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BGH entgegen dem BPatG: Sparkassen-Rot muss nicht gelöscht werden

30. September 2016
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rotes Schild mit der Aufschrift "BANK" in weißen Buchstaben Beschluss des BGH vom 21.07.2016, Az.: I ZB 52/15

a) Im Rahmen einer Befragung zur Erstellung eines demoskopischen Gutachtens zur Verkehrsdurchsetzung ist mit der Eingangsfrage zu ermitteln, ob der Befragte das in Rede stehende Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen schon einmal wahrgenommen hat. Erst im Anschluss daran kann bei dem Personenkreis, der das Zeichen kennt, nachgefragt werden, ob er es als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen sieht. Dabei darf die Eingangsfrage den herkunftshinweisenden Charakter des Zeichens nicht bereits suggerieren.

b) Steht fest, dass mehrere Dienstleistungen unterschiedlicher Art typischerweise von einem einzigen Unternehmen erbracht werden (hier: Bankdienstleistungen für Privatkunden) und der angesprochene Verkehr erwartet, wenn er die wichtigste dieser Dienstleistungen in Anspruch nimmt (hier: Führung eines Girokontos), dass das Unternehmen auf Anfrage weitere Dienstleistungen (hier: Ausgabe von Debit- und Kreditkarten, Kredite, Geldanlagen usw.) anbietet, kann dieses Dienstleistungsbündel Gegenstand einer einzigen Befragung zur Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens sein, das hierfür Geltung beansprucht.

c) Ein demoskopisches Gutachten kann den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung erbringen, wenn es keine grundlegenden methodischen Mängel aufweist und nach Abschlägen einen Kennzeichnungsgrad von über 50% ergibt.

d) Ein demoskopisches Gutachten ist nicht geeignet, die Verkehrsdurchsetzung eines Zeichens zu widerlegen, wenn auf sein Ergebnis wegen methodischer Mängel Aufschläge gemacht werden müssen, die dazu führen, dass für das in Frage stehende Zeichen ein Kennzeichnungsgrad von über 50% erreicht wird.

e) Ebenso wie größere Zeiträume zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens regelmäßig die Annahme ausschließen, das Gutachtenergebnis könne auf den Anmeldetag zurückbezogen werden, stehen größere Zeiträume zwischen der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens und der Entscheidung über den Löschungsantrag im Regelfall dessen Verwertung im Rahmen der Prüfung einer Verkehrs-durchsetzung im Entscheidungszeitpunkt entgegen.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 21.07.2016

Az.: I ZB 52/15

 

Tenor

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2016

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers wird der am 8. Juli 2015 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluss des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.

Die Beschwerden der Löschungsantragstellerinnen gegen den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. April 2012 werden zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

A. Für den Markeninhaber ist die am 7. Februar 2002 als Kollektivmarke angemeldete abstrakte Farbmarke Nr. 30211120 „Rot“ (HKS 13)

für die Dienstleistungen der Klasse 36

„Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden), insbesondere Kontoführung, Durchführung des Zahlungsverkehrs (Girogeschäft), Ausgabe von Debit – und Kreditkarten, Abwicklung von Geldgeschäften mit Debit – und Kreditkarten, Anlage – und Vermögensberatung, Beratung zu und Vermittlung von Geldanlagen, Wertpapiergeschäft, Depotgeschäft, allgemeine Geldberatung, Vermittlung von Versicherungen, Beratung zu und Vermittlung von Bausparverträgen, Kreditberatung, Kredit-geschäft, Kreditvermittlung“

seit dem 11. Juli 2007 als verkehrsdurchgesetztes Zeichen eingetragen. Grundlage der Eintragung war ein vom Markeninhaber vorgelegtes demoskopisches Gutachten der IPSOS GmbH (im Folgenden: IPSOS-Gutachten) vom 24. Januar 2006.

Die Antragstellerinnen haben beim Deutschen Patent- und Markenamt am 19. und 22. Oktober 2009 die Löschung der Marke beantragt. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 24. April 2012 zurückgewiesen. Dagegen haben die Antragstellerinnen Beschwerde ein

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 8. März 2013 – 33 W (pat) 33/12 (BPatGE 53, 256) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Und 3 der Richtlinie 2008/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (MRRL) vorgelegt:

1. Steht Art. 3 Abs. 1 und 3 MRRL einer Auslegung des nationalen Rechts entgegen, wonach bei einer abstrakten Farbmarke (hier: Rot HKS 13), die für Dienstleistungen des Finanzwesens beansprucht wird, eine Verbraucherbefragung einen bereinigten Zuordnungsgrad von mindestens 70% ergeben muss, damit angenommen werden kann, dass die Marke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat?

2. Ist Art. 3 Abs. 3 Satz 1 MRRL dahin auszulegen, dass es auch dann auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Marke – und nicht auf den Zeitpunkt ihrer Eintragung – ankommt, wenn der Markeninhaber im Rahmen der Verteidigung gegen einen Antrag auf Ungültigerklärung der Marke geltend macht, dass die Marke jedenfalls über drei Jahre nach der Anmeldung, aber noch vor der Eintragung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe?

3. Für den Fall, dass es auch unter den oben genannten Voraussetzungen auf den Zeitpunkt der Anmeldung ankommt:

Ist die Marke bereits dann für ungültig zu erklären, wenn ungeklärt ist und nicht mehr geklärt werden kann, ob sie zum Zeitpunkt der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat? Oder setzt die Ungültigerklärung voraus, dass durch den Nichtigkeitsantragsteller nachgewiesen wird, dass die Marke zum Zeitpunkt der Anmeldung keine Unterscheidungskraft infolge ihrer Benutzung erlangt hat?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 19. Juni 2014 (C-217 und 218/13, GRUR 2014, 776 = WRP 2014, 940 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]) wie folgt entschieden:

1. Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, wonach es in Verfahren, in denen fraglich ist, ob eine konturlose Farbmarke infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, stets erforderlich ist, dass eine Verbraucherbefragung einen Zuordnungsgrad dieser Marke von mindestens 70% ergibt.

2. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Verfahrens zur Ungültigerklärung einer nicht originär unterscheidungskräftigen Marke bei der Beurteilung, ob diese Marke infolge Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat, zu prüfen ist, ob die Unterscheidungskraft vor der Anmeldung der Marke erworben wurde. Unerheblich ist insoweit, dass der Inhaber der streitigen Marke geltend macht, sie habe jedenfalls nach der Anmeldung, aber noch vor ihrer Eintragung, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt.

3. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/95 ist, wenn ein Mitgliedstaat von der in Satz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat, dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, die streitige Marke im Rahmen eines Löschungsverfahrens für ungültig zu erklären, sofern sie nicht originär unterscheidungs-kräftig ist und ihr Inhaber nicht den Nachweis erbringen kann, dass die Marke vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hatte.

Das Bundespatentgericht hat die Löschung der Klagemarke angeordnet (BPatG, GRUR 2015, 796).

Hiergegen wendet sich der Markeninhaber mit der vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Antragstellerinnen beantragen.

B. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass die Marke nach § 50 Abs. 1 und 2 Satz 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu löschen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Dem angegriffenen Zeichen fehle die originäre Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Dieses Schutzhindernis habe im Anmeldezeitpunkt und im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag vorgelegen. Die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) könnten zu den maßgeblichen Zeitpunkten nicht festgestellt werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung könne bei der vorliegenden Fallkonstellation nur auf der Grundlage von Verkehrsgutachten beurteilt werden. Die weiteren Umstände – wie Marktanteil, Größe des Filialnetzes und Werbeaufwand – seien nicht hinreichend aussagekräftig. Den vorgelegten Verkehrsgutachten sei eine Durchsetzung des roten Farbtons als Marke zum Anmeldezeitpunkt am 7. Februar 2002 nicht mit Sicherheit zu entnehmen. Dies gehe zu Lasten des Markeninhabers, weil diesem die Feststellungslast für die Verkehrsdurchsetzung im Anmeldezeitpunkt obliege. Es sei schon zweifelhaft, ob das IPSOS-Gutachten vom 24. Januar 2006 einen Rückschluss auf den Anmeldezeitpunkt im Jahre 2002 zulasse. Jedenfalls weise es grundlegende methodische Mängel auf. Die Bedenken gegen das Gutachten würden durch die von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Verkehrsbefragungen, insbesondere durch das Gutachten der GfK Empirische Rechtsforschung (im Folgenden: GfK-Gutachten) vom 29. Februar 2008, bestätigt. Die Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung könnten für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag ebenfalls nicht festgestellt werden. Das im Auftrag des Marken-inhabers erstellte Gutachten der Pflüger Rechtsforschung GmbH (im Folgenden: Pflüger-Gutachten) vom 20. Februar 2013 weise ebenfalls methodische Mängel auf und rechtfertige nicht die Feststellung eines Zuordnungsgrades über 50%. Aus dem von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach (im Folgenden: IfD-Gutachten) vom 19. Januar 2015 folge ebenfalls kein Durchsetzungsgrad von mindestens 50%. Eine weitere Beweiserhebung zur Frage der Verkehrsdurchsetzung zum Entscheidungszeitpunkt sei nicht veranlasst. Es sei ausgeschlossen, dass von den bisherigen Gutachten abweichende neue Erkenntnisse gewonnen werden könnten.

C. Die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Beschwerden der Löschungsantragstellerinnen.

I. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass dieses auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfragen beschränkt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 – I ZB 53/07, GRUR 2010, 231 Rn. 14 = WRP 2010, 377 – Legostein; Beschluss vom 10. Juli 2014 – I ZB 18/13, GRUR 2014, 872 Rn. 8 = WRP 2014, 1062 – Gute Laune Drops; Beschluss vom 23. Oktober 2014 – I ZB 61/13, GRUR 2015, 581 Rn. 6 = WRP 2015, 248 – Langenscheidt-Gelb; Beschluss vom 9. Juli 2015 – I ZB 65/13, GRUR 2015, 1012 Rn. 7 = WRP 2015, 1108 – Nivea-Blau).

