Bei Markenverletzung kann auch selektiv vorgegangen werden
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 5. Zivilsenat
Urteil vom 08.05.2025
Az.: 5 U 98/24
Tenor
1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 05.09.2024, Az. 416 HKO 78/24, wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die die Nebenintervenientin zu tragen hat.
Gründe
I.
Die Antragstellerin macht markenrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die Antragsgegnerin wegen der Bewerbung und des Vertriebs eines Stuhls unter der Bezeichnung: „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“ geltend.
Die Antragstellerin verwaltet Marken, die von der E. … M. … -Verbund GmbH & Co. KG (im Folgenden EMV) bzw. deren angeschlossenen Möbelhäusern benutzt werden. Die EMV ist ein Einkaufs- und Marketing-Verbund für ihre Mitgliedsunternehmen. Die angeschlossenen Möbelhändler können von der EMV beim Einkauf, dem Vertrieb, dem Marketing und dem allgemeinen Service Unterstützung erhalten. So entwickelt die EMV für ihre Möbelhändler Produktlinien, was bedeutet, dass sie entsprechende Möbelprogramme zusammenstellt und diese dann mit einer Marke kennzeichnet.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke „CONTUR“ mit der Registernummer 30356200, angemeldet am 03.11.2003 und eingetragen am 13.01.2004 mit Schutz u.a. in Klasse 20 für Möbel. Die EMV entwickelte für die ihr angeschlossenen Möbelhäuser die Produktlinie „CONTUR“, deren Sortiment sich im Wesentlichen über Küchen, Möbel und Matratzen erstreckt. Die Möbel der Produktlinie „CONTUR“ wie etwa Kastenmöbel, Sitzmöbel und Tische werden in der Form mit der Marke gekennzeichnet, dass die Marke dort befestigt wird (vgl. Anlage Ast 6, S. 3):
[Abbildung]
Bei Polstermöbeln und Matratzen wird die Marke in der Regel angenäht (vgl. Anlage Ast 7):
[Abbildung]
Die Antragsgegnerin bietet an und vertreibt Möbel in stationären Geschäften und über ihre Internetseite www.lagerhaus.de. U.a. vertreibt die Antragsgegnerin Massivholzmöbel der Nebenintervenientin.
Im Frühjahr 2024 bot an und vertrieb die Antragsgegnerin einen Esszimmerstuhl unter der Kennzeichnung „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“ über ihre Internetseite wie folgt:
[Abbildung]
Herstellerin dieses Stuhls ist die Nebenintervenientin.
Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 28.05.2024 (Anlage Ast 10) unter Fristsetzung bis zum 11.06.2024 abmahnen. Die Antragsgegnerin reagierte mit Schreiben vom 10.06.2024 (Anlage Ast 11), wies die Abmahnung als unberechtigt zurück und gab lediglich eine Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafeversprechen ab.
Am 18.06.2024 stellte die Nebenintervenientin vor dem DPMA gegen die Verfügungsmarke einen Verfalls- und Löschungsantrag wegen Nichtbenutzung der Marke (Anlagenkonvolut NI 23). Über diesen ist noch nicht entschieden.
Am 17.06.2024 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht.
Mit Beschluss vom 19.06.2024 hat das Landgericht (Az. 312 O 223/24) der Antragsgegnerin unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Stühle unter der Kennzeichnung „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“ anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, sofern das in der nachfolgenden Form erfolgt: […]. Hiergegen haben sich die Widersprüche der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin gerichtet, die auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten ist.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, ihr stehe gegen die gegenständliche Verletzungsform ein Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 MarkenG zu.
Die EMV bzw. ihre Rechtsvorgängerin hätten die Marke „CONTUR“ bereits seit Mitte der 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts in den Markt eingeführt. Seitdem werde die Marke „CONTUR“ ständig beworben. Das Möbelprogramm „CONTUR“ sei ständig erweitert worden. Die EMV und ihre ihr angeschlossenen Möbelhäuser erwirtschafteten mit den mit der Marke „CONTUR“ gekennzeichneten Möbeln, Matratzen, Kissen und anderen Waren in den letzten fünf Jahren einen jährlichen Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe (2018 ca. 133 Mio., 2019 ca. 144 Mio., 2020 ca. 151 Mio., 2021 ca. 160 Mio., 2022 ca. 150 Mio.). Die Benutzung der Marke „CONTUR“ ergebe sich auch aus Bildern auf der Homepage der EMV unter www.emverbund.de. Die EMV lege jedes Jahr einen Prospekt auf, in dem die Möbel und Matratzen sowie anderen Gegenstände beworben würden (vgl. Anlage Ast 2: Auszug Prospekt 2019/2020, Anlage Ast 3: Auszug Prospekt 2020/2021, Anlage Ast 4: Auszug Prospekt 2021/2022, Anlage Ast 5: Auszug Prospekt 2023/2024). Die Antragstellerin hat auf eine mit dem Verfügungsantrag eingereichte, undatierte eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers U. R. verwiesen, wonach „die in dem Schriftsatz genannten Umsatzzahlen“ „zutreffend wiedergegeben“ seien.
Es bestehe Verwechslungsgefahr zwischen ihrer, der Antragstellerin, Verfügungsmarke „CONTUR“ und der angegriffenen Bezeichnung: „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“. Es seien „CONTUR“ und „Neva Contour“ zu vergleichen.
Zum Verfügungsgrund hat die Antragstellerin geltend gemacht, sie habe erst am 22.05.2024 von der gegenständlichen Verkaufsanzeige erfahren. Ihr sei nicht bereits im April 2024 bekannt gewesen, dass die Nebenintervenientin den Stuhl in Deutschland vertreibe. Der Verfügungsgrund sei auch nicht dadurch entfallen, dass ein Verfallsantrag hinsichtlich der in Rede stehende Marke gestellt worden sei. Es bestünden keine Erfolgsaussichten dieses Antrags.
Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt,
die Widersprüche gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 19.06.2024 (Az. 312 O 223/24) zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin haben in erster Instanz beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 19.06.2024 (Az. 312 O 223/24) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen,
hilfsweise die Anordnung oder Vollziehung der einstweiligen Verfügung gemäß Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 19.06.2024 (Az. 312 O 223/24) von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin haben geltend gemacht, es fehle bereits am Verfügungsgrund. Der Antragstellerin sei bereits seit Mitte April (so die Antragsgegnerin) bzw. seit dem 03.05.2024 (so die Nebenintervenientin) bekannt gewesen, dass die Nebenintervenientin die gegenständlichen Stühle unter der im Streit stehenden Bezeichnung nach Deutschland liefere. Das Vorgehen gegen die Nebenintervenientin wäre die effektivere Methode gewesen. Stattdessen sei die Antragstellerin selektiv gegen einzelne Händler vorgegangen. Der Verfallsantrag habe Erfolgsaussichten.
