Zur Werbung für die Aktivierung „fettfressender“ Hormone ohne wissenschaftlichen Hintergrund

12. Januar 2011
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Eigener Leitsatz:

Es ist unzulässig, mit der Wirkung von Lebensmitteln zu werben, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Somit ist die Werbung für Kapseln, mit denen angeblich ein "fettfressendes" körpereigenes Schlankheitshormon angeregt werden soll, ohne dass dies im Rahmen einer öffentlichen Studie nachgewiesen wurde, irreführend. Insbesondere Verbraucher die unter ihrem Übergewicht leiden, sind oftmals unkritischer gegenüber neu beworbenen Produkten und daher schutzbedürftiger als andere Verbraucher.

Oberlandesgericht Hamm

Urteil vom 30.11.2010

Az.: I-4 U 88/10

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das 10. März 2010 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe:

A.

Der Kläger ist ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Die Beklagte wirbt im Internet unter der von ihr gehaltenen Domain www.internetadresse.de mit den streitgegenständlichen Werbeaussagen, wie sie im Tenor festgehalten sind, für Nahrungsergänzungsmittel, vorliegend für das Produkt "J-Management". Wegen der genauen Darstellung wird auf die Anlage K 2/1 zur Klageschrift Bezug genommen.

Der Kläger hat wie tenoriert Unterlassung einer Werbung für Lebensmittel mit irreführenden Aussagen u.a. nach §§ 8 I, III Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 I Nr. 2 LFGB verlangt. In erster Instanz haben die Parteien im Detail über die Verbotswidrigkeit der streitgegenständlichen Aussagen gestritten.

Das Landgericht hat die Beklagte gemäß Tenor zu Ziff. I.1. mit dem insoweit angefochtenen Teilanerkenntnis- und Schlussurteil gestützt auf § 11 I Nr. 2 LFGB i.V.m. §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG zur Unterlassung der dort bezeichneten Werbeaussagen in Bezug auf das Produkt "J-X-Management" verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, für das Produkt

"J-X-Management" wie folgt zu werben:

"1. J-X-Management – zur gezielten Gewichtskontrolle

TV-bekannter Bestseller! Vergessen sie alles, was Sie bisher über das Abnehmen gelesen oder gehört haben. Die meisten Diäten funktionieren einfach nicht, weil sie die Intelligenz des Fettstoffwechsels nicht "verstehen". Diese haben aber einige Wissenschaftler jetzt entschlüsselt. Und das Resultat ist: Sie besitzt nämlich körpereigene Hormone, die wunderbar – auf natürliche Art und Weise – Fett "fressen". Sie müssen lediglich diese Hormone aktivieren.

TV-bekannter Bestseller! Vergessen sie alles, was Sie bisher über das Abnehmen gelesen oder gehört haben. Die meisten Diäten funktionieren einfach nicht, weil sie die Intelligenz des Fettstoffwechsels nicht "verstehen". Diese haben aber einige Wissenschaftler jetzt entschlüsselt. Und das Resultat ist: Sie besitzt nämlich körpereigene Hormone, die wunderbar – auf natürliche Art und Weise – Fett "fressen". Sie müssen lediglich diese Hormone aktivieren.

Die Wirkung von J ist im Jahre 2005 durch eine Pilotstudie getestet worden. Das Ergebnis dort: Nach 6 Wochen durchschnittlicher Gewichtsverlust von 3,4 kg. Nach 8 Wochen ca. 4 cm Verlust am Taillenumfang (individuelle Einzelergebnisse). Dennoch ist J kein "Schnell-Schuß-Produkt". Bitte geben Sie Ihrem Körper mindestens 4 bis 6 Wochen Zeit. Der Stoffwechsel muss sich erst einmal umstellen. Dies kann von Mensch zu Mensch völlig unterschiedlich andauern. Bei dem einen geht es innerhalb von 4 Wochen – bei dem anderen kann es bis zu 3 Monaten dauern. Also – alles völlig normal. Wenn Sie bedenken, dass es teilweise viele Jahre dauert, bis Sie die überflüssigen Pfunde auf den Rippen haben und mit J innerhalb von nur 4 bis 12 Wochen tolle Ergebnisse erzielen können, dann ist diese Zeitspanne doch äußerst gering – oder?!

