Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gestaltung des Facebook Auftritts eines Unternehmens

30. Juli 2014
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Beschluss des ArbG Düsseldorf vom 21.06.2013, Az.: 14 BVGa 16/13

Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, wenn es um den Betrieb von Facebook-Seiten oder um die Aushändigung von Leitfäden mit sozialen Netzwerken geht, denn dabei geht es nicht um Fragen des betrieblichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Beschäftigten untereinander. Ein Mitbestimmungsrecht besteht nur bei solchen Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen, nicht aber bei solchen, die das sogenannte Arbeitsverhalten regeln sollen.

Arbeitsgericht Düsseldorf

Beschluss vom 21. Juni 2013

Az.: 14 BVGa 16/13

Die Anträge werden zurückgewiesen.

I.
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beteiligten zu 2.), die von ihr betriebenen Facebook-Seiten abzumelden bzw. es zu unterlassen, den Nutzern dort eine Posting-Möglichkeit einzuräumen.

Die Beteiligte zu 2.) … entgegen, verarbeitet und veräußert diese. Es werden insgesamt ca. 1.300 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 1.) ist der bei der Beteiligten zu 2.) auf Konzernebene gebildete Konzernbetriebsrat.

Es gilt konzernweit die EDV-KONZERN-RAHMENBETRIEBSVEREINBARUNG vom 04.03.2009 (im Folgenden: KRBV). Die KRBV, auf deren konkreten Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 8 ff. d. A.) enthält in § 1 Regelungen zum Geltungsbereich, in § 2 Begriffsbestimmungen und in § 9 Regelungen zur Information und Beteiligung des Beteiligten zu 1.).

Am 15.04.2013 eröffnete die Beteiligte zu 2.) bei der Internetplattform Facebook verschiedene, u. a. die im Antrag genannten Seiten. Im Rahmen dieser Seiten wird den Facebook-Nutzern ermöglicht, Kommentare (sog. Postings) abzugeben, die dann auf einer virtuellen Pinnwand eingestellt werden und von den Facebook-Nutzern betrachtet bzw. weiter kommentiert werden können. Zudem wurden … Flugblätter ausgelegt (vgl. Anlage 3, Bl. 20 d. A.). Die Mitarbeiter der Beteiligten zu 2.) wurden mit der Lohnabrechnung über die Eröffnung der Seiten informiert (Anlage 4), und ihnen wurde ein „Leitfaden zum Umgang mit Social Media …“ (Anlage 5) überreicht. Bereits am 15.04.2013 stellte … einen kritischen Kommentar auf der Pinnwand der Facebook-Seite der Beteiligten zu 2.) ein, der von dieser am Folgetag beantwortet wurde (Anlage 6).

Nach der Anmeldung von Bedenken durch Mitarbeiter und einen der örtlichen Betriebsräte wandte sich sodann der Beteiligte zu 1.) an die Beteiligte zu 2.) und reklamierte die Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte bei der Veröffentlichung der Facebook-Seiten. Auf den folgenden Schriftwechsel (Anlagen 7-10 wird Bezug genommen).

Mit seiner am 03.06.2013 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen und der Beteiligten zu 2.) am 04.06.2013 zugestellten Antragsschrift verfolgt der Wahlvorstand sein Begehren auf zumindest einstweilige Abschaltung der Seiten bzw. zumindest der Posting-Möglichkeit weiter.

Er ist der Auffassung, ihm stehe ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu, da die Beteiligte zu 2.) ihm zustehende Informations- und Mitbestimmungsrechte aus § 9 der KRBV und § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG verletzt habe, indem die Beteiligte zu 2.) die Seiten ohne Information und Beteiligung des Beteiligten zu 1.) eröffnet habe. Ein Mitbestimmungsrecht ergebe sich insbesondere daraus, dass Facebook-Nutzer sich kritisch über die Beschäftigten, deren Namen sich aus den während … zu tragenden Namensschilder ergebe, äußern können. Da diese Kritik einem unbegrenzten Personenkreis zugänglich gemacht werde und den angesprochenen Beschäftigten auch ohne Namensnennung zugeordnet werden könne, stelle der Betrieb der Seiten nicht nur eine Maßnahme zur Verhaltens- und Leistungskontrolle, sondern auch eine zur Verhaltenssteuerung dar. Der Verfügungsgrund ergebe sich aus der andauernden Gefahr irreparabler Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Der Beteiligte zu 1.) beantragt,

die Arbeitgeberin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, bei der Internetplattform Facebook alle Unternehmensseiten einschließlich der Seiten

