Betreiber eines Online-Videorecorders haben kein Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages

04. April 2016
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
1315 mal gelesen
0 Shares
Play-Zeichen Urteil des OLG München vom 03.06.2015, Az.: 6 Sch 7/14

Es besteht kein Anspruch des Online-Videobetreibers gegen Sendeunternehmen auf Abschluss eines Lizenzvertrages, da aus dem Kontrahierungszwang (§87 Abs. 5 UrhG) diesbezüglich kein Anspruch abgeleitet werden kann. Das Aufzeichnen und Weiterleiten einzelner Sendungen liegt vielmehr im Ermessen der Sendeunternehmen.

Oberlandesgericht München

Urteil vom 03.06.2015

Az.: 6 Sch 7/14

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand

Die Klägerin verlangt die Einräumung von Nutzungsrechten – nach Maßgabe des Lizenzvertrags gemäß Anlage K 1 – zur Kabelweitersendung des Programms der Beklagten im Rahmen des von der Klägerin betriebenen sog. Online-Videorecorders.

Die Beklagte ist ein privates Sendeunternehmen i.S.d. § 87 UrhG. Sie strahlt ihr Programm im Inland auch über Satellit aus.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft nach englischem Recht (Ltd.) und unterhält in Leipzig eine Niederlassung. Sie betreibt einen als „Online-Videorecorder“ bezeichneten Dienst im Internet, mit dem sie es ihren Nutzern ermöglicht, frei empfangbare Sendungen auf einem Online-Speicher aufzuzeichnen bzw. aufzeichnen zu lassen. Von einem ihnen individuell zugewiesenen Speicherplatz aus können die Kunden die aufgezeichnete Sendung über eine Internetverbindung beliebig oft ansehen oder herunterladen. In den Jahren 2006 bis 2010 hat die Klägerin auch das von der Beklagten ausgestrahlte Programm in ihrem Online-Videorecorder angeboten.

Die Technologie, derer sich die Klägerin (nach ihren Angaben bis April 2013) bedient (hat), wird in dem Privatgutachten vom 11. Dezember 2011 (Anlage K 2) dahingehend beschrieben, dass die Klägerin das von der Beklagten ausgestrahlte Rundfunksignal mit einer Satellitenempfangsanlage, nämlich zwei von der Fa. … auf dem Dach eines Datacenters unterhaltenen, ausschließlich der Klägerin zur Verfügung stehenden Parabolantennen empfängt. Über jeweils vier an jeder Antenne angeschlossene Koaxialkabel, die an der Außenseite des Datacenters in zwei Kunststoff röhren entlanglaufen, wird das Signal von den Parabolantennen (Empfangsanlage) in das Gebäude hinein geleitet, dort auf insgesamt sechzehn Koaxialkabel verteilt und sodann auf acht von der Klägerin betriebene, jeweils mit zwei TV-Karten bestückte Aufnahmeserver geleitet, so dass jede TV-Karte über ein Kabel versorgt wird. Die Weiterleitung der (mittels der Parabolantennen) empfangenen Signale an die am Aufnahmeserver befindlichen TV-Karten erfolgt ohne Eingriff seitens der Klägerin. Der Server zeichnet das bei ihm ankommende Sendesignal nur dann auf, wenn ein Nutzer die betreffende Sendung zur Aufnahme programmiert hat. Im Falle einer solchen Programmierung erfolgt auf dem Server eine Zwischenspeicherung des auf ihm eingehenden Signals („Masterkopie“), sodann wird es (auf einem Encoding-Server) in ein Dateiformat umgewandelt, das die Zuordnung der Aufnahmedateien in kundenspezifische Verzeichnisse auf einem File-Server erlaubt. Ruft der Nutzer nun eine programmierte Sendung ab, werden die Daten von dem File-Server in einen Cache-Speicher auf einem Cache-Server kopiert, die so erstellte Videodatei der vom Nutzer zur Aufzeichnung programmierten Sendung wird sodann an den abrufenden Nutzer ausgeliefert.

In dieser technischen Ausgestaltung ist der Dienst der Klägerin seit langem Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen: In dem Verfahren Az. 5 O 2123/06 vor dem Landgericht Leipzig hat die hiesige Beklagte die hiesige Klägerin wegen des Online-Videorecorders unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in ihr Leistungsschutzrecht nach § 87 Abs. 1 UrhG auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat eine unerlaubte Vervielfältigung i.S.d. §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG bejaht. Die hiergegen gerichtete Berufung vor dem Oberlandesgericht Dresden ist – ebenso wie die von der hiesigen Beklagten erstrebte Verurteilung der hiesigen Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG wegen Eingriffs in ihr Senderecht (§ 20 UrhG) sowie ihr Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) – erfolglos geblieben. Nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 22. April 2009, ZUM 2009, 765) hat das OLG Dresden im wiedereröffneten Berufungsverfahren mit Urteil vom 12. Juli 2011 (AfP 2011, 594) einen Eingriff in das (der hiesigen Beklagten zustehende) Recht, die Sendungen auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG) ebenso verneint wie einen Verstoß gegen das Recht auf öffentliche Zugänglichmachung der Funksendungen (§ 19a UrhG); einen Verstoß gegen das Senderecht (§ 20 UrhG) der hiesigen Beklagten hat es hingegen bejaht, wobei es den von der hiesigen Klägerin erhobenen Zwangslizenzeinwand (§ 87 Abs. 5 UrhG) mangels vorangegangenen Schiedsverfahrens zurückgewiesen hat. Im anschließenden Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof mit Entscheidung vom 11. April 2013 (ZUM-RD 2013, 314) eine unerlaubte Vervielfältigung der von der hiesigen Beklagten ausgestrahlten Sendungen mit Rücksicht auf die auf dem Aufnahmeserver gefertigte „Masterkopie“ bejaht (a.a.O., Tz. 16 – 20), eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung von Funksendungen (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG) hingegen mit dem Berufungsgericht verneint (a.a.O., Tz. 29 – 31). Auch eine Verletzung des Senderechts (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1,15 Abs. 2 Nr. 3, 20 UrhG) hat der Bundesgerichtshof bestätigt (a.a.O., Tz 54 – 57); er hat die Sache indes insoweit gleichwohl an das Berufungsgericht zur Prüfung zurückverwiesen, ob die Voraussetzungen des von der hiesigen Klägerin erhobenen Zwangslizenzeinwands nach § 87 Abs. 5 UrhG vorliegen, insbesondere, ob der Online-Videorecorder die Tatbestandsvoraussetzungen einer Kabelweitersendung i.S.d. §§ 87 Abs. 5, 20b UrhG erfüllt; ggfls. sei das Verfahren auszusetzen, um der hiesigen Klägerin die Anrufung der Schiedsstelle nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 UrhWG zu ermöglichen.

Bereits nach Erlass des ersten Revisionsurteils (ZUM 2009, 765) hatte sich die Klägerin bei der VG Media vergeblich um einen Lizenzvertrag betreffend die Nutzung des Programms der Beklagten zur Weitersendung bemüht, vorsorglich € … zu Gunsten der Verwertungsgesellschaft beim Amtsgericht unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegt und gegen die VG Media ein Schiedsstellenverfahren eingeleitet (Einigungsvorschlag vom 30. Juli 2012, Anlage K 9). Mit Schreiben vom 22. Juli 2010 hatte sie auch der Beklagten den Abschluss des als Anlage K 1 vorgelegten Lizenzvertrags – wiederum erfolglos – angeboten, anschließend zu deren Gunsten einen Betrag von € … beim AG München hinterlegt und sodann am 23. November 2011 die Schiedsstelle angerufen (Anlage K 7). Gegen den Einigungsvorschlag (EV) vom 31. Oktober 2012 (Az. Sch-Urh 17/11, Anlage K 10, der Klägerin zugestellt am 07. November 2012), mit dem – wie schon vorher in dem gegen die VG Media gerichteten Verfahren – die Schiedsstelle einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Lizenzvertrags zur Kabelweitersendung des Programms der Beklagten verneint hat, hat die Klägerin unter dem 09. Dezember 2012 (Anlage K 11) Widerspruch eingelegt. Am 14. Januar 2014 hat sie für die Weitersendung des Programms der Beklagten in der Zeit von 2006 bis 2010 weitere € … (berechnet aus einem Betrag von € … pro Nutzer und Monat, vgl. die Aufstellung S. 12 der Klageschrift) beim Amtsgericht Köln unter Verzicht auf das Rücknahmerecht hinterlegt (Anlage K 13, K 14, K 16). Nach Klageerhebung im hiesigen Verfahren mit Schriftsatz vom 07. Februar 2014 hat das OLG Dresden den dortigen Rechtsstreit auf Antrag der hiesigen Klägerin mit Beschluss vom 01. April 2014 (Anlage B 6) bis zur Entscheidung des Senats ausgesetzt.

