Mutter haftet für ihre ausländischen Töchter

26. August 2011
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Eigener Leitsatz:

Die Muttergesellschaft haftet für ihre im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften, welche entgegen ihrer Weisung weiterhin Glückspiel über das Internet vermitteln.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht

Beschluss vom 25.01.2011

Az.: 12 B 76/10

 

 

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,– Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Der – sinngemäße – Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 25. August 2010 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 13. August 2010 anzuordnen,

ist zulässig, aber nicht begründet.

In dem streitbefangenen Bescheid hat die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,– Euro festgesetzt und ein weiteres in Höhe von 20.000.-Euro angedroht, sofern der Verfügung nicht oder nicht vollständig nachgekommen werde.

Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin aufgrund sofort vollziehbarer Verfügung vom 16. April 2009 untersagt worden sei, durch die Gesellschaften …, …, … oder eine andere Tochtergesellschaft, deren Handeln sie maßgeblich beeinflussen könne, öffentliches Glückspiel über das Internet, insbesondere über die Seiten  … sowie … in den Ländern … und … vermitteln zu lassen. Dieser Anordnung sei die Antragstellerin nicht fristgerecht nachgekommen, so dass die Festsetzung des in der vollziehbaren Verfügung angedrohten Zwangsgeldes nunmehr erforderlich sei. Auf den Internetseiten  … und  … werde weiterhin unerlaubtes öffentliches Glücksspiel in Form von Sportwetten, Casinospielen, Poker und Lotterie u. a. von ihren Tochterunternehmen angeboten. Auf der Unternehmenshomepage  … bewerbe und unterstütze die Antragstellerin zudem das vom … -Konzern angebotene Glücksspiel u. a. durch Verlinkung auf die Internetseiten  … und  …, auf denen unerlaubtes Glücksspiel angeboten werde.

Die von der Antragstellerin gegen den hier streitbefangenen Bescheid erhobene Klage entfaltet kraft Gesetzes gemäß den Vorschriften der § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm 16 HessAGVwGO keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag kann die aufschiebende Wirkung durch das Gericht nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO angeordnet werden.

Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung. Dabei sind auf der einen Seite das (private) Aufschubinteresse der Antragstellerin, vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens der Verfügung keine Folge leisten zu müssen, gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung können die Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine maßgebliche Rolle spielen. Lässt sich bereits im Rahmen des summarischen und vorläufigen Rechtsschutzverfahrens feststellen, dass die Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist, hat der Antrag Erfolg, weil es grundsätzlich kein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes gibt. Umgekehrt ist der Antrag abzulehnen, wenn sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bereits feststellen lässt, dass der angegriffene Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Wenn sich im Rahmen der Prüfung eine Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit nicht feststellen, ist im Rahmen einer (reinen) Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Entscheidung zu treffen.

Letztere Konstellation liegt hier vor.

Die Kammer geht im hier zu entscheidenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren von einem offenen Ergebnis in der Hauptsache aus, so dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung nicht auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist, sondern allein auf die widerstreitenden Interessen an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und der Vollziehung der Zwangsgeldfestsetzung andererseits. Diese Abwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus.

Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Zwangsgeldes durch die Antragsgegnerin sind die Vorschriften der §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 Nr. 2, 50 des Hessisches Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) idF vom 14. Januar 2005. Nach § 47 Abs. 1 kann der behördliche oder polizeiliche Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Voraussetzungen erfüllt die im vorliegenden Verfahren streitbefangene Vollstreckungsmaßnahme. Der Grundverwaltungsakt, dessen Durchsetzung die Festsetzung des Zwangsgeldes dienen soll, ist die (Untersagungs-) Verfügung des Antragsgegners vom 16. April 2009. Mit dieser ist der Antragstellerin aufgegeben worden, durch die in der Verfügung im Einzelnen genannten Gesellschaften, deren Handeln sie maßgeblich beeinflussen kann, öffentliches Glücksspiel über das Internet vermitteln zu lassen. Die Verfügung vom 16. April 2009 war kraft Gesetzes nach § 9 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV -) bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit vollstreckbar. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin hat im Ergebnis nicht zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung geführt. Zwar hatte die Kammer dem Antrag durch Beschluss vom 31. März 2010 – 12 B 49/09 – entsprochen. Jedoch hat das OVG Schleswig auf die dagegen eingelegte Beschwerde des Antragsgegners mit Beschluss vom 27. Mai 2010 – 4 MB 19/10 – den Beschluss der Kammer abgeändert und den Eilantrag abgelehnt. Insoweit ist die Untersagungsverfügung derzeit sofort vollziehbar.