– www.fa…com/drk.b…west

– www.f…com/d…

abzumelden;

hilfsweise die Arbeitgeberin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, es zu unterlassen, den Nutzern der Internetplattform Facebook Unternehmensseiten einschließlich der Seiten

– …

– …

zur Übermittlung (Posting) von Informationen zur Verfügung zu stellen, solange nicht seine Zustimmung oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle vorliegt.

Die Beteiligte zu 2.) beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hält das vorliegende Verfahren bereits für nicht ordnungsgemäß eingeleitet und die Anträge bereits für unzulässig. Im Übrigen ergebe sich ein Mitbestimmungsrecht weder aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG noch aus der KRBV. Die Beteiligte zu 2.) erhebe nicht willentlich Daten über die Beschäftigten zum Zwecke der Kontrolle oder Steuerung und es finde über Facebook keine programmmäßige Verarbeitung geposteter Daten statt. Der Geltungsbereich der KRBV sei vorliegend nicht eröffnet. Zudem bestehe kein Verfügungsgrund, da die Beteiligte zu 2.) bereits seit mehreren Jahren unter … ein mit Facebook vergleichbares Forum betreibe, das der Beteiligte zu 1.) bislang nicht moniert habe.

Für das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.
Die Anträge unterlagen der Zurückweisung, da sie jedenfalls unbegründet sind.

1. Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag sind unbegründet.

a) Auch im Beschlussverfahren besteht die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung. Das einstweilige Verfügungsverfahren folgt dabei den Vorschriften über das ordentliche Beschlussverfahren. Gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO kann eine einstweilige Verfügung in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten erlassen werden, wenn Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund gegeben sind. Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund sind gemäß § 938 ZPO glaubhaft zu machen.

Dabei ist der Verfügungsanspruch im Sinne der §§ 935, 940 ZPO das von dem Antragsteller behauptete subjektive Recht bzw. der geltend gemachte Anspruch. Hinsichtlich des Verfügungsgrundes sind einstweilige Verfügungen nach §§ 935, 940 ZPO zum Zweck der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist, dass die Interessen des Antragstellers so gefährdet sind, dass sie im Hauptsacheverfahren nicht wirksam geschützt werden können (Prütting, RdA 1995, S. 257, 263). Es ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, ob die glaubhaft gemachten Gesamtumstände es in Abwägung der beiderseitigen Interessen und Belange zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich machen, eine sofortige Regelung zu treffen (LAG Köln v. 20.5.2009, 8 TaBVGa 3/09, juris; LAG Hamm v. 21.5.2008, 10 TaBVGa 5/08, juris). Dabei ist das Gewicht des drohenden Verstoßes und die Bedeutung der umstrittenen Maßnahme für den Arbeitgeber und den Wahlvorstand bzw. die Belegschaft zu berücksichtigen.

b) Dabei kann sich ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats zum einen bereits direkt aus § 87 Abs. 1 BetrVG ergeben, denn dem Betriebsrat steht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt; dieser Anspruch setzt grundsätzlich auch keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers i. S. d. § 23 Abs. 3 BetrVG voraus (vgl. BAG v. 27.01.2004, 1 ABR 7/03, juris Rn. 17 m. w. N.; Fitting, BetrVG, 25. Aufl., § 87 Rn. 596, § 23 Rn. 99 ff., jeweils m. w. N.).