Nach Erlass des zweiten Revisionsurteils vom 11. April 2013 (ZUM-RD 2013, 314) hat die Klägerin nach ihren (beklagtenseits bestrittenen) Angaben die für den Online-Videorecorder verwendete Technologie dahingehend geändert, dass nunmehr – vergleichbar dem der Entscheidung des BGH GRUR 2013, 618 – Internet-Videorecorder II zugrunde liegenden technischen Ablauf – auf die Erstellung einer „Masterkopie“ auf dem Aufnahmeserver verzichtet wird: wie in dem Privatgutachten vom 13. Mai 2013 (Anlage K 17, dort S. 2) ausgeführt, werden im Fall der Programmierung einer Sendung zur Aufnahme durch einen oder mehrere Kunden bereits auf dem Aufnahmeserver Kundenfächer angelegt, in denen die jeweils kundenspezifischen Aufnahmedateien abgelegt und anschließend auf den sog. Encoding-Server (zur Umwandlung in ein Dateiformat, das mit dem File-Server kompatibel ist) verschoben werden. Wie bei dem vorherigen Modell werden bei Weiterleitung der Daten in den Encoding-Server die Dateien auf dem Aufnahmeserver gelöscht, die umgewandelten Dateien werden sodann aus dem Encoding-Server in den File-Server verschoben. Ruft der Kunde die von ihm programmierte Sendung ab, werden die Dateien von dem File-Server in einen Cache-Speicher auf dem Cache-Server kopiert, auf den der Kunde via Internet zugreifen kann.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte sei nach § 87 Abs. 5 UrhG verpflichtet, den im Entwurf als Anlage K 1 vorgelegten Lizenzvertrag mit ihr abzuschließen. Die allgemeinen Voraussetzungen für einen solchen Kontrahierungszwang, wie sie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung GRUR 2009, 964 – Orange-Book-Standard niedergelegt und in der zweiten Revisionsentscheidung ZUM-RD 2013, 314 ff., dort Tz. 67 und 70 aufgegriffen habe – nämlich die Abgabe eines unbedingten Angebots zum Abschluss eines Vertrags über die Einräumung von Nutzungsrechten einerseits und die Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen (etwa durch Hinterlegung unter Verzicht auf das Rücknahmerecht) andererseits – lägen vor. Die Klägerin sei für den Abschluss eines Lizenzvertrags nach § 87 Abs. 5 UrhG auch aktivlegitimiert, da sie angesichts der unveränderten und zeitgleichen (per Koaxialkabel erfolgenden) Weiterleitung des von ihr (via Satellitenschüssel) empfangenen Sendesignals an den Aufnahmeserver als Kabelunternehmen i.S.d. genannten Vorschrift anzusehen sei. Dementsprechend habe auch die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag vom 31. Oktober 2012 die Aktivlegitimation der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Des Weiteren sei die Beklagte als (privates) Sendeunternehmen i.S.d. § 87 Abs. 5 UrhG für den verlangten Abschluss des Lizenzvertrags passivlegitimiert. Entgegen der Ansicht der Schiedsstelle nehme die Klägerin schließlich auch eine Kabelweitersendung i.S.d. § 20b Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 UrhG, d.h. eine zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weitersendung vor. Denn maßgeblich für diese Frage seien nicht die Vorgänge innerhalb der Online-Videorecorder der Kunden oder gar der Abruf der von ihnen zuvor gespeicherten Aufnahmen, sondern allein die technische Strecke, die das Signal von der Empfangseinrichtung (Satellitenantennen) bis zum Aufnahmeserver zurücklege. Denn ab diesem Server werde kein Sendesignal mehr (weiter-)gesendet, sondern nur noch die Kopie einer Datei kopiert. Eine Kabelweitersendung in diesem Sinne habe implizit auch der Bundesgerichtshof in seinem zweiten Revisionsurteil (Tz. 60) bejaht, widrigenfalls er die Sache ohne Zurückverweisung an das OLG Dresden selbst hätte durchentscheiden können. Dass der Video-Recorder selbst nicht der Klägerin, sondern dem Kunden zuzuordnen sei, habe er auch in seiner ersten Revisionsentscheidung (dort Tz. 28) schon ausgeführt und zuletzt (ZUM-RD 2013, 314 Tz. 56) ausdrücklich befunden, dass eine marginale zeitliche Verzögerung, wie sie durch eine automatisch vorgenommene technische Aufbereitung zum Zweck der (Aufzeichnung und) unmittelbar anschließenden Weitersendung eintrete, nicht hindere, dass die Weitersendung zeitgleich sei. In diesem Sinne nehme die Klägerin nach der früheren wie auch der aktuell verwendeten Technologie eine Weitersendung vor. Denn sie empfange das TV-Signal, welches das Programm der Beklagten enthalte, mit einer Satellitenanlage und leite es dann per Koaxialkabel bis zur Aufnahme auf den Online-Videorecorder weiter. Hierin liege sowohl eine Weiterübertragung von Signalen als auch, wie der BGH rechtskräftig befunden habe, eine Sendung i.S.d. § 20 UrhG. Denn der fragliche Inhalt werde einer Mehrzahl von (einander nicht verbundenen) Mitgliedern der Öffentlichkeit, die unabhängig voneinander auf das gesamte unveränderte Programm der Beklagten Zugriff hätten, zugänglich gemacht. Die Auswahl und Entscheidung darüber, welche Teile sich der jeweilige Nutzer ansehe, liege allein bei ihm. Wenn die Beklagte und auch die Schiedsstelle demgegenüber meinten, die Weitersendung sei darin zu sehen, dass das von der Antenne aufgefangene Satellitensignal (weder zeitgleich noch vollständig noch unverändert und daher nach ihrer Ansicht rechtswidrig) bis auf den Bildschirm des Nutzers geleitet werde, wählten sie den falschen Bezugspunkt; denn sie übersähen, dass die Weitersendung sich denknotwendig stets nur auf die Übertragung des Programmsignals bis zum Empfangsgerät des Zuschauers beziehen könne – was danach geschehe, liege in dessen Hand: der Kunde könne eine Aufzeichnung vornehmen und sich diese ganz oder teilweise – oder auch gar nicht – ansehen. Nicht anders verhalte es sich bei der bekannten Kabelweitersendung: auch dort kämen alle Programme zeitgleich, unverändert und vollständig am Empfangsgerät des Zuschauers an, der wiederum allein entscheide, welche Programmteile er sich ansehe. Bei der streitgegenständlichen Technologie sei es lediglich so, dass als Empfangsgerät des Kunden eben der Server der Klägerin anzusehen sei. An diesem Server kämen alle Programme indes zeitgleich, unverändert und vollständig an. Die nach dem Empfang des Signals auf dem Aufnahmeserver der Klägerin (von deren Kunden) vorgenommene Vervielfältigung – sei es, wie im Rahmen der früher verwendeten Technologie, als „Masterkopie“, sei es, wie aktuell, unmittelbar als kundenspezifische Datei – sei für die Frage der Kabelweitersendung nicht mehr von Belang. Soweit die Schiedsstelle demgegenüber mit der Beklagten meine, ein Kabelweitersendung nach § 20b UrhG liege deshalb nicht vor, weil nicht das vollständige Programm, sondern lediglich einzelne Werke bzw. Programmbestandteile weitergeleitet würden (EV S. 9), verkenne dies, dass das vollständige von der Satellitenanlage empfangene Programm durch Koaxialkabel ungeschmälert auf den Aufnahmeserver (d.h. die dem Empfangsgerät des Kunden entsprechende Einheit, wo in der aktuell verwendeten Technologie der kundenindividuelle Videorecorder beginne) weitergeleitet werde. Ob und welche Sendungen im Anschluss an diese Kabelweitersendung aufgezeichnet würden, sei für die vorgelagerte Frage, ob eine Kabelweitersendung des gesamten Programms vorliege, unerheblich. Hieraus erhelle, dass die ratio legis des § 87 Abs. 5 UrhG auch im Streitfall zum Tragen komme; denn in den Genuss des privilegierten Rechtserwerbs nach §§ 87 Abs. 5 Satz 1, 20b UrhG sollten (wie in der Literatur ausgeführt, vgl. v. Ungern-Sternberg in: Schricker, UrhG, § 20b Rdnr. 11) lediglich solche Anbieter nicht kommen, die im Kontext der Weiterleitung eine eigene inhaltliche Auswahl träfen – etwa aus verschiedenen Ausgangsprogrammen ein neues, eigenes Programm gestalteten oder ein fremdes Programm in anderer Weise modifizierten. Eben derlei finde bei dem klägerischen Online-Videorecorder indes nicht statt. Denn es sei ausschließlich der Nutzer, der die Entscheidung über die aufzuzeichnenden Programmbestandteile (und zwar – anders als bei üblichen Mediatheken, d.h. Video-on-Demand-Angeboten – vor der Ausstrahlung) treffe. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien die im Mai 2013 vorgenommenen technischen Änderungen keineswegs irrelevant: der dem Kunden zugewiesene Bereich beginne jedenfalls nunmehr nicht etwa erst auf dem File-Server, vielmehr sei der Online-Videorecorder, wie der Bundesgerichtshof im Parallelverfahren betreffend Shift.TV ausdrücklich entschieden habe, bereits auf dem Aufnahmeserver zu lokalisieren, da schon dort (an Stelle einer „Masterkopie“) kundenspezifische Aufnahmedateien erzeugt würden. Dass diese Dateien in den Verzeichnissen auf dem Aufnahmeserver lediglich temporär (nämlich bis zur Verschiebung auf den Encoding-Server) zwischengespeichert würden und der Kunde keinen unmittelbaren Zugriff hierauf habe, sei ohne Belang. Eine Verletzung des Vervielfältigungsrechts der Beklagten sei daher bei der nunmehr verwendeten Technologie ausgeschlossen. Ohnehin wäre nach allgemeinen Grundsätzen nicht die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig für den beklagtenseits behaupteten Eingriff in ihr Vervielfältigungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG in Gestalt der Fertigung einer „Masterkopie“, sondern die Beklagte, da die angebliche Rechtswidrigkeit des klägerischen Modells eine Einwendung gegen den begehrten Lizenzvertrag betreffe. Lediglich vorsorglich sei anzumerken, dass die Diktion des BGH, der in seinem ersten Revisionsurteil von „Weitersendung“ anstelle von technisch korrekter „Kabelweitersendung“ spreche, keinen Schluss dahingehend zulasse, dass nach Meinung des Gerichts eine Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG nicht vorliege. Denn hierbei handele es sich lediglich um einen gesetzlich gesondert normierten Unterfall des allgemeinen Weitersenderechts i.S.d. § 20 UrhG.