Es fehle auch am Verfügungsanspruch. Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin haben die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Antragstellerin könne eine rechtserhaltende Benutzung nicht belegen, insbesondere nicht für Stühle. Die vorgelegten Unterlagen genügten zum Nachweis der Benutzung der Verfügungsmarke nicht.
In der angegriffenen Verletzungsform fehle es an einer markenmäßigen Benutzung. Es handele sich um eine Modellbezeichnung und nicht etwa um eine Zweitmarke. Zudem bestehe keine Verwechslungsgefahr.
Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 05.09.2024 die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 19.06.2024 (Az. 312 O 223/24) „aufrechterhalten“, somit bestätigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der diese und die Nebenintervenientin eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung und eine Zurückweisung des ihr zugrunde liegenden Antrags begehren. Hilfsweise erstreben die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin eine Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und eine Zurückverweisung an das Landgericht.
Antragsgegnerin und Nebenintervenientin meinen, das Landgericht habe zu Unrecht einen Verfügungsgrund angenommen. Hierzu nehmen sie Bezug auf ihren in erster Instanz gehaltenen Vortrag. Mit der E-Mail des ersten Abnehmers vom 03.05.2024 habe die Antragstellerin Kenntnis von der Nebenintervenientin als Herstellerin und Lieferantin des betreffenden Stuhls erlangt. Spätestens nach dem 14.05.2024 hätte die Antragstellerin zur effektiven Durchsetzung ihrer Rechte gegen die Nebenintervenientin vorgehen müssen, um sich nicht dringlichkeitsschädlich zu verhalten. Antragsgegnerin und Nebenintervenientin tragen weiter vor, die fragliche (deutschsprachige) Webseite der Nebenintervenientin (www.a. ….ba, vgl. Anlage BNi 04) sei vom 24.02.2024 bis jedenfalls Juli 2024 abrufbar gewesen. Die Antragstellerin habe die Augen verschlossen. Wäre sie den Hinweisen der Abnehmer gefolgt, wäre sie auf das Angebot des Stuhls „Neva Contour“ auf dem deutschen Markt gestoßen. Zum Zeitpunkt der hiesigen Antragseinreichung am 17.06.2024 sei bereits von einem dringlichkeitsschädlichen Verhalten der Antragstellerin auszugehen, weil sich die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt nicht parallel an die Nebenintervenientin gewandt habe.
Die Antragstellerin sei selektiv und planmäßig gegen verschiedene Händler vorgegangen und getragen von dem Interesse, möglichst einfach Ansprüche auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten zu generieren.
Es bestünden zudem Anhaltspunkte, dass der Verfallsantrag gegen die Verfügungsmarke vor dem DPMA (im Anlagenkonvolut NI 23) erfolgreich sein werde. Die Antragsgegnerin bzw. die Nebenintervenientin verweisen auf eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung des EUIPO vom 18.06.2024 (Anlage NI 20), dort habe die Antragstellerin keine ausreichenden Benutzungsnachweise vorgelegt. Dies hätte das Landgericht berücksichtigen müssen.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestehe auch kein Verfügungsanspruch.
Es lägen unzureichende Benutzungsnachweise betreffend die rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke vor. Die als unbenannte Anlage Ast vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Herrn U. R. sei unzureichend und enthalte Angaben ins Blaue hinein. Das genaue Datum der Erstellung ergebe sich nicht. Die Antragstellerin habe zwischen Mai und Juli 2024 verschiedene Verfügungsverfahren begonnen und in diesen Parallelverfahren jeweils eine im Wesentlichen wortgleiche eidesstattliche Versicherung vorgelegt. Die Anlagen Ast 2 bis Ast 5 zeigten Produktkataloge aus den Jahren 2019 bis 2024 und unterschiedlichste Produkte, darunter auch Bettwaren. Das Landgericht habe nicht differenziert danach, ob auch die rechtserhaltende Benutzung für Stühle nachgewiesen sei. Zu den behaupteten Umsatzzahlen ergebe sich nicht, welche Marke welchen Umsatz für welche bestimmten Waren und in welchem Territorium erwirtschaftet habe. Es sei keine einzige Rechnung vorgelegt worden. In welchem Umfang die vorgelegten Produktkataloge gedruckt und wo diese verteilt worden seien und ob dies in Deutschland erfolgt sei, sei nicht glaubhaft gemacht worden.
Es liege bei der angegriffenen Verletzungsform keine markenmäßige Benutzung vor. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht angenommen, „Neva Contour“ sei kein zusammengesetztes Zeichen. Andere Stühle der Nebenintervenientin hießen „Neva High“, „Neva Easy“ oder „Neva Light“. Auch „Contour“ sei in diesem Zusammenhang beschreibend für Möbel. „Contour“ reihe sich ein, so dass der Verkehr nicht annehmen werde, dass es sich dabei um eine Zweitmarke handele. Es handele sich lediglich um eine Modellbezeichnung.
Die Verfügungsmarke sei zudem kennzeichnungsschwach. Hierzu verweisen die Antragsgegnerin bzw. die Nebenintervenientin auf die Verwendung der Begriffe „Kontur“ oder „Contour“ für Stühle bzw. Möbel in Deutschland sowie auf Entscheidungen des DPMA und des BPatG, die insoweit von rein beschreibenden Angaben ausgegangen seien.
Es liege keine Verwechslungsgefahr vor. Es sei allenfalls eine Benutzung für Bettwaren glaubhaft gemacht worden, sodass keine Warenidentität anzunehmen sei. Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit hätte sich das Landgericht nicht „Contour“ „herauspicken“ dürfen. Auch „Neva“ sei kennzeichnungskräftig und hätte berücksichtigt werden müssen. „Contour“ habe auch keine selbständig kennzeichnende Stellung. „Contour“ sei kennzeichnungsschwach. Aus kennzeichnungsschwachen Elementen könne kein Schutz hergeleitet werden.
Die Antragsgegnerin und die Nebenintervenientin beantragen:
1. Unter Abänderung des Urteils des Landgericht Hamburg vom 05.09.2024 (Az.: 416 HKO 78/24) wird die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburgs vom 19.06.2024 (Az.: 312 O 223/24) aufgehoben und der ihr zugrundeliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.06.2024 zurückgewiesen.
