Freihaltebedürfnis für „Escapulario“

24. Oktober 2011
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Eigener Leitsatz:

Der Eintragung der Wortmarke "escapulario.com" steht das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses entgegen. Es besteht ein Allgemeininteresse des Fachhandels an der freien Verwendung der Bezeichnung beim Im- und Export, da der Begriff "Escapulario" als beschreibende Gattungsbezeichnung für aus Brasilien stammende Schmuckwaren mit Heiligenbildern verwendet wird und mittlerweile als Oberbegriff für diverse Ausgestaltungen des ursprünglichen Glücksarmbändchen "escapulario" verwandt wird. Dem Bestandteil „com“ kommt keine schutzbegründende Eigenschaft zu.

Bundespatentgericht

Beschluss vom 26.07.2011

Az.: 27 W (pat) 36/10

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 43 909
(hier: Löschungsverfahren S 204/07)

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, den Richter Kruppa und die Richterin am Landgericht Werner

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Kostenantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

I

Gegen die am 3. September 2002 angemeldete und am 17. Dezember 2002 eingetragene Wortmarke 302 43 909

escapulario.com

die nach einer Teillöschung mit Wirkung vom 30. Januar 2007 in der Klasse 14
u. a. für die Waren

Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten, ausgenommen zwei an einer Schnur befestigte, medaillonförmige Heiligenbilder; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, ausgenommen zwei an einer Schnur befestigte medaillonförmige Heiligenbilder; Schmuck aus Leder und/oder Stein, Lederbändchen, ausgenommen zwei an einer Schnur befestigte, medaillonförmige Heiligenbilder

geschützt ist, hat die Antragstellerin am 12. Juni 2007 Antrag auf teilweise
Löschung der Marke für die vorgenannten Waren gestellt, weil es sich bei
„escapulario“ um einen für Schmuckwaren nicht unterscheidungskräftigen und freihaltungsbedürftigen Begriff handle. Die Antragstellerin stützt sich insoweit auf zwei vorangegangene Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Februar 2006 (S 78/05) und des Bundespatentgerichts vom 8. November 2006 in dem Verfahren 28 W (pat) 59/06, die in einem vorangegangenen Löschungsverfahren zwischen den gleichen Parteien bezüglich der Marke 302 43 908 „Escapulario“ jeweils das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bejaht haben. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts sei der spanische Sachbegriff „Escapulario“ bereits zum Eintragungszeitpunkt der Marke 302 43 909 am 17. Dezember 2002 im Inland als beschreibende Angabe für Modeschmuck verwendet worden.

Bei einem Escapulario handle es sich um ein ursprünglich vor allem in Brasilien
sehr populäres, um das Handgelenk oder am Hals getragenes Andachtsbändchen. Es bestehe aus zwei an einer Schnur befestigten, medaillonförmigen Heiligenbildern und solle seinem Träger Schutz und Glück bringen. Losgelöst von diesem Hintergrund hätten Escapularios in den letzten Jahren zuerst in den USA und später auch in Europa als Accessoires eine weitgehende Verbreitung gefunden und einen vielbeachteten Modetrend ausgelöst.

Der Markeninhaber hat dem ihm am 29. August 2007 zugestellten Löschungsantrag mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2007 widersprochen. Er verweist u. a. auf zwei Urteile des OLG Hamburg vom 4. Januar 2008, in denen das OLG im Zusammenhang mit Schlüsselanhängern zugunsten des Markeninhabers entschieden hat. Dies wurde damit begründet, dass ein erheblicher Teil des angesprochenen inländischen Publikums den Begriff „Escapulario“ als Gattungsbegriff der spanischen oder portugiesischen Sprache für bestimmten religiösen Schmuck nicht kennen würde. Selbst wenn man der Auffassung des Bundespatentgerichts in der Entscheidung vom 8. November 2006 folgen wolle, so sei jedenfalls diese Auffassung des Bundespatentgerichts dezidiert nur auf eine ganz bestimmte Art von religiösem Schmuck bezogen, nämlich auf Andachtsbändchen, die um das Handgelenk oder am Hals getragen würden und an denen Heiligenbilder hingen. Der erfolgreiche Modetrend sowie die Einführung der Bezeichnung „escapulario“ in Deutschland gehe auf die Tätigkeit des Markeninhabers zurück. Er habe den Trend selbst mit erheblichem Marketinggeschick und erheblichem Marketingaufwand, auch finanzieller Art, geschaffen. Für eine weitergehende Löschung als die von ihm bereits vorgenommene Einschränkung bestehe kein Anlass. Die Auffassung, es bestehe an dem Begriff „escapulario“ jedenfalls über eine beschreibende Verwendung des Begriffs für zwei an einer Schnur befestigte, medaillonförmige Heiligenbilder hinaus ein Freihaltungsbedürfnis, werde durch nichts belegt. Der von der Antragstellerin vorgelegte Auszug aus einem Sport Scheck Katalog beziehe sich auf Produkte des Markeninhabers.

Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 7. September 2009 die antragsgemäße teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, weil dieser bereits zum Zeitpunkt der Eintragung das Eintragungshindernis des Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden habe. Dies sei auch jetzt noch der Fall. Zur Begründung ist ausgeführt, ein Escapulario sei ein Andachtsbändchen für Hals und Handgelenk. Die Bezeichnung stamme aus Brasilien und bezeichne ursprünglich ein Kleidungsstück der Mönche. Es handle sich um einen Überwurf bestehend aus zwei bodenlangen, mit Heiligenbildern geschmückten Tüchern auf Rücken und Brust. Im Laufe der Zeit habe sich daraus ein Schmuckstück mit zwei an einer Schnur befestigten Heiligenbildern entwickelt. Dieses Schmuckstück werde auch heute noch in dieser Form vielfach verwendet. Im Laufe der immer größer werdenden Beliebtheit sowohl im Ursprungsland Brasilien als auch in den USA, in Japan und Europa, speziell in Deutschland, seien zur Ursprungsform Varianten hinzugetreten. Als trendige Schmuck- und Glücksbringer hätten sich die Ecapularios mehr und mehr durch ein phantasievolles Design und kreative Formenvielfalt ausgezeichnet. Die Markenabteilung stützt sich hierbei auf dem Beschluss beigefügte Internetausdrucke, die eine Verwendung des Begriffs Escapulario durch Dritte belegten. Insoweit wurde zur Veranschaulichung auf den Rundfunkartikel des Bistums Trier vom 9. September 2003 verwiesen, in dem diese Entwicklung beschrieben wird und in dem es heißt, mittlerweile gebe es das escapulario auch als Armband, und aus zwei Heiligenbildchen seien längst mehr geworden. Die amerikanischen und europäischen Verbraucher verbänden mit dem
Heiligenschmuck – im Gegensatz zu den Bewohnern des Herkunftslandes
Brasilien – häufig keine tieferen religiösen Hintergründe und Empfindungen. Für sie handle es sich dabei überwiegend um ein „hippes“ und „trendiges“ Schmuckstück, das womöglich Glück bringe. Modische Varianten der ursprünglichen Form des Escapularios als Schmuckstück mit zwei an einer Schnur befestigten Heiligenbildern würden insofern in den USA und Europa – speziell Deutschland – ohne weiteres als „Escapulario“ bezeichnet.

Die Markenabteilung führt weiter aus, es spreche nach alledem viel dafür, dass die beschreibende Bedeutung von „escapulario“ – zumindest in seiner ursprünglichen Form – dem überwiegenden Teil der inländischen Verkehrskreise bereits zum Zeitpunkt der Eintragung im Jahr 2002 bekannt gewesen sei. Dem entsprechend habe der Antragsgegner den Begriff „escapulario“ vor der Eintragung der angegriffenen Marke seinen Kunden gegenüber auf seinen Internetseiten vom Juni und November 2002 ausschließlich im Sinn einer Gattungsbezeichnung verwendet, wie der Bundespatentgerichtsentscheidung in dem Verfahren 28 W (pat) 59/06 zu entnehmen sei. Letztlich könne die Frage, ob der spanische Begriff „escapulario“ dem überwiegenden Teil der deutschen Verbraucher bereits zum Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke bekannt gewesen sei, jedoch dahingestellt bleiben. Der Begriff könne nämlich zur beschreibenden mehrsprachigen Produktkennzeichnung im inländischen Geschäftsverkehr sowie zur beschreibenden fremdsprachigen
Produktkennzeichnung im Import/Export dienen, weshalb vorliegend das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einschlägig sei.