Des Weiteren ist anzumerken, dass J selbstverständlich keine "Einladung zur Völlerei" bedeuten soll oder will. Wir empfehlen vielmehr für eine gesunde Gewichtskontrolle, parallel immer auf eine ausgewogene und kalorienbewusste Ernährung zu achten sowie auch dem Körper ausreichend Bewegung zu geben. Denn: Bewegung tut dem Körper immer gut.

Bei weiteren Fragen rufen Sie uns gerne jederzeit an – wir freuen uns, wenn wir Sie auf Ihrem Erfolgsweg ein wenig begleiten dürfen!

*Hinweis: Wir weisen klarstellend darauf hin, dass in der derzeitigen Ernährungswissenschaft es noch nicht unumstritten ist, dass alleine durch die gezielte Unterstützung der körpereigenen Schlankheitshormone mit besonderen Nährstoffen eine Gewichtsreduzierung möglich ist. Derzeit hält ein großer Teil der Ernährungswissenschaftler/innen daran fest, dass ohne weitere Maßnahmen, wie bspw. Reduzierung/Umstellung der Ernährung sowie auch Steigerung der körperlichen Bewegung, eine Gewichtsreduzierung nicht möglich ist.

Verzehrempfehlung: Bitte die Morgen- und Mittag- Kapsel eine halbe Stunde vor den jeweiligen Mahlzeiten mit einem großen Glas Wasser schlucken.

Wenn zwischen Ihrem Abendessen und dem Beginn Ihrer Nachtruhe mehr als 3 Stunden liegen, nehmen Sie bitte die Abend-Kapsel ca. 1 Stunde vor dem zu Bett gehen mit einem großen Glas Wasser. Ist die Zeitspanne kürzer, können Sie die Abendkapsel ebenfalls eine halbe Stunde vor dem Abendessen mit einem großen Glas Wasser schlucken.

Bitte pro Tag grundsätzlich mindestens 3 Liter stilles Wasser trinken!

3-Monats-Packung"

und dies geschieht wie im Internet-Auftritt vom 05. Juni 2009, Anlage K 2/1.

Wegen des Sachverhalts in erster Instanz und der Begründung wird gemäß § 540 I ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 108 ff. d.A.).