Zur Angemessenheit der Bedingungen des offerierten Lizenzvertrags nach Anlage K 1 sei darauf hinzuweisen, dass der angesetzte Betrag von € … Nutzer und Monat

über demjenigen liege, der sich nach der von der Schiedsstelle im vergleichbar gelagerten Verfahren Az. Sch-Urh7/08 auf der Basis des Tarifs der VG Media vorgenommenen Berechnung ergebe (nämlich € .. pro Nutzer und Monat, ausgehend von einem monatlichen Basisentgelt des Nutzers in Höhe von € 4,99). Vorsorglich werde der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt. Ein sachlicher Grund für die Ablehnung des Lizenzvertragsangebots liege schließlich ebenfalls nicht vor. Insbesondere sei die Ansicht der Schiedsstelle (EV s. 11) verfehlt, wonach die Beklagte im Fall eines Kontrahierungszwangs verpflichtet würde, der Klägerin Rechte einzuräumen, die sie selbst nicht besitze; denn dass die Beklagte – unzweifelhaft – über das Recht nach § 20b UrhG an ihrem eigenen Programm verfüge, stelle sie selbst nicht in Abrede. Ob die Beklagte bei internationalen (Fremd-)Produktionen auch das Recht der weltweiten Verbreitung erworben habe, sei ohne Belang – hieran habe die Klägerin überhaupt kein Interesse (obwohl die Beklagte selbst ihr Programm via Satellit in alle europäischen Länder sowie nach Russland, die Türkei und Ägypten sende). Jedenfalls sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass die von der Beklagten abgeschlossenen Verträge die begehrte Lizenzierung verbieten. Zudem werde die Nutzung des Online-Videorecorders ausweislich § 7 Abs. 2 der AGB (Anlage K 15) nur in Deutschland ansässigen Kunden angeboten, eine Vorgabe, die die Klägerin auch insofern überwache, als sie die Anmeldung von Nutzern mit ausländischer Adresse zurückweise. Ein etwaiger Zugriff aus anderen Ländern sei für die hier zu beurteilende Rechtsfrage ohnehin nicht von Belang, da der allein in Rede stehende Nutzungsvorgang, nämlich die kabelgebundene Weiterleitung des Sendesignals der Beklagten, ausschließlich im Inland stattfinde.

Da die Klägerin schließlich auch die aus dem angebotenen Lizenzvertrag resultierenden Zahlungspflichten durch Hinterlegung von insgesamt € … zugunsten der Beklagten sowie von € … zugunsten der VG Media (jeweils unter Verzicht auf das Rücknahmerecht) erfüllt habe, lägen die Voraussetzungen des Kontrahierungszwangs nach § 87 Abs. 5 UrhG vor.

Hilfsweise rechtfertige sich der klägerische Anspruch auf Annahme des Lizenzvertragsangebots gemäß Anlage K 1 auch kartellrechtlich aus §§ 33, 19, 20 GWB. Denn die Beklagte sei einzige Anbieterin von Lizenzen an ihrem Programm, habe mithin insoweit eine marktbeherrsche Stellung i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB inne. Unabhängig davon sei sie auch wegen § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB; denn hinsichtlich der Weitersendung des (nicht anderweitig substituierbaren) Vollprogramms der Beklagten habe die Klägerin keine Möglichkeit, auf andere Anbieter auszuweichen. Da die Beklagte andere Unternehmen hinsichtlich der Kabelweitersendung durchaus lizenziere, werde die Klägerin unsachlich diskriminiert und zudem unbillig behindert, da ihr neues Produkt, der Online-Videorecorder, sich nicht im Markt etablieren könne.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Annahme des als Anlage K 1 beigefügten Angebots der Klägerin auf Abschluss eines Lizenzvertrages zur Kabelweitersendung des Programms der Beklagten zu erklären.

Anlage K 1:

Lizenzvertrag zwischen

– im Folgenden: „Lizenzgeberin“ –

und

– im Folgenden: „Lizenznehmerin“ –

wird der nachfolgende urheberrechtliche Lizenzvertrag geschlossen:

Präambel:

Nachfolgender Nutzungsvertrag wird zum Zwecke des Betriebs eines sogenannten Onlinevideorekorders der Lizenznehmerin abgeschlossen. Im Rahmen dieses Onlinevideorekorders bietet die Lizenznehmerin ihren in Deutschland ansässigen Kunden unter anderem auch das Fernsehprogramm der Lizenzgeberin zur Aufnahme an. Beim Betrieb dieses Onlinevideorekorders stellen die Kunden der Lizenznehmerin mithilfe der von der Lizenznehmerin bereitgestellten Technologie Aufnahmen unter anderem aus dem Fernsehprogramm der Lizenzgeberin eigenständig her. Die Wiedergabe der Aufnahme auf dem Endgerät des Kunden erfolgt nicht zeitgleich mit der Weitersendung sondern frühestens fünf Minuten nach Beendigung der Aufnahme. Hinsichtlich der technischen Ausgestaltung wird auf das in der Anlage zu diesem Lizenzvertrag angefügte Gutachten von … vom 07.12.2011 sowie für den Zeitraum ab Mai 2013 auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 12.05.2013 (Anlage K 17) Bezug genommen.