Hinsichtlich der Verletzung von Regelungen der KRBV kann grundsätzlich auch ein entsprechender Anspruch bestehen. Ob sich dieser aus § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG i. V. m. § 9 der KRBV bzw. aus der KRBV selbst ergibt, kann dabei dahinstehen (vgl. dazu BAG v. 18.04.1989, 1 ABR 3/88, Rn. 28 m. w. N.). Jedenfalls hat der Arbeitgeber gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG alle Vereinbarungen zwischen ihm und dem Betriebsrat im Betrieb durchzuführen, wobei es unerheblich ist, ob es sich beim Gegenstand der Vereinbarung um eine mitbestimmungs- oder beteiligungspflichtige Angelegenheit handelt oder ob die Beteiligten eine freiwillige Vereinbarung getroffen haben (Fitting, a. a. O., § 77 Rn. 4). Denn es ergibt sich spiegelbildlich auch eine Pflicht des Arbeitgebers, vereinbarungswidrige Maßnahmen zu unterlassen (vgl. BAG v. 21.01.2003, 1 ABR 9/02, AP Nr. 1 zu § 21 a BetrVG 1972, m. w. N.; v. 10.11.1987, 1 ABR 55/86, BAGE 56, 313; BeckOK-ArbR/Werner, 27. Edition, § 77 BetrVG, Rn. 2, m. w. N.; Fitting, a. a. O., Rn. 7).

c) In Anwendung dieser Grundsätze fehlt es nach Auffassung der Kammer vorliegend bereits an einem glaubhaft gemachten Verfügungsanspruch. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bzw. ein Verstoß gegen die Bestimmungen der KRBV waren vorliegend nicht ersichtlich.

aa) Ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG war vorliegend nicht ersichtlich.

(1) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren kann (BAG v. 27.01.2004, a. a. O., Rn. 19 ff. m. zahlr. Nachw.; v. 11.06.2002, 1 ABR 46/01, juris). Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die Arbeitnehmer hieran zu beteiligen; sie sollen an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens gleichberechtigt teilnehmen (BAG v. 27.01.2004, a. a. O.; v. 28.05.2002, 1 ABR 32/01, juris; v. 11.06.2002, a. a. O.).

Ein Mitbestimmungsrecht besteht dabei jedoch nur bei Maßnahmen, die das sog. Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen, nicht aber bei solchen, die das sog. Arbeitsverhalten regeln sollen, d. h. bei Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird (BAG v. 27.01.2004, a. a. O., Rn. 20). Ebenfalls nicht mitbestimmungspflichtig sind Maßnahmen zur Regelung des – nicht örtlich, sondern funktional zu verstehenden – außerbetrieblichen Verhaltens der Arbeitnehmer ohne konkreten Bezug zur Arbeitstätigkeit, da die private Lebensführung der Arbeitnehmer der Regelungskompetenz der Betriebsparteien entzogen ist (BAG v. 27.01.2004, a. a. O., Rn. 21, m. w. N.).

(2) So liegt der Fall auch hier. Weder durch den Betrieb der Facebook-Seiten noch durch die Aushändigung der Leitfäden (Anlagen 4 und 5) geht es um Fragen des betrieblichen Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer untereinander. Der reine Betrieb der Facebook-Seiten enthält keine Regelungen dazu, wie sich die Beschäftigten der Beteiligten zu 2.) im Betrieb miteinander bzw. zueinander verhalten sollen. Auch enthält der Leitfaden keine solchen Regelungen.

Erstens werden keine verbindlichen Verhaltenspflichten aufgegeben und keine zwingenden Maßnahmen angeordnet. Vielmehr ist die Teilnahme an den Facebook-Seiten (das „Folgen“) den Beschäftigten freigestellt. So werden die Beschäftigten im Anschreiben (Anlage 4) lediglich „eingeladen“, dem … auf Facebook zu folgen. Zudem enthält der Leitfaden vor allem Begriffserklärungen, Hinweise und Verhaltensanregungen, nicht jedoch Anweisungen oder neue verbindliche Regelungen; es wird lediglich auf ohnehin schon geltende, allgemeine Verpflichtungen als Mitarbeiter/Helfer des … hingewiesen (Seite 10 des Leitfadens; Bl. 22R d. A., linke Hälfte). Der Leitfaden ist nicht als verbindliche Dienstanweisung o.ä. ausgestaltet. Vielmehr soll er den Beschäftigten – falls sie sich für eine Teilnahme an den Facebook-Seiten entscheiden – eine Hilfestellung bieten. Dies kommt auch auf Seite 13 des Leitfadens (Bl. 23 d. A., rechte Hälfte) zum Ausdruck: Bei einer „Verletzung des Leitfadens“ werden keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen angedroht, sondern die Nutzer werden gebeten, sich untereinander direkt (ohne die „Wall“) auf etwaige Verstöße aufmerksam zu machen.