Die Beklagte wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung. Sie meint, bereits die Beurteilung des Landgerichts sei fehlerhaft, wonach durch die Werbung der angesprochene Verbraucher den Eindruck gewinnen würde, dass er durch Zuführung der Kapseln hormonelle Vorgänge im Körper so anregen könne, dass dies ohne weitere Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung führe. Der vom Landgericht monierte Hinweis, dass "die meisten Diäten nicht funktionieren", sei für sich betrachtet weder irreführend noch falsch, sondern zutreffend. Hierzu sei Beweis angeboten worden. Die meisten Diäten würden langfristig nichts bewirken. Diesen Diäten vorzuwerfen, dass sie die "Intelligenz des Fettstoffwechsels", der letztlich zum JoJo-Effekt führe, nicht verstünden, sei gerechtfertigt. Es handele sich insoweit nicht um eine Wirkungsaussage für das Produkt. Für das Gegenteil sei die Klägerin beweispflichtig. Auch die Verwendung des Begriffs der "fettfressenden" Hormone sei weder irreführend noch unzutreffend. Die fraglichen Hormone seien vielmehr für die Fettverbrennung im Organismus wichtig, da sie Fett in Energie umwandelten. Umgangssprachlich und metapherartig würde ihnen "fettfressende" Wirkung zugesprochen. Die Auffassung des Gerichts, es würde dem Leser der Eindruck vermittelt, er könne allein durch die Konsumierung des Produkts, ohne weitere Maßnahmen vorzunehmen, abnehmen, sei unter Berücksichtigung der weiteren Hinweise und Ausführungen in der Werbung unhaltbar. Im Werbetext würde unter Hinweis auf die Wissenschaftler, die die Intelligenz des Fettstoffwechsels "entschlüsselt" hätten, sogleich das besagte Sternchen (*) gesetzt, das zu dem am Ende des Textes aufgeführten Hinweis verweise. Danach sei ohne weitere Maßnahmen wie beispielsweise Reduzierung/Umstellung der Ernährung sowie auch Steigerung der körperlichen Bewegung eine Gewichtsreduktion nicht möglich. Es werde mitgeteilt, dass das Produkt keine Einladung zur Völlerei darstelle. Es würde für eine gesunde Gewichtskontrolle auch eine ausgewogene und kalorienbewusste Ernährung sowie ausreichende Bewegung empfohlen. Aus der erwähnten Pilotstudie ergebe sich dabei, dass alle Probanden auf einen bestimmten Kalorienhaushalt zu achten gehabt und sich auch bewegt hätten (3,5 Stunden Sport die Woche). Dementsprechend habe sie, die Beklagte, sogleich den weiteren Hinweis erteilt, wonach es zu einer gesunden Gewichtskontrolle auch erforderlich sei, sich zu bewegen und auf eine ausgewogene und kalorienbewusste Ernährung zu achten. So sei für einen Durchschnittsverbraucher offenkundig, dass eine Gewichtskontrolle bzw. –reduzierung durch das Produkt allein gerade nicht versprochen werde. Da der Leser bei Fragen zudem aufgefordert werde, anzurufen, sei zu erkennen, dass die Produktbeschreibung nicht abschließend und vollständig sei und keinen Anspruch hierauf erhebe. Ebenso sei fehlerhaft die weitere Auffassung des Landgerichts, der "Hinweis" in der Produktbeschreibung sei für sich selbst gesehen zur Täuschung geeignet. Sie, die Beklagte, habe vielmehr den Stand der derzeitigen Ernährungswissenschaft über die Möglichkeiten zur Unterstützung einer Gewichtsreduzierung zutreffend wiedergegeben und alles ihr Zumutbare getan, um die interessierten Leser über das Produkt zutreffend zu informieren. Soweit es der Kläger bestritten habe, dass es überhaupt Vital- oder Nährstoffe gebe, deren Verzehr den Stoffwechsel anregen könne, werde weitergehend ein von Apotheken veröffentlichter Bericht über "die wichtigsten Schlankheitsstoffe" (Anl. BK1) vorgelegt, in dem verschiedene Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente aufgeführt seien, die für eine optimale Fettverbrennung sorgten und sich damit positiv auf die Figur auswirkten und die sich in dem streitgegenständlichen Produkt ebenfalls wiederfänden. Zwischenzeitlich lägen ferner entsprechende Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Umsetzung der Verordnung EG Nr. #####/####(I-D-Verordnung) vor. Auf der Grundlage dieser zwischenzeitlich anerkannten Angaben seien im Umkehrschluss entsprechende Zusammenhänge zwischen den Vitalstoffen und dem Energiestoffwechsel sowie der damit verbundenen (natürlichen) hormonellen Aktivität ebenfalls begründet. Die Substanzen hätten eine die Gewichtskontrolle positiv unterstützende Wirkung und trügen zur normalen Gewichtsabnahme bei. Da der Hersteller des Produkts bisher der einzige Hersteller auf der Welt sei, der ein solches Nahrungsergänzungsmittel kreiert habe, in dem speziell und gezielt alle Vital- und Nährstoffe enthalten seien, die dafür bekannt und anerkannt seien, den Energiestoffwechsel zu fördern, sei und bleibe das Produkt einzigartig und eine Weltneuheit.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Aufhebung des Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteils des Landgerichts Essen vom 10.03.2010 die Klage abzuweisen, soweit sie nicht in 1. Instanz von ihr teilweise anerkannt wurde.