1. Leistungsgegenstand. Die Lizenzgeberin räumt der Lizenznehmerin zur Nutzung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung für die Dauer und nach Maßgabe dieses Vertrages einfache Nutzungsrechte gemäß Ziff. 2 an den Rechten des von ihr gesendeten Fernsehprogramms … ein.

2. Die Rechteeinräumung umfasst die Weitersendung von Funksendungen und urheberrechtlich geschützten Werken von der Empfangseinheit an den Aufnahmeserver der Lizenznehmerin.

3. Der Vertrag wird zunächst für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 341.12.2012 geschlossen.

4. Für die Rechteeinräumung gemäß Ziff. 2 dieses Lizenzvertrages schuldet die Lizenznehmerin der Lizenzgeberin dem Grunde nach eine Lizenzgebühr.

Die Lizenznehmerin bietet der Lizenzgeberin an, für die Rechteinräumung gemäß Ziff. 2 eine Lizenzgebühr in Höhe von … Euro/Nutzer/Monat zu zahlen.

Alternativ zu diesem Angebot ist die Lizenzgeberin befugt, die Lizenzgebühren nach ihrem billigen Ermessen festzulegen. Ob die Lizenzgebühren der Billigkeit entsprechen, soll Gegenstand einer Überprüfung sein und mit rückwirkendem Effekt durch ein Gericht geändert werden könne, welches von der Lizenznehmerin anzurufen ist.

5. Zur Abgeltung von Vergangenheitsansprüchen der Lizenzgeberin gegen die Lizenznehmerin aus einer Weitersendung des von der Lizenzgeberin gesendeten Fernsehprogramms schuldet die Lizenznehmerin dem Grunde nach eine Zahlung, deren Höher im Wege der Lizenzanalogie zu bestimmen ist. Als Surrogat für diesen Anspruch dient der im Hinterlegungsverfahren vor dem AG München, Az. 38 HL 246/11 hinterlegte Betrag.

6. Die Lizenzgebühr (brutto) ist in einem Betrag für das jeweilige Vertragsjahr am 30.06. des jeweils laufenden Kalenderjahres fällig, für das erste Vertragsjahr 2012 nach Rechnungseingang. Der Vertrag wird rückwirkend ab dem 01.01.2012 geschlossen.

7. Die Nutzung des Sendesignals der Lizenzgeberin gemäß Ziff. 2 darf nur zeitgleich, vollständig und inhaltlich unverändert erfolgen.

8. die vertraglich eingeräumten Nutzungsrechte sind nicht auf Dritte übertragbar.

9. Der Vertrag verlängert sich automatisch um ein Jahr, wenn nicht die Lizenznehmerin unter Nachweis einer Einstellung der vertraglichen Nutzungen oder die Lizenzgeberin den Vertrag mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines jeden Kalenderjahres kündigt.

10. Die Lizenzgeberin kann den Lizenzvertrag aus wichtigem Grund kündigen, wenn die Lizenznehmerin zukünftig den Rechtsbestand der lizenzierten Schutzrechte angreift.

11. Im Übrigen bleibt das Recht zur fristlosen Kündigung des Lizenzvertrages aus wichtigem Grund durch diesen Vertrag unberührt.

12. Dieser Lizenzvertrag steht unter der Bedingung, dass die Lizenzgeberin die Rechte an dem unter Ziff. 1 genannten Fernsehprogramm allein wahrnimmt.

sowie für den Fall einer auch nur teilweisen Klagabweisung,

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, jedenfalls nach der alten Technologie komme zwar das vollständige Programm auf dem Aufnahmeserver der Klägerin an, wo unabhängig von der Zahl derjenigen Nutzer, die eine Sendung aus dem Fernsehprogramm der Beklagten zur Aufnahme programmiert haben, zunächst nur eine Vervielfältigung („Masterkopie“) angefertigt werde. Weitergeleitet an den kundenindividuellen Speicherplatz auf dem File-Server würden hingegen nur diejenigen einzelnen Sendungen, die ein Kunde zur Aufnahme programmiert habe. Dies stelle (mit Rücksicht auf die „Masterkopie“ nicht nur eine unerlaubte Vervielfältigung, § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG, sondern) auch nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes (ZUM-RD 2013, 314 Tz. 54) einen Eingriff in das Senderecht der Beklagten (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1; 20 UrhG) dar. Zwar wäre dieser Eingriff nicht widerrechtlich, wenn die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes nach § 87 Abs. 5 UrhG vorlägen, die Beklagte mithin zum Abschluss eines Lizenzvertrags mit der Klägerin verpflichtet wäre, weil deren Dienst (nicht nur als Weitersendung, sondern spezifisch) als Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG zu qualifizieren wäre. Dies sei indes nicht der Fall, wie sowohl die Schiedsstelle (wiederholt, so etwa Az. Sch-Urh 152/10 = Anlage B 1; Sch-Urh 4/11 = Anlage B 2; Sch-Urh 17/11= Anlage K 10/B 3) als auch das OLG München (Az. 29 U 3792/10 = Anlage B 4) befunden hätten. Gegenteiliges habe auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11. April 2013 (ZUM-RD 2013, 314) nicht judiziert.

Zum Tatsächlichen sei vorab zu bestreiten, dass die Weitersendung drahtgebunden erfolge. Des Weiteren sei anzumerken, dass die Klägerin ihre (weltweit zugänglichen) Dienste mitnichten lediglich inländischen Nutzern anbiete und auch die in den AGB enthaltene Beschränkung des Zugriffs (der angeblich nur vom Inland aus möglich sei) ihren Nutzern gegenüber keineswegs durchsetze, wie Anlagen B 10, 11 belegten. Unzutreffend seien des Weiteren die Angaben der Klägerin zu dem von den Nutzern zu entrichtenden monatlichen Entgelt, das in Wahrheit für die Variante „Save.TV Basis“ bis zu einer Höhe von € 9,99/Monat, für das Paket „Save.TV XL“, in welchem die Klägerin Werbeunterbrechungen aus den Sendungen (insoweit unstreitig) herausschneide, bis zu € 14,99/Monat betrage. Schließlich habe die Klägerin ihre Dienste nicht erst ab 2006, sondern bereits im Herbst 2005 auf das Programm der Beklagten erstreckt. Dass sie mittlerweile technische Änderungen am System vorgenommen habe, sei zu bestreiten, indes für den Rechtsstreit unerheblich.

