Alkoholfreies Bier darf nicht als „vitalisierend“ beworben werden
Oberlandesgericht Hamm
Urteil vom 20.05.2014
Az.: 4 U 19/14
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19. Dezember 2013 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Erzeugnis „C alkoholfrei“ mit der Angabe
„vitalisierend“
zu werben, wenn dies wie auf dem Rückenetikett der Flaschen und/oder auf den sogenannten Sixpacks gemäß nachfolgender Anlage A erfolgt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Beklagte betreibt eine bekannte Privatbrauerei in Deutschland. Sie hat das von ihr vertriebene Produkt „C alkoholfrei“ auf den Rückenetiketten der Flaschen und auf den Verpackungen der sog. „Sixpacks“ mit den Angaben „vitalisierend“, „erfrischend“ und „isotonisch“ gekennzeichnet. Auf den Flaschenetiketten sind zudem die durch den Boxsport bekannt gewordenen Brüder L2 und L3 abgebildet. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung der Flaschenetiketten und der Verpackungen der „Sixpacks“ wird auf die Anlage A zur Klageschrift Bezug genommen (Bl. 4, 5 d. A.).
Der Kläger, der D e.V., mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.05.2013 ab. Er machte geltend, die Werbung der Beklagten mit dem Begriff „vitalisierend“ für ihr Produkt „C alkoholfrei“ stelle eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der VO (EG) Nr. 1924/2006 (nachfolgend: HCVO) dar. Die Werbung verstoße gegen Art. 10 Abs. 3 HCVO, weil keine nach den Listen gemäß Art. 13 und 14 HCVO zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 10.05.2013 (Anlage K 12) verwiesen.
Mit Schreiben vom 17.05.2013 (Anlage K 14), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wies die Beklagte die Abmahnung zurück. Mit weiterem vorgerichtlichen Schreiben vom 19.06.2013 (Anlage K 16) teilte sie mit, dass die Bestände der gerügten Verpackungen der „Sixpacks“ und der Flaschenetiketten des „C alkoholfrei“ „etwa bis Ende des Jahres“ aufgebraucht sein würden und dass voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2014 Etiketten und Kartonagen mit einer neuen Gestaltung eingesetzt würden.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die angegriffene Auslobung „vitalisierend“ sei nach § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. Art. 10 Abs. 3 HCVO unlauter. Es handele sich dabei um eine gesundheitsbezogene Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Der Begriff „vital“ werde im Sinne von „lebenskräftig, munter, lebenswichtig“ verstanden. Der Ausdruck „Vitalfunktion“ umschreibe die Gesundheit der lebensnotwendigen Köperfunktionen. Der Begriff „Vitalstoff“ werde als Oberbegriff für alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen angesehen. Der Kläger hat insoweit auf das Urteil des Senats vom 30.04.2013 im Verfahren 4 U 149/12 OLG Hamm verwiesen und zudem geltend gemacht, die Angabe „vitalisierend“ sei – ähnlich wie „wohltuend“ oder „bekömmlich“ – dahin zu verstehen, dass eine entsprechende Wirkung auf die Gesundheit oder zumindest das gesundheitsbezogene Wohlbefinden hervorgerufen werde.
Dieses Verbraucherverständnis werde durch die Bewerbung des Produkts als „Sportgetränk mit regenerativer Wirkung“ verstärkt. Zugleich werde auf die der Bevölkerung bekannten gesundheitsbezogenen Wirkungen von alkoholfreien Bieren Bezug genommen. Die Beklagte verwende den Begriff „vitalisierend“ synonym für „Regeneration nach sportlicher oder körperlich anstrengender Betätigung“. In den TV-Werbespots für das Produkt seien die Brüder L in Umkleideräumen dargestellt und konsumierten „C alkoholfrei“ nach dem Boxen oder sonstiger sportlicher Aktivität. Als ein solches „Sportgetränk“ sollten die Verbraucher das Erzeugnis auch im Supermarkt wahrnehmen und würden durch die Angabe „vitalisierend“ auf diese Wirkung aufmerksam gemacht.