2. hilfsweise: Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 05.09.2024 (Az.: 416 HKO 78/24), wird aufgehoben, soweit die Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin verurteilt wurde, und der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Zu Recht habe das Landgericht die Dringlichkeit angenommen. Sie, die Antragstellerin, habe von der gegenständlichen Verletzungsform erstmals am 22.05.2024 Kenntnis erlangt (vgl. Screenshot Anlage Ast 8 und eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers U. R.). Im Hinblick auf die E-Mail des Herrn K. vom 03.05.2024 (Anlage NI 26) macht die Antragstellerin geltend, sie habe danach nicht davon ausgehen müssen, dass und wie eine Lieferung von Stühlen durch die Nebenintervenientin nach Deutschland bereits erfolgt sei. Ein Händler der Nebenintervenientin habe ihrem, der Antragstellerin, Prozessbevollmächtigten erklärt, dass die Nebenintervenientin die Stühle nur gegen Vorkasse liefere. Da der Begehungsort nicht habe in Erfahrung gebracht werden können, habe sie, die Antragstellerin, davon Abstand genommen, bereits im April 2024 gegen die Nebenintervenientin vorzugehen. Sie habe die E-Mail vom 03.05.2024 (Anlage NI 26) zum Anlass genommen, erneut im Internet zu überprüfen, ob sich dort ein Angebot der Nebenintervenientin oder eines Dritten befinde. Ein Verstoß habe an diesem Tag nicht festgestellt werden können. Am 14.05.2024 sei eine erneute Überwachung der Marke „CONTUR“ erfolgt. Dabei seien die Verstöße der Firmen Amtenbrink und Wit festgestellt worden. Weitere Verstöße durch andere Händler oder die Antragsgegnerin seien nicht festgestellt worden. Am 22.05.2024 habe sie, die Antragstellerin, die Angebote der Antragsgegnerin und der Fa. Vinciguerra srls. festgestellt. Erst am 17.06.2024 habe sie eine Verletzung durch die Nebenintervenientin selbst festgestellt. Sie, die Antragstellerin, habe eine Marktbeobachtung vorgenommen, um einen Verletzungsort der Nebenintervenientin in Deutschland zu ermitteln.
Sie, die Antragstellerin, handele auch nicht rechtsmissbräuchlich. Ein selektives Vorgehen liege nicht vor. Sie sei gegen alle Händler in Deutschland vorgegangen, deren Verletzung sie habe feststellen können. Gegen die Nebenintervenientin habe sie eine einstweilige Verfügung vom 19.07.2024 (Landgericht Hamburg, Az. 406 HKO 119/24) erwirkt, deren diplomatische Zustellung bislang nicht erfolgt sei. Die Nebenintervenientin habe die Abmahnung auch nicht zum Anlass genommen, Kontakt mit ihr, der Antragstellerin, aufzunehmen oder die Markenrechtsverletzung selbst oder durch ihre Händler einzustellen.
Das vorliegende Verfahren sei auch nicht auszusetzen. Selbst wenn der Verfallsantrag erfolgversprechend wäre, käme eine Aussetzung des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens gem. § 148 ZPO nicht in Betracht. Soweit im Falle hoher Erfolgsaussichten des Löschungsverfahrens ein Entfallen der Dringlichkeitsvermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG in Betracht komme, so fehle es vorliegend an substantiiertem Vortrag der Nebenintervenientin zu den Erfolgsaussichten des Verfallsantrags.
Es bestehe auch ein Verfügungsanspruch.
Es liege eine rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke „CONTUR“ vor. Die genannten Umsätze bezögen sich auf sämtliche mit „CONTUR“ gekennzeichneten Produkte. Im Bereich Matratzen, Kissen und Teppiche sei ein geringer jährlicher Umsatz erzielt worden. Die im vorliegenden Verfahren erstellte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers Rebenschütz sei für dieses Verfahren erstellt worden. Sofern die Benutzung der Marke für „Stühle“ in Abrede gestellt werde, ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass die Marke für Möbel und auch – da Stühle auch Möbel seien – für Stühle benutzt worden sei. Es sei abwegig, dass die vorgelegten Produktkataloge nicht verteilt worden seien. Die Prospekte seien auch online gestellt worden.
Es liege auch eine markenmäßige Benutzung auf Seiten der Antragsgegnerin vor. Die Kennzeichnung „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“ sei markenmäßig verwendet worden. Es reiche die Möglichkeit aus, dass der Verbraucher das Zeichen als Herkunftsangabe auffassen könnte. Bei der verbleibenden Wortkombination „Neva Contour“ werde der Durchschnittverbraucher „Neva“ und „Contour“ als selbständige Kennzeichnungen wahrnehmen und damit die Kennzeichnung „Contour“ als Herkunftshinweis neben dem Zeichen „Neva“ betrachten. „Contour“ werde nicht als beschreibende Angabe verstanden. Die von der Nebenintervenientin aufgezählten Kennzeichnungen wie z.B. „high“, „easy“ oder „light“ seien auf dem Screenshot Anlage Ast 8 nicht genannt.
Es bestehe Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG. Die Verfügungsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Es bestehe eine hochgradige Zeichenähnlichkeit. Zudem liege Warenidentität vor. Selbst bei einem Vergleich von „CONTUR“ mit „Neva Contour“ liege Verwechslungsgefahr vor, da „Contour“ im Gesamtzeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung habe.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Denn der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – zulässig und begründet.
a. Es liegt ein zulässiger Verfügungsantrag vor.
aa. Streitgegenstand des Unterlassungsbegehrens des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens ist das Verbot:
– im geschäftlichen Verkehr in Deutschland
– Stühle unter der Kennzeichnung „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“
– anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen, sofern das in der nachfolgenden Form erfolgt: […]
bb. Durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform ist der Verfügungsantrag (und auch der Beschluss-Tenor) hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH GRUR 2018, 1161 Rn. 16 – Hohlfasermembranspinnanlage II). Hierüber streiten die Parteien zu Recht auch nicht.
cc. Mit dem Landgericht ist auch ein Verfügungsgrund zu bejahen. Die Dringlichkeitsvermutung gem. § 140 Abs. 3 MarkenG ist im Streitfall nicht widerlegt. Auch aus dem Gesichtspunkt des anhängigen Löschungs- und Verfallsverfahrens gegen die Verfügungsmarke ergibt sich – wie vom Landgericht zu Recht angenommen – kein Fehlen der Dringlichkeit. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg.
aaa. Die Antragstellerin hat sich vorliegend nicht dringlichkeitsschädlich verhalten.
Die konkrete Verletzungsform, wie sie im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren angegriffen wird, ist der Antragstellerin unwidersprochen erst am 22.05.2024 bekannt geworden. Der Screenshot Anlage Ast 8 weist dieses Datum aus. Die Antragstellerin hat eine erstmalige Kenntnis am 22.05.2024 behauptet und mit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers U. R. auch glaubhaft gemacht. Auch im Berufungsverfahren behauptet die Antragsgegnerin (bzw. die Nebenintervenientin, was sich die Antragsgegnerin zu eigen gemacht hat) keine frühere Kenntnis der Antragstellerin von der hier angegriffenen Verkaufsanzeige. Der Verfügungsantrag wurde am 17.06.2024 eingereicht.