Zum Rechtlichen sei festzuhalten, dass die von der Klägerin vorgenommene Weitersendung keine Kabelweitersendung i.S.d. §§ 87 Abs. 5, 20b UrhG darstelle, sondern, wie sowohl die Schiedsstelle (Anlagen B 1 bis B 3), das DPMA als Aufsichtsbehörde (Anlage B 5) als auch das OLG München (Az. 29 U 3792/10 = Anlage B 4) befunden hätten, um eine davon zu unterscheidende wirtschaftlich wie technisch eigenständige Nutzungsart, die (wie terrestrische Sendungen oder solche über das Internet zwar dem § 20 UrhG unterfielen, jedoch) nicht als Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG zu qualifizieren sei; anders als bei der herkömmlichen Kabelweitersendung benötige der Kunde nämlich kein eigenes Aufzeichnungsgerät, könne Sendungen aus mehreren Programmen gleichzeitig aufzeichnen und die aufgezeichneten Sendungen weltweit über das Internet abrufen. Zudem zahle der Kunde für den Online-Videorecorder ein monatliches Entgelt unabhängig davon, ob er über eine eigene Antenne oder einen eigenen Kabelanschluss verfüge. Unterliege der Dienst der Klägerin schon deshalb nicht dem Abschlusszwang des § 87 Abs. 5 UrhG (eine erweiternde Auslegung komme aus dogmatischen Erwägungen nicht in Betracht), wäre selbst dann, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehen wollte, dass die von ihr praktizierte Weitersendung keine eigenständige, im Rahmen des Verwertungsrechts nach § 20 UrhG unbenannte Nutzungsart sei, sondern – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – als Kabelweitersendung qualifiziert werden könnte, ein Abschusszwang nach § 87 Abs. 5 UrhG nicht gegeben. Denn ihr Modell erfülle nicht die Tatbestandsmerkmale des § 20b UrhG, da die Weitersendung nicht das vollständige Programm betreffe und im Übrigen auch nicht kabelgebunden erfolge. Entgegen der Darstellung der Klägerin sei der Beurteilung mit dem Bundesgerichtshof (ZUM-RD 2013, 314 Tz. 40 f.) nicht nur der Weg von der Empfangsantenne bis zum Aufnahmeserver, sondern die gesamte Strecke bis zu den individuellen Speicherplätzen der Kunden (d.h. deren Online-Videorecorder, BGH ZUM 2009, 765 Tz. 2) zugrunde zu legen. Nur wenn die Weitersendung auf der gesamten Strecke vollständig, zeitgleich und unverändert erfolge, liege eine Kabelweitersendung vor, so dass ein Abschlusszwang nach § 87 Abs. 5 UrhG in Betracht komme; dagegen genüge es nicht, dass die Weitersendung bis zum (den individuellen Speicherplätzen vorgelagerten) Aufnahmeserver kabelgebunden und insbesondere vollständig erfolge. Eben dies sei aber bei dem Dienst der Klägerin (trotz deren insoweit durchaus changierenden Vortrags) der Fall, da dort (wie bei einer Mediathek) zwischen Aufnahmeserver und den individuellen Speicherplätzen nur noch einzelne Sendungen, nicht hingegen das gesamte Programm weitergesendet würden. Eine bloß selektive Weitersendung einzelner Programmbestandteile könne nach der ratio legis des § 87 Abs. 5 UrhG (nämlich das Geschäftsmodell von Unternehmen zu fördern, die – anders als die Klägerin – durch hohe Investitionen in ein Kabelnetz und dessen Unterhalt einem großen Publikum Fernsehprogramme zugänglich machen) nicht in den Genuss der Privilegierung nach dieser Norm kommen. Dies gelte gleichermaßen für die angeblich neuerdings verwendete Technologie, kämen doch auf dem File-Server, von dem aus der Nutzer seine Aufzeichnungen abrufen könne, nur unvollständige und veränderte Programmteile (gespeicherte Sendungen) an. Hinzu komme, dass auf Wunsch des Kunden die Klägerin aus den einzelnen Sendungen auch die Werbung herausschneide, so dass sie eine weitere Veränderung vornehme. Im Übrigen lasse die – insoweit darlegungs- und beweisbelastete – Klägerin auch jeglichen belastbaren Vortrag dazu vermissen, dass die Weiter-Sendung bis zu den individuellen Speicherplätzen der Kunden kabelgebunden sei. Die Privatgutachten nach Anlage K 2 bzw. Anlage K 17 (betreffend die angeblich neue Technologie) enthielten sich insoweit jeglicher Ausführungen, wenn sie sich auf die Darstellung des Wegs von der Empfangsantenne bis zum Aufnahmeserver bzw. den vorgelagerten TV-Karten beschränkten. Keinesfalls sei der Klägerin darin zu folgen, dass nach der Umstellung der Aufnahmeserver als der persönliche Videorecorder des Nutzers anzusehen sei. Denn hierauf habe der Kunde keinen Zugriff, vielmehr könne er Sendungen ausschließlich über den File-Server der Klägerin wahrnehmen. Wie die Herstellung der angeblich kundenindividuellen Vervielfältigungsstücke auf dem Aufnahmeserver funktioniere, trage die insoweit beweisbelastete Klägerin ohnehin nicht vor, insbesondere lege sie nicht dar, dass hierbei keine Veränderung des Sendesignals stattfinde. Jedenfalls sei zu bestreiten, dass nunmehr keine „Masterkopie“ mehr gefertigt werde – das Gutachten nach Anlage K 17 (dort S. 14 ff, 17) belege vielmehr das Gegenteil.

Selbst wenn man schließlich eine Kabelweitersendung annehmen wollte, wäre die Beklagte nicht zum Abschluss eines Lizenzvertrags verpflichtet, da ihr sachlich gerechtfertigte Ablehnungsgründe zur Seite stünden: Zum einen gehe die für den Online-Videorecorder gewählte (alte) Technologie, wie der Bundesgerichtshof rechtskräftig befunden habe, im Hinblick auf die erstellte „Masterkopie“ mit einer Verletzung des Vervielfältigungsrechts (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) der Beklagten einher – ein Eingriff, den die Klägerin auch fürderhin ohne die erforderliche gesonderte Lizenz fortsetzen wolle. Schon aus diesem Grund sei der Beklagten eine Lizenzierung, die mit der Weitersendung lediglich einen Teil des klägerischen Angebots legalisiere, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (ZUM 2009, 949 – Seeing is Believing) nicht zumutbar. Hinzu komme, dass die Klägerin die Zwangslizenz auch nicht etwa für die gesamte Strecke der Weiterleitung (bis zum individuellen Speicherplatz des Kunden) verlange, sondern lediglich bis zum Aufnahmeserver, mithin einen Teil der Weitersendung unlizenziert betreiben wolle. Auch hierauf müsse sich die Beklagte – unabhängig von der Unteilbarkeit des Weitersenderechts – nicht einlassen: denn es könne von ihr nicht verlangt werden, gewerbsmäßige Rechtsverletzungen durch Abschluss eines Lizenzvertrags zu fördern. Des Weiteren sei zu sehen, dass sich die Beklagte in zahlreichen Verträgen mit ihren Lizenzgebern dazu verpflichtet habe, Angebote wie dasjenige der Klägerin nicht zu lizenzieren; gerade bei fremdproduzierten Sendeinhalten verfüge sie vielfach nicht über das Recht, diese zur Verwendung im Internet zu lizenzieren. Ihr Rechtseinkauf – für sie von elementarer Bedeutung – würde daher durch eine Zwangslizenz massiv gestört. Insbesondere sei der Vortrag der Klägerin zur angeblichen territorialen Begrenzung ihres Angebots, wie ausgeführt, falsch. Soweit sie darauf verweise, dass die Beklagte ihr Programm via Satellit auch außerhalb Deutschlands ausstrahle, sei dies schon deshalb unbehelflich, weil Rechte, die die Beklagte für die Satellitenausstrahlung ihres Programms erwerbe (§ 20a UrhG), nichts mit den bei einer Weitersendung mit sonstigen technischen Mitteln einschlägigen Rechten gemein hätten.

Schließlich sehe das Vertragsangebot der Klägerin nach Anlage K 1 auch keine angemessenen wirtschaftlichen Bedingungen vor: die Klägerin berechne die von ihr zu zahlenden Lizenzgebühren an Hand des Kabelweitersendetarifs der VG Media, der sich indes ausschließlich auf eine herkömmliche lineare Kabelweitersendung beziehe; die Weitersendung an einen Online-Videorecorder, die zu einer weltweiten Verfügbarkeit der gespeicherten Inhalte führten, werde in dem Tarif weder adressiert noch ansatzweise adäquat abgebildet. Zudem halbiere die Klägerin den Lizenzsatz von 1,25% auf 0,625% – die dafür gegebene Begründung dahingehend, dass die Kabelweitersendung nur wenige Meter betrage, sei nicht tragfähig, komme es doch nicht auf die Übertragungsstrecke, sondern auf den mit der Weiterleitung verbundenen wirtschaftlichen Nutzen an – und lege überdies der Berechnung jeweils nur das günstigste monatliche Nutzungsentgelt von € 4,99 zugrunde, während sie in Wahrheit, wie aufgezeigt, monatliche Entgelte bis zu € 14,99 von ihren Nutzern (die von der Klägerin insoweit genannten Zahlen seien mit Nichtwissen zu bestreiten) vereinnahme.