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

Das Zwangsgeld ist das richtige Zwangsmittel zur Durchsetzung des unvertretbaren Gebots, kein Glücksspiel zu vermitteln bzw. vermitteln zu lassen. Es wurde der Antragstellerin in der Grundverfügung vom 16. April 2009 schriftlich und in bestimmter Höhe angedroht. Die Androhung durfte mit dem Verwaltungsakt, der vollstreckt werden soll, auch verbunden werden (§ 53 Abs. 2 HSOG).

Da für die Durchsetzung eines Verwaltungsaktes im Wege der Verwaltungsvollstreckung lediglich die Bestandskraft bzw. (sofortige) Vollziehbarkeit und nicht seine Rechtmäßigkeit erforderlich ist, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die auf Vornahme bzw. Untersagung der in der Verfügung vom 16. April 2009 genannten Tätigkeiten und die damit verbundene Androhung des Zwangsgeldes rechtmäßig war. Allerdings ist in jedem Verfahren des Vollstreckungsverfahrens sowohl ein Mangel inhaltlicher Bestimmtheit als auch die Nichtigkeit eines im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzenden Gebotes zu beachten. Dies gilt auch bei Bestandskraft der Grundverfügung (vgl. insoweit OVG Münster, Beschluss vom 16. Januar 1998 – 10 B 3029/97 im Leitsatz zitiert nach juris; wohl anderer Ansicht im Hinblick auf das niedersächsische Vollstreckungsrecht OVG Lüneburg, Beschluss vom 07. Dezember 2010 – 11 LA 36/09 – juris).

Die der Zwangsgeldfestsetzung zugrundeliegende Ordnungsverfügung ist nicht zu unbestimmt. Das hat das OVG Schleswig in seinem Beschluss vom 27. Mai 2010 festgestellt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Auch eine Nichtigkeit, etwa wegen der Unzuständigkeit des Antragsgegners zum Erlass der Grundverfügung, kann nicht angenommen werden. Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 31. März 2010 aaO ausgeführt, dass sich dessen Zuständigkeit (auch für weitere 14 Bundesländer zu handeln) aus § 9 Abs. 1 S. 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) iVm § 16 Abs. 4 des Hessisches Glückspielgesetzes vom 12. Dezember 2007 iVm Nr. 215 des Beschlusses über die Zuständigkeit der einzelnen Ministerinnen und Minister nach Art. 104 der Verfassung des Landes Hessen vom 02. November 2005 (GVBl. I S. 702, zuletzt geändert durch Beschluss vom 20. November 2007, GVBl. I S. 798) ergibt. Nach der Bestimmung des § 9 Abs. 1 S. 4 GlüStV kann jedes betroffene (Bundes-)Land die zuständige Behörde eines anderen Landes ermächtigen, auch mit Wirkung für das betroffene Land tätig zu werden, sofern unerlaubtes Glücksspiel in mehreren Ländern veranstaltet oder vermittelt wird oder dafür in mehreren Ländern geworben wird. Entsprechende Ermächtigungen sind in den Verfahren 12 B 49/09 zur Akte gereicht und der Antragstellerin zur Kenntnis gegeben worden.

Aus § 47 Abs. 3 S. 1 HSOG ergibt sich ferner, dass der Antragsgegner als Erlassbehörde für die Grundverfügung auch für die Anwendung von Zwangsmitteln zuständig ist. Die nach der Bestimmung des § 53 Abs. 1 HSOG der Antragstellerin in der Zwangsmittelandrohung zur Erfüllung der in Nr. 1 der Grundverfügung genannten Verpflichtung gesetzte Frist war auch angemessen und ist verstrichen.