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Er meint, dass die Beklagte nicht substantiiert zum Fettstoffwechsel und dessen Steuerung durch den menschlichen Körper vorgetragen habe. Ebenso fehle Vortrag zur Beeinflussung der Fettstoffwechselvorgänge durch die im Produkt enthaltenen Inhaltsstoffe. Das Einzige, was die Beklagte vorgelegt habe, seien unwissenschaftliche Äußerungen aus dem Internet, die mit ihrem beworbenen Produkt nichts zu tun hätten. Die Beklagte verkenne sowohl die Anforderungen, die an eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung der ihrem Produkt zugeschriebenen Wirkungen zu stellen seien wie auch an die Darlegung eines wissenschaftlichen Meinungsstreits. Der Kläger verweist in Bezug darauf, welche Anforderungen an die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung im Hinblick auf Wirkungen von Lebensmitteln bzw. in diesen enthaltenen Inhaltsstoffen zu stellen seien, auf eine Veröffentlichung des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger im Bundesgesundheitsblatt 2000, S. 540 (Anl. BB1), ferner auf die Verordnung (EG) Nr. ###/### der Kommission vom 18.04.2008 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen für Anträge auf Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. #####/####(I) des Europäischen Parlaments und des Rates. Bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel der I-D-Verordnung sei zur Begründung der Zulassung solcher Angaben der Nachweis durch Humanstudien zu führen. Welche Anforderungen der europäische Gesetzgeber an den Nachweis gesundheitsbezogener Lebensmittel stelle, werde zusätzlich aus dem im Anhang der Verordnung wiedergegebenen Erfordernis der Zusammenfassung der einschlägigen wissenschaftlichen Daten ersichtlich. Ein solcher Nachweis der werblich beanspruchten Wirkung sei nicht erbracht worden. Die Beklagte irre, wenn sie die Auffassung vertrete, dass sie die angesprochenen Verkehrskreise im Rahmen der in der Werbung getätigten Hinweise über die mangelnde wissenschaftliche Absicherung hinreichend aufkläre. Der Hinweis sei nach Inhalt und seiner Gestaltung keineswegs geeignet, die angesprochen Verkehrskreise darüber aufzuklären, dass es sich bei der beworbenen Gewichtsreduktionsmethode mittels der von der Beklagten angebotenen Produkte um eine wissenschaftlich nicht untersuchte und unbestätigte Gewichtsmethode handele. Desgleichen würde nicht darüber aufgeklärt, dass die vor dem Hinweis getätigten Äußerungen unzutreffend seien, so z.B. die Aussagen der Funktionsuntüchtigkeit aller Diäten. Der Hinweis sei so gestaltet, dass ein wissenschaftlicher Meinungsstreit zwischen den Vertretern der Gewichtsreduktion durch Diäten und angeblichen Vertretern einer Gewichtsreduktion durch Hormonsteuerung postuliert werde. Da es eine solche wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht gebe (weil in der Wissenschaft nicht, auch nicht vereinzelt, vertreten werde, dass durch die Zufuhr von Inhaltsstoffen, wie im Produkt der Beklagten enthalten, fettfressende Hormone mit der Folge der Gewichtsreduktion aktiviert werden könnten), könne der Hinweis eine aufklärenden Wirkung nicht zeitigen. Dieser führe die angesprochenen Verkehrskreise vielmehr wiederum in die Irre, weil nämlich ein nicht existierender wissenschaftlicher Streit suggeriert und eine Absicherung der Werbung durch die innerhalb der Werbung erwähnte Pilotstudie behauptet werde. Aus dieser Untersuchung könne wissenschaftlich valide eine gewichtsreduzierende Wirkung des Produkts der Beklagten nicht abgeleitet werden. Auch die Auffassung des Landgerichts, dass durch die streitgegenständliche Werbung dem Leser der Eindruck vermittelt werde, er könne allein durch die Konsumierung des Produkts abnehmen, sei nicht zu beanstanden; denn ein solcher Eindruck werde durch die Werbung genau vermittelt. Auch soweit die Beklagte darauf hinweise, dass das Produkt keine Einladung zur Völlerei bedeute, und empfohlen werde, auf eine ausgewogene kalorienbewusste Ernährung sowie Bewegung zu achten, könne hierin eine hinreichende Aufklärung nicht gesehen werden. Die diesbezüglichen Hinweise brächten lediglich zum Ausdruck, dass das Produkt natürlich gegen eine Völlerei und eine unausgewogene sowie kalorienreiche Ernährung ebenso wenig ankomme wie gegen ein bewegungsarmes Leben. Diese Hinweise würden von den angesprochenen Verkehrskreisen lediglich dahingehend verstanden, dass ein Übermaß an Energiezufuhr und eine Bewegungsarmut durch das beworbene Produkt nicht kompensiert werden könne. Hiermit sei jedoch keine Aufklärung darüber verbunden, dass dem Produkt die werblich beanspruchte Wirkung der Gewichtsreduktion nicht zukomme. Schließlich könne die Beklagte auch nicht damit gehört werden, dass die im Produkt enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente als "wichtige Schlankheitsstoffe" für eine optimale Fettverbrennung sorgten. Abgesehen davon, dass der unter Verweis auf die Anlage BK1 getätigte Vortrag der Beklagten nach § 531 II ZPO unzulässig sei, lasse sich dieser Veröffentlichung auch nicht entnehmen, dass bei einem Mangel an den insoweit vorgestellten Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen es zu körperlichen Vorgängen kommen könne, die eine vermehrte Gewichtszunahme auslösten oder eine Gewichtsabnahme blockierten. Von einer wissenschaftlichen Grundlage der insoweit zu den einzelnen Inhaltsstoffen getätigten Äußerungen könne keine Rede sein.