Dass es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe handele, ergebe sich auch aus der (Teil-)Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß der Verordnung (EU) Nr. 432/2012. Danach sei die Angabe „Kohlenhydrat-Elektrolyt-Lösungen tragen zur Aufrechterhaltung der Ausdauerleistung bei längerem Ausdauertraining bei“ zugelassen.
Es fehlten zudem die Pflichthinweise nach Art. 10 Abs. 2 HCVO. Ferner habe die Beklagte mitgeteilt, dass in ihrem Produkt die Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folsäure enthalten seien. Insoweit seien spezielle gesundheitsbezogene Angaben zugelassen worden, die eine „vitalisierende Wirkung“ hätten, nämlich dass die genannten Stoffe zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung beitrügen. Es werde die „Aufrechterhaltung und Regenerierung der Vitalfunktionen“ versprochen und möglicherweise durch den Konsum des Getränks bewirkt. Es handele sich demnach um eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe, zumindest aber um einen unspezifischen Verweis gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO. Die Beklagte habe der in Rede stehenden Angabe – unstreitig – keine zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt.
Art. 10 Abs. 3 HCVO sei entgegen der in der Sache „Vitalpilze“ geäußerten Ansicht des Bundesgerichtshofs (GRUR 2013, 958) bereits vollziehbar. Zudem stehe allein dem Gerichtshof der Europäischen Union die Kompetenz zu, die unmittelbar geltende Bestimmung für nicht anwendbar zu erklären.
Die Beklagte hat zunächst die Einrede der Verjährung erhoben und vorgetragen, sie habe ihr Produkt „C alkoholfrei“ bereits Anfang 2011 mit den Brüdern L und der Angabe „vitalisierend“ beworben. Dem Kläger sei der gerügte Verstoß mindestens seit dem Jahr 2011 bekannt. Ein etwaiger Unterlassungsanspruch des Klägers sei zudem verwirkt. Er habe in voller Kenntnis der Sachlage mehr als zwei Jahre zugewartet. Sie – die Beklagte – habe vor fast drei Jahren ein umfassendes Werbekonzept mit den Brüdern L und dem Begriff „vitalisierend“ entwickelt.
Im Übrigen hat sie die Ansicht vertreten, der Anwendungsbereich der HCVO sei nicht eröffnet. Der Begriff „vitalisierend“ stelle keine gesundheitsbezogene Angabe dar, sondern werde vorwiegend im Zusammenhang mit den Werbeträgern L2 und L3 verwendet. Es handele sich um ein Wortspiel in Bezug auf die Werbeträger. Der Begriff „vitalisierend“ werde zudem für eine Vielzahl von Produkten als Werbefloskel eingesetzt und beziehe sich allenfalls auf einen allgemeinen Produktvorzug, nämlich auf die „Sensorik“ und den Geschmack. Der Verbraucher verstehe diesen Ausdruck als Werbeslogan ohne überprüfbaren Tatsachenkern im Sinne von „spritzig bzw. erfrischend“, nicht aber im medizinischen Sinne von „Vitalfunktion“.
Ferner habe die Kommission in einer Pressemitteilung klargestellt, dass Angaben wie „F verleiht Flügel“ nicht von der HCVO erfasst seien. Auch bei einem Slogan wie „ein wohltuender Genuss“ sei – wie der Generalanwalt G in der Rechtssache C-609/12 vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt habe – der Anwendungsbereich der HCVO nicht eröffnet, weil es an einer Bezugnahme auf die Gesundheit fehle. Das gelte auch für den Ausdruck „vitalisierend“. Es könne sich dabei allenfalls um einen allgemeinen Verweis gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO handeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne die in dieser Norm enthaltene Verpflichtung zur Beifügung einer konkreten gesundheitsbezogenen Angabe indes noch nicht vollzogen werden, solange die Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben nach Art. 13 und 14 HCVO noch nicht vollständig erstellt seien.
Der Kläger hat erwidert, er habe erst kurz vor Erstellung der Abmahnung Anfang Mai 2013 durch eines seiner Mitglieder Kenntnis von der angegriffenen Werbung der Beklagten erlangt. Der Unterlassungsanspruch sei auch deshalb nicht verjährt, weil die Beklagte vorgerichtlich mitgeteilt habe, sie werde die beanstandeten Etiketten und Kartonagen des „Sixpacks“ noch bis Ende 2013 verwenden und in Verkehr bringen. Auch eine Verwirkung sei nicht eingetreten.
