Mehrere gleichartige Verstöße auf unterschiedlichen Online-Plattformen keine Handlungseinheit

23. Dezember 2014
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Urteil des OLG München vom 23.10.2014, Az.: 29 U 2626/14

Ein Online-Händler, der eine rechtswidrige Formulierung in der Widerrufsbelehrung trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung auf verschiedenen Handelsplattformen verwendet, begeht trotz der gleichartigen Einzelhandlungen jeweils eigenständige Rechtsverstöße. Bei den einzelnen Zuwiderhandlungen ist von außen für Dritte die Zugehörigkeit der Einzelakte zu einer Einheit nicht erkennbar, so dass eine natürliche Handlungseinheit ausscheidet.

Oberlandesgericht München

Urteil vom 23.10.2014

Az.: 29 U 2626/14

In dem Rechtsstreit (…) erlässt das Oberlandesgericht München – 29. Zivilsenat – durch (…) folgendes Urteil

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts lngolstadt vom 27. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Vertragsstrafe geltend.

Der Beklagte verkauft Fahrräder und Zubehör im Wege des Fernabsatzes. Gegenüber der Klägerin hat er sich mit Schreiben vom 16. März 2012 strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen, in der Widerrufsbelehrung vom Verbraucher unter bestimmten Umständen die Kosten des Rückversands zu fordern, wenn dies nicht vertraglich vereinbart wurde.

Wegen dreier Verstöße gegen dieses Vertragsstrafeversprechen wurde der Beklagte vom Landgericht lngolstadt mit Urteil vom 22. Januar 2013 zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von € 4.500,00 verurteilt. Der Senat hat die Berufung des Beklag­ ten hiergegen mit Urteil vom 10. Oktober 2013 zurückgewiesen.

Die Angebote des Beklagten auf den Handelsplattformen Amazon, eBbay und dem Webshop des Beklagten, welche bereits Gegenstand des Urteils des Senats vom 10. Oktober 2013 waren, einschließlich der Widerrufsbelehrung und der Angaben zu den Rückversandkosten waren auch noch am 11. Oktober 2013 unverändert. Am 18. Oktober 2013 hatte der Beklagte ferner in einem für Smartphones optimierten Webshop auf das Widerrufsrecht hingewiesen, wobei ein weiterführender Link zur Widerrufsbelehrung („[Mehr]“) wiederum auch die Forderung der Kosten des Rück­ versands vom Verbraucher unter bestimmten Umständen zum Gegenstand hatte.

Die Klägerin sieht hierin erneute Verstöße gegen die mit einer Vertragsstrafe bewehrte Unterlassungsverpflichtung des Beklagten. Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 13.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2013 zu zahlen.

Der Beklagte hat in erster Instanz  b e a n t r a g t, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte hat in der Berufungsinstanz beantragt, das Urteil des Landgerichts Ingotstadt vom 27. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz  beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren  gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 2014 Bezug genommen.

II.

1. Von einem Tatbestand wird gemäߧ§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

2. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

In der Sache hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass der Beklagte die Vertragsstrafe in vier Fällen evrwirkt hat.

a. Der Beklagte hat sich verpflichtet, es zu unterlassen, in der Widerrufsbelehrung vom Verbraucher unter bestimmten Umständen die Kosten des Rückversands zu fordern, wenn dies nicht vertraglich vereinbart wurde.

Sowohl im Falle einer individualvertraglichen Vereinbarung als auch im Falle des Einbezugs einer Vertragsbedingung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Regelung, dass die andere Ver­ tragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist (so für AGB ausdrücklich § 305 Abs. 2 BGB).

Entgegen der Unterlassungsverpflichtung des Beklagten fehlt es an einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung über die Kosten des Rückversands. Die Angebote des Beklagten sehen eine Einverständniserklärung seiner Kunden mit der Regelung der Rücknahmekosten weder vor noch rechnet der Kunde an dieser Stelle des Angebots überhaupt mit einer einverständnisbedürftigen Vereinbarung, so dass eine vertragliche Vereinbarung hierüber nicht zustandekommen kann (vgl. hierzu auch OLG Hamm GRUR-RR 2014, 395).