Die Akte LG Essen 41 O 94/06 = Senat 4 U 45/07 lag zu Informationszwecken vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Kläger kann von ihr aus §§ 8 I, III Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 I Nr. 2 LFGB die Unterlassung der streitgegenständlichen Aussagen in Bezug auf das Produkt "J-X-Management" verlangen. Durch diese wird, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, suggeriert, dass allein das beworbene Produkt (bildlich gesprochen) "Fette frisst" und so in einer Zeit von 4 bis 12 Wochen zu einer maßgeblichen Gewichtsreduzierung führt. Das aber ist unzutreffend. Die Beklagte behauptet eine solche Wirkung selbst nicht, geschweige denn insoweit eine entsprechende wissenschaftliche Absicherung. Auch der diesbezügliche Sternchenhinweis ist untauglich, diese Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zu korrigieren oder wieder zu beseitigen.

I.
Die Klagebefugnis des Klägers ist nach § 8 III Nr. 2 UWG gegeben.

Die allgemeinen Voraussetzungen für die wettbewerbliche Inanspruchnahme der Beklagten sind erfüllt. Die Beklagte hat mit ihrer Werbung unzweifelhaft geschäftlich gehandelt hat im Sinne von § 2 I Nr. 1 UWG.

Bei § 11 I Nr. 2 LFBG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Die Vorschrift geht auf die Regelungen der Etikettierungsrichtlinie #####/####/EG zurück und hat damit im Verhältnis des Unternehmers zum Verbraucher den nötigen Bezug zum Europarecht.

II.
Nach § 11 I Nr. 2 LFBG ist es verboten, Lebensmittel mit irreführenden Angaben zu bewerben, wobei eine Irreführung insbesondere dann vorliegt, wenn den Mitteln Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht gesichert sind. So ist irreführend etwa auch eine Schlankheitswerbung, die einem Produkt bei Einnahme eine dauerhaft-anhaltende gewichtsreduzierende Wirkung beilegt, ohne dass dabei die Ernährungsgewohnheiten und die Art und den Umfang der körperlichen Betätigung geändert werden müssten (vgl. BGH GRUR 2006, 429, 430 – Schlank-Kapseln; Senat MD 2005, 73, 76 – Pressehaftung; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. 2010, § 5 Rn. 300). Das ist vorliegend, wie auch bereits im früheren Verfahren 4 U 45/07 der Fall. Davon, dass entsprechend allein das streitgegenständliche Produkt diese Wirkung leistet, geht die Beklagte selbst nicht aus.

1. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der angesprochene Verbraucher nach der streitgegenständlichen Werbung den Eindruck gewinnt, dass das Produkt "J-X-Management" selbst zur Gewichtsreduzierung führt, und zwar allein und insofern ohne weitere Maßnahmen.

Es wird in der angegriffenen Werbung bereits im ersten Absatz betont, dass man "keine" entsprechende Diät bräuchte, um das Gewicht zu kontrollieren. Man müsse "lediglich", nämlich durch das fragliche Produkt, die diesbezüglichen Hormone aktivieren. Ein Abnehmen werde allein durch die jetzt entschlüsselte Aktivierung der körpereigenen Hormone, die "Fett fressen" würden, ermöglicht. Es geht so wiederum um die Behauptung einer Abnahme, ohne das Essen zu reduzieren und eine Diät einzuhalten. Der Sternchenhinweis bei "Wissenschaftler" wird alsdann schon inhaltlich nicht darauf bezogen, dass die zuvor getroffene Kernaussage in Frage gestellt wird. Wissenschaftler sind in der späteren "Auflösung" gerade auch nicht benannt. Der Hinweis wird, was letztlich nicht entscheidend ist, nicht bei dem behaupteten Wirkungszusammenhang angebracht.

"Genau das", nämlich dass lediglich durch das vorliegende Produkt die Hormone aktiviert würden, tue die Weltneuheit J X Management. Die Aktivierung würde so durch das Produkt bewirkt. Dabei bestärkt auch der Produktname, was wiederum in erster Linie nicht entscheidend ist, den durch die Kernaussage vermittelten Eindruck. Morgens, mittags und abends würden mit unterschiedlichen Rezepturen von Nährstoffen die jeweiligen körpereigenen Schlankheitshormone unterstützt.

Der Hinweis auf die Pilotstudie (der Fa. BB-N-IP Limited) aus dem Jahre 2005 (Anl. K 25) bringt zum Ausdruck, dass die Wirkung des Produkts positiv getestet worden sei. Die einzige Einschränkung dabei geht dahin, dass die Wirkung, die offenbar uneingeschränkt erfolgen soll, Zeit braucht. Die damals von der Beklagten vorgelegte Studie ist freilich nicht in der Lage, eine solche Produktwirkung hinreichend wissenschaftlich abzusichern. Die Studie entsprach bereits nicht den anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen. Ihre Autoren sind nicht mitgeteilt. Eine Veröffentlichung, die Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung ist, ist nicht erfolgt. Die unveröffentlichte und anonyme Studie ist zu einem solchen Nachweis nicht in der Lage (s.a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.08.2009, in der Sache 20 U 41/08; Hinweisbeschluss des KG vom 22.05.2009, in der Sache 5 U 110/ 07). Vor allem kommt hinzu, dass diese Studie im Hinblick auf die Wirkung allein durch die Einnahme des Mittels nicht einschlägig und die Bezugnahme auf sie schon deshalb irreführend ist. Dort war den Teilnehmern eine tägliche Kalorienaufnahme von 2000 kcal empfohlen, ferner sollten sie sich mindestens 3,5 Stunden in der Woche körperlich bewegen. Insofern gab es andere Grundvoraussetzungen. Die Studie entfernt sich von der nunmehr getroffenen Grundaussage, allein die Einnahme des Produkts könne eine maßgebliche Reduzierung des Körpergewichts bewirken, und zwar ohne eine auch besonders beachtetet Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und des Bewegungsverhaltens.