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anwendungsbereich der HCVO sei nicht eröffnet, weil die Bewerbung des Produktes „C alkoholfrei“ keine nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben enthalte.
Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe erfasse jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustandes dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziere, nicht aber auch das allgemeine Wohlbefinden. Der Ausdruck „vitalisierend“ sei ein Synonym für die Worte „aktivierend, anregend, aufmunternd, belebend, erfrischend, erquickend, stimulierend“. Dass der Genuss des Bieres „C alkoholfrei“ eine Verbesserung des Gesundheitszustandes herbeiführen solle, lasse sich allein aus der Bewerbung des Produkts mit dem Ausdruck „vitalisierend“ nicht entnehmen. Keinem der vorgenannten Synonyme komme die Bedeutung eines verbesserten Gesundheitszustandes zu. Zudem beziehe sich der Ausdruck „vitalisierend“ hier auf den Werbeträger L2. Diese Werbeaussage enthalte lediglich unspezifische Angaben im Sinne von Artikel 10 Abs. 3 HCVO. Diese Vorschrift könne so lange, wie die Listen nach Artikel 13 und 14 HCVO nicht erstellt seien, noch nicht vollzogen werden. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich schließlich auch nicht aus weiteren Vorschriften, insbesondere nicht aus einem Verstoß gegen § 11 Abs. 1 LFGB und §§ 5, 5a UWG.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er rügt, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass kein Verstoß gegen Art 10 Abs. 1 und Abs. 3 HCVO vorliege. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, dass es sich bei der Verwendung des Begriffs „vitalisierend“ um eine gesundheitsbezogene Angabe handele. Dieser sei als Hinweis auf eine „sportgetränkähnliche Wirkung“ zu verstehen. Es gehe um die Auslobung einer Eigenschaft des Getränks und nicht um einen Hinweis auf den Werbeträger L2. Auf der Verpackung der „Sixpacks“ seien keine Bilder der Herren L vorhanden. Es könne dahinstehen, ob es sich um eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe handele, die mangels Zulassung nach Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten oder mangels ausreichender aufklärender Hinweise nach Art. 10 Abs. 2 HCVO unzulässig sei oder ob eine unspezifische gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 10 Abs. 3 HCVO vorliege, die mangels Beifügung einer speziellen gesundheitsbezogenen Angabe unzulässig sei. Art. 10 Abs. 3 HCVO sei anwendbar. Das Landgericht habe die Reichweite der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen „Vitalpilze“ verkannt. Es sei dort um gesundheitsbezogene Angaben für ein pflanzliches Nahrungsergänzungsmittel gegangen. Für pflanzliche Stoffe („Botanicals“) sei bislang noch keine Gemeinschaftsliste vorhanden. Für alle bereits zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gelte Art. 10 Abs. 3 HCVO unmittelbar, so auch für solche Angaben, die eine Kurzform für auf Vitamine oder Mineralien bezogene spezifische Angaben darstellten.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Erzeugnis „C alkoholfrei“ mit der Angabe
„vitalisierend“
zu werben, wenn dies wie auf dem Rückenetikett der Flaschen und/oder auf den sogenannten Sixpacks gemäß nachfolgender Anlage A erfolgt und die Abgabe gegenüber Endverbrauchern erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts mit näheren Ausführungen: Bei der Auslobung als „vitalisierend“ handele es sich um eine allgemeine plakative Anpreisung, nicht aber um eine gesundheitsbezogene Angabe. Der Kläger könne sich zur Begründung seines Vortrags, dass die Beklagte ihr Produkt „C alkoholfrei“ als Sportgetränk vermarkte, nicht auf die Printmedien gemäß Anlage K 7 stützen. Diese stammten aus dem Jahr 2011 und könnten nicht mehr wettbewerbsrechtlich angegriffen werden, weil ein etwaiger Anspruch verjährt sei. Auch die Verwendung des Begriffs „isotonisch“ könne der Kläger nicht zur Begründung eines Wettbewerbsverstoßes heranziehen, weil er die Benutzung dieses Ausdrucks nicht angegriffen habe. Der Kläger widerspreche sich im Übrigen. Einerseits mache er geltend, der Begriff „vitalisierend“ sei eine konkrete gesundheitsbezogene Angabe. Andererseits meine er, der Verbraucher verstehe ohne weitere Konkretisierung nicht, was mit „vitalisierend“ gemeint sei. Es komme hier allenfalls ein allgemeiner Verweis im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO in Betracht. Die Beklagte meint unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Fall „Vitalpilze“ weiterhin, die Verpflichtung zur Beifügung einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe könne noch nicht vollzogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Zu Unrecht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
1.