Die Antragstellerin ist – objektiv – der ihr mit Verfügung vom 16. April 2009 auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen. Ihr ist – wie bereits ausgeführt – untersagt worden, durch ihre dort im Einzelnen genannten Tochtergesellschaften in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel über das Internet vermitteln zu lassen. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners wurden und werden auf den Internetseiten  … und  … weiterhin unerlaubtes Glücksspiel in Form von Sportwetten, Casinospielen, Pokern und Lotterien und seit dem 10. September 2010 auch wieder Tipps auf das deutsche Lotto 6 aus 49, Spiel 77, Super 6 und die Glücksspirale angeboten.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe sich an ihre Tochtergesellschaften gewandt und diese zur Befolgung der Verfügung aufgefordert und insoweit ihre Verpflichtung erfüllt; ihre Töchter hätten sich indes geweigert, der Forderung nachzukommen, macht dies die Zwangsgeldfestsetzung nicht rechtswidrig. Dass dies eine Erfüllung der ihr auferlegten Verpflichtung darstellt und weitere Forderungen an die Antragstellerin auf etwas rechtlich Unmögliches gerichtet wären, mit der Folge, dass die Zwangsgeldfestsetzung aufzuheben wäre, kann im Rahmen der summarischen Prüfung im Ergebnis nicht angenommen werden. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Antragsgegner hat die Antragstellerin nicht ausdrücklich als (Mit-) Veranstalterin in Anspruch genommen (vgl. dazu VG Karlsruhe, Beschluss vom 30. August 2010 – 3 K 1696/10-), sondern aufgrund ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft mit beherrschendem Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften. Dies macht im Ergebnis aber keinen Unterschied (OVG Schleswig, Beschluss vom 27. Mai 2010 aaO). Denn die Antragstellerin ist grundsätzlich verantwortlich für das Handeln ihrer Tochtergesellschaften in …, … und … . Die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 31. März 2010 insoweit ausgeführt, dass die Tochtergesellschaften der Antragstellerin lediglich deren verlängerten Arm darstellen. Nachdem die Antragstellerin das operative Geschäft aufgegeben hat, führen ihre Tochtergesellschaften dieses vom Ausland her weiter. Die Antragstellerin ist daher in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Schlüsselfigur der Glücksspiele, die im Internet angeboten werden. Sie als Muttergesellschaft hält teilweise alle oder zumindest die mehrheitlichen Anteile an ihren Glücksspiel anbietenden Tochtergesellschaften und übt darüber hinaus zentrale Funktionen, wie etwa das Controlling, aus. Zweck der gesamten Unternehmensgruppe ist die Veranstaltung von Glücksspiel. Dass sich hieran etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Die Tochtergesellschaften bieten unverändert Glücksspiele auf ihren Internetseiten an, auf die man nach wie vor zugreifen kann. Im Ergebnis hat das Verhalten der Antragstellerin in keiner Weise das mit der Verfügung vom 16. April 2009 avisierte Ziel erreicht.

Der Antragstellerin als (Mehrheits-) Gesellschafterin und Mutterkonzern dürfte es auch (rechtlich) möglich sein, die in der Verfügung vom 16. April 2009 enthaltenen Verpflichtungen gegenüber ihren ausländischen Tochtergesellschaften durchzusetzen.

Das OVG Münster hat in seinem Beschluss vom 30. Juni 2010 (13 B 645/10 – juris) in einem vergleichbaren Fall die Ansicht vertreten, dass auf der Grundlage des (deutschen) Aktiengesetzes (AktG) davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin – eine Aktiengesellschaft – die Konzernspitze der Holding bildet und als solche auch auf ihre ausländischen Tochtergesellschaften den unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss ausübe. Nach § 16 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) sei ein rechtlich selbständiges Unternehmen ein im Mehrheitsbesitz stehendes Unternehmen, wenn die Mehrheit der Anteile des Unternehmens einem anderen Unternehmen gehöre oder einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte zustehe. Abhängige Unternehmen seien nach § 17 Abs. 1 AktG selbständige Unternehmen, auf die ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss habe. Von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen werde nach § 17 Abs. 2 AktG vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 AktG bildeten ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen einen Konzern, wenn sie unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst seien. Von einem abhängigen Unternehmen werde nach § 18 Abs. 1 S. 4 AktG vermutet, dass es mit dem herrschenden Unternehmen einen Konzern bilde. Es sei für das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 AktG unerheblich, in welcher Rechtsform das herrschende und die abhängigen Unternehmen geführt würden. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften komme es auch nicht darauf an, ob Mutter- oder Tochtergesellschaften im Ausland ansässig seien (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 14. Februar 2007 – 7 ABR 26/06 -, juris, Rdnr. 42 ff. mwN; zur Rechtsformneutralität des Unternehmensbegriff nach §§ 15 ff. AktG; siehe auch BGH, Urteil vom 23. September 1999 – II ZR 135/90 -, BGHZ, 115, 187 – juris).