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Bundespatentgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass dem angegriffenen Zeichen für die in Rede stehenden Dienstleistungen die originäre Unterscheidungskraft fehlt (dazu C II 1) und eine Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke nicht festgestellt werden kann (dazu C II 2). Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde jedoch gegen die Annahme des Bundespatentgerichts, eine Verkehrsdurchsetzung sei zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nicht nachgewiesen (dazu C II 3).

1. Das Bundespatentgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, das angegriffene Zeichen verfüge von Haus aus nicht über die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

a) Gemäß § 50 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke zu löschen, wenn ihr im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rn. 8 = WRP 2012, 337 – Link economy; Beschluss vom 4. April 2012 – I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rn. 7 = WRP 2012, 1396 – Starsat; Beschluss vom 22. November 2012 – I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rn. 11 = WRP 2013, 909 – Kaleido; BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 16 – Langenscheidt-Gelb). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutz-hindernis zu überwinden (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 – I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 – Willkommen im Leben; Beschluss vom 24. Juni 2010 – I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 = WRP 2010, 1504 – TOOOR!; BGH, GRUR 2014, 872 Rn. 12 – Gute Laune Drops; GRUR 2015, 581 Rn. 9 – Langenscheidt-Gelb).

aa) Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Farbmarken Anwendung, bei denen kein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei anderen Markenformen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 – Rechtssache C-447/02, Slg. 2004, I-10107 = GRUR Int. 2005, 227 Rn. 78 – Farbe Orange; EuGH, GRUR 2014, 776 Rn. 47 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]). Allerdings ist bei bestimmten Markenkategorien zu beachten, dass sie vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie eine herkömmliche Wort- oder Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Häufig schließen Verbraucher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung oder aus der Farbe eines Produkts nicht auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Unternehmen (EuGH, Urteil vom 6. Mai 2003 – C-104/01, Slg. 2003, I-3793 = GRUR 2003, 604 Rn. 65 – Libertel; Urteil vom 24. Juni 2004 – C-49/02, Slg. 2004, I-6129 = GRUR 2004, 858 Rn. 39 – Heidelberger Bauchemie; EuGH, GRUR Int. 2005, 227 Rn. 78 – Farbe Orange; BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – I ZB 76/08, GRUR 2010, 637 Rn. 12 = WRP 2010, 888 – Farbe gelb; BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 10 – Langenscheidt-Gelb; GRUR 2015, 1012 Rn. 11 – Nivea-Blau). Zudem ist bei abstrakten Farbmarken auch im Rahmen der Prüfung des Schutzhindernisses mangelnder Unterscheidungskraft das Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit der Farben für andere Wirtschaftsteilnehmer zu berücksichtigen (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 71 – Libertel; BGH, Beschluss vom 6. November 2013 – I ZB 59/12, GRUR 2014, 565 Rn. 17 = WRP 2014, 576 – smartbook).

Danach ist davon auszugehen, dass abstrakten Farbmarken die erforderliche Unterscheidungskraft im Allgemeinen fehlt. Bei solchen Marken ist deshalb regelmäßig zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die gleichwohl die Annahme rechtfertigen, die angemeldete Marke sei unterscheidungskräftig (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 66 und 71 – Libertel; GRUR Int. 2005, 227 Rn. 79 – Farbe Orange; BGH, GRUR 2010, 637 Rn. 13 und 29 – Farbe gelb). Solche Umstände, die für die Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbmarke sprechen, können darin bestehen, dass die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet ist, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 66 und 71 – Libertel; GRUR Int. 2005, 227 Rn. 79 – Farbe Orange; BGH, GRUR 2010, 637 Rn. 13 und 29 – Farbe gelb; GRUR 2015, 1012 Rn. 12 – Nivea-Blau). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Farbmarke für Dienstleistungen sind keine anderen Kriterien anzuwenden als im Fall von Farbmarken für Waren (EuGH, GRUR 2004, 858 Rn. 39 – Heidelberger Bauchemie; EuGH, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – C-45/11, GRUR Int. 2012, 333 Rn. 43 – Deutsche Bahn [Waagerechte Kombination der Farben Grau und Rot]).

bb) Diese Maßstäbe gelten auch im vorliegenden Fall für die Kollektivmarke des Markeninhabers. Gemäß § 97 Abs. 1 MarkenG können als Kollektivmarken alle als Marken schutzfähigen Zeichen im Sinne des § 3 MarkenG eingetragen werden, die geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen oder geographischen Herkunft, ihrer Art, ihrer Qualität oder ihren sonstigen Eigenschaften zu unterscheiden. Die Kollektivmarke muss daher ebenfalls über konkrete Unterscheidungskraft verfügen. Diese Unterscheidungskraft ist jedoch bei Kollektivmarken nicht auf die Individualisierungs- und Herkunftsfunktion der mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem einzelnen Unternehmen bezogen, sondern nach § 97 Abs. 1 MarkenG auf die Individualisierung und Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke nach ihrer betrieblichen oder geographischen Herkunft, ihrer Art, ihrer Qualität oder ihren sonstigen Eigenschaften im Verhältnis zu den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 1995 – I ZB 32/93, GRUR 1996, 270, 271 = WRP 1996, 300 – MADEIRA; Büscher in Bü-scher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 97 Rn. 8; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 99 Rn. 1 bis 3; Kober-Dehm in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 103 Rn. 2; im Ergebnis wohl ebenso Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 97 Rn. 5). Im Streitfall steht die Eignung der Kollektivmarke in Rede, die Dienstleistungen der Mitglieder des Markeninhabers von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen Herkunft zu unterscheiden. Es gelten vorliegend daher für die Kollektivmarke inhaltsgleiche Maßstäbe, wie sie bei einer Individualmarke zur Anwendung kommen.

b) Von diesen Grundsätzen ist das Bundespatentgericht im Ergebnis zu Recht ausgegangen.

aa) Das Bundespatentgericht hat angenommen, bei den angesprochenen Verkehrskreisen handele es sich um Endverbraucher. Diese seien nicht daran gewöhnt, allein aus der Farbe, die im Zusammenhang mit konkreten Dienstleistungen verwendet wird, auf den Erbringer der Dienstleistungen zu schließen, da Farben im Geschäftsverkehr vornehmlich nicht als Produktkennzeichen verwendet würden. Der von der streitgegenständlichen Farbmarke beanspruchte rote Farbton gehöre zu den beliebtesten Grundfarben mit starker Signalwirkung. Diese Farbe werde auch im Bankenbereich, im Bereich der Vermittlungsdienste von Versicherungen und von Bausparverträgen häufig verwendet, um eine hohe Aufmerksamkeit zu erzielen. Zwar benutzten einige Banken und Finanzdienstleister bestimmte Farben, teilweise im Zusammenhang mit dem Namen des Finanzinstituts, entsprechenden Abkürzungen, Symbolen, Logos oder lediglich dekorativen Gestaltungen. Es sei jedoch nicht feststellbar, dass sich im Bereich der Privatkundenbanken eine Verteilung der Farben auf bestimmte Banken entwickelt habe. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

bb) Das Bundespatentgericht hat angenommen, es lägen keine besonderen Umstände vor, die die Annahme rechtfertigten, die angegriffene Marke sei ausnahmsweise unterscheidungskräftig. Diese Beurteilung liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zu Grunde gelegt und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird. Das ist hier der Fall.

cc) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe sich nicht mit der vom Markeninhaber vorgelegten Untersuchung zur Farbnutzung durch die 100 größten Kreditinstitute Deutschlands auseinandergesetzt. Das Bundespatentgericht hat diese Untersuchung zur Kenntnis genommen und sich mit ihr im Zusammenhang mit der Prüfung der markenmäßigen Nutzung der roten Farbe durch den Markeninhaber befasst. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das Bundespatentgericht habe aus dieser Untersuchung den Schluss ziehen müssen, dass im Bereich des Retailbankings eine Farbkodierung bestehe, setzt sie in unzulässiger Weise ihre Beurteilung an die Stelle der vom Tatrichter rechtsfehlerfrei begründeten gegenteiligen Auffassung.

2. Zu Recht hat das Bundespatentgericht angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass das Eintragungshindernis nach § 97 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke im Wege der Verkehrsdurchsetzung im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG überwunden worden sei. Das Bundespatentgericht hat seiner Beurteilung zutreffend den Anmeldezeitpunkt zugrunde gelegt (dazu C II 2 a). Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist zugunsten des Markeninhabers von einem markenmäßigen Gebrauch der Farbe Rot auszugehen (dazu C II 2 b). Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist die Annahme des Bundespatentgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass sich die abstrakte rote Farbmarke im Anmeldezeitpunkt durchgesetzt habe (dazu C II 2 c). Ob dies ausreicht, um anzunehmen, dass die Marke entgegen § 50 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen ist, kann im Streitfall offenbleiben (dazu C II 2 d), weil die Marke auch dann nicht zu löschen ist.

a) Das Bundespatentgericht hat bei seiner Prüfung, ob die Marke trotz Vorliegens von Schutzhindernissen registriert worden ist, zutreffend auf den Anmeldezeitpunkt abgestellt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 Satz 1 MarkenG) und im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) vorzunehmende Prüfung der Schutzhindernisse auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens und das zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrsverständnis abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2013 – I ZB 71/12, GRUR 2013, 1143 Rn. 15 = WRP 2013, 1478 – Aus Akten werden Fakten; Beschluss vom 17. Oktober 2013 – I ZB 65/12, GRUR 2014, 483 Rn. 21 = WRP 2014, 438 – test; BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 10 – Nivea-Blau).

b) Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist zugunsten des Markeninhabers von einem markenmäßigen Gebrauch der roten Farbe im Anmeldezeitpunkt auszugehen.

aa) Eine Verkehrsdurchsetzung als Herkunftshinweis setzt grundsätzlich eine Verwendung der Kennzeichnung als Marke, also eine markenmäßige Verwendung und damit nicht lediglich eine beschreibende Benutzung voraus. Die Tatsache, dass die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen herrührend erkannt wird, muss auf der Benutzung des Zeichens als Marke beruhen, also auf einer Benutzung, die dazu dient, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend identifizieren (vgl. EuGH, GRUR 2014, 776 Rn. 40 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 – I ZB 24/05, GRUR 2008, 710 Rn. 23 = WRP 2008, 1087 – VISAGE; Beschluss vom 23. Oktober 2008 – I ZB 48/07, GRUR 2009, 669 Rn. 18 = WRP 2009, 815 – POST II; BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 14 – Langenscheidt-Gelb).

