Keine missbräuchliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche

02. November 2009
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Eigener Leitsatz:

Liegt eine Beauftragung desselben Rechtsanwalts durch mehrere rechtlich und wirtschaftlich unabhängig voneinander agierender Gläubiger zur Geltendmachung von Rechten gegen denselben Wettbewerbsverstoß eines Gläubigers vor, so kann allein dadurch keine missbräuchliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche angenommen werden. Der zur Verschwiegenheit verpflichtete Rechtsanwalt kann das Vorgehen seiner Mandanten nur dann abstimmen, wenn diese ihn von der Verschwiegenheitspflicht entbinden.

Kammergericht Berlin
Beschluss vom 26.10.2009
Az.: 5 W 217/08

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

…………
…………

Antragsgegners und
Beschwerdeführers,

– Verfahrensbevollmächtigte:
…………
…………

g e g e n

…………
…………

Antragsteller und
Beschwerdegegner,

-Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hild & Kollegen,
Konrad-Adenauer-Allee 55, 86150 Augsburg –

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Schmelz und die Richter am Kammergericht Dr. Hess und Dr. Lehmbruck am 26. Oktober 2009 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 30. Mai 2008 – 103 O 46/08 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 2.500,– EUR.

G R Ü N D E

Die gemäß § 91 a Abs. 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.

1.    Nach beiderseitiger Erledigungserklärung ist über die Kosten gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat grundsätzlich diejenige Partei die Kosten zu tragen, die ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich im Verfahren unterlegen wäre (vgl. BGH, WRP 2005, 126; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. § 91 a RdNr. 24 m.w.N.).

§ 91 a ZPO will die in der Kernfrage erledigten Rechtsstreitigkeiten einer summarischen, beschleunigten Erledigung zuführen. Die Frage der Kostenlast rechtfertigt nur eine abgekürzte, Zeit und Arbeitskraft ersparende Behandlung und Entscheidung (BGH, GRUR 2005, 41 – Staubsaugerrohr, GRUR 1968, 531 – Schweißgemisch). Damit verbietet es sich regelmäßig, hierbei alle rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen (BGH aaO.)

2.    Vorliegend ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses inhaltlich insoweit berechtigt war, als die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Antraggegners als unzulässig angesehen wurden und dementsprechend die Verwendung der allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der einstweiligen Verfügung vom 19. März 2008 untersagt wurde.

3.    Die Antragstellung durch den Antragsgegner war auch nicht deshalb missbräuchlich, §8 Abs. 4  UWG, weil der Antragsgegner vom Antragssteller und zugleich von weiteren Anspruchsberechtigen wegen der Verwendung derselben Geschäftsbedingungen in Anspruch genommen wurde.

Selbständige Klagen mehrerer Anspruchsberechtigter sind grundsätzlich zulässig. Eine Mehrfachverfolgung ist erst dann missbräuchlich, wenn sie auf einem abgestimmten oder zentral koordinierten Verhalten der Unterlassungsgläubiger beruht, für die kein vernünftiger Grund vorliegt und die Vervielfachung der Belastung und das Kostenrisiko beim Anspruchsgegner unangemessen ist (Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. § 8 RdNr. 4.15 f.).

Entgegen der Auffassung des OLG München (Beschluss vom 2. September 2008, 29 W 2072/08, dem folgend: OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 6. Oktober 2008, 3 W 1746/08 und
vom 13. Oktober 2008, 3 W 1910/08) kann hier eine missbräuchliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nicht angenommen werden.

a)
Das OLG München stützt den Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG maßgeblich darauf, dass aufgrund der Vertretung der insgesamt fünf Gläubiger durch einen Rechtsanwalt die Möglichkeit einer koordinierten, den Schuldner möglichst schonenden Vorgehensweise bestanden habe (aa). Selbst wenn der einzelne Antragsteller keine Kenntnis von dem
parallelen Vorgehen weiterer Gläubiger besessen haben sollte, müsste er sich die den
Schuldner unangemessen belastende parallele Geltendmachung der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche durch seinen Rechtsanwalt gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (ab). Dieser Würdigung vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