Die Regelung der Rücknahmekosten findet sich in den verschiedenen Angeboten des Beklagten jeweils unter der Rubrik „Widerrufsbelehrung“ (bzw. „Widerrufs- und Rückgabebelehrung“ oder „Rückgabe und Erstattungen“), dort einerseits unter der Überschrift „Widerrufsfolgen“, andererseits davon abgesetzt durch die Zeile „Ende der Widerrufsbelehrung“ unter der Überschrift „Kosten der Rücksendung im Falle eines Widerrufs“. Schon die Platzierung der Bestimmung in der Rubrik „Widerrufs- und Rückgabebelehrung“ führt dazu, dass ein Kunde an dieser Stelle gar keine Erklärung vermuten wird, die seines Einverständnisses bedarf und nur dann Vertragsbestandteil werden kann. Entsprechend der Rubrikbezeichnung wird er vielmehr davon ausgehen müssen, dass er hier einseitig über etwas belehrt wird, nicht aber, dass er an dieser Stelle um seine Zustimmung zu einer vertraglichen Regelung gebeten wird. Daran ändert auch die Trennung durch die Zeile „Ende der Widerrufsbelehrung“ nichts, denn der Kunde befindet sich immer noch in der Rubrik „Widerrufs- und Rückgabebelehrung“ und muss an dieser Stelle generell nicht mit zustimmungsbedürftigen Vertragsbestimmungen rechnen.

b. Die Zuwiderhandlungen erfolgten auch schuldhaft.

Das Landgericht Ingolstadt hat den Beklagten bereits mit Urteil vom 22.01.2013, dem Beklagten zugestellt am 29.01.2013, wegen entsprechender Verstöße zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.500 € verurteilt. Der Beklagte hat es für angängig gehalten, diesem Urteil keine Bedeutung für sein weiteres Verhalten beizumessen. Er  hat  auch  dem Urteil des  Senats vom 10.10.2013, mit welchem das Urteil des Landgerichts lngolstadt bestätigt worden war, keine Beachtung geschenkt und jedenfalls noch bis zum 18.10.2013 unbeeindruckt  weiter  der  Vertragsstrafevereinbarung zuwidergehandelt.

Der Beklagte hat die Vertragsstrafe nach allem sogar vorsätzlich verwirkt. Der Be klagte durfte – jedenfalls nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10.10.2013 – nicht mehr annehmen, unter Berufung auf die Rechtsprechung des OLG Hamm die Forderung der Rückversandkosten unverändert lassen zu können. Dem hatte der Senat eine klare Absage erteilt.

c.Es  handelt sich auch um vier eigenständige Verstöße gegen die Unterlassungspflicht des Beklagten, für die die Klägerin jeweils eine angemessene Vertragsstrafe festgesetzt hat.

Zwar können  grundsätzlich mehrere gleichartige Einzelhandlungen als  eine Verletzung anzusehen sein, wenn sie als natürliche Handlungseinheit anzusehen sind Gottwald in: MüKo-BGB, 6. Auflage 2012, § 339 Rn. 40). Eine natürliche Handlungseinheit zeichnet sich durch einen engen Zusammenhang der Einzelakte und durch eine auch für Dritte äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Einheit aus (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Auflage 2014, § 12 Rn. 1.149).

Eine natürliche Handlungseinheit scheidet hier aus, da für Dritte die Zugehörig keit der Einzelakte zu einer Einheit von außen nicht erkennbar ist: Die einzelnen Zuwiderhandlungen finden  sich  auf  vier  verschiedenen  Handelsplattformen („ebay“, „amazon“, Internetseite des Beklagten, Webshop für Smartphones). Selbst wenn man die vier Einzelverstöße als natürliche Handlungseinheit betrachten wollte, wäre die von der Klägerin hierfür angesetzte Vertragsstrafe in Höhe von insgesamt 13.000,00 € angesichts der  Schwere des mehrere besonders  bedeutsame Handelsplattformen betreffenden Verstoßes angemessen.

Dabei ist insbesondere auch die Hartnäckigkeit in Rechnung zu stellen, mit der der Beklagte sowohl das Urteil des Landgerichts lngolstadt als auch das dem folgende Urteil des Senats vorsätzlich mißachtet hat.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere eine Diver­genz der Entscheidung mit Blick auf das Urteil des OLG Hamm vom 23. Mai 2013 (Az. I-14 U 196/12) ist nicht gegeben. Gegenstand des vorgenannten Urteils des OLG Hamm war nicht die Verwirkung einer Vertragsstrafe, sondern ein möglicher Verstoß gegen §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Artikel 246  § 1 Abs. 1 Nr. 10, § 2 Abs. 3 EGBGB, §§ 312 c Abs. 1 Satz 1 8GB, 312 d Abs. 1, 357 Abs. 2 BGB.

Der Entscheidung des OLG Hamm lag auch kein absolut identischer Fall zugrunde, da die zu beurteilenden Angebote in Darstellung und Gestaltung durchaus Unterschiede aufweisen. Vielmehr zeigt eine neuere Entscheidung des OLG Hamm (GRUR-RR 2014, 395), dass eine ähnlich wie hier gestaltete Klausel betreffend die Kosten des Rückversands nicht als Vertragsangebot bewertet werden kann. Die hier vorliegende Rechtssache erfordert mithin lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.

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