Bei der Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf der Ware oder deren Verpackung kann nur ausnahmsweise von einer markenmäßigen Verwendung ausgegangen werden. Die angesprochenen Verkehrskreise sind es in vielen Produktbereichen nicht gewohnt, der Verwendung einer Farbe in der Werbung oder auf einer Warenverpackung ohne Hinzutreten von grafischen Elementen oder Wortelementen einen Herkunftshinweis zu entnehmen, weil eine Farbe als solche in der Regel nicht zur Kennzeichnung der Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen, sondern nur als Gestaltungsmittel verwendet wird (vgl. EuGH, GRUR 2003, 604 Rn. 65 – Libertel; BGH, Urteil vom 4. September 2003 – I ZR 23/01, GRUR 2004, 151, 153 = WRP 2004, 227 – Farbmarkenverletzung I; BGH, GRUR 2010, 637 Rn. 15f – Farbe gelb; BGH, Urteil vom 18. September 2014 – I ZR 228/12, GRUR 2014, 1101 Rn. 23 = WRP 2014, 1314 – Gelbe Wörterbücher; BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 15 – Langenscheidt-Gelb). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt aber in Betracht, wenn der Verkehr auf Grund von Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warengebiet oder Dienstleistungssektor an die Verwendung von Farben als Kennzeichnungsmittel gewöhnt ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 637 Rn. 28 – Farbe gelb) oder wenn die Farbe im Rahmen aller sonstigen Elemente in einer Weise hervortritt, dass die angesprochenen Verkehrskreise sie als Produktkennzeichen verstehen (vgl. BGH, GRUR 2014, 1101 Rn. 23 – Gelbe Wörterbücher; BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 15 – Langenscheidt-Gelb). Für Dienstleistungen und darauf bezogene Farbmarken gilt nichts anderes (vgl. EuGH, GRUR Int. 2012, 333 Rn. 43 – Deutsche Bahn [Waagerechte Kombination der Farben Grau und Rot]; EuGH, GRUR 2004, 858 Rn. 39 – Heidelberger Bau-chemie).

bb) Das Bundespatentgericht hat angenommen, es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass im Marktauftritt der Sparkassen die rote Farbe markenmäßig verwendet werde. Der Einsatz und die Art der Verwendung der Farbe bei der Gestaltung der Geschäftsstellen, des Briefpapiers und der Informations- und Werbebroschüren der Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers wichen nicht von dem ab, was branchenüblich sei. Meist werde die rote Farbe mit herkunftshinweisenden Wort- und Gestaltungsmerkmalen („Sparkasse“) verwendet. Zweifelhaft sei zudem, ob überhaupt ein einheitlicher farbiger Marktauftritt der Mitglieder des Markeninhabers bereits im Jahr der Anmeldung 2002 bestanden habe. Aus den Internetrecherchen der Antragstellerinnen ergebe sich, dass jedenfalls bis zum Jahr 2003 der Auftritt der Sparkassen im Hinblick auf die Farbgestaltung des Logos wie auch der Filialen uneinheitlich gewesen sei und allem Anschein nach erst mit Verabschiedung einer Markensatzung für ein neues Corporate Design im Jahr 2003 nach und nach ein einheitliches Spar-kassenlogo und ein gemeinsames einheitliches Erscheinungsbild aller Sparkassen unter Verwendung der roten Farbe in die Wege geleitet worden sei. Die Frage der markenmäßigen Benutzung der roten Farbe könne letztlich nur auf der Grundlage eines demoskopischen Gutachtens beurteilt werden.

cc) Der Umstand allein, dass es nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts im Bereich des Bankgeschäfts für Privatkunden keine durchgehende Gewohnheit gibt, Farben als Kennzeichnungsmittel zu verwenden, spricht entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts allerdings nicht von vornherein dagegen, dass der Markeninhaber die rote Farbe markenmäßig verwendet hat.

Bei einem Marktanteil der Sparkasse von rund 60% im Bereich der Bankdienstleistungen für Privatkunden, auf den sich der Markeninhaber berufen hat, würde ein weit überwiegend einheitlicher Gebrauch der roten Farbe durch die Mitglieder des Markeninhabers ein wesentliches Indiz dafür liefern, dass die Farbe markenmäßig verwendet und vom angesprochenen Verkehr als Marke erkannt wird. Der Markeninhaber hat vorgetragen, dass er mit seinen Mitgliedern deutschlandweit über ein Filialnetz von knapp 16.000 Geschäftsstellen und 25.000 Geldautomaten verfüge, so dass in fast jeder Kommune Sparkassen vertreten seien. Sparkassen-Kunden unterhielten rund 45 Millionen Girokonten. Hinzu kämen Ende des Jahres 2008 geführte 55 Millionen Sparkonten. Seine Mitglieder unterhielten 40% der Bankfilialen im Inland und hielten einen Marktanteil bei Privatkunden von rund 60%. Die rote Farbe werde seit 1972 stringent und durchgängig als Haus- und Markenfarbe zur Kennzeichnung der Produkte seiner Mitglieder wie dem roten Sparkassenbuch, bei der Gestaltung der Geschäftsstellen und seiner Informations- und Produktbroschüren, seinem Auftritt im Internet im Rahmen der Werbung mit konstant zwischen 130 Millionen Euro und 150 Millionen Euro Werbeausgaben in Jahr.

dd) Die Frage, ob die Mitglieder des Markeninhabers die rote Farbe zum Anmeldezeitpunkt markenmäßig verwendet haben und ob ihr Marktauftritt farblich einheitlich war, kann jedoch offen bleiben. Das Bundespatentgericht hat trotz seiner geäußerten Bedenken letztlich zugunsten des Markeninhabers eine markenmäßige Benutzung der roten Farbe unterstellt. Im Rechtsbeschwerde-verfahren ist deshalb hiervon auszugehen.

c) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Bundespatentgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass sich die abstrakte rote Farbmarke im Anmeldezeitpunkt infolge ihrer Benutzung für die fraglichen Dienstleistungen im Verkehr durchgesetzt habe.

aa) Die Frage, ob eine Marke sich infolge ihrer Benutzung in den beteiligten Verkehrskreisen infolge ihrer Benutzung für die Waren und Dienstleistungen im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt hat, ist auf Grund einer Ge-samtschau der Gesichtspunkte zu beurteilen, die zeigen können, dass die Mar-ke die Eignung erlangt hat, die in Rede stehende Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware damit von den Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH, Urteil vom 4. Mai 1999 – C-108 und 109/97, Slg. 1999, I-2779 = GRUR 1999, 723 Rn. 54 – Windsurfing Chiemsee; EuGH, GRUR 2014, 776 Rn. 40 f. – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2006 – I ZB 11/04, GRUR 2006, 760 Rn. 20 = WRP 2006, 1130 – LOTTO). Zu berücksichtigen sind der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung, die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbe-aufwand des Unternehmens für die Marke sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern und von anderen Berufsverbänden (EuGH, GRUR 1999, 723 Rn. 51 – Windsurfing Chiemsee; GRUR 2014, 776 Rn. 41 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]; BGH, GRUR 2008, 710 Rn. 28 – VISAGE; Beschluss vom 9. Juli 2009 – I ZB 88/07, GRUR 2010, 138 Rn. 38 = WRP 2010, 260 – ROCHER-Kugel; GRUR 2015, 581 Rn. 29 – Langenscheidt-Gelb).

Wenn die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung besondere Schwierigkeiten aufwirft, verbietet es das Unionsrecht nicht, die Frage der Unterscheidungskraft der Marke durch eine Verbraucherbefragung klären zu lassen (EuGH, GRUR 1999, 723 Rn. 53 – Windsurfing Chiemsee; BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 38 – ROCHER-Kugel), die häufig das zuverlässigste Beweismittel zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung ist (vgl. BGH, GRUR 2014, 483 Rn. 32- test). Solche Schwierigkeiten sind gegeben, wenn der Markenschutz für ein Zeichen beansprucht wird, das nicht isoliert, sondern nur in Kombination mit anderen Elementen benutzt worden ist. In einem solchen Fall lassen die Umstände, die – wie Umsätze, Marktanteile und Werbeaufwendungen – sonst auf eine Verkehrsdurchsetzung hinweisen können, regelmäßig nur darauf schließen, dass die konkrete, durch mehrere Merkmale gekennzeichnete Gestaltung durchgesetzt ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 710 Rn. 29 – VISAGE; BGH, Urteil vom 5. November 2008 – I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 Rn. 37 = WRP 2009, 831 – Stofffähnchen I; BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 38 – ROCHER-Kugel; GRUR 2015, 581 Rn. 31 – Langenscheidt-Gelb).

bb) Hiervon ist das Bundespatentgericht ausgegangen und hat eine Verkehrsdurchsetzung der Kollektivmarke des Markeninhabers im Anmeldezeitpunkt nach § 97 Abs. 2, § 8 Abs. 3 MarkenG zutreffend verneint. Der Marktauftritt der Sparkassen zum Anmeldezeitpunkt mit dem angegriffenen Zeichen und das vom Markeninhaber vorgelegte IPSOS-Gutachten sind nicht geeignet, eine Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt zu belegen.