aa)
Beauftragen mehrere rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängig
agierende Gläubiger denselben Rechtsanwalt mit der Geltendmachung ihrer Rechte bezüglich desselben Wettbewerbsverstoßes des Schuldners, kann nicht ohne Weiteres unterstellt
werden, der Rechtsanwalt habe es in der Hand, das Vorgehen seiner Mandanten
abzustimmen und zu koordinieren. Ein Rechtsanwalt unterliegt der Pflicht zur
Verschwiegenheit ( § 43a Abs. 2 BRAO) und darf seine Mandanten regelmäßig nur dann über andere von ihm bearbeitete Mandate unterrichten, wenn er von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden ist. Eine derartige Entbindung kann nicht fraglos unterstellt werden. So
sind Fallgruppen denkbar, in denen ein Gläubiger ein gemeinsames oder zumindest
abgestimmtes Vorgehen mit – bestimmten – anderen Gläubigern ablehnt.

ab)
Aus den vorgenannten Gründen kann dem Anwalt ohne nähere Feststellungen bezüglich des tatsächlichen Bestehens der Möglichkeit einer koordinierten Vorgehensweise seiner
Mandanten im konkreten Fall eine schuldhaft missbräuchliche Geltendmachung der parallelen Ansprüche nicht angelastet werden.

§ 85 Abs. 2 ZPO ist zudem die Ausformung des Grundgedankens, dass die Partei, die ihren Rechtsstreit durch einen Vertreter führen lässt, in jeder Weise so zu behandeln ist, als wenn
sie den Prozess selbst geführt hätte (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. § 85 RdNr. 2
m.w.N.). Wenn die Partei vorliegend das Verfahren selbst geführt hätte, verfügte sie nicht

 
über die Kenntnis, welche anderen Unternehmen ebenfalls gegen den wettbewerbs-widrig handelnden Mitbewerber vorgehen. Der Mandant hat sich daher nur das Wissen zurechnen zu lassen, welches sein Anwalt im Rahmen der Beauftragung erlangt hat (Vollkommer aaO. RdNr. 3 m.w.N.). Vorliegend hat der Verfahrensbevoll-mächtigte im Rahmen seiner Beauftragung durch den Antragsteller nicht die Kenntnis von dem Vorgehen der anderen Antragsteller erhalten. Dem Antragsteller kann daher das Wissen seines Prozessbevollmächtigten bzgl. der ihm parallel erteilen Aufträge von Mitbewerbern nicht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden.

b)
Soweit das OLG München als weiteren Anhaltspunkt für ein missbräuchliches Vorgehen des Antragstellers den Umstand angeführt hat, dass es vor er Stellung des Verfügungsantrages geboten gewesen sei, den Eingang der angekündigten Unterlassungserklärung gegenüber der Wettbewerbszentrale abzuwarten, vermag dieser Gesichtspunkt einen Missbrauch jedenfalls bei Würdigung des Sachvortrages im hiesigen Verfahren nicht zu begründen:

Denn die nach der Abmahnung gegenüber einem Wettbewerbsverband unaufgefordert abgegebene Unterwerfungserklärung (aufgedrängte Drittunter-werfung) beseitigt die Wiederholungsgefahr jedenfalls dann nicht, wenn der Wett-bewerbsverband die Erklärung nicht angenommen hat (Senat, Beschluss vom 24. April 2009, 5 W 41/09; OLG Frankfurt, OLGR 2009, 111, JurisRdNr. 4; Hess in: Ullmann, JurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 RdNr. 57 m.w.N.; Bornkamm, aaO., § 12 RdNr. 1.168 a). So liegt es hier. Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Wettbewerbsverband die vom Antragsgegner übersandte Unterlassungserklärung nicht angenommen hat. Daher ist die Wiederholungsgefahr nicht entfallen, eine anderweitige Unterwerfung wurde vom Antragsgegner nicht vorgetragen. Angesichts dieser Rechtslage kann die Anbringung des Verfügungsantrages nicht als ein das Vorliegen eines Missbrauches bestärkendes Indiz angesehen werden.

4.    Eine andere Kostenentscheidung ergibt sich auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO, der im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO zu berücksichtigen ist.

Der Antragsgegner hat Anlass zur Antragstellung gegeben. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Übersendung der Drittunterwerfung an den Wettbewerbs-verband nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Daher war der Antragsteller nicht verpflichtet, den Nachweis der entsprechenden Unterlassungserklärung und deren Versand an den Wettbewerbsverband abzuwarten, so dass er nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist Antrag auf erlass einer einstweiligen Verfügung stellen durfte.

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, 3 ZPO.

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