Ausländischer Künstler kann sich für Leistungsschutzrechte auf den Grundsatz der Inländerbehandlung berufen

31. Oktober 2016
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Frau steht mit einem Mikrofon in der rechten Hand vor einem großen Publikum auf der Bühne Urteil des BGH vom 21.04.2016, Az.: I ZR 43/14

a) Ausübenden Künstlern kommt nach dem TRIPS-Abkommen und dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger ein über die in diesen Übereinkommen vorgesehenen Mindestrechte hinausgehender, allein nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats bestehender Rechtsschutz nicht zugute. Aus diesen Übereinkommen ergibt sich kein ausschließliches Recht des ausübenden Künstlers, eine audiovisuelle Festlegung seiner Darbietung öffentlich zugänglich zu machen.

b) Hat ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird, kann er sich nach Art. 19 des Rom-Abkommens zwar nicht mehr auf die in Art. 7 des Rom-Abkommens vorgesehenen Mindestrechte, wohl aber weiterhin auf den in Art. 4 des Rom-Abkommens geregelten Grundsatz der Inländerbehandlung berufen.

c) Die ausübenden Künstlern nach Art. 4 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung ist gemäß Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens nicht auf die ausübenden Künstlern in Art. 7 des Rom-Abkommens ausdrücklich gewährleisteten Mindestrechte beschränkt. Vielmehr haben die vertragschließenden Staaten den ausübenden Künstlern daneben die in ihrer nationalen Gesetzgebung vorgesehenen Rechte zu gewähren.

d) Unter der Inländerbehandlung ist nach Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens auch die Behandlung zu verstehen, die der vertragschließende Staat, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, auf Grund seiner nationalen Gesetzgebung nach Abschluss des Rom-Abkommens gewährt. Die nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung umfasst daher das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rom-Abkommens gesetzlich noch nicht geregelte und unbekannte ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen.

e) Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutz-rechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist; es ist dagegen nicht erforderlich, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) im Inland abgerufen werden kann (Aufgabe von BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 14 - Vorschaubilder I).

Bundesgerichtshof

Urteil vom 21.04.2016

Az.: I ZR 43/14

 

Tenor

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. Januar 2014 aufgehoben, soweit hinsichtlich des auf das Recht von Marlene Dietrich als ausübender Künstlerin gestützten und auf ein Verbot des Öffentlich-Zugänglichmachens von Videoclips mit Aufnahmen ihres Konzerts aus dem Jahr 1972 im New London Theatre gerichteten Klageantrags a) (1) zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und die außergerichtlichen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Gesellschaft, deren Unternehmenszweck der Schutz der Persönlichkeit und des Lebenswerks der Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich sowie die Wahrnehmung von deren Persönlichkeits- und Verwertungsrechten ist. Einziger Abkömmling und Alleinerbin der am 6. Mai 1992 verstorbenen Marlene Dietrich ist ihre Tochter Maria Riva.

Diese hat der Klägerin alle Ansprüche wegen einer Verletzung von Leistungsschutzrechten ihrer Mutter abgetreten und sie zur Geltendmachung daraus folgender Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt.

Die Beklagte, eine Konzerngesellschaft der Google Inc., betreibt im Internet die Videoplattform YouTube. Auf diese Plattform können Internetnutzer Videos hochladen, die dort anschließend zum kostenfreien Abruf durch alle Internetnutzer bereitgehalten werden.

Von Dezember 2006 bis November 2011 waren über die Plattform der Beklagten verschiedene Videoclips abrufbar, die Marlene Dietrich zeigen, darunter Ausschnitte aus der Aufzeichnung eines Konzertauftritts im Jahr 1972 im New London Theatre in London.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Bereithalten von Videoclips mit Ausschnitten dieser Aufzeichnung auf der Plattform der Beklagten verletze das Marlene Dietrich als ausübender Künstlerin zustehende Leistungsschutzrecht. Die Beklagte hafte für diese Urheberrechtsverletzung als Täter oder Teilnehmer, jedenfalls aber als Störer auf Unterlassung.

Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland Videoclips des Konzerts von

Marlene Dietrich aus dem Jahr 1972 im New London Theatre mit einem oder mehreren der von Marlene Dietrich interpretierten [näher bezeichneten] Musik-/Konzerttitel wie auf den [beigefügten] Bildtonträgern enthalten über die Plattformen der Beklagten unter den [näher bezeichneten] Domains öffentlich zugänglich zu machen oder Dritten zu ermöglichen, die Videoclips öffentlich zugänglich zu machen.

Das Landgericht hat der Klage mit diesem Unterlassungsantrag hinsichtlich eines Titels („Lili Marleen“) stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die gegen die teilweise Abweisung der Klage gerichtete Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat die Klage – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – als zulässig aber unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die von Marlene Dietrich im Jahr 1972 in London erbrachten künstlerischen Darbietungen in Deutschland urheberrechtlich nicht geschützt seien.

Die Klägerin könne für diese Darbietungen das Recht des ausübenden Künstlers, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) nicht nach § 125 Abs. 1 UrhG in Anspruch nehmen, weil Marlene Dietrich ihre deutsche Staatsangehörigkeit anlässlich der Beantragung und Verleihung der US-Staatsbürgerschaft verloren habe.

Einem aus § 125 Abs. 3 UrhG folgenden Verbotsrecht stehe entgegen, dass die Klägerin – abgesehen von dem Titel „Lili Marleen“ – nicht dargetan habe, dass Aufnahmen des Londoner Konzerts – im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes erschienen seien. Der Titel „Lili Marleen“ sei früher als dreißig Tage vor seinem Erscheinen im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes bereits außerhalb dessen erschienen.

Auch aufgrund internationaler Verträge habe Marlene Dietrich für ihre Darbietungen kein Leistungsschutzrecht nach § 125 Abs. 5 UrhG zugestanden. Die Klägerin könne sich nicht auf das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (Rom-Abkommen) vom 26. Oktober 1961 stützen. Der Schutz nach diesem Abkommen sei ausgeschlossen, weil Marlene Dietrich der Aufnahme ihres Konzerts auf einem Bild- und Tonträger zugestimmt habe. Die Klägerin könne weder aus dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15. April 1994 noch aus dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT) vom 20. Dezember 1996 ein Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen der Darbietungen herleiten. Diese Abkommen gewährten dem ausübenden Künstler kein Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen einer audiovisuellen Festlegung seiner Darbietung.

Ein entsprechendes Verbotsrecht folge auch nicht aus § 137f Abs. 2 UrhG in Verbindung mit dem britischen Recht.

B. Die Revision ist begründet. Das Berufungsgericht hat zwar mit Recht angenommen, dass die Klage zulässig ist (dazu B I). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedoch nicht verneint werden (dazu B II).

I. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klage zulässig und insbesondere die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet (dazu I 1) und die Klägerin zur Prozessführung befugt (dazu I 2) ist.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I ZR 49/13, GRUR 2014, 559 Rn. 11 = WRP 2014, 709 – Tarzan), ergibt sich aus § 32 ZPO.

a) Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Zu den unerlaubten Handlungen im Sinne von § 32 ZPO zählen Urheberrechtsverletzungen. Die Vorschrift regelt mit der örtlichen Zuständigkeit mittelbar auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Eine unerlaubte Handlung ist im Sinne von § 32 ZPO sowohl am Handlungsort als auch am Erfolgsort begangen, so dass eine Zuständigkeit wahlweise dort gegeben ist, wo die Verletzungshandlung begangen oder in das Rechtsgut eingegriffen worden ist. Zur Begründung der Zuständigkeit reicht die schlüssige Behauptung von Tatsachen aus, auf deren Grundlage sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. § 32 ZPO erfasst auch Unterlassungsansprüche (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7 f.; Urteil vom 29. März 2011 – VI ZR 111/10, GRUR 2011, 558 Rn. 6 f. = WRP 2011, 898; BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 11 – Tarzan, mwN).

b) Danach ist für den mit der Klage verfolgten Unterlassungsanspruch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte begründet. Die Klägerin nimmt die – in Kalifornien ansässige – Beklagte wegen der behaupteten Verletzung eines in Deutschland bestehenden Leistungsschutzrechts des ausübenden Künstlers auf Unterlassung in Anspruch, in Deutschland bestimmte Videoclips eines Konzerts öffentlich zugänglich zu machen. Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass der Internetauftritt bestimmungsgemäß (auch) im Inland abgerufen werden kann. An seiner abweichenden Auffassung (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 14 – Vorschaubilder I) hält der Senat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur gerichtlichen Zuständigkeit für Klagen wegen Verletzungen des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO (jetzt Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO) nicht fest (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 – C-170/12, GRUR 2014, 100 Rn. 42 = WRP 2013, 1456 – Pinckney/Mediatech; Urteil vom 22. Januar 2015 – C-441/13, GRUR 2015, 296 Rn. 32 = WRP 2015, 332 – Hejduk/EnergieAgentur; offengelassen für Markenverletzungen BGH, Urteil vom 5. März 2015 – I ZR 161/13, GRUR 2015, 1004 Rn. 15 = WRP 2015, 1219 – IPS/ISP; zu Wettbewerbsverletzungen vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2015 – I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 12 = WRP 2015, 1326 – Hotelbewertungsportal). Nach Darstellung der Klägerin waren die beanstandeten Videoaufnahmen über die Internetplattform der Beklagten in Deutschland abrufbar.

2. Die Klägerin ist befugt, den erhobenen Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen. Ein Kläger ist prozessführungsbefugt, wenn er berechtigt ist, über das behauptete (streitige) Recht einen Prozess als Partei im eigenen Namen zu führen (BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – I ZR 28/12, GRUR 2014, 65 Rn. 18 = WRP 2014, 68 – Beuys-Aktion).

a) Die Klägerin kann ihre Prozessführungsbefugnis zwar nicht darauf stützen, dass Maria Riva ihr den mit der Klage verfolgten Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines Leistungsschutzrechts abgetreten habe. Eine (isolierte) Abtretung solcher Unterlassungsansprüche ist im Hinblick auf die damit verbundene Veränderung des Leistungsinhalts ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 23. September 1992 – I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 241 – Universitätsemblem; Urteil vom 5. Juli 2001 – I ZR 311/98, BGHZ 148, 221, 225 – SPIE-GEL-CD-ROM).

b) Die Klägerin ist jedoch nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozessstandschaft zur Prozessführung befugt. Eine gewillkürte Prozessstandschaft setzt eine wirksame Ermächtigung des Prozessstandschafters zur gerichtlichen Verfolgung der Ansprüche des Rechtsinhabers sowie ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an dieser Rechtsverfolgung voraus, wobei dieses Interesse auch wirtschaftlicher Natur sein kann (BGH, GRUR 2014, 65 Rn. 24 – Beuys-Aktion; BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 124/11, GRUR 2015, 672 Rn. 87 = WRP 2015, 739 – Videospielkonsolen II; Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 91/11, GRUR 2016, 490 Rn. 20 = WRP 2016, 596 – Marcel-Breuer-Möbel II). Maria Riva hat die Klägerin wirksam zur gerichtlichen Verfolgung der erhobenen Ansprüche ermächtigt. Auf Maria Riva sind als Alleinerbin von Marlene Dietrich deren nach § 79 Abs. 1 Satz 1 UrhG übertragbaren und damit auch vererblichen Leistungsschutzrechte an ihren Darbietungen als ausübende Künstlerin übergegangen. Sie hat die Klägerin zur Geltendmachung der aus einer Verletzung dieser Leistungsschutzrechte folgenden Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt. Das eigene schutzwürdige Interesse der Klägerin an einer gerichtlichen Verfolgung dieser Ansprüche ergibt sich daraus, dass Maria Riva ihr auch die Wahrnehmung der Verwertungsrechte übertragen hat (vgl. BGH, GRUR 2014, 65 Rn. 25 – Beuys-Aktion).

II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass deutsches Recht anwendbar ist (dazu B II 1) und der geltend gemachte Unterlassungsanspruch deshalb nach § 97 Abs. 1 UrhG voraussetzt, dass nach dem Urheberrechtsgesetz das ausschließliche Recht besteht, die im Jahr 1972 in London erbrachten Darbietungen Marlene Dietrichs in Deutschland öffentlich zugänglich zu machen (dazu B II 2). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der einem ausübenden Künstler nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gewährte Schutz, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen, für die Darbietungen Marlene Dietrichs weder nach § 125 Abs. 1 UrhG (dazu B II 3) noch nach § 125 Abs. 3 UrhG (dazu B II 4) und auch nicht gemäß § 125 Abs. 5 UrhG nach dem Inhalt des TRIPS-Übereinkommens oder des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger (dazu B II 5) beansprucht werden kann und sich ein entsprechendes Recht nicht aus § 137f Abs. 2 Satz 1 UrhG ergibt (dazu B II 6). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gewährte Schutz für diese Darbietungen jedoch gemäß § 125 Abs. 5 UrhG nach dem Inhalt des Rom-Abkommens in Anspruch genommen werden (dazu B II 7).

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass deutsches Recht anwendbar ist.

a) Im Hinblick auf die Frage des anwendbaren Rechts ist, da hier die Verletzung eines nach Ansicht der Klägerin im Jahr 1972 entstandenen Leistungsschutzrechts durch ein öffentliches Zugänglichmachen im Zeitraum von Dezember 2006 bis November 2011 zu beurteilen ist, zwischen der Zeit vor und der Zeit nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) am 11. Januar 2009 (Art. 32 Rom-I I-VO) zu unterscheiden. Die Rom-II-VO ist nach ihrem Art. 31 auf schadensbegründende Ereignisse anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten eintreten. Auf schadensbegründende Ereignisse, die zuvor eingetreten sind, ist das deutsche internationale Privatrecht anwendbar. Die Frage, ob Ansprüche wegen einer Verletzung urheberrechtlicher Schutzrechte bestehen, ist allerdings sowohl nach dem deutschen internationalen Privatrecht als auch nach Art. 8 Abs. 1 der Rom-II-VO grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlandes – also des Staates, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird – zu beantworten. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 12 – Tarzan; Urteil vom 24. September 2014 – I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 Rn. 24 = WRP 2015, 347 – Hi Hotel II, mwN).

b) Da Gegenstand des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs allein die Verletzung eines Leistungsschutzrechts ist, für das die Klägerin für das Inland Schutz beansprucht, ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anzuwenden.

2. Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch setzt danach gemäß § 97 Abs. 1 UrhG voraus, dass zum Zeitpunkt der Verletzungs-handlung nach dem Urheberrechtsgesetz das ausschließliche Recht bestand, die im Jahr 1972 in London erbrachten Darbietungen Marlene Dietrich in Deutschland öffentlich zugänglich zu machen.

a) Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, Videoclips mit Aufnahmen des von Marlene Dietrich im Jahr 1972 in London gegebenen Konzerts über das Internet in Deutschland öffentlich zugänglich zu machen.

b) Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG steht dem ausübenden Künstler (§ 73 UrhG) das ausschließliche Recht zu, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a UrhG). Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist nach § 19a UrhG das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers zum öffentlichen Zugänglichmachen seiner Darbietung umfasst das Recht, seine auf einem Bild- oder Tonträger (vgl. § 16 Abs. 2 UrhG) festgelegte Darbietung über das Internet öffentlich zugänglich zu machen (vgl. Schaefer in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 78 UrhG Rn. 5).

3. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass für die Darbietung Marlene Dietrichs der einem ausübenden Künstler nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gewährte Schutz, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen, nicht nach § 125 Abs. 1 UrhG beansprucht werden kann.

a) Gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 UrhG genießen deutsche Staatsangehörige den nach §§ 73 bis 83 UrhG gewährten Schutz für alle ihre Darbietungen, gleichviel wo diese stattfinden.

b) Marlene Dietrich war zum Zeitpunkt ihres Konzertauftritts im Jahr 1972 in London nicht mehr deutsche Staatsangehörige. Sie hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Jahr 1937 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen und ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren.

4. Für die Darbietungen Marlene Dietrichs kann der nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gewährte Schutz nicht nach § 125 Abs. 3 UrhG beansprucht werden.

a) Werden Darbietungen ausländischer Staatsangehöriger erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen und sind diese erschienen, so genießen die ausländischen Staatsangehörigen gemäß § 125 Abs. 3 UrhG hinsichtlich dieser Bild- oder Tonträger den Schutz nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, wenn die Bild- oder Tonträger im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes erschienen sind, es sei denn, dass die Bild- oder Tonträger früher als dreißig Tage vor dem Erscheinen im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes außerhalb dieses Gebietes erschienen sind.

b) Die Schutzvoraussetzungen des § 125 Abs. 3 UrhG sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Bild- oder Tonträger mit den Aufnahmen des Konzerts von Marlene Dietrich im Jahr 1972 in London sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mehr als dreißig Tage vor ihrem Erscheinen in Deutschland außerhalb Deutschlands erschienen.

aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für den Begriff des Erscheinens im Sinne von § 125 Abs. 3 UrhG die Legaldefinition des § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG maßgeblich ist (zu § 86 UrhG vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1981 – I ZR 170/78, GRUR 1981, 360, 361 – Erscheinen von Tonträgern; zu § 71 UrhG Urteil vom 22. Januar 2009 – I ZR 19/07, GRUR 2009, 942 Rn. 20 = WRP 2009, 1274 – Motezuma). Danach ist ein Bild- oder Tonträger, auf den die Darbietung eines ausübenden Künstlers aufgenommen ist, erschienen, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Bild- oder Tonträgers nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind.

Der Begriff des Erscheinens im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erfordert nicht, dass die Vervielfältigungsstücke der Öffentlichkeit unmittelbar zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr genügt es, dass Vervielfältigungsstücke in für die Öffentlichkeit genügender Anzahl hergestellt worden sind und die Öffentlichkeit das Werk auf der Grundlage dieser Vervielfältigungsstücke mit Auge oder Ohr wahrnehmen kann (vgl. BGH, GRUR 1981, 360, 361 f. – Erscheinen von Tonträgern; GRUR 2009, 942 Rn. 34 – Motezuma). Wird ein Werk der Öffentlichkeit durch einen Werkvermittler zugänglich gemacht, kann danach die Überlassung einiger weniger Vervielfältigungsstücke oder sogar nur eines einzigen Vervielfältigungsstücks an den Werkvermittler genügen, um den voraussichtlichen Publikumsbedarf zu decken und damit ein Erscheinen des Werkes zu bewirken (vgl. BGH, GRUR 2009, 942 Rn. 35 – Motezuma).

bb) Danach sind Bild- oder Tonträger mit Aufnahmen des Konzerts von Marlene Dietrich im Jahr 1972 in London am 1. Januar 1973 in Großbritannien und am 13. Januar 1973 in den Vereinigten Staaten von Amerika im Sinne von § 125 Abs. 3 UrhG erschienen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das von Marlene Dietrich im Jahr 1972 in London veranstaltete Konzert mit ihrer Zustimmung auf Bild- und Tonträgern aufgenommen. Der auf der Grundlage dieser Aufnahmen mit ihrer Einwilligung erstellte Film „An Evening with Marlene Dietrich“ wurde mit ihrer Zustimmung am 1. Januar 1973 in Großbritannien und am 13. Januar 1973 in den Vereinigten Staaten von Amerika im Fernsehen ausgestrahlt. Mit der Überlassung von Bild- und Tonträgern dieses Films an die Sendeanstalten sind diese Bild- und Tonträger im Sinne von § 125 Abs. 3 UrhG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG erschienen.

cc) Bild- und Tonträger mit dem von Marlene Dietrich bei dem Londoner Konzert dargebotenen Titel „Lili Marleen“ sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts damit früher als dreißig Tage vor ihrem Erscheinen im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes bereits außerhalb dessen erschienen. Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargetan, dass Bild- und Tonträger mit Aufnahmen anderer Titel des Londoner Konzerts im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes erschienen sind.

5. Die Klägerin kann für die hier in Rede stehenden Darbietungen Marlene Dietrichs keinen Schutz gemäß § 125 Abs. 5 UrhG nach dem Inhalt des TRIPS-Übereinkommens oder des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger beanspruchen.

a) Gemäß § 125 Abs. 5 Satz 1 UrhG genießen ausländische Staatsangehörige den ausübenden Künstlern nach den §§ 73 bis 83 UrhG gewährten Schutz nach dem Inhalt der Staatsverträge.

b) Der künstlerischen Darbietung einer US-amerikanischen Staatsangehörigen im Vereinigten Königreich kann nach dem TRIPS-Übereinkommen oder dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger in Deutschland der Schutz zu gewähren sein, den das deutsche Urheberrecht dem ausübenden Künstler gewährt. Das TRIPS-Übereinkommen ist für die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Gemeinschaft am 1. Januar 1995 in Kraft getreten (vgl. BGBl. II 2015, Fundstellennachweis B, S. 895 f.). Der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger ist für die Vereinigten Staaten am 20. Mai 2002 und für das Vereinigte Königreich, die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union am 14. März 2010 in Kraft getreten (vgl. BGBl. II 2015, Fundstellennachweis B, S. 915 f.).

c) Es ist bereits fraglich, ob sich die Klägerin auf das TRIPS-Übereinkommen oder den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger berufen kann.

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger zwar integraler Bestandteil der Unionsrechts-ordnung und daher in der Union unmittelbar anwendbar (EuGH, Urteil vom 15. März 2012 – C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 37 bis 40 = WRP 2012, 689 – SCF/Del Corso); Einzelpersonen können sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch weder auf das TRIPS-Übereinkommen noch auf den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger berufen (EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 43 bis 48 – SCF/Del Corso). Danach dürften diese Abkommen jedenfalls für den unionsrechtlich harmonisierten Bereich des Urheberrechts für Einzelpersonen keine unmittelbare Wirkung entfalten (vgl. BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 52 – Tarzan, mwN auch zur Gegenansicht).

bb) Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), ist unionsrechtlich harmonisiert. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sehen die Mitgliedstaaten für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass diese drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Danach kann sich die Klägerin möglicherweise nicht auf das TRIPS-Übereinkommen oder den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger berufen. Das kann hier aber letztlich offenbleiben.

d) Aus dem TRIPS-Abkommen und dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger ergibt sich jedenfalls kein ausschließliches Recht des ausübenden Künstlers, eine audiovisuelle Festlegung seiner Darbietung öffentlich zugänglich zu machen.

aa) Gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 1 TRIPS gewähren die Mitgliedstaaten dieses Abkommens den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten die in diesem Übereinkommen festgelegte Behandlung. Sie gewähren ihnen nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 TRIPS eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die sie ihren eigenen Angehörigen in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums gewähren. In Bezug auf ausübende Künstler gilt diese Verpflichtung nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 TRIPS allerdings nur in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen vorgesehenen Rechte. Danach kommt den ausübenden Künstlern ein über die in dem Übereinkommen vorgesehenen Mindestrechte hinausgehender, allein nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats bestehender Rechtsschutz, nicht zugute (vgl. OLG Hamburg, ZUM-RD 1997, 343, 344; ZUM 2004, 133, 136; LG Berlin, ZUM 2006, 761, 762).

Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 TRIPS haben ausübende Künstler zwar die Möglichkeit, die öffentliche Wiedergabe ihrer lebenden Darbietung zu verhindern, wenn diese ohne ihre Erlaubnis vorgenommen wird. Das Übereinkommen sieht jedoch kein Recht des ausübenden Künstlers vor, das unerlaubte öffentliche Zugänglichmachen einer auf einem Bild- oder Tonträger festgelegten Darbietung zu verbieten. Ihnen muss nach dem Übereinkommen daher auch kein entsprechender Inlandsschutz gewährt werden.

bb) Gemäß Art. 3 Abs. 1 WPPT gewähren die Vertragsparteien den ausübenden Künstlern, die Angehörige anderer Vertragsparteien sind, den in diesem Vertrag vorgesehenen Schutz. Jede Vertragspartei gewährt den Angehörigen anderer Vertragsparteien nach Art. 4 Abs. 1 WPPT die Behandlung, die sie ihren eigenen Angehörigen in Bezug auf die nach diesem Vertrag ausdrücklich gewährten ausschließlichen Rechte gewährt. Den ausübenden Künstlern kommt danach auch nach diesem Vertrag ein über die darin vorgesehenen Mindestrechte hinausgehender, allein nach dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaats bestehender Rechtsschutz, nicht zugute.

Ausübende Künstler haben nach Art. 6 Ziffer i WPPT das ausschließliche Recht, die öffentliche Wiedergabe ihrer nicht festgelegten Darbietungen zu erlauben. Sie haben nach dieser Bestimmung nicht das Recht, das hier in Rede stehende öffentliche Zugänglichmachen einer festgelegten Darbietung zu erlauben. Ausübende Künstler haben ferner nach Art. 10 WPPT das ausschließliche Recht zu erlauben, dass ihre auf Tonträgern festgelegten Darbietungen drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Nach dieser Bestimmung hat der ausübende Künstler nicht das hier in Rede stehende Recht, das öffentliche Zugänglichmachen der audiovisuellen Festlegung seiner Darbietung zu erlauben (vgl. v. Welser/ Braun in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl., § 125 UrhG Rn. 42; BeckOK UrhG/Lauber-Rönsberg, Stand: 1. April 2016, § 125 UrhG Rn. 24). Ein solches Recht des ausübenden Künstlers ist erstmals in Art. 10 des – noch nicht in Kraft getretenen – WIPO-Vertrages zum Schutz audiovisueller Darbietungen (WAPT) vom 26. Juni 2012 vorgesehen.

6. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich aus § 137f Abs. 2 Satz 1 UrhG in Verbindung mit dem britischen Recht kein Leistungsschutzrecht für die künstlerischen Darbietungen Marlene Dietrichs bei ihrem Konzert im Jahr 1972 in London ergibt.

a) Nach § 137f Abs. 2 Satz 1 UrhG sind die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes in der ab dem 1. Juli 1995 geltenden Fassung auch auf Werke anzuwenden, deren Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz vor dem 1. Juli 1995 abgelaufen ist, nach dem Gesetz eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union zu diesem Zeitpunkt aber noch besteht. Gemäß § 137f Abs. 2 Satz 2 UrhG gilt diese Regelung entsprechend für die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler (§ 73 UrhG).

137f Abs. 2 Satz 1 UrhG dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte und ist daher richtlinienkonform auszulegen und anzuwenden (BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 55 – Tarzan). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116/EG dahin auszulegen, dass die in der Richtlinie 2006/116/EG vorgesehenen Schutzfristen Anwendung finden, wenn das betreffende Werk als solches am 1. Juli 1995 in zumindest einem Mitgliedstaat nach dessen nationalen Bestimmungen über das Urheberrecht geschützt war und der Inhaber solcher Schutzrechte an diesem Werk, auch wenn er Drittstaatsangehöriger ist, zu diesem Zeitpunkt den in diesen nationalen Bestimmungen vorgesehenen Schutz genoss (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 – C-240/07, Slg. 2009, I-263 = GRUR 2009, 393 Rn. 26 bis 37 – Sony/Falcon; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 80/04, GRUR Int. 2010, 532 Rn. 23 bis 27 – Tonträger aus Drittstaaten II; BGH, GRUR 2014, 559 Rn. 57 – Tarzan).

Danach kommt es für die Anwendung des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/116/EG und damit auch des § 137f Abs. 2 Satz 1 und 2 UrhG weder darauf an, ob der Inhaber des Schutzrechts Staatsangehöriger eines Drittstaates ist (EuGH, GRUR 2009, 393 Rn. 35 – Sony/Falcon; BGH, GRUR Int. 2010, 532 Rn. 23 – Tonträger aus Drittstaaten II), noch darauf, ob der Schutzgegenstand in dem Mitgliedstaat, für den Schutz beansprucht wird, überhaupt jemals geschützt gewesen ist. Vielmehr kommen dem Urheber oder Inhaber eines verwandten Schutzrechts die nach § 137f Abs. 2 Satz 1 und 2 UrhG anzuwendenden Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes in der seit dem 1. Juli 1995 geltenden Fassung zugute, wenn der von ihm für einen bestimmten Schutzgegenstand beanspruchte (Urheber-)Rechtsschutz am 1. Juli 1995 zumindest in einem der Mitgliedstaaten bestanden hat (BGH, GRUR Int. 2010, 532 Rn. 24 – Tonträger aus Drittstaaten II; GRUR 2014, 559 Rn. 58 – Tarzan).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Darbietungen Marlene Dietrichs seien am 1. Juli 1995 im Vereinigten Königreich – was hier insoweit allein in Betracht kommt – nicht urheberrechtlich geschützt gewesen. Der Schutz der Darbietungen eines ausübenden Künstlers habe sich zum maßgeblichen Stichtag am 1. Juli 1995 nach Art. 182 des britischen Copyright, Designs and Patents Act 1988 (CDPA) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung bestimmt. Danach konnte das Recht eines ausübenden Künstlers nur durch eine Person verletzt werden, die diese Darbietung ohne seine Zustimmung aufzeichnete (Art. 182 Abs. 1 Buchst a CDPA), live sendete oder live in ein Kabelprogramm einstellte (Art. 182 Abs. 1 Buchst. b CDPA). Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nach diesen Bestimmungen des britischen Rechts aus einer Nutzung der mit Zustimmung von Marlene Dietrich aufgezeichneten Darbietungen kein Verbotsrecht herleiten können. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

7. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann für die Darbietung Marlene Dietrichs der nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gewährte Schutz gemäß § 125 Abs. 5 UrhG nach dem Inhalt des Rom-Abkommens in Anspruch genommen werden.

a) Gemäß Art. 4 Buchst. a des Rom-Abkommens gewährt jeder vertragschließende Staat den ausübenden Künstlern Inländerbehandlung, wenn die Darbietung in einem anderen vertragschließenden Staat stattfindet. Unter Inländerbehandlung ist nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens die Behandlung zu verstehen, die der vertragschließende Staat, in dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, den ausübenden Künstlern, die seine Staatsangehörigen sind, für die Darbietungen, die in seinem Gebiet stattfinden, gesendet oder erstmals festgelegt werden, gewährt.

b) Danach ist Marlene Dietrich für ihre im Jahr 1972 in London dargebotene künstlerische Leistung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich der Schutz zu gewähren, den deutsche Staatsangehörige für ihre in der Bundesrepublik Deutschland dargebotenen künstlerischen Leistungen genießen. Das Rom-Abkommen ist in der Bundesrepublik Deutschland am 21. Oktober 1966 und im Vereinigten Königreich am 18. Mai 1964 in Kraft getreten (vgl. BGBl. II 2015, Fundstellennachweis B, S. 595). Die künstlerische Darbietung wurde nach dem Inkrafttreten des Rom-Abkommens für diese Staaten im Jahr 1972 im Vereinigten Königreich erbracht. Es kommt nicht darauf an, dass Marlene Dietrich zu diesem Zeitpunkt US-amerikanische Staatsangehörige war. Für den Schutz des ausübenden Künstlers nach dem Rom-Abkommen ist dessen Staatsangehörigkeit ohne Bedeutung (vgl. BeckOK UrhG/Lauber-Rönsberg aaO § 125 UrhG Rn. 16; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 5. Aufl., § 125 Rn. 15; Kotthoff in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht, 3. Aufl., § 125 UrhG Rn. 16; v. Lewinski in Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 57 Rn. 47).

c) Nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens wird Inländerbehandlung nach Maßgabe des in diesem Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutzes und der darin ausdrücklich vorgesehenen Einschränkungen gewährt. Der in diesem Abkommen zugunsten der ausübenden Künstler vorgesehene Schutz muss nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens die Möglichkeit geben, die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietung ohne ihre Zustimmung zu untersagen, es sei denn, dass für die öffentliche Wiedergabe die Festlegung einer Darbietung verwendet wird. Gemäß Art. 19 des Rom-Abkommens ist Art. 7 des Rom-Abkommens unbeschadet aller anderen Bestimmungen dieses Abkommens nicht mehr anwendbar, sobald ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt hat, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird.

d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es der Klägerin nicht nach Art. 19 des Rom-Abkommens verwehrt, für die hier in Rede stehenden Darbietungen Marlene Dietrichs nach Art. 4 Buchst. a des Rom-Abkommens Inländerbehandlung zu beanspruchen.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne nach Art. 19 des Rom-Abkommens für die hier in Rede stehende Darbietung keine Inländerbehandlung beanspruchen. Marlene Dietrich habe der Aufnahme ihres Londoner Konzerts auf einem Bild- und Tonträger zugestimmt. Damit sei der durch das Rom-Abkommen vorgesehene Rechtsschutz ausgeschlossen.

bb) Mit dieser Begründung kann der Klägerin der beanspruchte Rechtsschutz nicht versagt werden. Hat ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird, ist nach Art. 19 des Rom-Abkommens zwar Art. 7 des Rom-Abkommens nicht mehr anwendbar, der den Umfang des ausübenden Künstlern in diesem Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutzes bestimmt. Alle anderen Bestimmungen des Abkommens und insbesondere Art. 4 des Rom-Abkommens, wonach ausübenden Künstlern – unter näher bezeichneten Voraussetzungen – Inländerbehandlung zu gewähren ist, bleiben dagegen anwendbar.

(1) Zur Auslegung von Art. 2 des Rom-Abkommens sind die in Art. 31 bis 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention – WVRK) vom 23. Mai 1969 niedergelegten Auslegungs-grundsätze heranzuziehen.

Das Rom-Abkommen steht aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 15. September 1965 (BGBl. II S. 1243) im Rang eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 GG). Bei seiner Auslegung sind die für völkerrechtliche Verträge geltenden Auslegungsgrundsätze zu beachten. Danach sind die Auslegungsregeln von Art. 31 bis 33 WVRK heranzuziehen. Die am 27. Januar 1980 in Kraft getretene Wiener Vertragsrechtskonvention ist auf das am 26. Oktober 1961 geschlossene Rom-Abkommen zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nach ihrem Art. 4 nur auf Verträge Anwendung findet, die von Staaten geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist. Für die Auslegung früher geschlossener Verträge kann dessen ungeachtet auf diese Auslegungsregeln zurückgegriffen werden, da diese bereits vor dem Inkrafttreten der Konvention inhaltsgleich bestehendes Völkergewohnheitsrecht kodifizieren (zur Genfer Flüchtlingskonvention vgl. BVerfG, NVwZ 2015, 361 Rn. 35 bis 37).

Gemäß Art. 31 Abs. 1 WVRK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereiten den Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses, können nach Art. 32 WVRK herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Art. 31 WVRK ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Art. 31 WVRK die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt oder zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt.

(2) Nach dem danach in erster Linie maßgeblichen Wortlaut von Art. 19 des Rom-Abkommens ist Art. 7 des Rom-Abkommens unbeschadet aller anderen Bestimmungen des Abkommens nicht mehr anwendbar, sobald ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt hat, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird. Das Wort „unbeschadet“ besagt eindeutig, dass unter den in Art. 19 des Rom-Abkommens genannten Voraussetzungen allein Art. 7 des Rom-Abkommens nicht mehr anwendbar ist und alle anderen Bestimmungen des Abkommens unberührt bleiben. Danach kann sich der ausübende Künstler bei Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 19 des Rom-Abkommens zwar nicht mehr auf die in Art. 7 des Rom-Abkommens vorgesehenen Mindestrechte, wohl aber weiterhin auf den in Art. 4 des Rom-Abkommens geregelten Grundsatz der Inländerbehandlung berufen.

(3) Nichts anderes ergibt sich aus Sinn und Zweck des Rom-Abkommens oder seines Art. 19. Das Rom-Abkommen dient, wie sich aus seiner Präambel ergibt, dem Schutz der Rechte der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen. Art. 19 des Rom-Abkommens regelt eine Ausnahme von dem nach dem Abkommen für ausübende Künstler ausdrücklich gewährleisteten Schutz. Die Ausnahmeregelung dient den Interessen der Filmwirtschaft an einer ungestörten Verwertung von Aufzeichnungen von Darbietungen, in deren Anfertigung der darstellende Künstler eingewilligt hat (vgl. v. Lewinski in Loewenheim aaO § 57 Rn. 50; Nordemann/Vinck/Hertin, Internationales Urheberrecht, 1977, Art. 19 RA Rn. 1; Ulmer, GRUR Int. 1961, 569, 591). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung vereitelt eine Auslegung von Art. 19 des Rom-Abkommens, wonach dem ausübenden Künstler, der diese Zustimmung erteilt hat, zwar der Schutz von Art. 7 des Rom-Abkommens nicht zusteht, er sich aber auf einen Inländerschutz nach Art. 4 des Rom-Abkommens berufen kann, nicht den Zweck dieser Vorschrift. Der Inländerschutz kann nicht nur über den im Rom-Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutz hinausgehen, sondern auch hinter diesem zurückbleiben. Im zuletzt genannten Fall führt der Ausschluss des nach dem Rom-Abkommen gewährleisteten Schutzes dazu, dass sich der ausübende Künstler gegenüber dem Filmhersteller nur auf den schwächeren Inländerschutz berufen kann. Die Bestimmung des Art. 19 des Rom-Abkommens läuft daher nicht leer, wenn sie dahin ausgelegt wird, dass der Inländerschutz unberührt bleibt.