(1) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts bestehen vorliegend besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung, weil die angegriffene Farbmarke meist nur in Verbindung mit anderen Wort- und Gestaltungsmerkmalen verwendet worden ist, die auf die Herkunft der Dienstleistungen aus den Unternehmen der Mitglieder des Markeninhabers hinweisen. Das Bundespatentgericht hat weiter nicht feststellen können, dass der farbliche Auftritt der Sparkassen im Anmeldezeitpunkt bundesweit hinreichend vereinheitlicht war. Der Vortrag des Markeninhabers zu der hervorgehobenen Marktstellung der Sparkassen mit einem Marktanteil von 60% im Bereich des Privatkundengeschäfts bei Bankdienstleistungen und ihr bundesweit flächendeckendes Angebot vermag eine Verkehrsdurchsetzung der abstrakten Farbmarke ohne einen weitgehend einheitlichen Farbauftritt nicht zu begründen. Bei einer solchen Sachlage hat das Bundespatentgericht bei der Beurteilung der Frage der Verkehrsdurchsetzung zu Recht auf die vom Markeninhaber und den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten demoskopischen Gutachten abgestellt. Diese tragen die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung der Farbmarke zum Anmeldezeitpunkt nicht.

(2) Maßgeblich ist insoweit das IPSOS-Gutachten, dem eine Verkehrsbefragung aus Ende des Jahres 2005 zugrunde liegt. Dieses Gutachten hat eine Bekanntheit der Farbe Rot im Zusammenhang mit Geldinstituten von 74,5%, einen Kennzeichnungs- oder Durchsetzungsgrad von 66,9% (67,9% der Befragten, die der Farbe Rot einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe entnehmen abzüglich Fehlzuordnungen von 1%) und eine namentlich richtige Zuordnung von 66,1% für die allgemeinen Verkehrskreise ermittelt. Diese Ergebnisse hat das Bundespatentgericht zu Recht der Entscheidung über die Löschung der Marke nicht zugrunde gelegt, weil das Gutachten methodisch fehlerhaft ist.

(3) Das Bundespatentgericht hat angenommen, zum maßgeblichen Verkehrskreis gehörten alle Verbraucher. Bei den vom Markeninhaber und seinen Mitgliedsunternehmen angebotenen Dienstleistungen handele es sich um eine für alle Menschen ab einem gewissen Mindestalter notwendige Basisversorgung. Bereits vorab stelle sich die Frage, ob ein Bündel von Einzelleistungen als solches in sinnvoller Weise zum Gegenstand einer aussagekräftigen Verkehrsbefragung gemacht werden könne oder ob nicht für jede der in Anspruch genommenen Einzelleistungen, die der Markeninhaber unter dem Begriff „Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden)“ zusammenfasse, eine gesonderte Feststellung der Verkehrsdurchsetzung notwendig sei. Zugunsten des Markeninhabers könne jedoch unterstellt werden, dass die von ihm beanspruchten Dienstleistungen Gegenstand einer einzigen Befragung sein könnten. Es bestünden außerdem erhebliche Zweifel, ob das Ergebnis der vom Markeninhaber vorgelegten Verkehrsbefragung der IPSOS GmbH Aussagekraft für den fast vier Jahre davor liegenden Anmeldezeitpunkt habe. Die Aussagekraft und der Beweiswert der dort getroffenen Aussagen und Ergebnisse könne jedenfalls nur als gering eingestuft werden, weil bereits die Eingangsfrage nicht einem fachgerechten Vorgehen entspreche und die Ergebnisse der gesamten demoskopischen Erhebung entwerte.

(4) Zutreffend hat das Bundespatentgericht darauf abgestellt, dass es sich bei den von der angegriffenen Marke beanspruchten Bankdienstleistungen für Privatkunden um solche Dienstleistungen handelt, die von allen Verbrauchern nachgefragt werden. Bei den vom Markeninhaber und seinen Mitgliedsunternehmen angebotenen Leistungen, insbesondere bei der Führung eines Girokontos, handele es sich um eine für alle Menschen ab einem bestimmten Alter notwendige Grundversorgung. Die Rechtsbeschwerde stellt die Richtigkeit dieser Annahme nicht in Abrede. Sie lässt Rechtsfehler auch nicht erkennen.

(5) Nicht zu beanstanden ist, dass das Meinungsforschungsinstitut den Befragten eine rote Farbkarte vorgelegt hat. Ob der Verbraucher gerade in dem Farbton ein Produktkennzeichen sieht, kann durch demoskopische Untersuchungen nur festgestellt werden, wenn deren Gegenstand die isolierte Marke und nicht die zusammen mit weiteren Zeichen verwendete tatsächliche Benutzungsform ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 710 Rn. 38 f. – VISAGE; GRUR 2009, 954 Rn. 32 – Kinder III; GRUR 2010, 138 Rn. 39 – ROCHER-Kugel; GRUR 2015, 581 Rn. 47 – Langenscheidt-Gelb). Es ist deshalb richtig, dass den Befragten allein ein Muster der roten Farbe gezeigt worden ist.

(6) Das Bundespatentgericht hat zugunsten des Markeninhabers unterstellt, dass die von ihm beanspruchten Dienstleistungen Gegenstand einer einzigen, nicht nach Einzeldienstleistungen ausdifferenzierten Befragung sein können. Es hat allerdings Zweifel daran geäußert, dass der allgemeine Verkehr die Dienstleistungen „Vermittlung von Versicherungen, Beratung zu und Vermittlung von Bausparverträgen, Kreditvermittlung“ als Angebot eines „Geldinstituts“ auffasse oder zu den möglicherweise als Einheit angesehenen „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ rechne. Darauf, ob diese Zweifel berechtigt sind, kommt es im Zusammenhang der Bewertung des IPSOS-Gutachtens aus dem Jahr 2006 nicht an.

(7) Jedenfalls ist die Annahme des Bundespatentgerichts nicht zu beanstanden, die Eingangsfrage dieses Gutachtens sei methodisch mangelhaft.

Bei der dem IPSOS-Gutachten zugrunde liegenden Untersuchung ist den Befragten nach Vorlage einer roten Farbkarte folgende Eingangsfrage gestellt worden:

Haben Sie diese Farbe schon mal im Zusammenhang mit Geldinstituten gesehen, oder kommt sie Ihnen in diesem Zusammenhang bekannt vor? Oder ist Ihnen diese Farbe im Zusammenhang mit Geldinstituten bislang nicht begegnet?

Das Bundespatentgericht hat angenommen, diese Frage beziehe sich nicht auf die zu beurteilenden Finanzdienstleistungen im Bereich des Privatkundengeschäfts, sondern stelle unmittelbar einen unzulässigen Bezug zu einer bestimmten Art von Unternehmen und zwar Geldinstituten her. Die Eingangsfrage sei deshalb als suggestiv zu werten und entspreche auch nicht der vom Deutschen Patent- und Markenamt aufgestellten „Richtlinie für die Prüfung von Markenanmeldungen“ vom 13. Juni 2005 (BIPMZ 2005, 245, 255 und 256). Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Wird der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung einer an sich schutzunfähigen Marke auf ein demoskopisches Gutachten gestützt, muss sich hieraus ergeben, dass sich das Zeichen infolge seiner Benutzung für die Waren und Dienstleistungen, für die es angemeldet ist, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat. Dementsprechend sieht die vom Deutschen Patent- und Markenamt aufgestellte Richtlinie vor, dass mit der Eingangsfrage zu ermitteln ist, ob der Befragte das in Rede stehende Zeichen im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen schon einmal wahrgenommen hat. Erst im Anschluss daran kann bei dem Personenkreis, der das Zeichen kennt, nachgefragt werden, ob er es als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen sieht. Diesen Anforderungen entspricht das IPSOS-Gutachten nicht. Ausgangspunkt dieser demoskopischen Untersuchung ist nicht die methodisch richtige Frage, ob die Befragten einen Zusammenhang zwischen Bankdienstleistungen für Privatkunden einerseits und der roten Farbe andererseits herstellen. Gefragt wird vielmehr nach einem Zusammenhang zwischen der roten Farbe und Geldinstituten. Zutreffend hat das Bundespatentgericht angenommen, mit dieser Fragestellung werde ein Bezug zu einem Unternehmen oder zu einem Unternehmenskennzeichen suggeriert, so dass die Eingangsfrage nicht geeignet ist, diejenigen Verkehrsbeteiligten auszusondern, die bei einer ordnungsgemäßen Eingangsfragestellung einen Zusammenhang zwischen den beanspruchten Dienstleistungen und der roten Farbe überhaupt nicht herstellen. Es ist methodisch fehlerhaft, den Kern des Beweisthemas der nachfolgenden Stufe – Hinweis des Zeichens im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen im Privatkundenbereich auf ein Unternehmen – teilweise bereits in die erste Frage aufzunehmen und dadurch eine Lenkungswirkung herbeizuführen (Eichmann in Münchener Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, 4. Aufl., § 9 Rn. 24; Niedermann, GRUR 2014, 634, 637). Eine derart unzutreffende Fragestellung lässt sich auch nicht mehr im Nachhinein korrigieren (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 78 MarkenG Rn. 5).