Zweitens bezieht sich der Leitfaden nicht auf dienstliches Verhalten der Beschäftigten. Facebook wird nicht als dienstliches Kommunikationsinstrument oder Arbeitsmittel eingeführt. Vielmehr bietet die Beteiligte zu 2.) ihren Beschäftigten an bzw. lädt sie ein (s.o.), sich an den Facebook-Seiten zu beteiligen. Wenn sich die Beschäftigten jedoch dazu entschließen, so melden sie sich privat bei Facebook an und „folgen“ … ebenfalls privat im Rahmen ihrer persönlichen Lebensgestaltung. Ein konkreter Bezug zur Arbeitsleistung besteht nicht. Auch wenn ein Leitfaden besondere Bestimmungen für den Umgang der Mitarbeiter auf einer Social-Media-Plattform im Internet vorsieht, also z. B. allgemeine Handlungsgrundsätze ethisch-moralischer Art enthält oder allgemeine Gesetzpflichten wiedergibt, ist damit das außerdienstliche Verhalten betroffen (Lützeler/Bissels, ArbRAktuell 2011, 499 (Ausgabe 20), dort unter V.).

bb) Ein Mitbestimmungsrecht des Beteiligten zu 1.) besteht auch nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

(1) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dabei ist von einer Bestimmung zur Überwachung bereits dann auszugehen, wenn die technische Einrichtung zur Überwachung objektiv geeignet ist, so dass es auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers nicht ankommt (st. Rspr. seit BAG v. 09.09.1975, 1 ABR 20/74, AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 2; Fitting, a. a. O., § 87 Rn. 226 m. w. N.). Mitbestimmungspflichtig ist sowohl die Einführung als auch die Anwendung der technischen Einrichtung (BAG v. 27.01.2004, a. a. O., Rn. 28).

(2) Dies war hier nicht anzunehmen.

Zwar handelt es sich bei den Facebook-Seiten der Beteiligten zu 2.) um eine technische Einrichtung, denn Facebook ist eine internetbasierte kommerzielle soziale Software, die der Kommunikation der bei ihr registrierten Nutzer dient und die die Beteiligte zu 2.) durch ihre Registrierung bei Facebook Inc. und die Veröffentlichung der Seiten eingeführt hat und anwendet (vgl. Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden v. 22.06.2012, 1 Sch 7/2012, juris, Rn. 23).

Die Facebook-Seiten stellen jedoch keine Einrichtung zur Verhaltungs- oder Leistungskontrolle der Beschäftigten im eingangs beschriebenen Sinn des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dar.

Zum einen findet keine technisch gestützte Datenerhebung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG statt. Zwar besteht durchaus die Möglichkeit, dass Nutzer, die im Rahmen … den Namen einer/s Beschäftigten über das zu tragende Namensschild in Erfahrung gebracht haben, auf den Facebook-Seiten Kommentare auf der Pinnwand hinterlassen, die auch personenbezogene negative Kritik bzw. Beschwerden enthalten. Dies geschieht jedoch von außen und nicht durch die Facebook-Seiten bzw. -Software. Auch ist das Abgeben personenbezogener Kommentare nicht Voraussetzung für die Teilnahme an den Facebook-Seiten der Beteiligten zu 2.). Vielmehr ist die Kommentar-Funktion hinsichtlich der Datensammlung für eine etwaige Verhaltens- oder Leistungskontrolle der Beschäftigten vergleichbar mit der – nicht mitbestimmungspflichtigen – Einräumung der Möglichkeit, eine Beschwerde-E-Mail an die Beteiligte zu 2.) zu verfassen und zu versenden (so auch Kirchengerichtliche Schlichtungsstelle der Ev. Landeskirche in Baden v. 22.06.2012, 1 Sch 7/2012, juris, Rn. 27, der sich die Kammer anschließt) oder ein Kritikformular in einen bei den Blutspenden aufgestellten „Kummerkasten“ einzuwerfen.