Lediglich ergänzend sei anzumerken, dass auch ein kartellrechtlicher Abschlusszwang nicht in Betracht komme. Zum einen könne von einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten keine Rede sein, werde doch der Dienst der Klägerin – ebenso wie vergleichbare Angebote, z.B. shift.TV oder Bong.TV – seit mehreren Jahren erfolgreich vermarktet, ohne dass das Programm der Beklagten dort zur Verfügung stünde. Zum anderen sei das angerufene Gericht nach § 87 GWB für die Beurteilung kartellrechtlicher Streitigkeiten nicht zuständig.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, des Weiteren auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04. Dezember 2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit sie im Hauptantrag auf einen Kontrahierungszwang nach § 87 Abs. 5 UrhG gestützt ist, sowohl hinsichtlich der alten Technologie (Anlage K 2) wie auch in Bezug auf die (unterstellt) nunmehrige Verfahrensweise (wie in Anlage K 17 beschrieben) zulässig, hat indes in der Sache keinen Erfolg. Soweit der begehrte Abschluss eines Lizenzvertrags hilfsweise auf kartellrechtliche Vorschriften gestützt ist, ist die Klage mangels Zuständigkeit des Senats unzulässig. Im Einzelnen:

A. Anspruch auf Abschluss des Lizenzvertrags nach § 87 Abs. 5 UrhG

I. Die auf Abschluss des Lizenzvertrags betreffend die Kabelweitersendung des von der Beklagten veranstalteten Programms (§14 Abs. 1 Nr. 2 UrhWG) gerichtete Klage ist zulässig, soweit die Klägerin ihr Begehren auf den Kontrahierungszwang des § 87 Abs. 5 UrhG stützt. Insbesondere ist das Oberlandesgericht München insoweit im ersten Rechtszug örtlich und sachlich ausschließlich für die verlangte Annahme des Vertragsangebots nach Anlage K 1 zuständig, § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG. Die nach § 16 Abs. 1 UrhWG weiter erforderliche Prozessvoraussetzung eines der gerichtlichen Geltendmachung vorangegangenen, die streitgegenständliche Lizenzierung betreffenden Schiedsstellenverfahrens (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 UrhWG) liegt ebenfalls vor: Zwar hat die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag vom 31. Oktober 2012 (Az. Sch-Urh 17/11, Anlage K 10) vorrangig die seinerzeit (jedenfalls bis April 2013) für den Video-Onlinerecorder verwendete Technologie der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt, während das (nach den bestrittenen Angaben der Klägerin) seit Mai 2013 gewählte Verfahren, welches (unterstellt) auf die Erstellung einer „Masterkopie“ auf dem Aufnahmeserver verzichtet und stattdessen unmittelbar kundenindividuelle Aufnahmen in dem jeweiligen Nutzer (auf dem Aufnahmeserver) zugewiesenen Kundenfächern fertigt, nicht explizit Gegenstand der Erörterung vor der Schiedsstelle war. Dies hindert indes die Zulässigkeit der Klage auch im Hinblick auf die aktuelle Technologie nicht. Unbehelflich ist zwar in diesem Zusammenhang der Hinweis der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, wonach eine Befassung der Schiedsstelle mit dem insoweit identischen Verfahrensablauf jedenfalls in dem parallelen Rechtsstreit gegen die Shift.TV (vgl. BGH GRUR 2013, 618 – Internet-Videorecorder II) vorliege; denn die Prozessvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG muss nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen zwischen den Parteien des Rechtsstreits, nicht lediglich abstrakt gegeben sein. Führt man sich jedoch vor Augen, dass die Abwandlung in der verwendeten Technologie mit dem (unterstellten) Verzicht auf die Erstellung einer „Masterkopie“ ausschließlich den rechtlichen Gesichtspunkt der Vervielfältigung des Programms der Beklagten i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG, nicht hingegen die hier allein streitgegenständliche Frage der (Kabel-)Weitersendung, § 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 UrhG, betrifft (- eine Beurteilung, in der sich der Senat auch durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ZUM-RD 2013, 314 Tz. 56, bestätigt sieht, wenn dort ausgeführt ist, dass die Zwischenspeicherung von Sendesignalen auf dem Aufnahmeserver der Klägerin für die Frage der Weitersendung keine Rolle spiele), stellt sich der zwischen den Streitparteien im Schiedsstellenverfahren Sch-Urh 17/11 ergangene Einigungsvorschlag vom 31. Oktober 2012 (Anlage K 10) betreffend die alte Technologie (mit „Masterkopie“) auch für die abgewandelte (nach Angaben der Klägerin seit Mai 2013 verwendete) Verfahrensweise als taugliche Grundlage i.S.d. § 16 Abs. 1 UrhWG dar. Denn die Frage, ob der von der Klägerin mit ihrem Online-Videorecorder angebotene Dienst als (Kabel-)Weitersendung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 UrhG zu qualifizieren sei, wird unabhängig vom Gesichtspunkt einer daneben verwirklichten Vervielfältigung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) bereits in dem Einigungsvorschlag nach Anlage K 10 behandelt. Liegt demnach die Prozessvoraussetzung des § 16 Abs. 1 UrhWG auch in Bezug auf die abgewandelte Technologie vor, stellt sich zudem der Widerspruch der Klägerin vom 09. Dezember 2012 (Anlage K 11) als rechtzeitig dar. Denn in Streitfällen betreffend die Einräumung von Nutzungsrechten der Kabelweitersendung beträgt die Widerspruchsfrist des § 14a Abs. 3 Satz 2 UrhWG drei Monate ab Zustellung (hier: 07. November 2012) des Einigungsvorschlags. Damit unterliegt die Zulässigkeit des klägerischen Begehrens – soweit es auf § 87 Abs. 5 UrhG gestützt ist – insgesamt keinen durchgreifenden Bedenken.

II. Aus dem Kontrahierungszwang des § 87 Abs. 5 UrhG kann die Klägerin jedoch keinen Anspruch gegen die Beklagte dahingehend herleiten, ihr – zu angemessenen Bedingungen – ein einfaches Nutzungsrecht zur Kabelweitersendung des Programms der Beklagten im Zusammenhang mit dem Online-Videorecorder Save.TV einzuräumen.

Dabei kann dahinstehen, ob – wie von den Parteien kontrovers diskutiert – der klägerische Dienst als von der Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG verschiedene, in §§ 20 ff. UrhG nicht benannte Ausprägung des Senderechts einzustufen ist, die dem Anwendungsbereich des § 87 Abs. 5 UrhG eo ipso entzogen sei (so die Beklagte im Anschluss an OLG München, Urteil vom 18. November 2010, Az. 29 U 3792/10, ZUM 2011, 167 = Anlage B 4; zweifelnd Dreier in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 20b Rdnr. 1). Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 87 Abs. 5 UrhG liegen bereits aus anderen Gründen weder in Bezug auf die früher verwendete Technologie (dazu unten 11.2.) noch hinsichtlich der aktuellen Verfahrensweise (dazu unten 11.4.) vor.