Der Einwand der Berufung, die Antragstellerin habe sich dringlichkeitsschädlich verhalten, weil sie nicht (schnell genug) gegen die Nebenintervenientin als Herstellerin der betreffenden Stühle vorgegangen sei, bleibt ohne Erfolg. Die Dringlichkeit ist im Verhältnis der Parteien zueinander zu beurteilen; die Kenntnis von gleichartigen Verletzungshandlungen eines Dritten ist grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich (Jaworski in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., Vor §§ 14-19d Rn. 259 m.w.N.). Die Dringlichkeit ist im Ausgangspunkt nicht durch die Untätigkeit des Antragstellers berührt, der gegen gleichartige Verstöße Dritter nicht vorgegangen ist. Denn die Entscheidung, ob und gegen welchen Verletzer er vorgeht, liegt allein in der Hand des Antragstellers (OLG Hamburg PharmR 2013, 418, 419; Köhler/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 12 Rn. 2.19). Dies gilt auch für den Fall, dass der Antragsteller nur gegen den Vertreiber eines Produkts vorgeht, nicht aber gegen dessen Hersteller (Köhler/Feddersen in Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl., § 12 Rn. 2.19).
Im vorliegenden Streitfall kommt hinzu, dass die Antragstellerin gegen die Nebenintervenientin als Herstellerin der Stühle eine einstweilige Verfügung vom 19.07.2024 erwirkt hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Antragsteller bei seiner Rechtsverfolgung kein Prozessrisiko eingehen muss. Es kann von ihm nicht verlangt werden, überhastet und ohne ordnungsgemäße Prüfung einen Verfügungsantrag zu stellen. Er muss das Gericht deshalb erst anrufen, wenn er erstens verlässliche Kenntnis all derjenigen Tatsachen hat, die eine Rechtsverfolgung im einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgversprechend machen, und wenn er zweitens die betreffenden Tatsachen in einer solchen Weise glaubhaft machen kann, dass sein Obsiegen sicher absehbar ist (Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 940 ZPO Rn. 86). Dass die Antragstellerin vorliegend bereits nach der E-Mail vom 03.05.2024 (Anlage NI 26) mit Erfolg einen Verfügungsantrag gegenüber der Nebenintervenientin mit Sitz in Bosnien-Herzogowina hätte stellen können, davon ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nicht überwiegend wahrscheinlich auszugehen. Die Antragstellerin macht insoweit geltend, eine Lieferung der betreffenden Stühle nach Deutschland habe zunächst nicht festgestellt werden können. Das Angebot der Nebenintervenientin selbst habe die Antragstellerin erst am 17.06.2024 festgestellt. Ein erforderliches bewusstes Sich-Verschließen von der Kenntnis vor dem 17.06.2024 betreffend die Inanspruchnahme der Nebenintervenientin als Herstellerin kann im Streitfall nicht festgestellt werden. Es besteht insoweit keine allgemeine Marktbeobachtungobliegenheit oder Obliegenheit zu ständiger Markenüberwachung (Jaworski in Ingerl/Rohnke/Nordemann, MarkenG, 4. Aufl., Vor §§ 14-19d Rn. 258 m.w.N.).
bbb. Auch im Hinblick auf das anhängige Löschungsverfahren betreffend die deutsche Verfügungsmarke ist ein Verfügungsgrund gegeben. Zwar kann ein Verfügungsgrund zu verneinen sein, wenn ein gleichzeitig anhängiger Löschungsantrag nach der Einschätzung des Verletzungsgerichts hohe Erfolgsaussicht hat (Senat GRUR-RS 2020, 33485 Rn. 78 – smartBASE/smartbase m.w.N.). Erforderlich ist nach der Auffassung des Senats jedoch, dass als so gut wie feststehend angenommen werden kann, dass die Marke zu löschen ist. Derartiges ist hier nicht der Fall. Das durch die Antragsgegnerin betriebene Löschungsverfahren wird nach dem im vorliegenden Verfahren gehaltenen und glaubhaft gemachten Vortrag nicht erfolgreich sein.
b. Der vorliegende Verfügungsantrag ist – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – auch begründet. Es besteht – überwiegend wahrscheinlich – der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 MarkenG aus dem Gesichtspunkt einer Verwechslungsgefahr.
aa. Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und wenn für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
bb. Die Verfügungsmarke, die DE-Wortmarke Nr. 30356200 „CONTUR“, steht in Kraft und die Antragstellerin ist aktivlegitimiert.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der DE-Wortmarke Nr. 30356200 „CONTUR“, angemeldet am 03.11.2003 und eingetragen am 13.01.2004, mit Schutz u.a. in Klasse 20 für Möbel. Die insoweit von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Nichtbenutzung bleibt – auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens – ohne Erfolg.
aaa. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 MarkenG muss der Kläger im Verletzungsverfahren auf Einrede des Beklagten nachweisen, dass die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor Erhebung der Klage für die Waren oder Dienstleistungen, auf die er sich zur Begründung seines Anspruchs beruft, gem. § 26 MarkenG benutzt worden ist oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zum Zeitpunkt der Klageerhebung seit mindestens fünf Jahren kein Widerspruch mehr gegen die Marke möglich war. Eine rechtserhaltende Benutzung i.S.v. § 26 Abs. 1 MarkenG setzt voraus, dass die Marke von ihrem Inhaber für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden ist. Nach § 26 Abs. 2 MarkenG gilt die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Inhabers als Benutzung durch den Inhaber.
bbb. Als maßgeblicher Benutzungszeitraum gilt vorliegend beim Abstellen auf die Einreichung des Verfügungsantrags der Zeitraum 17.06.2019 bis 16.06.2024 (vgl. zur Maßgeblichkeit der Einreichung des Verfügungsantrags: OLG Frankfurt GRUR-RR 2020, 311 Rn. 28 – Tom Trend).
ccc. Im Grundsatz kommt eine Drittbenutzung mit Zustimmung der Antragstellerin als Markeninhaberin durch die EMV i.S.v. § 26 Abs. 2 MarkenG in Betracht. Die EMV als Lizenznehmerin der Antragstellerin entwickelte für die ihr angeschlossenen Möbelhäuser die Produktlinie „CONTUR“, unter der Küchen, Möbel und Matratzen angeboten werden, wie sich aus den vorgelegten Produktkatalogen Anlagen Ast 2 bis Ast 5 ergibt.
(1) Das Landgericht hat zu Recht eine rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke für Möbel als glaubhaft gemacht angesehen.
(2) Das Landgericht ist von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Eine Benutzung der für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke wirkt nur rechtserhaltend, wenn die Verwendung der Hauptfunktion der Marke entspricht, dem Verkehr die Ursprungsidentität der Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Hierzu ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Marke in üblicher und wirtschaftlich sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist. Der angesprochene Verkehr muss die Benutzung des Kennzeichens zumindest auch als Unterscheidungszeichen für die Ware oder Dienstleistung ansehen. Das ist dann der Fall, wenn das Zeichen als Herkunftshinweis für das beworbene Produkt verstanden wird (BGH GRUR 2024, 1033 Rn. 28 – VW Bulli). Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (BGH GRUR 2024, 1033 Rn. 32 – VW Bulli). Im Hinblick auf eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung geht es um die Verwendung der Marke in einer Weise, die im betreffenden Wirtschaftszweig als geeignet angesehen wird, um im Inland Marktanteile für die einschlägigen Waren oder Dienstleistungen gegenüber Waren / Dienstleistungen anderer Unternehmen zu gewinnen oder zu behalten (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 26 Rn. 11). Es ist eine Abgrenzung zur Scheinbenutzung vorzunehmen (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 26 Rn. 11).