Auch findet keine Datenverarbeitung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG statt. Diesbezüglich müssten die erhobenen Daten programmgemäß (d. h. durch die technische Einrichtung selbst) zu Aussagen über Verhalten oder Leistung einzelner Arbeitnehmer verarbeitet werden (Richardi/Richardi, BetrVG, 13. Auflage, § 87 Rn. 493 u. 497, jeweils m. w. N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Auch wenn Daten durch Nutzer eingegeben werden, fände eine Verarbeitung dieser Daten zur Gewinnung einer Aussage über Verhalten oder Leistung des/der benannten oder ermittelbaren Beschäftigten nicht durch Facebook als technische Einrichtung statt, sondern allenfalls durch einen außerhalb des Angebotes von Facebook Inc. durchzuführenden Datenabgleich.

cc) Auch aus der KRBV waren weder das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts noch die Verletzung der dortigen Regelungen ersichtlich. Der Anwendungsbereich der KBRV ist vorliegend nämlich nach Auffassung der Kammer nicht eröffnet.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kammer der Argumentation der Beteiligten zu 2.), Facebook sei bereits nicht in der nach § 1 (2) der KRBV zu führenden Anlage 1 enthalten, nicht folgen konnte. Denn in der Anlage 1 zur KRBV sind – und dies ergibt sich bereits aus dem unmissverständlichen Wortlaut in § 1 (2) Satz 1 der KRBV – die „bestehenden“ Anwendungssysteme aufgeführt. Vorliegend geht es jedoch um die Einführung der Facebook-Seiten, die – sollte die KRBV darauf Anwendung finden – erst noch in die Anlage 1 aufzunehmen wären.

Dem war jedoch nicht so. Die KRBV findet keine Anwendung. Nach § 1 (1) der KRBV gilt diese sachlich u. a. „für die Einführung (…) von EDV-Anwendungssystemen oder Systemen der Informations- und Kommunikationstechnik (alle künftig zusammengefasst „Anwendungssysteme“ genannt)“. Bei den Facebook-Seiten handelt es sich jedoch nicht um solche Anwendungssysteme. Denn nach § 2 (2) der KRBV sind diese Anwendungssysteme – d. h. sowohl EDV-Anwendungssysteme als auch Systeme der Informations- und Kommunikationstechnik, wie bereits in § 1 (1) der KRBV zusammenfassend klargestellt – „alle Kombinationen, bestehend aus Hard- und Softwarekomponenten, die dazu geeignet sind, Personalinformationen zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen“. Die Facebook-Seiten bzw. die Facebook-Software, auf der die Seiten beruhen, sind/ist aber kein solches System, da es keine Kombination aus Hard- und Softwarekomponenten ist, die die Beteiligte zu 2.) vorliegend eingeführt hat. Facebook ist vielmehr – wie bereits unter bb) (2) erläutert – eine internetbasierte kommerzielle soziale Software, die unabhängig von einer bestimmten Hardware (PC, Laptop, Smartphone, Tablet-PC etc.) von überall genutzt werden kann und damit gerade kein eigenständiges Kombinationssystem i. S. d. § 2 (2) der KRBV darstellt. Zwar nimmt die KRBV – wie vom Beteiligten zu 1.) im Rahmen der mündlichen Verhandlung angemerkt – in § 8 (3) auch auf die Internet-Nutzung Bezug, diese Regelung bezieht sich aber lediglich auf die Frage, wann anlassbezogene Kontrollen möglich sind. Sie definiert gerade nicht den Geltungsbereich der KRBV an sich, sondern erfasst Kontrollmöglichkeiten, die durch von der KRBV erfasste Anwendungssysteme (hier v.a. PC-Arbeitsplätze) eröffnet werden.