1. Nach § 87 Abs. 5 UrhG sind Sendeunternehmen (wie die Beklagte) und Kabelunternehmen – eine Eigenschaft, die die Klägerin für sich beansprucht – grundsätzlich verpflichtet, einen Vertrag über die Kabelweitersendung i.S.d. § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG abzuschließen, sofern nicht ein die Ablehnung des Vertragsschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht. Die mit diesem Kontrahierungszwang einhergehende Einschränkung der Vertragsfreiheit steht nach allgemeiner Ansicht (vgl. Nachweise bei Dreier, a.a.O., § 87 Rdnr. 26) im Einklang mit der (durch § 20b Abs. 1 Satz 2 UrhG umgesetzten) Richtlinie 93/83/EWG Satellit und Kabel, die in Erwägungsgrund 30 sowie spezifisch in Art. 12 dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich die Förderung vertraglicher Vereinbarungen über die Kabelweiterverbreitung aufgibt. Voraussetzung für den Kontrahierungszwang ist indes, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrem Internet-Videorecorder eine Kabelweitersendung vornimmt. Dieses als Unterfall des Weitersenderechts (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 UrhG) in § 20b UrhG geregelte Nutzungsrecht setzt nach der Legaldefinition des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG voraus, dass das von einem Sendeunternehmen (im Rahmen einer Erstsendung, vgl. Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 6) gesendete Werk, welches in ein (von dem Sendeunternehmen zusammengestelltes und verantwortetes) Programm eingebettet ist (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 7), zeitgleich, unverändert und vollständig (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 8) durch Kabelsysteme (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 9) weitergeleitet wird. Fehlt es an einer Einbettung in ein Programm, werden mithin lediglich einzelne Werke per Kabel an eine Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG (Dreier, a.a.O., § 87 Rdnr. 9, 10) weitergeleitet, liegt eine Kabelweitersendung nicht vor (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 7). Gleiches gilt, sofern die Weitersendung des Programms unvollständig ist; denn derjenige, der sich auf die Weiterleitung der beliebtesten Sendungen aus – einem oder mehreren – fremden Programmen beschränkt und auf diese Weise gleichsam sein eigenes „Rosinenprogramm“ (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 8) zusammenstellt, soll nach der ratio legis (vgl. Erwägungsgrund 30 der Richtlinie 93/83/EWG) nicht in den Genuss des nach § 87 Abs. 5 UrhG erleichterten Rechtserwerbs kommen.

2. Ausgehend hiervon hat die Klägerin mit der für ihren Online-Videorecorder früher verwendeten Technologie, wie sie auch der Beurteilung durch den Bundesgerichtshof in den beiden Revisionsentscheidungen ZUM 2009, 765 und ZUM-RD 2013, 314 zugrunde lag, eine Kabelweitersendung nicht vorgenommen. Denn nach dem damaligen Modell hat die Klägerin – zwar, wie der BGH in der Entscheidung ZUM-RD 2013, 314 Tz. 56 ausgeführt hat, ungeachtet der mit der Speicherung einer „Masterkopie“ auf dem Aufnahmeserver einhergehenden gewissen Zeitverschiebung eine zeitgleiche, jedoch -weder eine in das Programm der Beklagten eingebettete vollständige noch – soweit der Tarif XL betroffen ist – eine unveränderte Weiterleitung der Sendungen vorgenommen. Schließlich hätte sie auch nicht dargetan, dass das von der Beklagten ausgestrahlte Sendesignal auf der gesamten relevanten Strecke kabelgebunden übertragen wurde. (Lediglich vorsorglich ist anzumerken, dass der Bundesgerichtshof in den genannten Revisionsentscheidungen ZUM 2009, 765 und ZUM-RD 2013, 314 die in Rede stehenden Technologie zwar als Eingriff in das Senderecht der Beklagten, §§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1, 20 UrhG, qualifiziert hat; eine – wie die Klägerin meint, vom Senat zu beachtende – Beurteilung dahingehend, dass auch die Voraussetzungen einer Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG als besonderer Ausprägung des Weitersenderechts erfüllt seien, hat er hingegen nicht getroffen, wenn er in der Entscheidung ZUM-RD 2013, 314 den Rechtsstreit zur Prüfung des Einwands nach § 87 Abs. 5 UrhG einschließlich der sich daraus ergebenden Vorfragen – darunter die Frage, ob eine Kabelweitersendung vorliege – an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat.) Im Einzelnen:

a. Eine Kabelweitersendung i.S.d. §§ 87 Abs. 5, 20b UrhG setzt zunächst voraus, dass eine Weiterübertragung der empfangenen Sendesignale auf der gesamten relevanten Übertragungsstrecke kabelgebunden erfolgt. Bereits dies hat die Klägerin, wie die Beklagte zu Recht moniert, nicht schlüssig dargelegt, wenn sie ausführt, jedenfalls bis zu den TV-Karten am Aufnahmeserver erfolge die Weitersendung per Kabel. Denn die der Beurteilung zugrunde zu legende (an den Satellitenschüsseln beginnende) Übertragungsstrecke endet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht etwa – mit der Erstellung der „Masterkopie“ einer vom Nutzer zur Aufnahme programmierten Sendung – auf dem Aufnahmeserver der Klägerin, sondern erst (nach Weiterleitung der kundenspezifischen Datei auf einen Encoding-Server, Umwandlung des Dateiformats und neuerliche Weiterleitung) auf dem File-Server als demjenigen Ort, an dem der Nutzer (per Internet) tatsächlichen Zugriff auf die von ihm aufgenommene Sendung hat, sie mithin (per Streaming) ansehen oder auf seinen PC herunterladen kann, widrigenfalls es bereits am Merkmal der Weitersendung an eine Öffentlichkeit fehlt. Wenn die Klägerin demgegenüber als relevante Übertragungsstrecke lediglich den Abschnitt zwischen den Einrichtungen, die das von der Beklagten ausgestrahlte Satellitensignal empfangen (Satellitenschüsseln), und dem (vom Nutzer durch vorhergehendes Programmieren einer Sendung aktivierten) Aufnahmeserver mit der Erwägung für ausschlaggebend hält, dieser stehe dem Bildschirm des Nutzers im Fall einer üblichen Übertragung oder Kabelweitersendung (ohne Recording) gleich, da in beiden Fällen allein er (der Nutzer) darüber entscheide, welche der (am Aufnahmeserver wie am Bildschirm) vollständig eingehenden Sendesignale er aufnehmen bzw. sich ansehen möchte, teilt der Senat diese Gleichsetzung nicht: denn der Nutzer, der sich entschlossen hat, eine Sendung am Bildschirm zu verfolgen, kann dies bei der herkömmlichen Kabelweitersendung – nach Einschalten des Geräts – unverzüglich tun. Im Fall des Online-Videorecorders genügt es hingegen nicht, dass das Sendesignal auf dem Aufnahmeserver angekommen ist. Denn hierauf hat der Kunde als Teil der Öffentlichkeit, an welche das Sendesignal weitergeleitet wird (ungeachtet des Umstands, dass allein er eine Speicherung des Signals auf dem Aufnahmeserver auslöst) keinen Zugriff: Mit dem bloßen Veranlassen der Speicherung steht ihm der Dateiinhalt noch nicht zum Genuss zur Verfügung. Betrachten kann er die von ihm vorab zur Aufnahme programmierte Sendung vielmehr erst dann, wenn sie – nach Weiterleitung auf den Encoding-Server zur Umwandlung in ein entsprechendes Dateiformat – in seinem Kundenfach auf dem File-Server der Klägerin abgelegt ist. Der Klägerin ist mithin insoweit zuzustimmen, als nicht der (willkürlich wählbare) Zeitpunkt ausschlaggebend ist, zu dem der Nutzer seine gespeicherte Kopie abruft; die Weiterleitung des Sendesignals endet indes erst dann, wenn der Nutzer seine Kopie abrufen kann. In dieser Beurteilung sieht sich der Senat im Übrigen bestätigt durch die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der zweiten Revisionsentscheidung ZUM-RD 2013, 314 Tz. 56, wenn er dort (Tz. 56 Satz 2 und Satz 3) ausdrücklich von einer Weitersendung nach vorheriger Zwischenspeicherung des empfangenen Signals spricht.