Bei der Verwendung einer Marke in Katalogen kann von einer rechtserhaltenden Benutzung nur ausgegangen werden, soweit in dem Katalog eine Anbringung der fraglichen Marke auf der jeweiligen Ware ersichtlich ist und somit eine funktionsgemäße Verbindung zwischen der Marke und einer bestimmten Ware hergestellt wird (Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 26 Rn. 57). Auch die Verwendung einer Marke auf Internetseiten kann eine rechtserhaltende Benutzung darstellen (Fezer/Hackbarth in Fezer, MarkenR, 5. Aufl., § 26 Rn. 115). Bei einer Internetwerbung muss ein hinreichend deutlicher produktidentifizierender Bezug zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen im Inland gegeben sein (Fezer/Hackbarth in Fezer, MarkenR, 5. Aufl., § 26 Rn. 168).
Wenn der Vortrag des Klägers zu Art und Umfang der Benutzung unstreitig bleibt, ist er nicht beweisbedürftig (Fezer/Hackbarth in Fezer, MarkenR, 5. Aufl., § 25 Rn. 19) bzw. – im einstweiligen Verfügungsverfahren – bedarf es keiner Glaubhaftmachung (vgl. Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 920 Rn. 14).
Im Hinblick auf die Beanspruchung eines Oberbegriffs im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Markenverletzungsverfahren davon auszugehen, dass die ältere Marke so zu behandeln ist, als sei sie nur für die konkreten Waren / Dienstleistungen eingetragen, für die eine Benutzung tatsächlich erfolgt ist (BGH GRUR 2020, 870 Rn. 34 – INJEKT/INJEX). Das bedeutet aber nicht, dass der Schutz der Marke lediglich auf das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften beschränkt sei. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auf gleichartige Waren. Ob Waren gleichartig sind, ist aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen (BGH GRUR 2020, 870 Rn. 36 – INJEKT/INJEX).
(3) Im Streitfall ist nach Ansicht des Senats die rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke, der Wortmarke „CONTUR“, für Möbel (Schränke, Betten, Küchenmöbel, Tische und Stühle) glaubhaft gemacht i.S.v. § 920 Abs. 2 ZPO.
Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht die Überzeugung gewinnt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Wahrheit der behaupteten Tatsache spricht. Nach Würdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Falles muss mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung sprechen als dagegen (Voß in Cepl/Voß, Prozesskommentar, 3. Aufl., § 920 Rn. 21). So liegt der Fall hier betreffend die Benutzung des Zeichens „CONTUR“ für Möbel.
In der mit der Antragsschrift vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin und der EMV, U. R., hat dieser erklärt, dass er auch für die Möbellinie „CONTUR“ zuständig sei. Die Antragstellerin habe mit der EMV einen Markenlizenzvertrag abgeschlossen, auf dessen Grundlage die EMV die Marke „CONTUR“ nutzen dürfe. Die EMV bzw. ihre Rechtsvorgängerin vertrieben seit Mitte der 70iger Jahre des letzten Jahrhunderts Möbel unter der Marke „CONTUR“. Mit den Jahren sei das Möbelprogramm von der EMV ständig erweitert worden. Neben Küchen und Wohnmöbeln zählten auch Matratzen, Kissen und Teppiche zu dem Angebot, das unter der Marke „CONTUR“ angeboten und vertrieben werde. Die EMV erziele mit den unter der Marke „CONTUR“ vertriebenen Möbeln, Küchen und Matratzen einen jährlichen Umsatz im zweistelligen Millionenbereich. Wenn man berücksichtige, dass die der EMV angeschlossenen Möbelhändler die Möbel mit einem entsprechenden Aufpreis verkauften, belaufe sich der unter der Marke „CONTUR“ erzielte Umsatz in einem dreistelligen Millionenbereich. Die im Schriftsatz genannten Umsatzzahlen seien zutreffend wiedergegeben.
Die Antragstellerin hat sich weiter auf vorgelegte Produktkataloge (Anlagen Ast 2 bis Ast 7) bezogen, aus denen sich eine Anbringung des Zeichens „CONTUR“ u.a. auf Schränken, Matratzen und Betten ergibt. Eine solche Anbringung ist auch nicht erheblich bestritten worden. Aus den in Bezug genommenen Produktkatalogen ergibt sich weiter die Bewerbung des Angebotes von Tischen und Stühlen, z.B. S. 16 des Katalogs Anlage Ast 2:
[Abbildung]
Soweit in der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht worden ist, dass die „Möbel, Küchen, Matratzen“ mit der Marke „CONTUR“ gekennzeichnet seien, indem die Marke etwa an die Matratzen angenäht bzw. an den Möbeln und Küchen befestigt werde, so deckt sich dies mit den Produktabbildungen in den vorgelegten Katalogen. Glaubhaft gemacht ist auch eine Benutzung der Verfügungsmarke in der vorgenannten Katalog-Beschreibung mit dem ®-Symbol.