(4) Da die Auslegung von Art. 19 des Rom-Abkommens nach ihrem Wortlaut sowie ihrem Regelungszusammenhang und Sinn und Zweck nicht zu Mehrdeutigkeiten oder Unklarheiten führt, kann nach den für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge geltenden Grundsätzen aus der Entstehungsgeschichte des Abkommens nichts Abweichendes hergeleitet werden. Davon abgesehen geht aus dem Bericht des Generalberichterstatters der Diplomatischen Konferenz über den internationalen Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, die zum Abschluss des Rom-Abkommens geführt hat, hervor, dass Art. 19 des Rom-Abkommens nicht das Recht des ausübenden Künstlers berührt, hinsichtlich von Festlegungen seiner Darbietungen die Inländerbehandlung in Anspruch zu nehmen (vgl. Kaminstein, UFITA (40) 1963, 99, 127).

e) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin könne sich nach dem Rom-Abkommen nicht auf ein Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen der aufgezeichneten Darbietung berufen, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die ausübenden Künstlern nach Art. 4 zu gewährende Inländerbehandlung ist gemäß Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens nicht auf die ausübenden Künstlern in Art. 7 des Rom-Abkommens ausdrücklich gewährleisteten Mindestrechte beschränkt.

aa) Nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens wird Inländerbehandlung nach Maßgabe des in diesem Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutzes und der darin ausdrücklich vorgesehenen Einschränkungen gewährt. Es ist umstritten, was es bedeutet, dass „Inländerbehandlung nach Maßgabe des in diesem Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutzes“ zu gewähren ist.

bb) Nach einer Auffassung besteht danach die Inländerbehandlung allein in der Gewährung der im Rom-Abkommen ausdrücklich geregelten Rechte, die über den von den vertragschließenden Staaten aufgrund ihrer nationalen Gesetzgebung gewährten Schutz hinausgehen, hinter diesem aber auch zurückbleiben können (v. Lewinski in Loewenheim aaO § 57 Rn. 49; dies. in International Copyright Law And Policy, 2008, Kap. 7 Rn. 7.34 bis 7.40; dies., GRUR Int. 1997, 667, 671; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 7. Aufl., § 27 Rn. 977; Reinbothe, GRUR Int. 1992, 707, 713).

Nach dieser Auffassung würde sich die nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung schon deshalb nicht auf das – hier in Rede stehende – öffentliche Zugänglichmachen der festgelegten Darbietungen eines ausübenden Künstlers erstrecken, weil der dem ausübenden Künstler in Art. 7 des Rom-Abkommens ausdrücklich gewährleistete Schutz nicht so weit reicht. Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens – aus dem sich ein solcher Schutz allein ergeben könnte – muss der in diesem Abkommen zugunsten des ausübenden Künstlers vorgesehene Schutz die Möglichkeit geben, die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietung ohne ihre Zustimmung zu untersagen, es sei denn, dass für die öffentliche Wiedergabe die Festlegung einer Darbietung verwendet wird.

Danach wäre im Streitfall schon deshalb nicht der von der Klägerin beanspruchte Schutz für die Darbietungen Marlene Dietrichs zu gewähren, weil für das öffentliche Zugänglichmachen auf der Plattform der Beklagten die Festlegung einer Darbietung verwendet wird. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens erfasst dagegen nur die öffentliche Wiedergabe von nicht festgelegten Darbietungen, also von Live-Darbietungen.

Darüber hinaus handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden öffentlichen Zugänglichmachen im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens. Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a des Rom-Abkommens ist nicht mit dem Begriff der öffentlichen Wiedergabe in § 15 Abs. 2 UrhG oder Art. 3 der Richtlinie 2001/29/EG gleichzusetzen, der das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung umfasst (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG). Die Vertragsstaaten des Rom-Abkommens haben unter dem Begriff der öffentlichen Wiedergabe vielmehr die öffentliche Übertragung von Darbietungen durch Lautsprecher oder Draht an einen anderen Ort als den der Veranstaltung verstanden (vgl. Nordemann/Vinck/Hertin aaO Art. 7 RA Rn. 8; Masouyé, Guide to the Rome Convention and the Phonograms Convention, WIPO Library 1981, Art. 7 Rn. 7.12; Ulmer, GRUR Int. 1961, 569, 581; Kaminstein, UFITA (40) 1963, 99, 113) und nicht das öffentliche Zugänglichmachen in einer Weise, dass die Darbietungen Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.

cc) Nach anderer Auffassung ist die nach dem Rom-Abkommen zu gewährende Inländerbehandlung nicht auf die im Rom-Abkommen ausdrücklich geregelten Rechte beschränkt. Vielmehr haben nach dieser Ansicht die vertragschließenden Staaten daneben die in ihrer nationalen Gesetzgebung vorgesehenen Rechte zu gewähren. Gehen die den ausübenden Künstlern in dem vertragschließenden Staat zustehenden Rechte über den in dem Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Mindestschutz hinaus, begründet die Inländerbehandlung danach einen weiterreichenden Rechtsschutz (v. Welser/Braun in Wandtke/Bullinger aaO § 125 Rn. 24; Nordemann-Schiffel in Fromm/Nordemann aaO Vor §§ 120 ff. UrhG Rn. 37; Vogel in Loewenheim aaO § 38 Rn. 7; Nordemann/Vinck/Hertin aaO Art. 2 RA Rn. 4; Nordemann/Vinck/Hertin/Meyer, International Copyright, 1990, Art. 2 RT Rn. 4; Masouyé aaO Art. 2 Rn. 2.4; Beining, Der Schutz ausübender Künstler im internationalen und supranationalen Recht, 2000, S. 74; Strauss, GRUR Int. 1982, 19, 23; Drexl, Entwicklungsmöglichkeiten des Urheberrechts im Rahmen des GATT, 1990, S. 221).

Nach dieser Auffassung könnte dem ausübenden Künstler das Recht zum öffentlichen Zugänglichmachen einer festgelegten Darbietung nach dem Grundsatz der Inländerbehandlung zustehen.

dd) Der zuletzt genannten Auffassung ist zuzustimmen. Die nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung ist nicht auf die in dem Abkommen niedergelegten Mindestrechte beschränkt.

(1) Eine Auslegung des Wortlauts von Art. 2 des Rom-Abkommens in seinen für die Auslegung maßgebenden Sprachfassungen kann die Frage nach dem Verhältnis des Grundsatzes der Inländerbehandlung zum Grundsatz der Mindestrechte nicht klar und eindeutig beantworten.

Ist ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden, so ist nach Art. 33 Abs. 1 WVRK der Text in jeder Sprache in gleicher Weise maßgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll. Für das Rom-Abkommen sind nach seinem Art. 33 Abs. 1 die Texte in englischer, französischer und spanischer Sprache in gleicher Weise maßgebend. Bei dem Text in deutscher Sprache handelt es sich nach Art. 33 Abs. 2 des Rom-Abkommens lediglich um einen offiziellen und nicht um einen authentischen Text.

Der dem offiziellen Text von Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens in deutscher Sprache (danach wird die Inländerbehandlung „nach Maßgabe“ des in diesem Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutzes gewährt) entsprechende authentische Text in englischer, französischer und spanischer Sprache (dort heißt es statt „nach Maßgabe“ „shall be subject to“, „compte tenu de“ und „sujeto a“) gibt keinen Aufschluss darüber, ob die nach dem Abkommen zu gewährende Inländerbehandlung auf den durch das Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutz begrenzt ist oder den durch das Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutz ergänzt.

(2) Der Zusammenhang von Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens mit Art. 19 und Art. 21 des Rom-Abkommens legt nahe, dass die nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung nicht auf den durch das Rom-Abkommen ausdrücklich gewährleisteten Schutz begrenzt ist, sondern zu diesem Schutz hinzutritt.