Das OVG Münster kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass einiges dafür spreche, dass sich die Beherrschung der Tochtergesellschaften durch die Antragstellerin entweder kraft gesetzlicher Vermutung aus §§ 16 Abs. 1 und 17 Abs. 2 AktG ergebe und die Tochtergesellschaften zudem kraft gesetzlicher Vermutung des § 18 Abs. 1 S. 3 AktG Unterordnungskonzerne mit der Antragstellerin als herrschendes Unternehmen bildeten oder aber daraus, dass die Tochtergesellschaften kraft Beherrschungsvertrages nach § 291 AktG als unter der einheitlichen Leitung der Antragstellerin zusammengefasst anzusehen seien.

Zwar kommt das von der Antragstellerin eingereichte Kurzgutachten des Prof. Dr. … von August 2010 (Bl. 86 – 95 der Gerichtsakte) zu dem Ergebnis, dass die Frage, ob die Antragstellerin eine rechtlich gesicherte Möglichkeit hat, Weisungen gegenüber ihren Tochtergesellschaften durchzusetzen, allein nach dem anwendbaren ausländischen (englischen, maltesischen und spanischen) Gesellschaftsrecht und nicht nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Das bedeute nach Ansicht der Kammer indes nicht, dass damit eine Durchsetzung unmöglich wäre.

Zunächst ist festzustellen, dass ausweislich der eingereichten Unterlagen der Antragstellerin in einer Vorstandssitzung der spanischen und einer Aufsichtsratssitzung der britischen Tochter die erforderliche Mehrheit für die Befolgung des Ansinnens der Antragstellerin, den aufgrund der ergangenen verwaltungsrechtlichen Beschlüsse in der Verfügung vom 16. April 2009 genannten sofort vollziehbaren Verpflichtungen nachzukommen, keine Mehrheit gefunden hat (eine Sitzung des Vorstands/Aufsichtsrates der … Tochter hat offensichtlich nicht stattgefunden).

Welches Recht der Antragstellerin letztlich zur Verfügung steht, ihre einzelnen Töchter – gesellschaftsrechtlich – zur Befolgung der in der Verfügung vom 16. April 2009 genannten Verpflichtung anzuhalten bzw. zu zwingen, kann offen bleiben. Denn die Kammer geht davon aus, dass auch im spanischen und britischen Recht der Antragstellerin als Konzernmutter aufgrund ihrer beherrschenden Stellung die Möglichkeit eingeräumt wird, auf ihre jeweilige Tochter einzuwirken und diese zu einem bestimmten Verhalten anzuweisen und dies – im Weigerungsfalle – auch durchzusetzen. Am Ende des Protokolls der Vorstandssitzung ihrer spanischen Tochter heißt es im Übrigen, dass so bald wie möglich eine Gesellschafterversammlung einberufen werden solle, um die prekäre Lage mit den Gesellschaftern zu diskutieren. Offenkundig ist mit der Ablehnung in der Vorstandssitzung noch nicht „das letzte Wort gesprochen“ worden. Die Gesellschafterversammlung einer GmbH (was der … . und der … entspricht) ist das höchste Organ und trifft die grundlegenden Entscheidungen; sie kann sogar die Geschäftsführer/Direktoren der (Tochter-)Gesellschaften abberufen. Auf einer Gesellschafterversammlung dürften auch die entsprechenden Beschlüsse zur Umsetzung der Forderungen des Antragsgegners getroffen werden können. Die Antragstellerin als nicht lediglich eine Beteiligungsgesellschaft, die mehr oder weniger zufällig alle bzw. die Mehrheit der Stimmrechte an ihren (selbständig tätigen) Töchtern besitzt, die Glücksspiel veranstalten, sondern als Mutter einer einheitlich geführten Holding, die selbst im Glücksspielgeschäft tätig ist, muss insoweit auch die ihr auferlegte und gerichtlich bestätigte Verpflichtung einlösen können. Stünden ihr keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten zu, liefen ihre Mehrheitsbeteiligungen ins Leere.

Die Kammer lässt es dahinstehen, ob und inwieweit die jüngsten Entscheidungen des EuGH vom 08. September 2010 in den Rechtssachen C 316/07, C 358/07 – C 360/07, C 409/07 und C 410/07 sowie das Urteil vom gleichen Tage in den Rechtssachen C 409/06 und C 46/08 wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zum Nichtvollzug bzw. zur Nichtvollziehbarkeit der Grundverfügung vom 16. April 2009 (und damit auch zur Nichtvollziehbarkeit der Zwangsgeldfestsetzung) führen.