Die gegen eine rechtserhaltende Benutzung der Verfügungsmarke vorgebrachten Einwendungen der Antragsgegnerin bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Es sprechen die vorliegenden Einzelfallumstände mehr für das Vorliegen einer rechtserhaltenden Benutzung der nationalen Wortmarke „CONTUR“ für Möbel als dagegen. Dies ist im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren ausreichend. Der Senat vermag dem Berufungseinwand nicht zu folgen, dass die vorgelegte (undatierte) eidesstattliche Versicherung des Herrn U. R. untauglich sei. Dass sie Angaben ins Blaue hinein enthalte, ist im Hinblick auf die mitgeteilte Größenordnung der jährlichen Gesamtumsatzzahlen nicht anzunehmen. Der Einwand, die Antragstellerin habe in den zwischen Mai 2024 und Juli 2024 begonnenen einstweiligen Verfügungsverfahren eine im Wesentlichen wortgleiche eidesstattliche Versicherung vorgelegt, vermag den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung ebenfalls nicht in Zweifel zu ziehen. In der eidesstattlichen Versicherung geht es insbesondere um die Nutzung des Zeichens „CONTUR“ für bestimmte Waren (Möbel, Küchen und Matratzen) und die damit erzielten jährlichen Gesamtumsätze. Die Verwendung einer im Inhalt ähnlichen eidesstattlichen Versicherung in parallelen Verletzungsverfahren spricht daher nicht gegen die Glaubhaftigkeit der darin gemachten Angaben. Zwar differenziert die eidesstattliche Versicherung nicht zwischen den verschiedenen „CONTUR“-Marken der Antragstellerin. Jedoch ist dort von der Marke „CONTUR“ die Rede, die mit den Matratzen, Möbeln und Küchen verbunden sei („angenäht“ bzw. „befestigt“). Wie sich aus den vorgenannten und dargetanen Produktabbildungen ergibt, ist das Zeichen „contur®“ an den Produkten angebracht. Diese Nutzung wirkt rechtserhaltend für die Verfügungsmarke, die nationale Wortmarke „CONTUR“. Der Unterschied in der Groß- und Kleinschreibung führt insoweit nicht aus dem Identitätsbereich heraus und verändert den kennzeichnenden Charakter daher nicht. Soweit die Antragsgegnerin rügt, die eidesstattliche Versicherung differenziere nicht zwischen den einzelnen Waren (Möbel, Küchen, Matratzen), so ist dies zutreffend. Indes lässt sich dennoch eine Benutzung der Verfügungsmarke für Möbel in einem Umfang, der über eine Scheinbenutzung hinausgeht, überwiegend wahrscheinlich feststellen. Die Größenordnung der jährlichen Gesamtumsatzzahlen mit „Möbeln, Küchen und Matratzen“ ist nicht spezifiziert bestritten und mit der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Für „Matratzen, Kissen und Teppiche“ hat die Antragstellerin für den Zeitraum der letzten fünf Jahre einen durchschnittlichen Jahres-Gesamtumsatz von 2,5 Mio. Euro dargetan (S. 7 des Schriftsatzes vom 28.11.2024). Die Differenz zu den mitgeteilten Gesamtumsatzzahlen (zweistelliger Millionenbereich pro Jahr) mache der Umsatz mit Möbeln aus. Dem mitgeteilten Anteil für „Matratzen, Kissen und Teppiche“ ist die Antragsgegnerin nicht spezifiziert entgegengetreten. Im Bereich von Möbeln und Küchen ist daher von einem durchschnittlichen Jahres-Gesamtumsatz von jedenfalls ca. 7,5 Mio. Euro auszugehen. Zwar ist spezifiziert für „Stühle“ kein Jahres-Gesamtumsatz dargetan. Jedoch lässt sich für den Oberbegriff der Möbel (Schränke, Betten, Küchenmöbel, Tische und Stühle) eine rechtserhaltende Benutzung im Streitfall überwiegend wahrscheinlich feststellen. Bei glaubhaft gemachten Umsatzzahlen in der vorgenannten Größenordnung liegt auch keine Scheinbenutzung vor. Dass keine Rechnung vorgelegt worden ist, wirkt sich im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren, bei dem der Maßstab der Glaubhaftmachung gilt, nicht aus. Es ist auch davon auszugehen, dass in ausreichendem Maße eine Benutzung in Deutschland vorliegt. Die Produktkataloge sind in deutscher Sprache verfasst. Es ist eine Benutzung auf der deutschen Internetseite www.emverbund.de unwidersprochen vorgetragen. Aus dem „contur BRAND BOOK“ (Anlage Ast 4):
[Abbildung]
ergibt sich zudem der Verweis auf die deutsche Internetseite www.contur-einrichtung.de. Dass die Produktkataloge aus den Jahren 2019 bis 2024 (Anlagen Ast 2 bis Ast 5), die hochwertig gestaltet sind, in Deutschland nicht verteilt worden seien, erscheint fernliegend. Dem Maß der Glaubhaftmachung wurde im Streitfall genügt. Soweit die Widerspruchsabteilung des EUIPO am 18.06.2024 in einem Widerspruchsverfahren der hiesigen Antragstellerin eine abweichende Bewertung vorgenommen hat (vgl. Anlage NI 20), so vermag dies an der vorliegenden Bewertung des Senats nichts zu ändern. Während es bei Art. 10 DVUM um die Vorlage ausreichender Beweismittel geht (vgl. Achim Bender in Götting/Meyer/Vormbrock, Gewerblicher Rechtsschutz, 2. Aufl., § 24 Rn. 236), reicht im vorliegenden Verfahren die Glaubhaftmachung aus.
(4) Die Benutzung für Schränke, Betten, Küchenmöbel, Tische und Stühle wirkt auch rechtserhaltend für den Warenoberbegriff der „Möbel“. Es ist insoweit im Streitfall nicht nur von einer teilweisen Benutzung eines Warenoberbegriffs etwa durch eine zugehörige Spezialware auszugehen.
cc. Es liegt auch – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – eine rechtsverletzende Benutzung auf Seiten der Antragsgegnerin vor. Dort ist von einer markenmäßigen Benutzung von „Neva Contour“ in der angegriffenen Warenbeschreibung im geschäftlichen Verkehr auszugehen.
aaa. Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG setzt voraus, dass das beanstandete Zeichen markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird, also im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient (BGH GRUR 2024, 1033 Rn. 44 – VW Bulli). Ob ein Zeichen in diesem Sinn als Hinweis auf die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen verstanden und somit markenmäßig verwendet wird, beurteilt sich aus der Sicht eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BGH GRUR 2024, 1033 Rn. 44 – VW Bulli). Die Verkehrsauffassung wird dabei einerseits durch die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Waren-/Dienstleistungssektor, andererseits durch den konkreten Marktauftritt des angegriffenen Zeichens (z.B. dessen blickfangmäßige Herausstellung) bestimmt, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 140). Es kommt nicht auf die Zweckbestimmung durch den Verwender an, sondern allein darauf, ob der angesprochene Verkehr das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht (BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 25 – Damen Hose MO). Abzustellen ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im maßgeblichen Warensektor, insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden (BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 25 – Damen Hose MO). Wird ein Zeichen auf der Verpackung oder in der Werbung für eine Ware verwendet, kann seine blickfangmäßige Herausstellung für eine markenmäßige Verwendung sprechen. Die Tatsache, dass ein Zeichen vom angesprochenen Verkehr als Herkunftshinweis für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen und damit als Marke erkannt wird, muss anhand der Umstände des Einzelfalls positiv festgestellt werden (BGH GRUR 2019, 522 Rn. 41 – SAM).
Hat ein Wort beschreibenden Charakter, wird es vom Verkehr eher als Sachhinweis und nicht als Kennzeichen aufgefasst (OLG Nürnberg GRUR-RR 2022, 224 Rn. 17 – Bewegte Medizin). Dabei ergibt sich der beschreibende Charakter in erster Linie aus dem Sinngehalt der betreffenden Bezeichnung. Maßgeblich für die Frage, ob der Verkehr das Zeichen nur beschreibend versteht, ist jedoch auch der Kontext, in der die gerügte Benutzungshandlung erfolgte (OLG Nürnberg GRUR-RR 2022, 224 Rn. 17 – Bewegte Medizin).