81 Der Umstand, dass nach Art. 19 des Rom-Abkommens allein der Rechtsschutz nach Art. 7 des Rom-Abkommens erlischt, sobald ein ausübender Künstler seine Zustimmung dazu erteilt hat, dass seine Darbietung einem Bildträger oder einem Bild- und Tonträger eingefügt wird, der Rechtsschutz nach Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 des Abkommens dagegen fortbesteht (vgl. Rn. 58 bis 66), deutet darauf hin, dass der Mindestrechtsschutz gemäß Art. 7 des Abkommens und der Rechtsschutz nach dem Grundsatz der Inländerbehandlung gemäß Art. 4 in Verbindung mit Art. 2 des Abkommens nicht deckungsgleich sind.

Nach Art. 21 des Rom-Abkommens lässt der in diesem Abkommen vorgesehene Schutz den Schutz unberührt, den die ausübenden Künstler, die Hersteller von Tonträgern und die Sendeunternehmen etwa aus anderen Rechtsgründen genießen. Diese Regelung kann als Klarstellung aufgefasst werden, dass keine Bestimmung des Abkommens als Obergrenze des durch die Vertragsstaaten einzuräumenden Rechtsschutzes verstanden werden darf (Nordemann/Vinck/Hertin aaO Art. 21 und 22 RA Rn. 1). Vorbild dieser Regelung ist Art. 19 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ) vom 9. September 1886, wonach die Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht daran hindern, die Anwendung von weitergehenden Bestimmungen zu beanspruchen, die durch die Gesetzgebung eines Verbandslandes etwa erlassen werden. Art. 19 RBÜ wird als Bestätigung einer nicht auf den Mindestschutz beschränkten Inländerbehandlung verstanden (Masouyé, Kommentar zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, 1981, Art. 19 Rn. 19.1 und 19.2).

(3) Es kann offenbleiben, ob sich bereits unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs von Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens mit Art. 19 und Art. 21 des Rom-Abkommens ein hinreichend klares Auslegungsergebnis ergibt. Nach Art. 32 Buchst. a WVRK können ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Art. 31 WVRK ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Art. 31 WVRK die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt. Danach können zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens die entsprechenden Regelungen der Berner Übereinkunft und des Welturheberrechtsabkommens (WUA) vom 6. September 1952, die dem Rom-Abkommen vom 26. Oktober 1961 zum Vorbild gedient haben, und der Bericht des Generalberichterstatters der Diplomatischen Konferenz über den internationalen Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, die zum Abschluss des Rom-Abkommens am 26. Oktober 1961 geführt hat, herangezogen werden. Daraus ergibt sich eindeutig, dass Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens dahin auszulegen ist, dass der Inländerschutz durch den Mindestschutz nicht begrenzt, sondern ergänzt wird.

Die Regelungen des Rom-Abkommens zur Inländerbehandlung und zum Mindestschutz gehen auf entsprechende Regelungen der Berner Übereinkunft und des Welturheberrechtsabkommens zurück (vgl. Ulmer, GRUR Int. 1961, 569, 576). Das Rom-Abkommen nimmt auf diese internationalen Vereinbarungen ausdrücklich Bezug (vgl. Art. 23, Art. 24 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 4 des Rom-Abkommens). Nach Art. 4 Abs. 1 RBÜ (ebenso Art. 5 Abs. 1 RBÜ in ihrer Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) genießen die Urheber für die Werke, für die sie durch diese Übereinkunft geschützt sind, in allen Verbandsländern mit Ausnahme des Ursprungslandes des Werkes die Rechte, die die einschlägigen Gesetze den inländischen Urhebern gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, sowie die in dieser Übereinkunft besonders gewährten Rechte. Nach Art. II WUA genießen die Werke der Angehörigen eines Vertragsstaats in jedem anderen Vertragsstaat den gleichen Schutz, den dieser andere Staat den Werken seiner Staatsangehörigen gewährt, sowie den durch dieses Abkommen besonders gewährten Schutz. Diese Abkommen sehen demnach – wie sich aus dem Wort „sowie“ ohne Zweifel ergibt – eine Kombination der Inländerbehandlung mit den durch das jeweilige Abkommen besonders gewährten Rechten vor. Dies spricht dafür, dass dem Rom-Abkommen gleichfalls ein Schutzsystem zugrunde liegt, das durch eine Kombination der Inländerbehandlung mit einem durch das Abkommen selbst gewährleisteten Mindestschutz gekennzeichnet ist.

Allerdings können im Hinblick darauf, dass die Berner Übereinkunft und das Welturheberrechtsabkommen dem Schutz der Urheber dienen, während das Rom-Abkommen dem Schutz von ausübenden Künstlern, Herstellern von Tonträgern und Sendeunternehmen bezweckt, Zweifel bestehen, ob das Rom-Abkommen für die Inhaber verwandter Schutzrechte einen Rechtsschutz vorsieht, der genauso weit reicht, wie der Rechtsschutz, den die beiden früheren Abkommen für die Urheber vorsehen. Diese Zweifel werden jedoch durch den Bericht des Generalberichterstatters der diplomatischen Konferenz ausgeräumt. Danach dient Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens lediglich zur Klarstellung, dass sich der Schutz, den die Staaten nach den Vorschriften des Abkommens zu gewähren haben, nicht immer genau mit der Inländerbehandlung deckt, da dieser Schutz weiter oder enger sein kann als die Inländerbehandlung. Ein Vor-schlag, dass ein Staat, der Rechte gewährt, die über die vom Abkommen geforderten Mindestrechte hinausgehen, nicht verpflichtet sein sollte, sie den An-gehörigen von Staaten zuzuerkennen, die solche Rechte den Angehörigen des anderen Staates nicht gewähren, wurde von der Konferenz nicht angenommen (Kaminstein, UFITA (40) 1963, 99, 105 f.; vgl. auch den Bericht des Delegationsführers der deutschen Delegation und Vizepräsidenten der diplomatischen Konferenz Ulmer, GRUR Int. 1961, 569, 576). Daraus ergibt sich eindeutig, dass Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens dahin auszulegen ist, dass der Inländerschutz durch den Mindestschutz nicht begrenzt, sondern ergänzt wird.

(4) Bei der Auslegung einer internationalen Übereinkunft zwischen Staaten ist allerdings nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. a und b WVRK außer dem Zusammenhang in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrag oder die Anwendung seiner Bestimmungen (Buchstabe a) und jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (Buchstabe b) in gleicher Weise zu berücksichtigen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung sind bei der Auslegung von Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens aber weder das TRIPS-Übereinkommen oder der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger noch Stellungnahmen von Vertragsstaaten bei den Verhandlungen über diese Übereinkommen zu berücksichtigen.

Dem steht bereits entgegen, dass es sich bei diesen – gegenüber dem Rom-Abkommen späteren – Übereinkünften nicht um Übereinkünfte über die Auslegung des Rom-Abkommens oder die Anwendung seiner Bestimmungen und bei den Verhandlungen über den Abschluss dieser Übereinkünfte nicht um Übungen bei der Anwendung des Rom-Abkommens handelt. Im Übrigen stimmen die Vertragsparteien des TRIPS-Übereinkommens oder des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger nicht vollständig mit den Vertragsparteien des Rom-Abkommens überein. So sind etwa die Vereinigten Staaten von Amerika zwar Vertragspartei des TRIPS-Übereinkommens und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger, nicht aber des Rom-Abkommens. Aus dem Umstand, dass die Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Inländerbehandlung von ausübenden Künstlern nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 TRIPS-Übereinkommen und Art. 4 Abs. 1 WPPT ausdrücklich auf die in diesen Übereinkommen vorgesehenen Rechte beschränkt ist, kann daher nicht auf eine entsprechende Beschränkung dieser Rechte durch Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens geschlossen werden. Für die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens ist es ferner unerheblich, ob Vertreter von Vertragsstaaten des TRIPS-Übereinkommens und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger bei den Verhandlungen über diese Abkommen angenommen haben, die in diesen Abkommen vorgesehene Beschränkung der Inländerbehandlung auf die in diesen Abkommen vorgesehenen Rechte entspreche dem Schutzsystem des Rom-Abkommens (vgl. hierzu v. Lewinski in International Copyright Law And Policy, 2008, Kap. 7 Rn. 7.38 und 7.39).