(8) Ohne Erfolg beruft sich demgegenüber die Rechtsbeschwerde auf die Rechtsprechung des Senats zur rechtserhaltenden Benutzung von Marken, wonach bei Übereinstimmung der Dienstleistungsmarke mit der Unternehmensbezeichnung die firmenmäßige und die markenmäßige Benutzung häufiger ineinander übergehen können als bei Warenmarken (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 – I ZR 162/04, GRUR 2008, 616 Rn. 13 = WRP 2008, 802 – Akzenta). Der Verkehr mag an diese Art der Verwendung von Dienstleistungsmarken gewöhnt sein, so dass dieselbe Handlung dem Rechtserhalt der Dienstleistungsmarke und der identischen Unternehmensbezeichnung dienen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der Verkehr die konkrete Benutzung des Zeichens zumindest auch als Produktkennzeichen versteht. Er muss erkennen können, dass mit der Verwendung der Bezeichnung nicht nur der Geschäftsbetrieb benannt, sondern auch eine Dienstleistung bezeichnet wird, die aus ihm stammt (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2007 – I ZR 33/05, GRUR 2008, 254 Rn. 22 = WRP 2008, 236 – THE HOME STORE; Beschluss vom 29. Juli 2009 – I ZB 83/08, GRUR 2010, 270 Rn. 17 = WRP 2010, 269 – ATOZ III; BGH, GRUR 2008, 616 Rn. 13 – Akzenta; BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 17 = WRP 2011,1606 – Schaumstoff Lübke). Da es im Streitfall um den Nachweis geht, ob ein an sich schutzunfähiges Zeichen infolge seiner Benutzung als Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistungen aus einem oder – vorliegend auch – mehreren Unternehmen einer Gruppe verstanden wird, darf die Eingangsfrage den herkunftshinweisenden Charakter des Zeichens auf eine bestimmte Art von Unternehmen nicht bereits suggerieren.

(9) Der in dem IPSOS-Gutachten vom 24. Januar 2006 ermittelte Durchsetzungsgrad von 66,9% und der Zuordnungsgrad von 66,1% zu den Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers kann – von der methodisch mangelhaften Eingangsfrage abgesehen – auch deshalb der Annahme einer Verkehrsdurchsetzung der roten Farbmarke zum Anmeldzeitpunkt nicht zugrunde gelegt werden, weil dabei die positiven Antworten auch solcher Befragten mitgezählt wurden, die die Eingangsfrage dahingehend beantwortet hatten, dass ihnen die rote Farbe im Zusammenhang mit Geldinstituten bislang nicht begegnet sei. Dies ist ebenfalls ein gravierender methodischer Mangel des Gutachtens. Wer das Zeichen mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nicht kennt, ist den Verkehrskreisen zuzurechnen, der das Zeichen nicht als Herkunftshinweis bewertet (Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 8 Rn. 680) und muss von der weiteren Befragung ausgenommen werden, weil er raten muss. Deshalb sieht die vom Deutschen Patent- und Markenamt aufgestellte Richtlinie für Marken-anmeldungen vor, dass nur diejenigen Befragten, die die Frage, ob sie das Zeichen im Zusammenhang mit den fraglichen Dienstleistungen schon einmal gesehen haben, bejaht haben, weiter befragt werden. Ob dieser methodische Mangel des IPSOS-Gutachtens durch eine zusätzliche Auswertung der Antworten der Befragten, wie sie in dem weiteren IPSOS-Gutachten vom 20. Dezember 2012 enthalten sein soll, beseitigt werden konnte, braucht nicht geprüft zu werden. An der unzutreffenden Eingangsfrage jedenfalls ändert auch diese zusätzliche Auswertung nichts.

(10) Danach kommt es auf die Frage, ob die Ergebnisse der Befragung vom 29. November bis 5. Dezember 2005, die dem IPSOS-Gutachten zugrunde liegen, Aufschluss über die Verkehrsdurchsetzung zum seinerzeit annähernd vier Jahre zurückliegenden Anmeldezeitpunkt (7. Februar 2002) ergeben, nicht mehr an.

cc) Zu Recht ist das Bundespatentgericht des Weiteren davon ausgegangen, dass der methodische Mangel der Eingangsfrage bei der dem IPSOS-Gutachten vom 20. Juni 2011 zugrunde liegenden Befragung in der Zeit vom 6. bis 12. Juni 2011 beibehalten worden ist, so dass hierauf zum Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung für den Zeitpunkt der Anmeldung ebensowenig zurückgegriffen werden kann.

dd) Vergeblich macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Bundespatentgericht habe in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der beiden vom Markeninhaber vorgelegten Gutachten der Pflüger Rechtsforschung GmbH vom 20. Februar 2013 nicht berücksichtigt, in denen Zuordnungsgrade der roten Farbe zu Dienstleistungen der Mitglieder des Markeninhabers von 66,4% und 63,9%, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, ermittelt worden seien.

Diese Befragungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit des Ergebnisses des IPSOS-Gutachtens aus dem Jahr 2006 zu belegen und damit zu dem Ergebnis zu führen, dass eine Verkehrsdurchsetzung bereits zum Anmeldezeitpunkt im Jahr 2002 bestanden hat.

Größere Zeiträume zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens schließen grundsätzlich die Annahme aus, das Gutachtenergebnis könne auf den Anmeldetag bezogen werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 766 Rn. 40 – Stofffähnchen I). Jedenfalls in Produktbereichen, in denen der zwischen Anmeldung und Gutachtenerstellung liegende Zeitraum zu einer Änderung des Marktes und der Waren oder Dienstleistungen und damit zur Benutzungslage des in Streit stehenden Zeichens geführt haben kann, kommt eine Rückbeziehung über längere Zeit nicht in Betracht. Etwas anderes kann nur in besonderen, an strenge Voraussetzungen geknüpften Fallgestaltungen gelten. Davon ist auszugehen, wenn in speziellen Warenbereichen die in Frage stehenden Produkte sich nicht rasch ändern und die Marktentwicklung über längere Zeit zuverlässig beurteilt werden kann (BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 60 – Langenscheidt-Gelb). Vergleichbare Maßstäbe müssen gelten, wenn – wie im Streitfall – der Markeninhaber geltend macht, die Richtigkeit des Ergebnisses einer Verkehrsbefragung werde durch eine zeitlich erheblich später durchgeführte Verkehrsbefragung mit abweichender Fragestellung belegt.

Soweit die Rechtsbeschwerde vorbringt, die Marktverhältnisse hätten sich zwischen 2002 und 2013 nicht verändert, ist dies mit den Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht in Einklang zu bringen. Danach war der farbliche Auftritt der Sparkassen jedenfalls bis zum Jahre 2003 uneinheitlich. Erst in der Folgezeit ging die Sparkassengruppe zu einem einheitlich gestalteten Sparkassenlogo und einem einheitlichen Erscheinungsbild unter Verwendung der Farbe Rot über. Ohne Erfolg verweist die Rechtsbeschwerde auf den gegenteiligen Vortrag im Schriftsatz des Markeninhabers vom 26. Februar 2015. Diesen

Schriftsatz hat der Markeninhaber nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht eingereicht. Da kein Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand (§ 76 Abs. 6, § 82 Abs. 1 MarkenG in Verbindung mit § 156 ZPO), hat das Bundespatentgericht diesen Vortrag zu Recht nicht berücksichtigt.

d) Da weder das ursprüngliche IPSOS-Gutachten noch die später auf Veranlassung des Markeninhabers erstellten Gutachten die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung zum Anmeldezeitpunkt bestätigen, ist die Marke fehlerhaft eingetragen worden, ohne dass es in diesem Zusammenhang noch darauf ankäme, ob sich das Bundespatentgericht aufgrund des von den Antragstellerinnen vorgelegten GfK-Gutachtens vom 29. Februar 2008 zu Recht in seinen Zweifeln an der Verkehrsdurchsetzung bestätigt gesehen hat.

aa) Es kommt allerdings nicht darauf an, ob die Eintragung fehlerhaft erfolgt ist, sondern ob das Schutzhindernis tatsächlich vorlag (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – I ZB 48/07, GRUR 2009, 669 Rn. 31 = WRP 2009, 815 – POST II; BGH, GRUR 2010, 138 Rn. 38 – ROCHER-Kugel).

bb) Das Bundespatentgericht hat angenommen, angesichts des Zeitablaufs seit der Anmeldung im Jahr 2002 könnten durch die Erhebung weiterer Beweise keine Erkenntnisse mehr zur Frage der Verkehrsdurchsetzung der roten Farbmarke zum Anmeldezeitpunkt gewonnen werden. Diese Annahme trifft zu. Sie ist im Hinblick darauf, dass eine Änderung der Marktverhältnisse im fraglichen Produktbereich eingetreten ist, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

cc) Nach der bisherigen Senatsrechtsprechung gehen verbleibende Zweifel daran, ob ein Schutzhindernis im Eintragungszeitpunkt bestand, zu Lasten des Antragstellers des Löschungsverfahrens (BGH GRUR 2009, 669 Rn. 31 – POST II, mwN; GRUR 2010, 138 Rn. 38 – ROCHER-Kugel). Ob hieran angesichts der in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, GRUR 2014, 776 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]) festgehalten werden kann, ob eine Änderung der Senatsrechtsprechung angezeigt oder ob angesichts der Formulierung der Vorlagefragen durch das Bundespatentgericht (vgl. BGH, GRUR 2015, 1101 Rn. 19 – Gelbe Wörterbücher) hierzu eine weitere Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich ist, kann jedoch offen bleiben. Hierauf kommt es nicht an, weil eine Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde vorlag (dazu sogleich unter C 3) und aus diesem Grund eine Löschung der angegriffenen Marke ausscheidet (§ 97 Abs. 2, § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

3. Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Bundespatentgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass die rote Farbe sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde im Verkehr durchgesetzt habe. Der Markeninhaber hat den Nachweis für den maßgeblichen Zeitpunkt (dazu C II 3 a) aufgrund einer Gesamtschau der Umstände geführt, die bei der Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung heranzuziehen sind (dazu C II 3 b). Hierzu zählen das Ergebnis des Pflüger-Gutachtens vom 20. Februar 2013 (dazu C II 3 b aa) und des IfD-Gutachtens vom 19. Januar 2015 (dazu C II 3 b bb) sowie die vom Bundespatentgericht festgestellte Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke sowie der Werbeaufwand des Markeninhabers und seiner Mitgliedsunternehmen für die Marke (dazu C II 3 b cc). Die weiteren von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten demoskopischen Gutachten widerlegen eine Verkehrsdurchsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nicht (dazu C II 3 b dd).