Im nächsten Absatz wird eine Gewichtskontrolle durch eine kalorienbewusste Ernährung und ausreichende Bewegung nur zusätzlich empfohlen. Dies geschieht allerdings nur in der Form der Vermeidung von Extremen ("keine Einladung zur Völlerei"). Es ist aus der maßgeblichen Sicht der Durchschnittsverbraucher gerade nicht ersichtlich, dass jedenfalls auch eine bewusste Ernährung (die im Detail nicht angesprochen ist) und ein bestimmtes Maß an Bewegung die gewünschte Gewichtsreduzierung (mit-) herbeiführen müssten. Eine Völlerei bedeutet insoweit nur, dass eine übermäßige Nahrungsaufnahme nicht erfolgen sollte. Bewegung wird ebenfalls nicht als mit notwendig vorausgesetzt, sondern nur begleitend und am Rande erwähnt; denn diese soll doch immer gut tun. Im Kern wird weiterhin mitgeteilt, dass allein das beworbene Produkt die angesprochene Wirkung erzielen würde.

Diese Darstellung wird durch den anschließenden Sternchenhinweis nicht beseitigt. Vielmehr wiederholt dieser Hinweis genau den beanstandeten Inhalt, der gerade noch nicht unumstritten sein soll, nämlich dass "alleine" durch eine gezielte Unterstützung der körpereigenen Schlankheitshormone, sprich das verkaufte Mittel, eine Gewichtsreduzierung möglich sei. Dies setzt sich im Folgesatz und im Zusammenhang mit den Stimmen, die noch (und insofern offenbar auch bald nicht mehr relevant) der Auffassung seien, dass dies "ohne weitere Maßnahmen" nicht funktionieren solle, fort. Der Eingangssatz zu Beginn der Werbung, dass es keiner Diät bedürfe, dass man lediglich durch die Einnahme des Produkts Fett beseitigen und dass man so erheblich das Gewicht reduzieren könne, findet am Ende der Bewerbung eine ebengleiche Abrundung.

An dieser Stelle ist auch der Stand der derzeitigen Ernährungswissenschaft über die Möglichkeiten zur Unterstützung einer Gewichtsreduzierung nicht zutreffend wiedergegeben. Im Hinblick auf Art. 2 I 1 a), i), und ii) der Etikettierungsrichtlinie ist insoweit zwar eine konkrete Irreführungsgefahr erforderlich. Daran kann es fehlen, wenn ausdrücklich und klar darauf hingewiesen wird, dass die behauptete Wirkung umstritten ist (Harte/Henning/Weidert, UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 I 2 Nr. 1 Rn. 171). Eine solche Klarstellung erfolgt vorliegend aber nicht. Abgesehen davon, dass dieser Hinweis der maßgeblichen Wirkungsaussage in erheblichem räumlichen Abstand nachfolgt, dass der Sternchenhinweis bei dem unzutreffenden Wort "Wissenschaftler" platziert ist und auch dass der Streit als nur vorübergehend dargestellt wird, bezieht sich der von der Wissenschaft geführte Streit jedenfalls nicht – wie in der Werbeaussage suggeriert – darauf, ob allein durch die Aktivierung der Hormone, die Fett fressen könnten, eine Gewichtsreduzierung möglich ist und ob daneben weitere Maßnahmen wie die Umstellung der Ernährung und die Steigerung der körperlichen Bewegung erforderlich sind. Tatsächlich bezieht sich der wissenschaftliche Streit abweichend hiervon schon darauf, ob die Aktivierung der Hormone, wie sie das streitige Produkt leisten soll, maßgeblich überhaupt zu einer Gewichtsreduzierung führen kann. Der eigentliche Streit, ob die Hormone tatsächlich in der beworbenen Weise wirken, wird im Hinweis ausgeklammert. Schon dadurch, dass der wissenschaftliche Streit nicht richtig dargestellt wird, kann dieser Hinweis die Irreführung nicht ausschließen.