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es daher auch nicht darauf an, ob sich die Vertragsstaaten des TRIPS-Übereinkommens mit einer im Vergleich zu Art. 2 des Rom-Abkommens enger gefassten Inländerbehandlung in Widerspruch zu der von den Vertragsstaaten des Rom-Abkommens in dessen Art. 22 übernommenen Verpflichtung gesetzt haben. Nach Art. 22 des Rom-Abkommens behalten sich die vertragschließenden Staaten vor, untereinander besondere Vereinbarungen zu treffen, soweit diese den ausübenden Künstlern, den Herstellern von Tonträgern oder den Sendeunternehmen weitergehende Rechte verschaffen als diejenigen, die durch dieses Abkommen gewährt werden oder soweit sie andere Bestimmungen enthalten, die nicht im Widerspruch zu diesem Abkommen stehen. Davon abgesehen, steht es nicht im Widerspruch zum Rom-Abkommen, dass Vertragsstaaten des Rom-Abkommens den Inhabern verwandter Schutzrechte im TRIPS-Überein-kommen und im WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger weniger weitgehende Rechte verschaffen als diejenigen, die durch das Rom-Abkommen gewährt werden. Nach Art. 2 Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen und Art. 1 Abs. 1 WPPT bleiben die zwischen den Vertragsparteien bereits bestehenden Verpflichtungen aus dem Rom-Abkommen unberührt. Die durch das TRIPS-Übereinkommen und den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger gewährten Rechte schränken danach die durch das Rom-Abkommen gewährten Rechte nicht ein, sondern treten zu ihnen hinzu.

f) Unter der Inländerbehandlung ist nach Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens auch die Behandlung zu verstehen, die der vertragschließende Staat, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, auf Grund seiner nationalen Gesetzgebung nach Abschluss des Rom-Abkommens gewährt (vgl. Braun/v. Welser in Wandtke/Bullinger aaO § 125 Rn. 24). Die nach Art. 2 Abs. 2 des Rom-Abkommens zu gewährende Inländerbehandlung umfasst daher das zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rom-Abkommens gesetzlich noch nicht geregelte und unbekannte ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, seine Darbietung öffentlich zugänglich zu machen.

aa) Nach Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens ist für die Zwecke dieses Abkommens unter Inländerbehandlung die Behandlung zu verstehen, die der vertragschließende Staat, in dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, auf Grund seiner nationalen Gesetzgebung gewährt.

bb) Dem Wortlaut dieser Regelung ist keine Einschränkung des Grundsatzes der Inländerbehandlung zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich aus ihm nicht, dass die Inländerbehandlung auf die Rechte beschränkt ist, die der vertragschließende Staat, in dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens im Jahr 1961 auf Grund seiner nationalen Gesetzgebung gewährt. Der Wortlaut der Regelung legt vielmehr nahe, dass die Begünstigten in jeder Hinsicht wie Inländer zu behandeln sind und ihnen danach zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Inländerschutz beanspruchen können, dieselben Rechte zu gewähren sind, die zu diesem Zeitpunkt auch Inländern zustehen.

cc) Da sich auch unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs der Vorschrift und von Sinn und Zweck des Rom-Abkommens, die Rechte der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen zu schützen, keine eindeutige Antwort auf die Frage ergibt, ob die Inländerbehandlung auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens bekannten Verwertungsrechte beschränkt ist, ist zur Auslegung ergänzend die Entstehungsgeschichte der Vorschrift heranzuziehen. Die Regelungen des Rom-Abkommens zur Inländerbehandlung gehen auf entsprechende Regelungen der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst zurück. Nach Art. 4 Abs. 1 RBÜ in ihrer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rom-Abkommens geltenden Fassung (jetzt Art. 5 Abs. 1 RBÜ) genießen die Urheber für die Werke, für die sie durch diese Übereinkunft geschützt sind, in allen Verbandsländern mit Ausnahme des Ursprungslandes des Werkes die Rechte, die die einschlägigen Gesetze den inländischen Urhebern „gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden“, sowie die in dieser Übereinkunft besonders gewährten Rechte. Die Inländerbehandlung nach Art. 4 Abs. 1 RBÜ erfasst danach eindeutig die von vertragschließenden Staaten nach Abschluss der Übereinkunft aufgrund ihrer nationalen Gesetzgebung gewährten Rechte. Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens verzichtet zwar auf die Unterscheidung zwischen gegenwärtig gewährten Rechten und in Zukunft gewährten Rechten. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens die Inländerbehandlung auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens gewährten Rechte beschränkt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Inländerbehandlung nach Art. 2 Abs. 1 des Rom-Abkommens entsprechend dem Wortlaut dieser Bestimmung uneingeschränkt gilt und nach dem Vorbild von Art. 4 Abs. 1 RBÜ die nach Abschluss des Abkommens gewährten Rechte umfasst.

C. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht die Klage mit dem auf das Recht von Marlene Dietrich als ausübender Künstlerin gestützten Antrag, der Beklagten das öffentliche Zugänglichmachen von Videoclips mit Aufnahmen des von Marlene Dietrich im Jahr 1972 im New London Theatre gegebenen Konzerts zu verbieten, abgewiesen hat. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sie auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

I. Die Beklagte hat erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht, die Klägerin sei nicht berechtigt, eine Verletzung des ausschließlichen Rechts des ausübenden Künstlers aus § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geltend zu machen, weil dieses Recht nicht Marlene Dietrich, sondern dem Hersteller des auf der Grundlage der Aufzeichnungen des Konzerts erstellten Films „An Evening with Marlene Dietrich“ zustehe. Hat ein ausübender Künstler vor dem 30. Juni 1995 in die Benutzung seiner Darbietung zur Herstellung eines Filmwerkes eingewilligt, so gelten seine ausschließlichen Rechte nach § 137e Abs. 4 Satz 2 UrhG als auf den Filmhersteller übertragen. Das gilt auch für ausschließliche Rechte, die erst nach der Einwilligung oder der Herstellung des Films gesetzlich geregelt worden sind (vgl. Manegold/Czernik in Wandtke/Bullinger aaO § 92 UrhG Rn. 14; J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 92 Rn. 30). Die Bestimmung erfasst daher grundsätzlich auch das erst im Jahr 2003 im Urheberrechtsgesetz geregelte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 137e Abs. 4 Satz 2 UrhG erfüllt sind. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat Marlene Dietrich allerdings der Aufzeichnung ihrer Darbietungen auf einen Bild- und Tonträger und der Verwendung dieser Aufzeichnungen zur Herstellung eines Films, wie er von der Klägerin mit den Anlagen K 42 und K 57 vorgelegt worden ist, zugestimmt. Das Berufungsgericht hat aber keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob dieser Film als ein Filmwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG anzusehen ist oder nur Laufbilder im Sinne von § 95 UrhG enthält.

II. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Beklagte für eine Verletzung des ausschließlichen Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Darbietungen haftet. Eine Haftung der Beklagten als Täter, Teilnehmer oder Störer ist zwar grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hat zu dieser Frage – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – jedoch keine Feststellungen getroffen.

 

Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 08.08.2012 – 21 O 18481/07

OLG München, Entscheidung vom 23.01.2014 – 6 U 3515/12

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