Die Klage ist zulässig.
a) Der Unterlassungsantrag ist mit der Bezugnahme auf die jeweilige konkrete Verletzungsform hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Soweit der Kläger auf Anregung des Senats seinen Antrag um den Zusatz „und die Abgabe gegenüber Endverbrauchern erfolgt“ vorsorglich ergänzt hat, geschah dies allein zu Klarstellungszwecken. Gleichwohl hat der Senat diesen Zusatz letztlich nicht in den Urteilstenor aufgenommen, weil das in Rede stehende Produkt „C alkoholfrei“ unzweifelhaft zur Abgabe an Endverbraucher bestimmt ist (vgl. § 1 Abs. 2 HCVO) und eine diesbezügliche ausdrückliche Klarstellung entbehrlich ist.
b) Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, was die Beklagte nicht in Zweifel zieht.
2.
Die Klage ist auch begründet.
Dem Kläger steht der gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2; 3 Abs. 1; 4 Nr. 11 UWG i. V. m. Art. 10 Abs. 3 HCVO zu.
a) Die angegriffene Kennzeichnung des Produkts der Beklagten mit der Angabe „vitalisierend“ auf den Flaschenetiketten und der Kartonage der „Sixpacks“ stellt unzweifelhaft eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Denn sie hängt mit der Förderung des Absatzes des Produkts objektiv zusammen.
b) Diese geschäftliche Handlung ist unlauter. Denn sie erfüllt den Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG i. V. m. Art. 10 Abs. 3 HCVO
aa) Die Vorschriften der HCVO – insb. die Regelungen in Art 10 – sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (Köhler/Bornkamm, 32. Aufl., § 4 UWG Rn. 11.137a m. w. N.).
bb) Der Anwendungsbereich der HCVO ist hier eröffnet. Diese Verordnung gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 2 für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung von oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden sollen.
Unzweifelhaft handelt es sich bei dem Produkt „C alkoholfrei“ um ein Lebensmittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 a) HCVO i. V. m. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Dieses ist zur Abgabe an Endverbraucher bestimmt. Die Angabe „vitalisierend“ ist in einer kommerziellen Mitteilung bei der Kennzeichnung dieses Lebensmittels getätigt worden. Denn sie ist auf dem Etikett der Flaschen und der Verpackung der „Sixpacks“ angebracht (zum Begriff der Kennzeichnung vgl. Art. 2 Abs. 2 j) der Verordnung (EU) 1169/2011).
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist eine gesundheitsbezogene Angabe gegeben, wenn mit einer Angabe erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen (EuGH, GRUR 2012, 1161 – Deutsches Weintor; EuGH, GRUR 2013, 1061 – Green – Swan Pharmaceuticals). Der Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert (EuGH, GRUR 2012, 1161 – Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2013, 189 – H2; BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze; BGH, WRP 2014, 562 – Praebiotik). Nach Erwägungsgrund 16 der HCVO kommt es darauf an, wie Angaben über Lebensmittel vom Verbraucher verstanden werden. Dabei ist vom normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen (BGH, WRP 2014, 562 – Praebiotik).
