mit der in § 4 Ziffer 5 der Beklagten-AGB vorgesehenen Einschränkung des Erstattungsanspruchs aus § 628 Abs.1 S.1 BGB geeignet ist, das jederzeitige freie Kündigungsrecht des Kunden zu entwerten, §§ 627 Abs. 1, 306a BGB.

Die Wirksamkeit der Formularklausel ist vor dem Hintergrund des gesamten von der Beklagten gestellten Vertragswerks auszulegen und zu bewerten (BGH 136, 27/30). § 4 der streitgegenständlichen AGB enthält neben der streitigen Klausel u.a. folgende weitere Regelungen: „3. Die Laufzeit der Premiummitgliedschaft verlängert sich automatisch um die Dauer der bei Anmeldung gewählten Laufzeit … 5. Die Kündigung lässt den Anspruch (…) auf Zahlung für die bereits gebuchte Laufzeit unberührt. Sollte (…) den Grund der Kündigung zu vertreten haben, werden bereits gewährte Zahlungen dem Nutzer anteilig zurückerstattet, soweit noch Anspruch auf Nutzung der eingestellten kostenpflichtigen Dienste bestand.“

Zwar wird Ziffer 5 der Klausel nicht unmittelbar vom gestellten Antrag (Unterlassungsgebot) erfasst. Indes wirkt sie sich mittelbar (vgl. § 310 Abs. 3 BGB) auf die Bewertung der streitgegenständlichen Klausel im konkreten Verwendungszusammenhang aus. Danach soll dem Kunden im Falle einer (entgegen des Vertragstextes) stets zulässigen freien Kündigung (§ 627 BGB) kein Erstattungsanspruch für die vorgeleistete – auf die noch nicht erbrachte Leistungszeit entfallende – Vergütung zustehen, wenn die Kündigung nicht von der Beklagten zu vertreten ist. Eine solche (hier nicht streitgegenständliche) Beschränkung der Erstattungspflicht ist nicht nur für sich genommen unwirksam, § 628 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB (BGH Urteil vom 08.10.2009, Az. III ZR 93/09, Rz. 20 – zitiert nach juris, Staudinger a.a.O. Rn. 548). Sondern sie vermittelt im konkreten Verwendungszusammenhang mit der Vorauszahlungsklausel dem Kunden auch den Eindruck einer – rechtlich indes unzulässigen – längerfristigen Bindung (BGH NJW 2005, 2543, Urteil vom 08.10.2009, Az. III ZR 93/09, Staudinger a.a.O. Rn. 548). Die Klausel ist daher geeignet, den Verbraucher von einer etwa andernfalls genutzten freien Kündigung abzuhalten. Damit unternimmt die Beklagte den unzulässigen (§ 306a BGB) Versuch, das den Kunden gesetzlich zustehende und durch AGB nicht einschränkbare jederzeitige Kündigungsrecht aus § 627 BGB zu entwerten.

Ein anerkennenswertes Interesse der Beklagten an einer diese mittelbaren Wirkungen herbeiführenden Klausel ist ebenso wenig erkennbar, wie eine dem Kunden günstige – seine Nachteile kompensierende – Regelung.

Nach der im Unterlassungsklageverfahren gebotenen Auslegung des Klageantrages (§ 8 UKlaG) ist die Beklagte daher wie aus dem Tenor ersichtlich zu verurteilen (§ 9 UKlaG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht (unter Berücksichtigung der gerichtlichen Auslegung des Klageantrages nach § 8 UKlaG) auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Auch die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung sind offensichtlich nicht gegeben, § 543 ZPO. Die zu entscheidenden Rechtsfragen sind als durch den Bundesgerichtshof geklärt anzusehen.

V.

Der Berufungsstreitwert entspricht der Streitwertangabe des Klägers und der nicht angegriffenen Wertfestsetzung durch das Landgericht.

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