So müsse es den Konkurrenten unbenommen bleiben, beim Im- oder Export der
strittigen Waren in Länder oder aus Ländern des spanischen Sprachbereichs die
Angabe „Escapulario“ ungehindert von Monopolrechten Dritter einsetzen zu können. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, dass es für die Mitbewerber noch andere sprachliche Möglichkeiten der Bezeichnung für die im Tenor genannten Waren geben möge.

Der Bestandteil „com“ sei nicht schutzbegründend. „Top-Level-Domains“ wie „de, at, com“, stellten lediglich regionale oder organisatorische Zuordnungskriterien dar. Da es sich bei „escapulario.com“ um eine für Internetadressen typische Schreibweise handle, werde das Publikum die angegriffene Marke insgesamt als Hinweis auf eine virtuelle Informations- und Vertriebsstätte für Escapularios verstehen.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sei auch der Ausnahmevermerk (Disclaimer) im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis („ausgenommen zwei an einer Schnur befestigte medaillonförmige Heiligenbilder“) nicht schutzbegründend. Dabei könne die Frage, ob der Disclaimer möglicherweise geeignet sei, die Verbraucher zu täuschen, dahingestellt bleiben, da der Disclaimer bereits tatsächlich nicht jegliche als Escapulario bezeichneten Schmuckstücke umfasse. In Deutschland würden als „Escapulario“ unterschiedlich gestaltete Schmuckstücke, denen man eine glückbringende oder schützende Wirkung zuschreibe, bezeichnet. So sei davon auszugehen, dass Escapularios infolge der modischen Erfolgswelle der letzten Jahre nicht mehr nur in ihrer ursprünglichen Form mit zwei an einer Schnur befestigten, medaillonförmigen Heiligenbilder angeboten würden. Auch schon vor der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zum 31. Januar
2007 habe es Escapularios gegeben, die von der ursprünglichen Form mit
den zwei Medaillons abwichen. So biete z. B. der Online-Anbieter für religiösen
Schmuck www.marienfiguren.de bereits seit Anfang 2007 als Escapularios bezeichnete Ketten und Armbänder an, an denen bis zu 22 verschiedene Heiligenbilder aufgereiht seien, wie sich aus einem dem Beschluss beigefügten Internetausdruck ergebe.

Gegen diesen am 5. November 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am
1. Dezember 2009 eingegangene Beschwerde des Markeninhabers. Zur Begründung ist ausgeführt, der erfolgreiche Modetrend mit sakral geprägten und aus Brasilien importierten Schmuck sowie die Einführung der Bezeichnung
„Escapulario“ in Deutschland gehe auf den Markeninhaber zurück, der diesen
Trend mit erheblichem Marketinggeschick und -aufwand geschaffen habe. Nachdem er das Warenverzeichnis dahingehend eingeschränkt habe, dass „zwei an einer Schnur befestigte, medaillonförmige Heiligenbilder“ ausgenommen seien, bestehe für eine weitergehende Löschung kein Anlass. Soweit die Markenabteilung davon ausgegangen sei, dass Escapularios nicht mehr nur in ihrer ursprünglichen Form angeboten würden, stammten die von der Markenabteilung hierzu genannten Unterlagen aus der Zeit nach der Anmeldung der streitgegenständlichen Marke. Eine nach der Anmeldung durch Dritte erfolgte Benutzung des Begriffs „Escapulario“ könne kein Freihaltungsbedürfnis schaffen. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff „escapulario“ bereits vor der Anmeldung eine beschreibende Bedeutung für die nach der Teillöschung im Warenverzeichnis verbleibenden Waren beinhaltet habe.

Der Markeninhaber beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patentund
Markenamts vom 7. September 2009 aufzuheben und den
Löschungsantrag zurückzuweisen;
die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2011 haben die Parteien ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Der Senat hat beschlossen, die Akten des Verfahrens 28 W (pat) 59/06 beizuziehen.