Nach diesen Maßstäben ist die Angabe „vitalisierend“ im Rahmen der in Rede stehenden Produktkennzeichnungen entgegen der Ansicht des Landgerichts gesundheitsbezogen. Dafür spricht bereits der Wortsinn dieses Ausdrucks. So bedeutet das Verb „vitalisieren“ „beleben“ und „anregen“ (vgl. Duden online (www.duden.de), Stichwort „vitalisieren“). Aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher hängt der Ausdruck „vitalisierend“ unmittelbar zusammen mit „Vitalität“ bzw. „Vitalsein“ oder „Lebenskraft“. Diese Eigenschaften werden typischerweise mit gesunden Menschen in Verbindung gebracht. Schon deshalb bringt das Adjektiv „vitalisierend“ eine Verbesserung des Gesundheitszustands zum Ausdruck (vgl. auch BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze – zur gesundheitsbezogenen Angabe „Zur Unterstützung einer optimalen Leistungsfähigkeit“ und „… erhöht die Ausdauer und Leistungsfähigkeit“; Senat, Urteil vom 30.04.2013 – 4 U 149/12 – zur gesundheitsbezogenen Angabe „Über 7.000 komplett natürliche Vitalstoffe geben Ihnen, insbesondere im Frühjahr, den nötigen Schwung für den Sommer“, wobei „Schwung“ im Zusammenhang mit einer weiteren Werbeaussage als „Stärke und Ausdauer“ zu verstehen war; Meyer/Streinz, 2. Aufl., HCVO, Rn. 61 zur gesundheitsbezogenen Angabe „Vitalität“).
Die angegriffenen Produktkennzeichnungen erwecken den Eindruck, dass die mit der Angabe „vitalisierend“ suggerierte Verbesserung des Gesundheitszustands durch den Konsum des Getränks „C alkoholfrei“ bewirkt wird.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass der Ausdruck „vitalisierend“ durchaus in Verbindung mit dem Werbeträger L2 gebracht werden kann und seitens der Beklagten dieses „Wortspiel“ möglicherweise gezielt eingesetzt worden ist, um die Wirkung ihrer Werbung zu steigern. Dass die angesprochenen Verbraucher einen solchen Bezug zu der Person L2 herstellen, liegt hinsichtlich des Flaschenetiketts besonders nahe. Denn auf diesem sind – anders als auf der Verpackung der „Sixpacks“, die den sog. „Störer“ mit dem Text „Lust auf ein Foto mit den Ls?“ enthält – sowohl L2 als auch sein Bruder L3 abgebildet.
Das ändert aber nichts daran, dass mit der Bezeichnung als „vitalisierend“ zumindest auch eine Eigenschaft des Produkts „C alkoholfrei“ betont wird. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Angabe „vitalisierend“ in einem engen räumlichen Zusammenhang mit den Bezeichnungen „erfrischend“ und „isotonisch“ steht, indem sie diesen unmittelbar vorangestellt ist. Die Begriffe „erfrischend“ und „isotonisch“ beschreiben unzweifelhaft Eigenschaften des beworbenen Getränks. Auch der Umstand, dass sich hinter jedem der drei Begriffe („vitalisierend“, „erfrischend“ und „isotonisch“) ein „Häkchen“ befindet, das in einen weißen Kreis gesetzt ist, legt das Verbraucherverständnis nahe, dass alle drei Angaben eine Produkteigenschaft kennzeichnen sollen.
Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher interpretiert dies im Sinne einer Bestätigung dahin, dass das Getränk tatsächlich „vitalisierend“, „erfrischend“ und „isotonisch“ ist. Das Verständnis, dass durch den Konsum des Produkts eine Verbesserung des Gesundheitszustands erreicht wird, liegt gerade auch wegen der Bezugnahme auf die beiden Werbeträger L nahe. Diese sind durch ihre Leistungen im Boxsport weithin bekannt geworden. Dadurch, dass sie für „C alkoholfrei“ werben, indem sie auf dem in Rede stehenden Etikett jeweils mit einer Flasche des Produkts, die sie in der Hand halten, abgebildet sind und ihr Name auf der Verpackung der „Sixpacks“ auftaucht, kann ein erheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher zu der Annahme gelangen, dass die Werbeträger das Erzeugnis wegen seiner drei genannten Eigenschaften gutheißen und es selbst konsumieren, um etwas für ihre „Vitalität“ und damit für ihre Gesundheit zu tun.