Im Hinblick auf die Frage, wann eine Modellbezeichnung (auch) als Herkunftshinweis verstanden wird, gilt Folgendes:
Kein markenmäßiger Gebrauch liegt vor, wenn eine an sich kennzeichnungskräftige, d.h. zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung geeignete Bezeichnung lediglich als Bestellzeichen (Artikel-, Typen-, Modell-, Designbezeichnung) oder als Sortenbezeichnung zur Unterscheidung und Identifizierung von Waren desselben Unternehmens verwendet wird (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 157). Davon kann nur in zweifelsfreien Fällen ausgegangen werden. Meistens treten solche Bezeichnungen dem Verkehr zumindest auch als betriebliches Herkunftskennzeichen (ggf. als Zweitmarke) gegenüber, so dass sich insoweit eine (auch) markenmäßige Benutzung nicht verneinen lässt (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 157 unter Verweis u.a. auf OLG Frankfurt GRUR-RR 2021, 360 Rn. 46ff. – Tommy Hilfiger MO Logo Scarf). Jedoch muss die markenmäßige Benutzung wiederum nach allgemeinen Grundsätzen positiv festgestellt werden (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 157). Dies kann der Fall sein bei Verwendung des Zeichens an einer Stelle, wo nach den Branchengepflogenheiten Marken angebracht werden (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 157). In besonderem Maße gilt dies, wenn das fragliche Zeichen mit einer Marke kollidiert, die im Verkehr eine gewisse Bekanntheit errungen hat. Denn wenn dem Verkehr eine Bezeichnung bereits als betriebliche Herkunftskennzeichnung oder als Modellbezeichnung eines bestimmten Herstellers bekannt ist, lässt dies den Schluss zu, dass er sie auch in anderem Zusammenhang als markenmäßige Kennzeichnung auffasst (Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 14 Rn. 157).
Kann von einer Bekanntheit der Modellbezeichnung nicht ausgegangen werden, muss bei der Prüfung, ob ihre Verwendung herkunftshinweisend verstanden wird, die Gestaltung des in Rede stehenden Angebots in den Blick genommen werden. Dabei kann die Art ihrer Verwendung dafür sprechen, dass der Verkehr sie als Marke auffasst. Dies kann insbesondere dann angenommen werden, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hersteller- oder Dachmarke verwendet wird. Dagegen wird der angesprochene Verkehr in der Verwendung einer nicht als Marke bekannten Modellbezeichnung an einer unauffälligen Stelle in der Angebotsbeschreibung regelmäßig keine markenmäßige Verwendung sehen (BGH GRUR 2019, 522 Rn. 54 – SAM).
bbb. Nach den vorgenannten Grundsätzen liegt im Streitfall eine markenmäßige Benutzung von „Neva Contour“ in der konkreten Verletzungsform vor. Die Antragstellerin greift vorliegend folgende Verletzungsform an:
[Abbildung]
Im Webshop der Antragsgegnerin www.lagerhaus.de wird der Stuhl mit „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“ beworben. Blickfangmäßig hervorgehoben ist in dieser Angebotszeile nichts. Als beschreibende Angaben erkennt der angesprochene Verkehr, zu dem auch die Mitglieder des Senats zählen, ohne weiteres die Angaben „Esszimmerstuhl“ und „Nuss natur“. Diese Angaben werden nicht als Herkunftshinweis verstanden. Es verbleibt „Neva Contour“. Ansonsten ist kein Herkunftshinweis betreffend den beworbenen Stuhl ersichtlich. Der Verkehr erkennt „Das Lagerhaus“ als Händlerin.
Im Streitfall erkennt der angesprochene Verkehr „Neva Contour“ weder ganz noch teilweise nur als Modellbezeichnung, sondern als auch herkunftshinweisend. Eine markenmäßige Verwendung lässt sich hier daher entgegen dem Einwand der Berufung feststellen.
Soweit die Antragsgegnerin auf eine Produkt-Reihe mit „Neva High“, „Neva Easy“, „Neva Light“ verweist, so wird aus dem angegriffenen Angebot nicht deutlich, dass es eine solche Reihe gibt. Es ist die konkrete Verletzungsform und zwar das Verkaufsangebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (vgl. BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 33 – Damen Hose MO). Der Verkehr erkennt hieraus im Streitfall jedoch nicht das Vorhandensein einer Reihe „Neva Contour“, „Neva High“, „Neva Easy“, „Neva Light“. Dies kann daher bei der Beurteilung des Verkehrsverständnisses nicht berücksichtigt werden.
Außerhalb von „Neva Contour“ ist im Hinblick auf den beworbenen Stuhl kein Produktkennzeichen erkennbar. Dass der Verkehr in der konkreten Gestaltung nur „Neva“ als Marke und „Contour“ als reine Modellbezeichnung erkennt, dafür spricht nichts. Da „Contour“ im Angebot nicht in Anführungszeichen oder als Modellbezeichnung erkennbar ist, ist von einem Gesamtzeichen „Neva Contour“ auszugehen. „Neva“ ist auch keine bekannte Marke der Möbelbranche.
Der Standort des Gesamtzeichens „Neva Contour“ liegt im Angebotstext an einer Stelle, an der der Verkehr die Marke bzw. den Herstellerhinweis erwartet.
Es liegt auch nicht der Gebrauch einer beschreibenden Angabe vor. Entscheidend ist, wie der Durchschnittsverbraucher die konkrete Zeichennutzung auffasst. Erkennt dieser den beschreibenden Gehalt nicht (unmittelbar), ist regelmäßig von einer markenmäßigen Benutzung auszugehen (vgl. Mielke in BeckOK MarkenR, 40. Ed., § 14 Rn. 108). So liegt der Fall hier. „Contour“ wird in „Neva Contour“ entgegen der Ansicht der Berufung auch nicht als rein beschreibend in Bezug auf den angebotenen Stuhl verstanden. Zunächst handelt es sich nicht um das deutsche Wort „Kontur“. Dass eine Wortmarke „CONTOUR“ für Waren der Klasse 07: Konturfräser; Konturenschleifmaschinen; Werkzeugmaschinen; kraftbetriebene Werkzeuge und der Klasse 20: Ergonomische Stühle für Sitzmassagen; ergonomische Bürostühle; ergonomisch geformte Sitzmöbel; konturgeformte Sessel; Konturstühle; ergonomische Möbel; konturgeformte Liegestühle; Matratzen; Möbel; Stühle nicht eingetragen worden sei (vgl. Anlage NI 17), vermag im Streitfall im Hinblick auf das Gesamtzeichen „Neva Contour“ eine abweichende Bewertung nicht zu rechtfertigen. Denn wenn sich eine Bedeutung erst nach einer gewissen Überlegung erschließt, liegt keine glatt beschreibende Angabe vor (vgl. BGH GRUR 2009, 1055 Rn. 58 – airdsl). In „Esszimmerstuhl Neva Contour Nuss natur“ wird „Contour“ vom Durchschnittsverbraucher – überwiegend wahrscheinlich – nicht beschreibend im Hinblick auf die Form des Stuhls verstanden. Für ein solches Verständnis besteht angesichts des konkreten Angebotstextes kein Anlass.