Mit Schriftsatz vom 9. August 2011 hat die Antragstellerin beantragt,

dem Markeninhaber die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

II

1)
Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers hat in der Sache keinen Erfolg,
weil die Markenabteilung zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke
„escapulario.com“ gemäß § 50 Abs. 1 MarkenG angeordnet hat. Deren Eintragung stand das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, welches auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verbietet es, Zeichen als Marken einzutragen, die ausschließlich aus Teilen bestehen, welche zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung einer Ware oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale von Waren dienen können. Der Ausschluss solcher zur Beschreibung geeigneter Zeichen oder Angaben dient dazu, dass sie jedermann frei verwenden kann. Es ist daher nicht erlaubt, solche Zeichen oder Angaben durch ihre Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorzubehalten (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, Rn. 25 – Windsurfing Chiemsee; GRUR Int. 2003, 632, Rn. 73 – Linde). Wie der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 MarkenG belegt („… dienen können.“), kommt es auf die objektive Eignung zur beschreibenden Verwendung an, nicht aber darauf, dass bereits ein beschreibender Gebrauch durch Dritte belegbar ist. Allerdings können entsprechende Belege einer bereits erfolgten beschreibenden Benutzung der fraglichen Marke starke Indizien für deren tatsächliche Eignung zur Beschreibung darstellen. Bei der Prüfung des beschreibenden Charakters einer Marke sind nicht nur die aktuellen
Gegebenheiten zu beachten, sondern es ist auch die Möglichkeit zu erörtern,
ob eine entsprechende beschreibende Verwendbarkeit der fraglichen Marke vernünftigerweise in der Zukunft erwartet werden kann (vgl. Ströbele/Hacker,
MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rn. 240, 241).

Ausgehend von diesen Grundsätzen geht der Senat davon aus, dass das Schutzhindernis des Freihaltungsbedürfnisses bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der streitgegenständlichen Marke im Dezember 2002 bestand. Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss der Markenabteilung und insbesondere auf die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 8. November 2006 in dem Verfahren 28 W (pat) 59/06, deren Akten in der mündlichen Verhandlung beigezogen wurden,
Bezug genommen. Die Entscheidung des 28. Senats betraf die am 17. Dezember 2002 eingetragene Wortmarke 302 43 908 „Escapulario“.

Das bereits zum Eintragungszeitpunkt dieser Marke bestehende Freihaltungsbedürfnis hat der 28. Senat u. a. mit Internetausdrucken vom Juni und November 2002 begründet, die belegen, dass der Markeninhaber bereits damals den Begriff „Escapulario“ seinen angesprochenen Kunden gegenüber im Sinn einer Gattungsbezeichnung und nicht etwa markenmäßig verwendet hat. Für ein Freihaltungsbedürfnis zum Eintragungszeitpunkt spricht auch der vom Markeninhaber im Beschwerdeverfahren selbst vorgelegte Auszug aus der Zeitung „maxima“, aus dem sich eine beschreibende Verwendung des Begriffs „Escapulario“ bereits im Oktober 2002 nicht nur für Heiligenbilder, sondern auch für ein Halsband oder eine Holzkette ergibt.

Der 28. Senat hat das Freihaltungsbedürfnis auch damit begründet, dass der
Begriff „Escapulario“ zur beschreibenden Produktkennzeichnung im Import/Export dienen kann. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Es bestand und besteht daher ein Allgemeininteresse des Fachhandels an der freien Verwendung der fremdsprachigen Bezeichnung „Escapulario“ beim Import/Export.

Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist entgegen der Auffassung
des Markeninhabers auch nicht durch die nach dem Beschluss des 28. Senats mit Wirkung vom 30. Januar 2007 vorgenommene Einschränkung des Warenverzeichnisses im Bereich der Klasse 14 entfallen. Der Senat hält die Einschränkung der streitgegenständlichen Waren mit dem Zusatz „ausgenommen zwei an einer Schnur befestigte medaillonförmige Heiligenbilder“ nämlich aufgrund der Postkantoor-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH GRUR 2004, 674, 679, Rz. 114 f.) nicht für zulässig. An die dort getroffene Auslegung der Markenrichtlinie (Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988), in deren Umsetzung das deutsche Markengesetz ergangen ist, sind die nationalen Behörden und Gerichte gebunden. Nach dieser Rechtsprechung ist es nicht zulässig, dass die zuständige Behörde die Marke nur insoweit einträgt, als die fraglichen Waren ein bestimmtes Merkmal nicht aufweisen. Eine solche Praxis würde zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen.

Diese verbindliche Auslegung des maßgeblichen Rechts durch den Europäischen
Gerichtshof hat zu einer Änderung der früheren Rechtsprechung und -praxis in
Deutschland geführt. Derartige einschränkende Zusätze (Disclaimer) bezüglich
bestimmter Merkmale werden entgegen früherer Ansicht generell nicht mehr als
zulässig angesehen (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 260 m. w. Nachw.).

Entgegen der Auffassung des Markeninhabers spielt es für die Beurteilung des
Freihaltungsbedürfnisses auch keine Rolle, ob der Markeninhaber den Begriff
„Escapulario“ in Deutschland bekanntgemacht hat, da die Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke grundsätzlich unabhängig von der Person des Anmelders zu erfolgen hat (BGH GRUR 2006, 503 – Casino Bremen).

Eine vom 28. Senat abweichende Entscheidung kann hier auch nicht wegen des
zusätzlichen Markenbestandteils „.com“ begründet werden. Die angemeldete
Marke ist wie der Teil einer Internet-Adresse gebildet, wobei „escapulario“ die
Second-Level-Domain und das durch einen Punkt davon getrennte „com“ die
„Top-Level-Domain“ darstellt. Eine Internet-Adresse bzw. URL dient der eindeutigen Adressierung eines jeden im Internet angeschlossenen Rechners. Solche nach Art einer Internet-Adresse gestalteten Marken sind im Einzelfall nach den allgemeinen markenrechtlichen Kriterien zu beurteilen.

Dem Bestandteil „com“ kommt keine schutzbegründende Eigenschaft zu. Top-
Level-Domains wie etwa „.de, .fr, .at, .org, .gov“ usw. und auch „.com“ stellen
lediglich regionale oder organisatorische Zuordnungskriterien dar. Im Gegensatz dazu ist die Second-Level-Domain – hier „escapulario“ – eine frei wählbare individualisierende Bezeichnung. In den letzten Jahren hat sich immer mehr der Trend durchgesetzt, Sachbezeichnungen als Second-Level-Domain zu verwenden, um einen schnelleren, zielgerichteten Zugriff auf Informationen eines gewissen Bereichs zu erleichtern, die zum Teil weitere Hinweise und Links auf verschiedene Hersteller enthalten. So führt eine derartige URL häufig zu einer Web-Site – etwa einem Portal – die zwar Informationen zu einem bestimmten Thema enthält, aber den Urheber nicht erkennen lässt.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem als Second-Level-Domain stehenden Wort „escapulario“ um einen Hinweis auf die angebotenen Waren.

2)
Für die vom Markeninhaber angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung. Es ist weder ersichtlich noch vom Markeninhaber aufgezeigt, dass der vorliegende Fall Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, die der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedürfen, oder dass der Senat mit dieser Entscheidung von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht. Da die vom Markeninhaber vorgenommene Einschränkung des Warenverzeichnisses unzulässig ist, kommt es auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Rechtsfrage nicht an.

3)
Billigkeitsgründe für eine Kostenauferlegung gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG sind
nicht ersichtlich. Die vorangegangene Entscheidung des 28. Senats in dem Verfahren 28 W (pat) 59/06 rechtfertigt es nicht, von dem in § 71 Abs. 1 Satz 2
MarkenG zum Ausdruck kommenden Grundsatz, nach dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat, abzuweichen und dem Markeninhaber die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Es entspricht einem an den eigenen Interessen ausgerichteten Vorgehen, eine markenrechtliche Beurteilung erneut zur Überprüfung durch einen anderen Senat zu bringen.

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