Die Antragstellerin ist insoweit der Auffassung, dass eine gemeinschaftsrechtswidrige Grundverfügung und daran anknüpfende Vollstreckungsmaßnahmen in einem „Rechtmäßigkeitszusammenhang“ stünden, so dass die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Grundverfügung vom 16. April 2009 unmittelbar auf die streitgegenständliche Zwangsgeldfestsetzung vom 13. August 2010 durchschlage. Demgegenüber vertritt der Antragsgegner den Standpunkt, dass die jüngst ergangenen Urteile des EuGH die Rechtmäßigkeit sowohl des Grundverwaltungsaktes als auch der Zwangsgeldfestsetzung unberührt ließen.

Der EuGH hat in den genannten Entscheidungen bekräftigt, dass glücksspielrechtliche Monopole zugunsten des Staates, die zur Eindämmung und Kanalisierung der Spielsucht begründet würden und damit den Schutz des die Dienstleistung Empfangenden bezweckten, grundsätzlich zulässig seien, weil diese Ziele zu den zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zählten, die eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen könnten (EuGH, Urteile vom 08.September 2010 – C 46/08 u.a. – juris). Im Zusammenhang mit dem Sportwettenmonopol hat der EuGH ausgeführt, dass ein Mitgliedstaat im Rahmen seines Ermessens eigenständig beurteilen dürfe, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen, die mit Wetten und Spielen verbundenen und sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen sowie für die Gesellschaft zu bekämpfen, erforderlich sei, Tätigkeiten im Glückspielbereich vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genüge, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollmechanismen vorzusehen. Dabei dürften die Behörden den Standpunkt vertreten, dass sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügten, die ihnen eine bessere Beherrschung des Glückspielangebotes und eine bessere Effizienz bei der Durchführung ihrer Politik gewährleisteten, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Veranstalter in einer Wettbewerbssituation der Fall wäre, selbst wenn die privaten Veranstalter eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen. Allerdings müsse die Errichtung eines staatlichen Monopols mit der Einführung eines normativen Rahmens einhergehen, der dafür sorge, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein werde, das legitime Ziel des Bekämpfens der Spielsucht sowie des Gewährens eines hohen Verbraucherschutzes in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen, in dem er ein Angebot schaffe, das nach Maßgabe dieses Ziel quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet sei und einer strikten behördlichen Kontrolle unterliege (vgl. EuGH, Urteil vom 08. September 2010, aaO und Rechtssache C 116/07, aaO).

Ob das vom EuGH geforderte Kohärenzgebot, gerade im Hinblick auf das in den letzten Jahren expandierte Automatenspiel zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Deutschen Sportwettenmonopols führt und infolgedessen von einer Nichtanwendbarkeit der – gesamten – Regelungen des Glückspielstaatsvertrages und damit einhergehend eventueller nachfolgender Vollstreckungshandlungen führt, hält die Kammer für fraglich.