dd. Zwischen der Verfügungsmarke auf der einen Seite und dem angegriffenen Zeichen auf der anderen Seite besteht – wie vom Landgericht zu Recht angenommen – auch Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Frage, ob Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRspr; BGH GRUR 2020, 1202 Rn. 19 – YOOFOOD/YO). Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2020, 1202 Rn. 19 – YOOFOOD/YO).
aaa. Es liegt – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke vor. Bestehen keine Anhaltspunkte, die für eine Schwächung oder Stärkung der Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen (Büscher/Kochendörfer in BeckOK UMV, 36. Ed., Art. 8 Rn. 98). Eine Kennzeichnungsschwäche der Verfügungsmarke für Möbel kann entgegen der Ansicht der Berufung nicht angenommen werden.
Zwar können beschreibende Anklänge der Marke im Hinblick auf die Waren, für die sie Schutz beansprucht, die originäre Kennzeichnungskraft schwächen. Bedarf es jedoch einiger Überlegung, um den beschreibenden Gehalt des Zeichens zu erkennen, scheidet im Regelfall eine Reduzierung der Kennzeichnungskraft wegen einer Anlehnung an einen beschreibenden Begriff aus (BGH GRUR 2017, 75 Rn. 22 – Wunderbaum II). Letzteres liegt hier vor. „CONTUR“ lässt für Möbel allenfalls nach einiger Überlegung beschreibende Anklänge erkennen im Hinblick auf eine Anspielung auf das deutsche Wort „Kontur“ (im Englischen: „contour“), das Kontur, Umriss, Silhouette bedeutet. „CONTUR“ selbst steht für diese Bedeutung nicht. Auch insoweit rechtfertigen die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Markenanmeldungen im Streitfall keine abweichende Bewertung, da sie sich auf abweichende Marken beziehen.
bbb. Weiter ist von Warenidentität auszugehen zwischen Möbeln und Stühlen. Auch das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg. Die Antragsgegnerin hat die Bezeichnung „Neva Contour“ für Waren (einen Esszimmerstuhl) benutzt, die zu den Waren identisch sind, für die die Klagemarke Schutz beansprucht und rechtserhaltend benutzt worden ist (Möbel). Wie ausgeführt, hat die Antragstellerin die Verfügungsmarke nicht lediglich für eine Spezialware unterhalb des Warenoberbegriffs der „Möbel“ genutzt, sondern umfassend für Schränke, Betten usw.. Der Schutz erstreckt sich im Verletzungsverfahren auf gleichartige Waren; ob Waren gleichartig sind, ist aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung festzustellen (BGH GRUR 2020, 870 Rn. 36 – INJEKT/INJEX). Im Streitfall sind die unter der Produktlinie „CONTUR“ angebotenen Möbel (Schränke, Betten, Küchenmöbel, Tische und Stühle) bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichartig zu dem hier angegriffenen Esszimmerstuhl.
ccc. Im Hinblick auf die gegenüberstehenden Zeichen ist jedenfalls von einer geringen Zeichenähnlichkeit auszugehen.
(1) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist grundsätzlich in Ansehung ihres Gesamteindrucks nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Zeichen auf die angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit genügt dabei regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2021, 482 Rn. 28 – RETROLYMPICS).
(2) Zu vergleichen sind „CONTUR“ und „Neva Contour“. Denn – anders als das Landgericht gemeint hat – ist von einem Gesamtzeichen „Neva Contour“ auszugehen und nicht von zwei selbständigen Zeichen. Dies wäre etwa anzunehmen, wenn der Verkehr aufgrund einer zwischen zwei Zeichen eingeschobenen beschreibenden Angabe in einer angegriffenen Gesamtbezeichnung zwei selbständige Zeichen erkennt (vgl. BGH GRUR-RS 2019, 35712 Rn. 19 – Slim Fit Hose SAM). Im Streitfall ist zwischen „Neva“ und „Contour“ aber nichts eingeschoben. Auch sonst ist „Neva“ nicht besonders (in markentypischer Weise) hervorgehoben. Allein die Trennung in zwei Worte genügt im vorliegenden Streitfall nicht. Es kann auch nicht der besondere Fall einer selbständig kennzeichnenden Stellung von „Contour“ in „Neva Contour“ angenommen werden (vgl. dazu, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt: Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 9 Rn. 493). Ein Verständnis von „Contour“ als „Marke in der Marke“ ist im Streitfall nicht festzustellen.
(3) Es besteht sodann eine Gleichgewichtigkeit bei den Markenbestandteilen „Neva Contour“ des angegriffenen Zeichens (vgl. hierzu Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 9 Rn. 407). Die gegenüberstehenden Zeichen sind jeweils in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Klanglich und schriftbildlich sowie auch begrifflich besteht zwischen „CONTUR“ und „Neva Contour“ eine Ähnlichkeit, die insgesamt jedenfalls gering ist. Klanglich und begrifflich sind die Verfügungsmarke und die letzten beiden Silben des aus vier Silben bestehenden angegriffenen Zeichens identisch. Schriftbildlich besteht insoweit eine hohe Ähnlichkeit. Durch die Voranstellung des gleichgewichtigen, ebenfalls nicht prägenden Teils „Neva“ ergibt sich bei einem Gesamtvergleich eine jedenfalls geringe Ähnlichkeit.
(4) Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke, Warenidentität und geringer Zeichenähnlichkeit ist auch unter Berücksichtigung der Wechselwirkung von einer (unmittelbaren) Verwechslungsgefahr auszugehen.
ee. Es besteht auch die erforderliche Wiederholungsgefahr. Die durch einen bereits begangenen Verstoß begründete tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (BGH GRUR 2016, 88 Rn. 51 – Deltamethrin). Die Abgabe einer nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung genügt insoweit nicht.
ff. Der Anspruch ist auch nicht gem. § 242 BGB wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin ausgeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil Bezug genommen. Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen bleibt ohne Erfolg. Die Ausübung der Rechte der Antragstellerin stellt sich vorliegend nicht als unlauterer Behinderungswettbewerb dar (vgl. hierzu Hacker in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 14. Aufl., § 2 Rn. 85). Ein Einsatz des formalen Markenrechts in unlauterer Behinderungsabsicht kann vorliegend nicht festgestellt werden. Für ein Überwiegen sachfremder Ziele auf Seiten der Antragstellerin ist auch mit der Berufung nichts dargetan oder ersichtlich.
c. Eine Zurückverweisung an das Landgericht kommt nicht in Betracht, da kein wesentlicher Verfahrensmangel i.S.v. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegt.
d. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO.