Abmahnung wegen Internetwerbung: Eingeschränkte Unterlassungserklärung beseitigt keine Wiederholungsgefahr

10. August 2018
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Unterlassungserklärung als Brief die eine Frau liest und schockiert ist Urteil des LG Berlin vom 25.01.2017, Az.: 97 O 122/16

Wird nach einer berechtigten Abmahnung wegen einer gegen das Wettbewerbsrecht verstoßenden Werbung eine Unterlassungserklärung abgegeben, in welcher die Unterlassung nur auf einen bestimmten Ort (hier: Internetwerbung) beschränkt wird, so kann die zu vermutende Wiederholungsgefahr auch noch weiterhin bestehen. An den Wegfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen, so dass der begründet geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang grundsätzlich auch durch die Unterlassungserklärung voll abgedeckt sein muss.

Landgericht Berlin

Urteil vom  25.01.2017

Az.: 97 O 122/16

 

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 12. Oktober 2016 wird im Tenor zu 2. bestätigt.

2. Der Antragsgegner hat die weiteren Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand

Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner mit Schreiben vom 15. September 2016 aus Anlass einer Internetwerbung unter Beifügung des Entwurfs einer Unterlassungserklärung ab (Ablichtung Anlage A 2). Der Antragsgegner übersandte am 22. September 2016 eine Erklärung, mit der er sich nicht interessiert an einem Rechtsstreit zeigte, sich vertragsstrafenbewehrt zur Unterlassung von Äußerungen im Internet verpflichtete und über die Entfernung der Äußerungen aus dem Internet informierte (Ablichtung Anlage A 3). Der Antragsteller bestätigte dem Antragsgegner am 11. Oktober 2016 den Eingang der „eingeschränkten Unterlassungserklärung“ und erklärte die Annahme mit dem anschließenden Satz „Bezüglich des noch offenen Anspruchs haben wir das Notwendige veranlasst“ (Ablichtung Anlage AG 2). Auf am 7. Oktober 2016 eingegangenen Antrag ist die einstweilige Verfügung vom 12. Oktober 2016 ergangen, wonach dem Antragsgegner in anderen Medien als dem Internet eine Werbung mit den Äußerungen untersagt worden ist. Gegen diese ihm im Parteiweg zugestellte einstweilige Verfügung hat der Antragsgegner Kostenwiderspruch eingelegt.

Der Antragsteller erklärt sein Vorgehen.

Er beantragt,

wie erkannt.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

die einstweilige Verfügung vom 12. Oktober 2016 im Kostenpunkt aufzuheben und die Verfahrenskosten dem Antragsteller aufzuerlegen.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, keinen Anlass zu einer gerichtlichen Geltendmachung gegeben zu haben. Er habe den Entwurf der Unterlassungserklärung des Antragstellers wegen verschiedener Unzulänglichkeiten überarbeiten müssen; die Aufnahme des Internets in seine Erklärung stelle genau die gerügte Verletzungshandlung dar, ohne dass ausdrücklich kerngleiche Verstöße ausgeschlossen seien. Unter all den gegebenen Umständen sei eindeutig gewesen, dass er die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche erfüllen wollte, so dass der Antragsteller vor Stellung eines Verfügungsantrag bei ihm hätte nachfassen müssen. Statt dessen habe der Antragsteller bzw. seine Bevollmächtigten allein aus Umsatzinteresse gehandelt. Schließlich habe der Antragsteller mit der Annahme der Unterlassungserklärung auf weiter gehende Ansprüche verzichtet. Es sei ein entsprechender Erlassvertrag zustande gekommen, der Antragsteller habe bei seiner einschränkungsfreien Annahme nicht erklärt, dass der gesetzliche Unterlassungsanspruch nicht erfüllt sei, die Äußerungen hätten nicht als Einschränkung des nicht teilbaren Unterlassungsanspruchs angesehen werden können, was nach § 150 Abs. 2 BGB ohnehin nicht möglich sei.

Wegen des übrigen Sach- und Verfahrensstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Auf den statthaften Kostenwiderspruch des Antragsgegners ist die einstweilige Verfügung vom 12. Oktober 2016 im Kostenpunkt zu bestätigen, weil die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht erfüllt sind; der Antragsgegner hat als unterlegene Partei die Verfahrenskosten nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Gemäß § 93 ZPO fallen dem Antragsteller die Verfahrenskosten nur dann zur Last, wenn der Antragsgegner nicht zur Stellung des Verfügungsantrags Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt.

Für den Antragsteller bestand Anlass zur Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Der Antragsgegner gab trotz Abmahnung keine die Wiederholungsgefahr vollständig beseitigende strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (vgl. OLG Hamburg WRP 1983, 453; juris PK-UWG-Hess, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 4, 150).