Zwar wird in der Rechtsprechung teilweise vertreten, dass die rechtliche Ausgestaltung des Glückspielwesens den Vorgaben des Kohärenzgebotes nicht gerecht werde, weil sie das legitime Ziel der Spielsuchtbekämpfung gerade nicht im Sinne der Rechtsprechung des EuGH systematisch verfolge. Die einzelnen Bereiche des Glückspielwesens seien in Deutschland verschieden geregelt, Lotto- und Sportwetten seien ebenso wie der Betrieb von Spielbanken dem Staatsmonopol vorbehalten; Pferdewetten und das ebenfalls bundesrechtlich geregelte besonders suchtgefährdende Automatenspiel dürften dagegen von privater Seite veranstaltet werden (vgl. § 33 c GewO). Hierbei zeigten insbesondere die Regelungen über das Glücksspiel an Spielautomaten, dass den Spielsuchtgefahren in Deutschland nicht kohärent und systematisch begegnet werde. Die mit Abstand prozentual wie absolut häufigsten Fälle von Spielsucht beträfen die Besucher von Spielhallen und das Spiel an Glücksspielautomaten. In der Forschung werde für die Automatenspieler ein Anteil von deutlich über 80 % an der Gesamtzahl der pathologisch Spielsüchtigen genannt (vgl. dazu ausführlich VG Arnsberg, Beschluss vom 15. Oktober 2010 – 1 L 700/10, juris – mwN, insbesondere aus dem Internet; vgl. auch VG Berlin, Beschluss vom 03. November 2010 – 35 L 395.10 – juris). Andere gerichtliche Entscheidungen haben indessen weder eine solche Inkohärenz noch eine Gemeinschaftswidrigkeit der hier maßgeblichen Bestimmungen (§ 9 Abs. 3 S. 3 Nr. 3, § 4 Abs. 4 GlüStV) oder des gesamten Glückspielstaatsvertrag feststellen können. Insoweit wird zum einen davon ausgegangen, dass der Verordnungsgeber im Bereich der Spielautomaten nicht bewusst und zielgerichtet eine Expansionsstrategie verfolge. Es sei zu berücksichtigen, dass die Neufassung der SpielVO neben den genannten Lockerungen gleichzeitig wichtige Neuerungen zum Spielerschutz entfalte, so etwa die Vorschriften über das Verbot von Jackpotsystemen, die Anbringung von Warnhinweisen und Hinweisen auf Beratungsmöglichkeiten sowie insbesondere das Verbot der unter Spielerschutzaspekten besonders problematischen sogenannten Fun-Games. Daraus wird abgeleitet, dass eine von vornherein bestehende Absicht, die Gelegenheit zum Spielen in einer der Suchtprävention zuwiderlaufenden Weise auszuweiten, nicht unterstellt werden könne, weil die Rechtsverordnung damit den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (§ 33 f. GWO) verließe. Verfassungsorganen könne jedenfalls nicht ohne eindeutige Belege (in einem Eilverfahren) unterstellt werden, dass sie bewusst und gewollt den Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes und damit die Verfassung missachteten. Da das zuständige Bundesministerium nach Presseberichten an einem Entwurf zur Überarbeitung der SpielVO unter Berücksichtigung der begleitenden noch unveröffentlichten Evaluationsstudie, die zum Ende des Jahres 2010 vorliegen solle, arbeite, könne noch von einer angemessen zeitnahen Reaktion im Hinblick auf den Spielerschutz und die Vermeidung von Spielsucht ausgegangen werden und stelle deshalb die Gesamtkohärenz der Glücksspielpolitik insoweit noch nicht in Frage (vgl. zum Ganzen OVG Münster, Beschluss vom 15. November 2010, 4 B 733/10 -, juris).

Zum anderen wird angenommen, dass der Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV einen eigenständigen „gestuften“ Gehalt besitze, der sich von der Frage des staatlichen Monopols trennen lasse. Eine – unterstellte – Nichtanwendung der Regelungen über das staatliche Veranstaltungsmonopol wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ließen die Rechtsgrundlage für Untersagungsverfügungen der zuständigen Behörden nicht entfallen (vgl. dazu insbesondere OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 26. Oktober 2010 – 1 S 154.10 -; vom 05. November 2010 – 1 S 141.10 – und vom 22. November 2010 – 1 S 22.10 -; OVG Koblenz, Beschluss vom 08. Dezember 2010 – 6 B 11013/10 – alle juris; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. November 2010 – 11 MC 429/10 – juris, wonach zumindest einiges dafür spreche, dass eine Unvereinbarkeit nationalen Rechts mit Unionsrecht lediglich zur Nichtanwendbarkeit der widersprechenden nationalen Regelungen führe, und zwar (nur) in dem Umfang, indem dieser Anwendungsvorrang des Unionsrechts auch bestehe).