Dagegen, dass „vitalisierend“ hier im Sinne von „erfrischend“ gemeint ist und sich damit nicht auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden, sondern auf das – vom Anwendungsbereich der HCVO nicht erfasste – allgemeine Wohlbefinden bezieht, spricht der Umstand, dass das Produkt ausdrücklich eben auch als „erfrischend“ beworben wird. Es ergibt aus Sicht der angesprochenen Verbraucher keinen Sinn, die Begriffe „vitalisierend“ und „erfrischend“ gesondert aufzuführen, wenn mit ihnen dasselbe zum Ausdruck gebracht werden sollte.
Nach alledem nimmt die im Rahmen der vorliegenden Produktkennzeichnungen verwendete Angabe „vitalisierend“ auf das durch den Konsum des Getränks zu unterstützende bzw. zu steigernde gesundheitliche Wohlbefinden Bezug. Sie ist nicht gleichzusetzen mit einer Angabe wie „ein wohltuender Genuss“.
Es handelt sich allerdings nicht um eine spezifische, sondern um eine unspezifische Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO (vgl. Meyer /Streinz, a. a. O., zur unspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe „Vitalität“). Denn bei der Angabe fehlt eine Bezugnahme auf bestimmte zu fördernde Funktionen des Körpers (vgl. BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze). Gleichwohl ändert das nichts daran, dass eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO vorliegt (BVerwG, WRP 2011, 103, 104 – Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze).
cc) Die Frage der Zulässigkeit der vorliegenden unspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe beurteilt sich nach Art. 10 Abs. 3 HCVO. Die Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 HCVO ist hier nicht einschlägig. Diese regelt die Zulässigkeit von solchen Angaben, die auf spezifische gesundheitliche Vorteile bezogen sind und Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein können (vgl. BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze).
Gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO sind Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Artikel 13 oder 14 der Verordnung enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (sog. Koppelungsgebot).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2013, 958 – Vitalpilze; vgl. auch Büscher, GRUR 2013, 969, 977) soll das eingeschränkte Verbot des Art. 10 Abs. 3 HCVO allerdings voraussetzen, dass diese Listen erstellt sind: Solange dies noch nicht geschehen sei, sei die Verwendung entsprechender Verweise durch die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 – so der Bundesgerichtshof – nicht reglementiert. Denn anderenfalls enthielte diese Verordnung insoweit entgegen dem Willen des Verordnungsgebers, wie er in den Übergangsregelungen ihres Art. 28 eindeutig zum Ausdruck gekommen sei, zunächst eine strengere Regelung als später. Unter diesen Umständen habe auch die (Teil-)Liste nach Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 432/2012 die Rechtslage nicht maßgeblich verändert.
Diese Erwägungen führen im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats indes nicht zur Unanwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO. Denn in dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall „Vitalpilze“ ging es um gesundheitsbezogene Angaben zu pflanzlichen Stoffen (sog. „Botanicals“). In Bezug auf pflanzliche Stoffe ist die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben bislang nicht abschließend (Senat, Urteil vom 04.07.2013 – 4 U 20/13 = WRP 2013, 1491). Das ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 10 zur Verordnung (EG) Nr. 432/2012, der darauf hinweist, dass die sog. „Botanicals“ von der Behörde erst noch wissenschaftlich bewertet werden müssen. Insoweit ist das Prüfverfahren nach wie vor nicht abgeschlossen, wie aus dem Erwägungsgrund 5 der Verordnung (EU) Nr. 536/2013 folgt:
„… Da die Kommission diese Bedenken für relevant und eine weitere Prüfung und Konsultation für erforderlich hält, sollte über Angaben zu Botanicals erst dann ein Beschluss gefasst werden, wenn diese Schritte abgeschlossen sind“.
Hier steht hingegen eine gesundheitsbezogene Angabe zu einem alkoholfreien Bier in Rede. Unstreitig sind darin die Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folsäure enthalten, wie die Beklagte in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 17.05.2013 (Anlage K 14) mitgeteilt hat. Hinsichtlich der Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folat ist in der Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß dem Anhang zur Verordnung (EU) 432/2012 bereits seit dem 14.12.2012 u. a. die Angabe zugelassen, dass diese Stoffe zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung beitragen. Nach Art. 1 dieser Verordnung ist die Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Artikel 13 Abs. 3 HCVO, die über Lebensmittel gemacht werden dürfen, im Anhang der Verordnung festgelegt. Die Verordnung (EU) 432/2012 gilt nach ihrem Art. 2 seit dem 14.12.2012.