Dies zugrunde gelegt, hat die Klägerin – wie die Beklagte zutreffend moniert – bereits nicht dargetan, dass das Sendesignal über die gesamte relevante Strecke bis zu den Kundenfächern auf dem File-Server via Kabelsystem weitergeleitet wird, so dass der Senat bereits aus diesem Grund nicht zu konstatieren vermag, dass die Klägerin eine Kabelweitersendung betreibt.

b. Eine Qualifizierung des von der Klägerin unterhaltenen Dienstes als Kabelweitersendung i.S.d. § 20b UrhG scheitert darüber hinaus auch daran, dass die Klägerin lediglich einzelne, aus dem Programm verschiedener Sendeunternehmen wie der Beklagten isolierte Sendungen (oder gar Sendungsteile, vgl. das Gutachten gemäß Anlage K 17, dort S. 5, wonach der Nutzer nicht nur eine Sendung, sondern lediglich ein Segment daraus anfordern kann und im Übrigen – so das Beispiel S. 18 des Gutachtens – auch die Aufnahme einer Sendung beliebig abbrechen kann) und nicht, wie dies nach allgemeiner Ansicht (Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 7; Dustmann in: Fromm/Nordemann, UrhG, 11. Aufl., § 20b Rdnr. 11) erforderlich ist, das von der Beklagten gestaltete (vgl. Dustmann, a.a.O., § 20b Rdnr. 11) Programm als solches bzw. die in ein Programm eingebetteten Sendungen an eine Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs. 3 UrhG weiterleitet. Eine solche Übernahme und Weiterleitung bloßer Programmteile oder gar einzelner Sendungen bzw. Sendungsteile ist aus dem Anwendungsbereich der Norm des § 20b UrhG, die nach ihrem Schutzzweck auf die rein technische Einspeisung eines laufenden Sendeprogramms in ein Kabelnetz beschränkt ist, ausgenommen (Dustmann, a.a.O., § 20b Rdnr. 12). Dass das vollständige Sendesignal an dem Aufnahmeserver der Klägerin anliegt, ist, wie die Schiedsstelle in ihrem Einigungsvorschlag ausgeführt hat, in diesem Zusammenhang nicht von Belang. Denn auf den (für den Zugriff des Nutzers auf die gespeicherte Sendung – und damit für die Herstellung einer Öffentlichkeit – maßgeblichen) File-Server geleitet werden nicht die vollständigen an dem Aufnahmeserver ankommenden Sendesignale, sondern nur diejenigen, die der Kunde zur Aufnahme programmiert hat (vgl. auch Dustmann, a.a.O., § 20b Rdnr. 12 a.E.). Ein derartiges vom Nutzer selbst nach eigenem Gusto zusammengestelltes „Rosinenprogramm“ ist von der Privilegierung des § 87 Abs. 5 UrhG nicht erfasst.

c. Schließlich findet – jedenfalls – im Tarif „Save.TV XL“ entgegen dem Erfordernis des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG auch insoweit keine vollständige und unveränderte Weiterleitung des von der Beklagten ausgestrahlten Sendesignals statt, als die Klägerin Werbeeinblendungen aus der Sendung eliminiert und so dem Kunden lediglich eine bearbeitete, „bereinigte“ Fassung eines einzelnen Werks zur Verfügung stellt. Für den umgekehrten Fall, dass die Sendung für eigene Werbeeinblendungen des Weiterleitenden unterbrochen wird, wird dies in der Literatur einhellig vertreten (vgl. Dreier, a.a.O., § 20b Rdnr. 8; Dustmann, a.a.O., § 20b Rdnr. 12; v. Ungern-Sternberg in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 4. Aufl., § 20b Rdnr. 11). Nichts anderes kann für das Herausschneiden von Werbung aus dem Programm gelten (ebenso LG Hamburg, ZUM 2004, 232, 233; v. Ungern/Sternberg, a.a.O., § 20b Rdnr. 11).

3. Stellt demnach der von der Klägerin zur Verfügung gestellte Online-Videorecorder unter Zugrundelegung der früheren Technologie keine Kabelweitersendung i.S.d. § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG dar, kann sie sich auf einen Lizenzierungszwang nach § 87 Abs. 5 UrhG unabhängig davon nicht berufen, ob der Beklagten ein sachlich rechtfertigender Grund für ihre Weigerung, der Klägerin die Rechte zur Kabelweitersendung ihres Programmes einzuräumen, zur Seite steht. Lediglich vorsorglich ist indes darauf hinzuweisen, dass ein solcher rechtfertigender Grund in dem Umstand zu sehen wäre, dass die hier in Rede stehende von der Klägerin früher verwendete Technologie, wie sie Gegenstand der Beurteilung durch den Bundesgerichtshof (ZUM 2009, 765; ZUM-RD 2013, 314) war, nach dessen insoweit rechtskräftigem Judikat angesichts der auf dem Aufnahmeserver zunächst gefertigten „Masterkopie“ zwangsläufig in das Vervielfältigungsrecht der Beklagten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG eingreift. Dass der Beklagten schlechterdings nicht zugemutet werden kann, durch Lizenzierung des Kabelweitersenderechts ihres Programmes an einer derartigen Verletzung ihres Vervielfältigungsrechts mitzuwirken, bedarf keiner vertieften Erörterung.

4. Nach Auffassung des Senats erlaubt auch die – nach den als zutreffend unterstellten Angaben der Klägerin – nunmehr im Kontext des Online-Videorecorders verwendete Technologie keine abweichende Beurteilung. Insbesondere ist der Umstand unerheblich, dass im Falle der Programmierung einer Sendung zur Speicherung auf dem Online-Videorecorder durch einen oder mehrere Kunden keine (das Vervielfältigungsrecht der Klägerin nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 UrhG verletzende) „Masterkopie“ auf dem Aufnahmeserver zur Zwischenspeicherung angelegt wird, sondern die Sendung unmittelbar aus dem empfangenen Signal in einem für den jeweiligen Nutzer spezifischen Fach auf dem Aufnahmeserver gespeichert, mithin vom Kunden selbst (nach § 53 UrhG privilegiert) vervielfältigt wird. Denn auch bei dieser Ausgestaltung des Vorgangs kann der Nutzer auf das ihm auf dem Aufnahmeserver zugeordnete Fach nicht über das Internet zugreifen, d.h. die Kopie aus seinem Fach im Wege des Streamings ansehen oder auf seinen PC herunterladen; vielmehr ist ihm dies erst dann möglich, wenn die Dateien aus seinem Fach auf dem Aufnahmeserver in den Encoding-Server zur Konvertierung verschoben und von dort auf den File-Server weitergeleitet worden sind. Da mithin die Übertragungsstrecke ebenso wie bei dem früher verwendeten Verfahren erst auf dem File-Server endet, kann hinsichtlich der Frage, ob die Weiterleitung des Signals vollständig kabelgebunden erfolgt bzw. ob das Signal vollständig, zeitgleich und unverändert weitergeleitet wird, auf die Ausführungen unter 11.2. Bezug genommen werden: Da nach der Legaldefinition des § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG eine Kabelweitersendung auch hinsichtlich dieser Variante nicht vorliegt, steht der Klägerin in Bezug auf die (unterstellt) nunmehr verwendete Technologie ebenfalls kein Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags zur Kabelweitersendung des Programms der Beklagten, § 87 Abs. 5 UrhG, zu, so dass die Frage, ob die übrigen Voraussetzungen eines Kontrahierungszwangs, wie sie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes GRUR 2009, 964 – Orange-Book-Standard niedergelegt sind, als nicht entscheidungserheblich dahinstehen kann.

B. Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrags nach §§ 33, 19, 20 GWG

Soweit die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Abschluss des Lizenzvertrags nach Anlage K 1 hilfsweise auf § 33 GWB unter dem Gesichtspunkt der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 GWB) bzw. einer relativen Marktmacht (§ 20 GWB) stützt, ist das Begehren unzulässig. Denn nach § 87 GWB sind für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, die die Anwendung dieses Gesetzes betreffen, die Landgerichte ausschließlich zuständig. Eine Prüfung des Anspruchs in der Sache ist dem Senat daher insoweit verwehrt.

C. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 709 ZPO, § 16 Abs. 4 Satz 2 UrhWG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen: Dass die Rechtssache – nach wiederholter Befassung des Bundesgerichtshofes mit dem Dienst der Klägerin – nach wie vor grundsätzliche Bedeutung hätte oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderte, zeigt die Klägerin nicht auf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a