Aus den zuletzt genannten Gründen dürfte es mindestens zweifelhaft sein, ob von einer – einmal unterstellten – Gemeinschaftswidrigkeit des in § 10 GlüStV geregelten staatlichen Wettmonopols auch der in der Bestimmung des § 4 Abs. 1 S. 1 GlüStV geregelte Erlaubnisvorbehalt betroffen sein kann. Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass der Erlaubnisvorbehalt über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele, insbesondere zur Verhinderung der Glückspielsucht, zur Begrenzung des Glückspielangebots und zur Gewährleistung des Jugend- sowie Spielerschutzes, erforderlich ist. Dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer glückspielrechtlichen Erlaubnis an einen staatlichen Veranstalter auch für einen privaten Antragsteller gelten, bedeutet auch keinen Verstoß gegen das Übermaßverbot. Durch den Erlaubnisvorbehalt werden die Gelegenheiten zum Spiel wirklich vermindert, indem die in § 21 GlüStV aufgeführten Begrenzungen des Angebots sowie die Beschränkungen zum Spieler- und Jugendschutz durchgesetzt und außerdem – wie vorliegend – Internetwetten gem. § 4 Abs. 4 GlüStV unterbunden werden. Nach den zuletzt genannten gerichtlichen Entscheidungen ist nach allem Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zur Veranstaltung bzw. zur Vermittlung privater Sportwetten eine Vermittlungserlaubnis nach § 4 Abs. 2 S. 2 GlüStV. Ein Anspruch auf eine solche Erlaubnis ist davon abhängig, dass der Anbieter, an den Sportwetten vermittelt werden sollen, konzessioniert ist bzw. zumindest eine Erlaubnis offensichtlich  beanspruchen kann. Dies ist für die Antragstellerin jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht feststellbar. Insoweit dürfte auch die Antragstellerin eine Vermittlungserlaubnis benötigen und hätte dazu u. a. das Verbot zu beachten, Sportwetten (ohne Erlaubnis) im Internet anzubieten bzw. vermitteln zu lassen (vgl. insbesondere OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 26. Oktober 2010 aaO, vom 05. November 2010 aaO und vom 22. November 2010 aaO).

Nach allem erscheint der Kammer eine abschließende Bewertung im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit der Grundverfügung (Untersagungsverfügung vom 16. April 2009) sowie der daran anknüpfenden streitgegenständlichen Verfügung vom 13. August 2009 – wenn man insoweit einmal von einem „Rechtswidrigkeitszusammenhang“ ausgeht – im gerichtlichen Eilverfahren nicht abschließend möglich, so dass die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind.

Eine solche Abwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Dies folgt zunächst daraus, dass bei einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung ein Marktgeschehen eröffnet würde, dessen Dynamik es erheblich erschweren würde, dass Wettmonopol später – sollte es in der Hauptsache bestätigt werden – mittels Verwaltungszwanges durchzusetzen, weil bereits in der Übergangszeit mit einer erheblichen Ausweitung des (dann) illegalen Wettangebots zu rechnen wäre. Der durch die unerwünschte Ausweitung des Glückspielmarktes entstehende Schaden wird, je länger gegen das Verbot verstoßen werden würde, um so schwerer zu bekämpfen sein. Dem Schutz der Bevölkerung, dem ein hoher Stellenwert zukommt, stünden keine gleichwertigen Interessen der privaten Sportwettenanbieter gegenüber. Die Antragstellerin müsste sich vielmehr zurechnen lassen, dass sie ihr Gewerbe vor dem Hintergrund einer für alle erkennbar unklaren Rechtslage betreibt und die von ihr getroffenen Investitionsentscheidungen deshalb von vornherein mit dem Risiko behaftet waren, sich nur vorübergehend oder gar nicht amortisieren zu können. Ihr Interesse an der Fortsetzung ihrer Tätigkeiten bzw. der ihrer Tochterunternehmen genießen deshalb keinen besonderen Vertrauensschutz (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 06. Oktober 2010 – 7 L 779/10 -, VG Braunschweig, Beschluss vom 07. Oktober 2010 – 5 B 178/10 – beide juris).

Nach allem wiegen die betroffenen Belange des Allgemeininteresses schwerer als das grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 12 GG und der europarechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit unterfallende Interesse der Antragstellerin, vorläufig (weiterhin) freien Zugang zum Sportwettenmarkt zu haben und die Möglichkeit zu besitzen, Gewinn aus der Vermittlung von Sportwetten zu ziehen (eine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin ebenfalls vornehmend: VG Braunschweig, Beschluss vom 07. Oktober aaO; VG Mainz, Beschluss vom 09. November 2010 – 6 L 1089/10.MZ -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 06. Oktober 2010 aaO; VG Saarlouis, Beschluss vom 02. Dezember 2010 – 6 L 654/10 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. November 2010 aaO -alle juris).

Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung, insbesondere im Hinblick auf deren Höhe, sind nicht ersichtlich. Der Betrag von 20.000,– Euro ist angesichts der mit dem veranstalteten Glücksspiel erzielbaren Gewinne nicht zu beanstanden.

Auch gegen die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes in Höhe von 20.000,– Euro ist nichts zu erinnern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG iVm Ziffer 1.6.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./08. Juli 2004 (Hälfte des festgesetzten Zwangsgeldes).

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