dd) Auch aus § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergibt sich kein Verfügungsanspruch. Unabhängig von der Frage einer Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ergibt sich aus der Kommentarfunktion der Facebook-Seiten das Problem, dass die von den Nutzern dort eingegebenen – ggf. konkret personenbezogenen – Daten öffentlich zugänglich sind. Dementsprechend begründet § 75 Abs. 2 BetrVG auch eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers und des Betriebsrats zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers (Fitting, a. a. O., § 75 Rn. 142 f.).

Allerdings ergibt sich aus einem Verstoß des Arbeitgebers gegen diese Schutzpflicht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (Fitting, a. a. O., Rn. 137 m. w. N.).

Auch folgt nach der Rechtsprechung des BAG und der wohl überwiegenden Ansicht in der Literatur, der sich die Kammer anschließt, aus § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein unmittelbarer Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber, persönlichkeitsrechtsverletzende Maßnahmen gegenüber einem Arbeitnehmer oder einer Gruppe von Arbeitnehmern zu unterlassen. Denn die Vorschrift begründet bei einseitigen Maßnahmen keine Rechte der Betriebsparteien untereinander; vielmehr regelt sie Schutz- und Förderpflichten des Arbeitgebers und des Betriebsrats jeweils im Verhältnis zu den betriebsangehörigen Arbeitnehmern. Das verpflichtet sie dazu, bei eigenen Maßnahmen und gemeinsamem Handeln alles zu unterlassen, was das Recht der Betriebsangehörigen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzen könnte. In diesem Sinne beschränkt § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien, normiert aber keine wechselseitigen Rechte und Pflichten bei jeweils einseitigen Maßnahmen. Das gilt auch für die in § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG geregelte Schutzpflicht, die Arbeitgeber wie Betriebsrat dazu anhält, sich bei Verstößen gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit von Arbeitnehmern um Abhilfe zu bemühen, schließt aber nicht die Befugnis ein, aus eigenem Recht zu verlangen, persönlichkeitsverletzende Maßnahmen gegenüber den unmittelbar Betroffenen künftig zu Untertassen (BAG v. 28.05.2002, 1 ABR 32/01, juris, Rn. 43 u. 45 m. w. N.; HWK/Reichold, 4. Auflage, § 75 BetrVG, Rn. 23 m. w. N.; a. A. ohne nähere Begründung Fitting, a. a. O., Rn. 178 m. w. N.).

ee) Ein Verfügungsanspruch ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 23 Abs. 3 i. V. m. § 75 Abs. 2 BetrVG. Auch wenn eine Verletzung der Schutzpflicht nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durch die Beteiligte zu 2.) durch Eröffnung der Facebook-Seiten und Ermöglichung von Postings auf der Pinnwand vorläge, wäre dieser Verstoß nicht grob i. S. d. § 23 Abs. 3 BetrVG. Denn bei Facebook handelt es sich um ein allgemein bekanntes Kommunikationsmedium, auf dessen Besonderheiten und Handhabung die Beteiligte zu 2.) die Beschäftigten durch Überlassung des Leitfadens hingewiesen hat. Zudem würde eine etwaige Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen unangemessenen personenbezogenen Kommentar nicht durch den Arbeitgeber begangen werden, sondern durch den Nutzer. Zudem pflegt die Beteiligte zu 2.) die Facebook-Seiten, um sicherzustellen, dass derartige Kommentare – sollten sie erfolgen – umgehend gelöscht werden, so dass eine grobe Pflichtverletzung erst – aber auch insbesondere dann – grds. zu bejahen wäre, wenn sich die Beteiligte zu 2.) weigerte, einen solchen Kommentar zu löschen.

2. Vor diesem Hintergrund kam es auf die Fragen des Vorliegens eines Verfügungsgrundes, der ordnungsgemäßen Beschlussfassung bzgl. der Einleitung des Verfahrens sowie der Zulässigkeit der Anträge nicht mehr an.

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