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob das Schutzhindernis auch noch zur Zeit der Entscheidung über den Löschungsantrag besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG), ist der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 12. Februar 2015. Wird im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht eine mündliche Verhandlung angeordnet (§ 69 MarkenG), so ist aufgrund der Sachlage zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Neues Vorbringen kann danach nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, die mündliche Verhandlung wird wiedereröffnet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2000 – I ZB 62/98, GRUR 2001, 337, 338 = WRP 2001, 408 – EASYPRESS; Beschluss vom 22. Juni 2011 – I ZB 9/10, GRUR 2012, 89 Rn. 10 = WRP 2011, 1461 – Stahlschluessel). Die Endentscheidung kann zwar anstelle der Verkündung – wie vorliegend geschehen – zugestellt werden (§ 79 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Der Zustellungszeitpunkt ist für die Frage einer Verkehrsdurchsetzung des angegriffenen Zeichens gemäß § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG jedoch nicht maßgeblich.

b) Die Annahme des Bundespatentgerichts, die abstrakte Farbmarke des Markeninhabers habe sich auch im Zeitpunkt der Entscheidung nicht im Verkehr durchgesetzt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Bundespatentgericht hat bei seiner gegenteiligen Beurteilung die für eine Verkehrs-durchsetzung sprechenden Umstände nicht in der erforderlichen Gesamtschau gewürdigt und rechtsfehlerhaft zu strenge Maßstäbe an den Nachweis einer Verkehrsdurchsetzung angelegt.

aa) Bereits aus dem Pflüger-Gutachten vom 20. Februar 2013 (nachfolgend Pflüger-Gutachten) ergibt sich ein ausreichender Durchsetzungsgrad der angegriffenen Marke.

(1) Das Bundespatentgericht hat angenommen, das Pflüger-Gutachten zur Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen sei das letzte vom Markeninhaber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gutachten mit hinreichend spezifischer Fragestellung und deshalb aus dem Kreis der Parteigutachten das unter diesem Gesichtspunkt aussagekräftigste.

Soweit in der Eingangsfrage der Begriff „Finanzdienstleistungen“ verwendet werde, sei dies unbedenklich. Erhebliche methodische Bedenken bestünden allerdings, soweit in der Eingangsfrage nicht nur danach gefragt werde, ob der Befragte die rote Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen schon einmal gesehen habe, sondern weil im Nachsatz alternativ gefragt werde, ob die abgebildete Farbe dem Befragten bekannt vorkomme. Bedenken bestünden auch, soweit gegenüber dem Personenkreis, der diese Frage verneint habe, nachgefragt werde, ob ihnen hierzu noch etwas einfalle. Bei der weiteren Befragung hätten deshalb nicht 81,8% der Ausgangsbefragten, sondern nur rund 70% weiter befragt werden dürfen. Methodische Bedenken bestünden weiter, soweit im Folgenden gefragt werde, ob die Farbe auf ein bestimmtes Geldinstitut hinweise. Soweit die Personen, die angegeben hätten, die Farbe weise auf mehrere Geldinstitute hin, weiter befragt worden seien, ob sie mehrere Geldinstitute oder verschiedene Zweigstellen von ein und demselben Geldinstitut gemeint hätten, sei dies ebenfalls methodisch zu beanstanden. Die Nachfragen an einen Personenkreis, der aufgrund der früheren Antworten eigentlich schon aus dem Kreis der weiter zu Befragenden ausgeschieden sei, sei ebenfalls methodisch fehlerhaft. Aus diesen Gründen sei die Aussagekraft der Verkehrsbefragung und des Gutachtens in Bezug auf den ermittelten Durchsetzungsgrad von 64,1% stark eingeschränkt und rechtfertige schon für sich genommen noch nicht einmal die Feststellung eines Grades der Verkehrsdurchsetzung von über 50%, erst recht aber nicht von darüber liegenden Prozentsätzen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.

(2) Die vom Markeninhaber beanspruchten Dienstleistungen konnten Gegenstand einer einzigen Befragung sein und mussten nicht in einzelne Dienstleistungen aufgespalten werden.

Die Durchsetzung des angemeldeten Zeichens als Marke im Verkehr muss für alle diejenigen Waren und Dienstleistungen nachgewiesen sein, für die die Eintragung des Zeichens als Marke begehrt wird (BGH, Beschluss vom 1. März 2001 – I ZB 54/98, GRUR 2001, 1042, 1043 – Reich und Schön; BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 44 – Nivea-Blau). Dabei stehen der Eintragung einer Marke für mit einem weiten Oberbegriff bezeichnete Waren und Dienstleistungen die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG schon entgegen, wenn sie hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegen (BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 – I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rn. 28 = WRP 2011, 65 – Buchstabe T mit Strich; Beschluss vom 2. Dezember 2004 – I ZB 8/04, GRUR 2005, 578, 581 = WRP 2005, 889 – LOKMAUS; BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 44 – Nivea-Blau). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn feststeht, dass mehrere Dienstleistungen unterschiedlicher Art typischerweise von einem Unternehmen erbracht werden und der angesprochene Verkehr, wenn er die wichtigste dieser Dienstleistungen in Anspruch nimmt, auch die Erbringung dieser anderen Dienstleistungen erwartet.

So liegen die Dinge im Streitfall. Das angegriffene Zeichen beansprucht Geltung für die Dienstleistungen „Finanzwesen, nämlich Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden)“. Die im Verzeichnis der Dienstleistungen im Folgenden genannten Dienstleistungen sind solche, die zu dem Dienstleistungspaket „Retail-Banking“ gehören, die – wie das Bundespatentgericht zutreffend angenommen hat – Standarddienstleistungen für Privatkunden im Bankbereich darstellen. Das Unterhalten eines (Giro-)Kontos gehört zur Basisversorgung aller Verbraucher im Bereich Bankdienstleistungen. Banken bieten für Privatkunden jedoch nicht isoliert die Kontoführung, sondern auch weitere Dienstleistungen an. Hierzu rechnen die im Dienstleistungsverzeichnis genannten Tätigkeiten, die die Geldinstitute je nach Bedarf des Kunden auf Anfrage erbringen. Der Umstand, dass ein Teil dieser zusätzlichen Dienstleistungen, wie die

Vermittlung von Versicherungen oder die Kreditvermittlung, teilweise isoliert – ohne das Führen eines Girokontos – auch von anderen Anbietern erbracht wird, steht dem nicht entgegen.

(3) Die Annahme des Bundespatentgerichts, der im Pflüger-Gutachten vom 20. Februar 2013 ermittelte Durchsetzungsgrad von 64,1% rechtfertige die Annahme der Verkehrsdurchsetzung der Farbe Rot nicht, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Bei der dem Pflüger-Gutachten zugrunde liegenden Befragung wurde den Befragten eine rote Farbtafel vorgelegt, nachdem sie aufgefordert wurden, an Girokonten und weitere Dienstleistungen, die zur Erledigung von Finanzangelegenheiten angeboten werden, zu denken. Ihnen wurde außerdem eine mit „Finanzdienstleistungen“ überschriebene Liste mit folgendem Inhalt vorgelegt:

– Kontoführung, also Geld abheben – auch am Geldautomaten, Überweisungen, Kontoauszüge

– Sparbücher, Festgeld und andere Geldanlagen

– Kredite, Bausparen und sonstige Finanzierungen

Die Eingangsfrage lautete wie folgt:

Haben Sie die hier abgebildete Farbe im Zusammenhang mit diesen Finanzdienstleistungen [von der Liste] schon einmal gesehen oder kommt sie Ihnen dabei bekannt vor? Oder ist Ihnen diese Farbe in diesem Zusammenhang bislang noch nicht begegnet?

Dabei ergab sich folgendes Ergebnis:

Ja, dabei schon gesehen: 54,0 %

Kommt dabei (irgendwie) bekannt vor: 24,4 %

Nein, dabei noch nicht begegnet: 21,6 %

An die Befragten, die die Eingangsfrage verneint hatten, wurde im Anschluss folgende Frage gestellt:

Verbinden Sie mit der hier abgebildeten Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen keinerlei Vorstellungen, oder fällt Ihnen dazu noch etwas ein?

Weitere 3,4% der Befragten nannten daraufhin „Sparkasse“ (2,8%), „Deka“ (0,2%) und „Wüstenrot“ (0,4%). Hieraus wird im Pflüger-Gutachten ein Bekanntheitsgrad von 81,8% (54% + 24,4% + 3,4%) errechnet.

Zutreffend geht bei diesem demoskopischen Gutachten die Eingangsfrage dahin, ob die Befragten die rote Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen schon einmal gesehen haben. Dass mit dem Begriff der Finanzdienstleistungen Standarddienstleistungen der Banken für Privatkunden gemeint sind, wird durch die den Befragten vorgelegte Liste verdeutlicht, die diesen Begriff exemplarisch erläutert.

Zu Recht hat das Bundespatentgericht allerdings den der Eingangsfrage nachfolgenden Halbsatz „… oder kommt sie Ihnen dabei bekannt vor?“ beanstandet. Diese Nachfrage weist die Befragten auf die Möglichkeit hin, auf die Eingangsfrage nicht mit „ja“ oder „nein“ zu antworten, sondern eine dritte Antwort zu geben. Nach der Richtlinie für Markenanmeldungen des Deutschen Patent- und Markenamts werden nur solche Befragte, die eine entsprechende Antwort spontan geben, weiterbefragt. Bei dieser Nachfrage im Pflüger-Gut-achten besteht die Gefahr, dass eine größere Anzahl von Befragten die Eingangsfrage bejaht.