Auch der HCVO ist keine Bestimmung zu entnehmen, dass ihr Art. 10 Abs. 3 erst dann angewandt bzw. vollzogen werden kann, wenn die Liste der zugelassenen Angaben vollständig vorliegt. Das vom Bundesgerichtshof im Fall „Vitalpilze“ angeführte Argument, dass die HCVO bei einer Anwendung des Verbots des Art. 10 Abs. 3 vor Erstellung der Listen eine strengere Regelung enthielte als später, trägt im vorliegenden Fall nicht. Denn – wie vorstehend ausgeführt – ist für die Stoffe Niacin, Vitamin B12 und Folat, die eine gesundheitsbezogene Wirkung haben können, in der existierenden Teilliste bereits eine entsprechende spezifische gesundheitsbezogene Angabe zugelassen, die einer allgemeinen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 3 HCVO beigefügt werden kann.
Für eine Anwendbarkeit und Vollzugsfähigkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO schon vor vollständiger Erstellung der Listen nach Art. 13 und 14 HCVO sprechen auch die Leitlinien zur Umsetzung von Art. 10 HCVO, die die Kommission nach Art. 10 Abs. 4 HCVO mit Durchführungsbeschluss vom 24.01.2013 erlassen hat (DB 2013/63/EU). In der Einleitung der Leitlinien heißt es mit näheren Ausführungen einschränkungslos, dass Art. 10 HCVO zu beachten ist. Die Leitlinien beziehen sich zu Punkt 3. zudem explizit auf Art. 10 Abs. 3 HCVO. Von einer Unanwendbarkeit der Vorschrift bis zur vollständigen Erstellung der Listen ist dort keine Rede.
Ferner hat der Generalanwalt G im Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (Rechtssache C-609/12) über das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs (GRUR 2013, 189 – H2) zur Frage der zeitlichen Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 2 HCVO im Rahmen seiner Schlussanträge vom 14.11.2013 (BeckRS 2013, 82168, dort Rn. 65) die Ansicht vertreten, dass die dort gegenständliche Werbung für den Früchtequark „H2“ von „H“ mit dem Slogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“ gegen Art. 10 Abs. 3 HCVO verstößt, wenn es sich dabei um eine unspezifische Angabe im Sinne dieser Norm handelt. Art. 10 Abs. 3 HCVO sei seit dem 01.07.2007 in Kraft und verlange, dass die in den Art. 13 und 14 vorgesehenen Listen veröffentlicht worden seien, was im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht der Fall gewesen sei. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union zieht in seinem Urteil vom 10.04.2014 – C-609/12 – (BeckRS 2014, 80708) eine Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO jedenfalls in Betracht, obwohl die Liste nach Art. 13 Abs. 3 HCVO noch nicht vollständig vorliegt. So heißt es unter Rn. 36 des Urteils:
„Unbeschadet einer etwaigen Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1924/2006 …“.
Vor diesem Hintergrund sieht sich der Senat hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des Art. 10 Abs. 3 HCVO in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht zu einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV veranlasst.
Schließlich ist der vom Bundesgerichtshof in Sachen „Vitalpilze“ (GRUR 2013, 958) erwähnte österreichische „1. Orientierungserlass“ zur HCVO, auf den sich auch die dort genannten Literaturstellen beziehen, inzwischen überholt. In dem neuen Orientierungserlass des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit vom 12.07.2012 (BMG-75335/0006-II/B/13/2012) heißt es nunmehr zu Art. 10 Abs. 3 HCVO:
„… Da die Bedingungen für die Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben nunmehr mit der Liste gemäß Art. 13 festgelegt sind, ist diese Bestimmung – nach Ablauf der Übergangsbestimmung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 – einzuhalten, soweit sie nicht Angaben betrifft, die „on hold“ sind (d. h. durch die EFSA bewertet, aber noch keine Entscheidung im Rahmen der Komitologie) bzw. die noch nicht beurteilt wurden (u. a. pflanzliche Stoffe).“
Nach alledem hält der Senat die Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 HCVO im vorliegenden Fall für anwendbar (vgl. auch Hagenmeyer, ZLR 2013, 702; Stallberg, LMUR 2013, 189; Meyer/Streinz, 2. Aufl., HCVO, Rn. 58).
Da die Beklagte der unspezifischen Angabe „vitalisierend“ unstreitig keine zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt hat, hat sie gegen Art. 10 Abs. 3 HCVO verstoßen.
c) Aufgrund des vorliegenden Wettbewerbsverstoßes wird das Bestehen einer Wiederholungsgefahr tatsächlich vermutet. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten liegt nicht vor.
d) Die unionsrechtswidrigen Produktkennzeichnungen sind auch geeignet, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt der Lebensmittel (Getränke) zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 958 – Vitalpilze – m. w. N.). Denn es geht um das hohe Schutzgut der Gesundheit der Verbraucher. Zu berücksichtigen ist auch das Ziel der HCVO, das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts in Bezug auf nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sicherzustellen und gleichzeitig mit Blick auf eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten, vgl. die Erwägungsgründe 1 und 36 der HCVO (Senat, Urteil vom 30.04.2013, 4 U 149/12).
e) Die seitens der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Die sechsmonatige Verjährungsfrist gem. § 11 Abs. 1 UWG beginnt nach § 11 Abs. 2 UWG, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Da die Beklagte in ihrem vorgerichtlichen Schreiben vom 19.06.2013 (Anlage K 16) selbst mitgeteilt hat, dass die Bestände der gerügten Verpackungen der „Sixpacks“ und der Flaschenetiketten des „C alkoholfrei“ „etwa bis Ende des Jahres“ aufgebraucht sein würden und dass voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2014 Etiketten und Kartonagen mit einer neuen Gestaltung eingesetzt würden, geht der Senat davon aus, dass sie die beanstandeten Produktkennzeichnungen noch bis Ende des Jahres 2013 verwendet hat und der wettbewerbswidrige Eingriff bis dahin fortdauerte. Unter diesen Umständen lag eine Dauerhandlung vor, so dass die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hat (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 11 Rn. 1.21).
Die Beklagte ist ferner dem Vortrag des Klägers, er habe erst kurz vor Erstellung der Abmahnung Anfang Mai 2013 durch eines seiner Mitglieder Kenntnis von der angegriffenen Werbung erlangt, nicht konkret entgegen getreten. Ihr Vorbringen, dem Kläger sei der gerügte Verstoß „mindestens seit 2011“ bekannt, ist zu pauschal. Auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Klägers von Zeitungsanzeigen der Beklagten, die bereits 2011 veröffentlicht wurden, kommt es nicht an, weil diese Anzeigen nicht streitgegenständlich sind. Es geht hier allein um die Kennzeichnung des Produkts mit der Angabe „vitalisierend“ auf den Flaschenetiketten und den Kartonagen. Im Übrigen steht nicht fest, wann der Kläger tatsächlich Kenntnis von den Zeitungsanzeigen erlangt hat.
Ferner sind Umstände, die auf eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers schließen lassen, weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Selbst wenn keine sog. Dauerhandlung vorläge und die Verjährungsfrist bereits ab Kenntniserlangung des Klägers im Mai 2013 zu laufen begonnen hat, ist die Verjährung jedenfalls mit Eingang der Klageschrift am 31.07.2013 bei dem Landgericht gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i. V. m. § 167 ZPO.
f) Unter diesen Umständen ist der Unterlassungsanspruch des Klägers auch nicht verwirkt, weil es bereits an einem vermeidbaren Untätigbleiben des Klägers über einen hinreichend langen Zeitraum (sog. Zeitmoment) fehlt. Zudem greift der Verwirkungseinwand hier auch deshalb nicht ein, weil die Verletzung, die den Bereich der Gesundheitswerbung betrifft, zugleich das Interesse der Allgemeinheit beeinträchtigt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 11 Rn. 2.33 f.).
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil die Entscheidung des Revisionsgerichts sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.