Die Fehlvorstellung bleibt jedenfalls bei einem maßgeblichen Teil der Verbraucher bestehen und führt diesen in relevanter Weise irre. Gerade derjenige, der schon einiges über das Abnehmen gelesen oder gehört hat, wird veranlasst, den vermeintlich weltneuen Bestseller auszuprobieren. Dabei ist zu beachten, dass gerade Verbraucher, die unter ihrem Übergewicht leiden, unkritischer und schutzbedürftiger sind als andere Verbraucher. Das hat der Senat schon wiederholt ausgesprochen, und das kommt auch in den gesetzlichen Regelungen, insbesondere in der I-D-Verordnung zum Ausdruck.

2. Diese Aussage ist unrichtig. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass die Wirkung der Gewichtsreduzierung allein aufgrund ihres Produkts zutrifft, dass dieser Wirkungszusammenhang so wissenschaftlich abgesichert ist und dass die vor ihr vorgelegte Studie, die gerade auch begleitende Maßnahmen voraussetzt, die Aussage einer Gewichtsreduzierung allein durch "J-X-Management" konkret stützt. So ist auch die vom BGH (mit Urteil vom 21.01.2010, Az. I ZR 23/07 – Vorbeugen mit Coffein) angesetzte Schwelle einer wissenschaftlichen Absicherung nicht erreicht. Entsprechend falsch ist ferner die weitere Aussage "die Wirkung von … ist durch eine Pilotstudie getestet". Der Verbraucher liest hier nicht allein "getestet", sondern vielmehr "erfolgreich getestet" im Sinne von "belegt" (vgl. Senatsurteil v. 09.10.2007, Az. 4 U 45/07, S. 18). Dies trifft nach der genannten Studie nicht zu.

Erst recht kann auch die Möglichkeit eines Anrufes bei der Beklagten für den Fall, dass man noch Fragen zum Produkt haben sollte, den durch die Werbung verursachten Falscheindruck nicht wieder eliminieren.

Schließlich kann dahinstehen, ob es tatsächlich Vital- und Nährstoffe gibt, deren Verzehr den Stoffwechsel anregen kann und die für eine optimale Fettverbrennung sorgen, wie es von der Beklagten vorgelegte Artikel "Die wichtigsten Schlankheitsstoffe" (Anl. BK1) zum Gegenstand hat. Abgesehen davon, dass es sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung oder Bestätigung handelt, mag es durchaus richtig und plausibel sein, dass bestimmte Stoffe, die in das Produkt eingeflossen sind, für die Fettverbrennung besonders wichtig sein mögen, eine positiv unterstützende Wirkung haben und zur normalen Gewichtsabnahme beitragen. Dies kann dahinstehen. Die Aussage der Werbung ist nämlich eine andere, und zwar die, dass "J-X-Management" selbst und letztlich allein zur maßgeblichen Verbrennung von Fett geeignet sei. Dies ist irreführend und durch konkrete Studien bezogen auf das vorliegende Produkt nicht abgesichert.

III.
Auf die Voraussetzungen für gesundheitsbezogene Angaben nach der Verordnung (EG) Nr. ###/### der Kommission vom 18.03.2008 und der Verordnung (EG) Nr. #####/####des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30.12.2006, S. 9, sog. I-D-Verordnung) und auf deren Art. 12 lit. b), wonach Angaben über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme als unzulässig verboten sind, kommt es im Streitfall nicht mehr an.

Es kann auch dahin stehen, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ebenfalls aus § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 6 I NährwertkennzeichenVO begründet sein könnte. Danach ist es verboten, im Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen zu verwenden, die darauf hindeuten, dass ein Lebensmittel schlankmachende, schlankheitsfördernde oder gewichtsverringernde Eigenschaften besitzt, jedenfalls (bei einschränkender Auslegung) wenn es sich insoweit um irreführende Angaben handelt. Hierfür spricht, dass es den angesprochenen Verkehrskreisen nach den obigen Ausführungen in irreführender Weise suggeriert wird, dass das streitgegenständliche Produkt als solches ohne bestimmte Begleitmaßnahmen gewichtsreduzierend wirken soll.

IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 97 I, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 I ZPO.

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