Das Bundespatentgericht hat wegen der methodisch fehlerhaften Nachfrage zur Eingangsfrage in dem Pflüger-Gutachten auf das Befragungsergebnis bei der Eingangsfrage im IfD-Gutachten vom 19. Januar 2015 abgestellt. Da dieses bei der Eingangsfrage einen Anteil von lediglich 17% der Befragten statt der 24,4% im Pflüger-Gutachten ermittelt hat, die spontan geäußert haben, dass ihnen die rote Farbe im Zusammenhang Dienstleistungen im Bereich „Retail-Banking“ bekannt vorkomme, hat das Bundespatentgericht bei dem Pflüger-Gutachten einen Abzug von 7% vom ermittelten Bekanntheitsgrad von

81,8% vorgenommen. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, obwohl auch die Eingangsfrage im IfD-Gutachten suggestiv – hier allerdings umgekehrt – in Richtung auf einen möglichst kleinen Anteil von Befragten war, die die Frage bejahen (dazu nachfolgend unter Rn. 91). Dies wirkt sich allerdings allenfalls zu Lasten des Markeninhabers und damit zugunsten der Löschungsantragstelle-rinnen aus. Der weiteren Berechnung kann daher der vom Bundespatentgericht angenommene Wert zugrunde gelegt werden.

Zu Unrecht hat das Bundespatentgericht allerdings 3,4% der Befragten, die nach der Verneinung der Eingangsfrage auf die Nachfrage, „Verbinden Sie mit der hier abgebildeten Farbe im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen keinerlei Vorstellungen oder fällt Ihnen dazu noch etwas ein?“ unter anderem die Sparkassen genannt hatten, nicht in die Betrachtung einbezogen.

Die Nachfrage ist zwar nach der Richtlinie für Markenanmeldungen des Deutschen Patent- und Markenamts nicht vorgesehen. Sie lenkt die Befragten aber nicht in eine bestimmte Richtung und ist deshalb unbedenklich. Das Bundespatentgericht geht selbst davon aus, dass diese Frage dazu führen kann, die Bereitschaft der Befragten zu einer Mitwirkung an der Befragung zu steigern. Nennen diese von sich aus Mitglieder des Markeninhabers, so spricht nichts dafür, dass durch deren weitere Befragung das Ergebnis des Gutachtens verfälscht wird. Bei einer Befragung zur Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung von Farbmarken im Dienstleistungsbereich sind derartige Nachfragen kein Grund, die Methodik der Befragung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen. Zu Unrecht hat das Bundespatentgericht den Bezug zu den maßgeblichen Finanz-dienstleistungen durch diese Nachfrage als gelockert angesehen. In der Nachfrage werden diese Dienstleistungen noch einmal ausdrücklich genannt und den Befragten lag während der gesamten Befragung die Liste vor, in der der Begriff der Finanzdienstleistungen erläutert wird.

In die 3,4% der Befragten sind allerdings nicht die 0,4% einzubeziehen, die die Bausparkasse Wüstenrot genannt haben. Es ist den Feststellungen des Bundespatentgerichts oder dem Pflüger-Gutachten nichts dazu zu entnehmen, dass die Bausparkasse Wüstenrot Mitglied des Markeninhabers ist. Danach ist von einem auf die Eingangsfrage ermittelten Bekanntheitsgrad von 74,4% auszugehen (54% + 17,4% + 3%).

Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die methodischen Bedenken des Bundespatentgerichts gegen die Formulierung der zweiten Frage, mit der der Kennzeichnungsgrad ermittelt werden soll. Diese Frage lautet wie folgt:

Im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen

… weist diese Farbe für mich auf ein ganz bestimmtes Geldinstitut hin: 63,2 %

… weist diese Farbe für mich auf mehrere Geldinstitute hin: 8,0 %

… ist diese Farbe für mich überhaupt kein Hinweis auf irgendein Geldinstitut: 4,3 %

Kann nichts dazu sagen: 6,3 %

Anders als das Bundespatentgericht angenommen hat, ist nicht erkennbar, inwiefern die Fragestellung danach, ob für die Befragten die rote Farbe auf ein Geldinstitut hinweist, die Eignung haben soll, diese in Richtung „Sparkassen“ zu lenken. Soweit das Bundespatentgericht dies mit der in anderem Zusammenhang angestellten Erwägung zu begründen sucht, die Sparkassen hätten jahrzehntelang mit dem bekannten Slogan „Wenn’s um Geld geht – Sparkasse“ geworben, ist dies nicht geeignet, eine suggestive Wirkung der zweiten Frage zu begründen. Gegenstand der Befragung ist die Frage der Verkehrsdurchsetzung der roten Farbe für Finanzdienstleistungen, die für die Befragten näher erläutert worden sind. In diesem Zusammenhang muss jeder Befragte zwangsläufig bei der Frage danach, wer diese Dienstleistungen erbringt, sich gedanklich mit dem Thema „Geld“ beschäftigen. Eine Frage zu „Geld“instituten ist deshalb methodisch nicht zu beanstanden.

Im Pflüger-Gutachten ist sodann ein Durchsetzungsgrad von 64,1% ermittelt worden (65,3%, die in der Farbe einen Hinweis auf ein ganz bestimmtes Geldinstitut oder dessen Zweigstellen sahen + 1,5% nach einer Aufklärungsfrage + 0,8%, die einen Hinweis auf eine Unternehmensgruppe sehen = 67,6% abzüglich 3,5% Fehlzuordnungen = 64,1 %).

Zu Unrecht hat das Bundespatentgericht angenommen, die Zwischenfrage danach, ob die Befragten mit „mehreren unterschiedlichen Geldinstituten“ lediglich „verschiedene Zweigstellen von ein und demselben Geldinstitut“ gemeint hätten, habe suggestiven Charakter. Die Rechtsbeschwerde macht zu Recht geltend, dass eine Nachfrage im Streitfall schon deshalb berechtigt ist, weil es sich bei dem angegriffenen Zeichen um eine Kollektivmarke handelt, die von unterschiedlichen Rechtsträgern benutzt wird.

Das Bundespatentgericht hat allerdings zu Recht beanstandet, dass das Pflüger-Gutachten, nachdem durch die Antworten auf die dritte Frage

Wissen Sie, wie dieses Geldinstitut heißt? Sagen Sie es mir so genau wie möglich.

61,9% der Befragten Mitgliedsunternehmen des Klägers genannt haben, durch weitere Fragen an teilweise bereits ausgeschiedene Befragte einen bereinigten Kennzeichnungsgrad von 64,1% ermittelt hat. Diese Befragten sind außer Betracht zu lassen.

Entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts sind die teilweise vorhandenen methodischen Mängel des Pflüger-Gutachtens nicht derart gravierend, dass es für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung unbrauchbar wäre.

Dieses Gutachten geht zunächst von einer korrekten Fragestellung aus. 61,9% der Befragten ordnen die Farbe richtig den Sparkassen zu.

Soweit das Bundespatentgericht beim Pflüger-Gutachten einen Abzug von 7% der Befragten bei der Eingangsfrage vorgenommen hat und weiter 0,4%, die die Bausparkasse Wüstenrot genannt haben, außer Betracht bleiben müssten, ergibt dies 7,4% der Befragten. Selbst wenn man diese insgesamt von den 61,9%, die die Farbe Rot im Ergebnis den Sparkassen zugeordnet haben, absetzt, verbleiben 54,5% der Befragten. Dies ist für den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung ausreichend.

Das Bundespatentgericht hat keinen Anlass gesehen, aufgrund des zeitlichen Abstands von rund zwei Jahren zwischen der dem Pflüger-Gutachten zugrunde liegenden Befragung vom 4. bis zum 10. Februar 2013 an dessen Aussagekraft für den Entscheidungszeitpunkt vom 12. Februar 2015 zu zweifeln. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

bb) Das Ergebnis des Pflüger-Gutachtens wird durch das IfD-Gutachten vom 19. Januar 2015 (nachfolgend: IfD-Gutachten) zum Grad der Verkehrsdurchsetzung der roten Farbe im Zusammenhang mit „Dienstleistungen rund um finanzielle Angelegenheiten, nämlich Kontoführung, Geldautomaten, Krediten, Geldanlagen usw.“ gestützt.

(1) Das Bundespatentgericht hat angenommen, nach diesem Gutachten hätten lediglich 45% der Befragten die Farbe dem Markeninhaber oder einem seiner Mitgliedsunternehmen zugeordnet. Die Einstimmung der Befragten auf den Themenbereich der Befragung sei nicht zu beanstanden. Es sei allerdings eine Korrektur angebracht, weil bei dem Personenkreis, der bei der Frage zum Kennzeichnungsgrad angegeben habe, dass mehrere Anbieter in Frage kämen, nicht nachgefragt worden sei, welche mehrere Anbieter gemeint seien. Sofern zwei oder mehr Anbieter genannt worden wären, die zu den Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers gehört hätten, hätte dies positiv beim Zuordnungsgrad berücksichtigt werden müssen. Da in dem Pflüger-Gutachten infolge von Nachfragen bei diesem Personenkreis eine Steigerung des Zuordnungsgrades um 2,2% erreicht worden sei, sei im Wege der freien Beweiswürdigung unter Berücksichtigung eines Aufschlags von einem realistischen Wert beim Durchsetzungsgrad von 48% auszugehen. Angesichts dieses Gutachtens könne nicht angenommen werden, dass bei der angegriffenen Farbmarke ein Durchsetzungsgrad von 50% oder höher zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde erreicht worden sei. Ein solcher Durchsetzungsgrad könne zumindest nicht hinreichend eindeutig festgestellt werden. Dem kann nicht zugestimmt werden.