Der Antragsteller hatte den Antragsgegner wegen der Äußerungen unabhängig vom Ort ihrer Veröffentlichung abgemahnt. Die Nennung des Internets in dem Abmahnschreiben diente erkennbar nur der Wiedergabe der vom Antragsteller festgestellten Quelle. Dass er die Unterlassung der Äußerungen lösgelöst vom Ort der Veröffentlichung begehrte, ergibt sich zudem eindeutig aus der als Entwurf beigefügten Unterlassungserklärung, die gerade keinen Veröffentlichungsort o. ä. aufweist. Schließlich stellt der Antragsgegner den Umfang des Unterlassungsbegehrens insoweit zutreffend selbst nicht in Frage, wie u. a. sein Argument der Erstreckung auf Kernverstöße und sein auf die Kosten beschränkter Widerspruch belegen.

Die abgegebene, auf das Internet beschränkte Unterlassungserklärung konnte aber die durch die Verstöße zu vermutende Wiederholungsgefahr nicht ausräumen. Selbst im Falle einer etwaig unzutreffenden rechtlichen Würdigung des Antragstellers über den Umfang oder wie vom Antragsgegner angesprochen betreffend einzelne Inhalte des Unterlassungsanspruchs war und blieb es allein Aufgabe des Antragsgegners, das konkrete, als rechtswidrig beanstandete Verhalten rechtlich zu beurteilen und daraus die notwendigen Folgerungen zu ziehen sowie die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignete Unterlassungserklärung zu formulieren (vgl. OLG Hamburg WRP 2006, 382; OLG Stuttgart WRP 1996, 1229, 1230). An den Wegfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch muss nach Inhalt und Umfang durch die Unterlassungserklärung voll abgedeckt sein. Eine Einschränkung begründet jedenfalls dann Zweifel an der Ernstlichkeit, wenn keine nachvollziehbaren Gründe des Schuldners für die Einschränkung erkennbar sind oder berechtigte Interessen des Gläubigers beeinträchtigt werden (vgl. BGH GRUR 2007, 871 Tz. 41 – Wagenfeld-Leuchte; Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Auflage, § 12 Rdnr. 1.134).

Die Aufnahme des Orts der zu unterlassenden Äußerungen in die Unterlassungserklärung durch den Antragsgegner kann bei der gebotenen Auslegung der Vertragsstrafenvereinbarung im Fall eines späteren Vertragsstrafenverfahrens wegen des eindeutigen Wortlauts nur so verstanden werden, dass Äußerungen im Internet zu unterlassen sind. Ob und inwieweit andere Veröffentlichungsorte von diesem Verbot erfasst werden, wäre als Gegenstand einer Vertragsauslegung für den Gläubiger mit erheblichen Unsicherheiten über die Reichweite des Verbots schon deshalb verbunden, weil die Unterlassungserklärung in Abweichung vom Entwurf gerade ausdrücklich den einen Ort nennt. Schon wegen dieser Unsicherheiten kann sich der Antragsgegner nicht auf die von ihm angeführte Kernbereichslehre berufen, die bei der Auslegung von Vertragsstrafenerklärungen ohnehin nicht zur Anwendung kommt.

Eines nochmaligen Nachfassens des Antragstellers, zu dem der Verletzte grundsätzlich ohnehin nicht verpflichtet ist, bedurfte es nach Erhalt der erkennbar bewusst enger gefassten Unterlassungserklärung trotz der vom Antragsgegner genannten Einzelumstände wie Entfernung der Äußerungen aus dem Internet, Zahlung der Abmahngebühren u.s.w. nicht (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rdnr. 1.36a m.w.N., 1.40). Der fachlich beratene Antragsgegner entschied sich bei umfassender Überarbeitung des erhaltenen Entwurfs zu genau dieser Unterlassungserklärung mit diesem Zusatz, die er dem Antragsteller noch dazu ohne Hinweis auf diese bedeutende Abweichung übersandte.

Zwischen den Parteien kam auch kein Erlassvertrag über den vorliegenden, ursprünglich verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruch zustande. Der Antragsteller nahm mit seinem Antwortschreiben anders als vom Antragsgegner begehrt die Unterlassungserklärung nicht vorbehaltlos an, was sich eindeutig und auch für den Antragsgegner erkennbar aus den Formulierungen „eingeschränkten Unterlassungserklärung“ und „Bezüglich des noch offenen Anspruchs haben wir das Notwendige veranlasst“ ergibt, § 150 Abs. 2 BGB. Hiermit behielt er sich die Geltendmachung des weitergehenden gesetzlichen Anspruchs bei Annahme der begrenzten Unterwerfung vor (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rdnr. 1.114). Sowohl am Fortbestand der eingeschränkten Unterlassungserklärung als auch an der Berechtigung des weitergehenden, ursprünglich verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruchs hat der Antragsgegner keinen Zweifel gelassen, wie er mit den unterbliebenen Nachfragen auf den Vorbehalt des Antragstellers zu seiner eingeschränkten Unterlassungserklärung und insbesondere durch das mit dem Kostenwiderspruch verbundene Anerkenntnis des Unterlassungstenors der einstweiligen Verfügung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. OLG Frankfurt GRUR 2006, 264; Stein/Jonas-Bork, ZPO, 22. Auflage, § 93 Rdnr. 10 a.E.; juris PK-UWG-Hess, a.a.O., § 12 Rdnr. 150).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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