(2) Das IfD-Gutachten weist bei der Formulierung der Eingangsfrage einen methodischen Fehler auf, durch den die Befragten suggestiv beeinflusst werden können, die Eingangsfrage zu verneinen.

Noch zutreffend wird im IfD-Gutachten – wie im Pflüger-Gutachten – bei der Eingangsfrage auf einen Zusammenhang zwischen der roten Farbe und Dienstleistungen rund um finanzielle Angelegenheiten wie Kontoführung, Geldautomaten, Kredite, Geldanlagen abgestellt. Diese Fragestellung lässt erkennen, dass es um Standarddienstleistungen im Bereich des Privatkundengeschäfts der Banken geht.

Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts bestehen jedoch insoweit grundlegende Bedenken gegen die Einleitung der Befragung, als darin die Befragten aufgefordert werden, an „ihre“ finanziellen Angelegenheiten zu denken. Durch diese Art der Fragestellung werden die Befragten veranlasst, einen Zusammenhang mit ihrem eigenen Girokonto und der Bank, bei der sie dieses Konto unterhalten, herzustellen. Diese Fragestellung führt dazu, dass Befragte annehmen könnten, sie sollten die Frage beantworten, ob sie im Zusammenhang mit den von ihnen selbst in Anspruch genommenen Bankdienstleistungen die rote Farbe einmal gesehen haben. Dadurch wird die Zahl der zum Kenn-zeichnungs- und Zuordnungsgrad Befragten in unzulässiger Weise reduziert. Dies zeigt sich daran, dass das Pflüger-Gutachten insoweit bei korrekter Eingangsfrage zu einem Anteil von 54% der Befragten kommt, die die rote Farbe im Zusammenhang mit den in Anspruch genommenen Dienstleistungen bereits gesehen haben, während das IfD-Gutachten dagegen einen Anteil von lediglich 45% ausweist. Diese erhebliche Abweichung von 9% deutet darauf hin, dass das Ergebnis der Eingangsfrage durch die methodisch unkorrekte Fragestellung zu Lasten des Markeninhabers unzutreffend ermittelt worden ist.

(3) Der vom Bundespatentgericht mit 48% ermittelte Zuordnungsgrad spricht schon nicht entscheidend gegen eine Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke, weil ohnehin nicht von festen Prozentsätzen im Sinne einer absoluten Grenze auszugehen ist (vgl. BGH, GRUR 2014, 438 Rn. 34 – test). Zudem ist der vom Bundespatentgericht ermittelte Wert wegen der methodischen Mängel auch dieses Gutachtens zu niedrig errechnet und deshalb angemessen zu erhöhen, ohne dass eine exakte Bezifferung vorliegend erforderlich ist.

cc) Haben nach Korrektur der Ergebnisse des Pflüger-Gutachtens jedenfalls 54,5% der Befragten die Farbe Rot zutreffend dem Markeninhaber oder seinen Mitgliedern zugeordnet (Zuordnungsgrad) und ergibt sich aus dem IfD-Gutachten ein Kennzeichnungsgrad, der im Bereich von etwa 50% liegt, so wird dieses für eine Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke sprechende Ergebnis der Verkehrsgutachten durch die weiteren Umstände bestätigt, die bei der Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung heranzuziehen sind (dazu EuGH, GRUR 2014, 776 Rn. 40 f. und 48 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]; BGH, GRUR 2015, 581 Rn. 29 – Langenscheidt-Gelb).

Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts unterhalten die Mitglieder des Markeninhabers deutschlandweit ein großes Filialnetz mit mehr als 15.000 Geschäftsstellen und mit 25.000 Geldautomaten und sie verfügen über einen umfangreichen Kundenstamm mit 45 Millionen Girokonten. Die jährlichen Werbeausgaben machen mehr als 130 Millionen Euro aus und die Sparkassengruppe verfügt im Inland über große Bekanntheit. Weiter hat das Bundespatentgericht festgestellt, dass mit der Verabschiedung der Markensatzung für ein neues Corporate Design im Jahre 2003 nach und nach ein einheitlich gestaltetes Sparkassenlogo und ein gemeinsames einheitliches Erscheinungsbild aller Sparkassen unter Verwendung der Farbe Rot eingeführt worden sind. Diese Feststellungen bestätigen den durch das Pflüger- und das IfD-Gutachten ermittelten Kennzeichnungs- und Zuordnungsgrad und damit das Vorliegen der Voraussetzungen der Verkehrsdurchsetzung im Entscheidungszeitpunkt.

dd) Dieses Ergebnis wird nicht durch die weiteren, von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegten Untersuchungen widerlegt.

(1) Dies gilt zunächst für das von den Löschungsantragstellern vorgelegte GfK-Gutachten vom 29. Februar 2008.

Zu der diesem Gutachten zugrunde liegenden Befragung hat das Bundespatentgericht in anderem Zusammenhang ausgeführt, mit der Eingangsfrage werde zutreffend nach der Bekanntheit der roten Farbe im Zusammenhang mit Finanz- und Gelddienstleistungen gefragt. Zwar sei fraglich, ob der Begriff der „Finanz- und Gelddienstleistungen“ mit den vom Markeninhaber beanspruchten „Bankdienstleistungen für Privatkunden“ deckungsgleich sei, da Finanz- und Gelddienstleistungen auch die Dienstleistungen für Geschäftskunden umfassten. Der durchschnittliche Verbraucher werde jedoch keine relevanten Unterschiede erkennen. Zu beanstanden sei zwar, dass bei dem Personenkreis, der bei der Frage zum Kennzeichnungsgrad angegeben habe, dass mehrere Unternehmen in Frage kämen, nicht nachgefragt worden sei, welche Anbieter gemeint seien. Wären dabei nur Mitgliedsunternehmen des Markeninhabers genannt worden, hätten diese positiv beim Zuordnungsgrad berücksichtigt werden müssen. Es sei ein Aufschlag vorzunehmen, auf dessen genaue Festlegung es nicht ankomme. Selbst wenn alle befragten Personen zugunsten des Markeninhabers berücksichtigt würden, ergebe dies nur einen Zuordnungsgrad von rund 40%. Dem kann nicht zugestimmt werden.

Das GfK-Gutachten vom 29. Februar 2008 weist – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – einen Bekanntheitsgrad der roten Farbe im Zusammenhang mit „Finanz- und Gelddienstleistungen“ von 52,6%, einen Kennzeichnungsgrad von 46,2% und einen Zuordnungsgrad von 35,5% zu Mitgliedern des Markeninhabers aus. Bezogen auf einen engeren Verkehrskreis, bei dem es sich um Befragte handelt, die angegeben haben, in ihrem Haushalt allein, hauptsächlich oder zumindest mit über Finanz- und Geldangelegenheiten entscheiden, ist 54,5% der Befragten die rote Farbe in diesem Zusammenhang bekannt, 36,9% ordnen sie dem Markeninhaber und seinen Mitgliedern zu.

Die dem GfK-Gutachten vom 29. Februar 2008 zugrunde liegende Befragung kann schon deshalb nicht der Annahme einer Verkehrsdurchsetzung der roten Farbe für die beanspruchten Dienstleistungen zum Entscheidungszeitpunkt entgegenstehen, weil sie sich auf einen zu weiten Dienstleistungsbereich bezieht. Die rote Farbe beansprucht Geltung als Marke für „Retail-Banking (Bankdienstleistungen für Privatkunden)“. Das Bundespatentgericht hat diese Dienstleistungen zutreffend als das standardisierte Privatkundengeschäft der Banken angesehen. Richtig ist weiter seine Annahme, dass der Begriff der „Finanz- und Gelddienstleistungen“, die Gegenstand des Gutachtens waren, auch die Dienstleistungen für Geschäftskunden umfasst. Demgegenüber kann seiner Auffassung nicht beigetreten werden, der durchschnittliche Verbraucher werde zwischen Bankdienstleistungen für Privatkunden einerseits und Finanz- und Gelddienstleistungen andererseits keine relevanten Unterschiede erkennen.

Gegen diese Annahme sprechen sowohl das vom Markeninhaber vorgelegte Pflüger-Gutachten als auch das von den Antragstellerinnen eingereichte IfD-Gutachten, die mit Befragungen zu näher konkretisierten Bankdienstleistungen für Privatkunden zu deutlich höheren Bekanntheits- und Zuordnungsgraden der roten Farbe zum Markeninhaber und seinen Mitgliedsunternehmen gelangen.

Es kann letztlich offen bleiben, ob dieser grundlegende Mangel bei der Eingangsfrage im Wege von Aufschlägen auf die Befragungsergebnisse korrigiert werden kann oder ob dessen Ergebnisse im vorliegenden Löschungsverfahren gänzlich unberücksichtigt bleiben müssen. Das GfK-Gutachten vom 29. Februar 2008 ist jedenfalls deshalb nicht geeignet, eine Verkehrsdurchsetzung der roten Farbe für die beanspruchten Dienstleistungen zum Entscheidungszeitpunkt am 12. Februar 2015 zu widerlegen, weil es auf einer sieben Jahre vorher durchgeführten Befragung beruht. Ebenso wie größere Zeiträume zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens regelmäßig die Annahme ausschließen, das Gutachtenergebnis könne auf den Anmeldetag bezogen werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 766 Rn. 40 – Stofffähnchen I), stehen größere Zeiträume zwischen der Erstattung eines demoskopischen Gutachtens und der Entscheidung über den Löschungsantrag im Regelfall dessen Verwertung im Rahmen der Prüfung einer Verkehrsdurchsetzung im Entscheidungszeitpunkt entgegen.

(2) Das von den Löschungsantragstellerinnen vorgelegte IfD-Gutachten vom 26. Februar 2010 hat keine Aussagekraft für die Frage, ob sich die rote Farbe im Bereich der beanspruchten Dienstleistungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen am 12. Februar 2015 als Marke durchgesetzt hat.

Die diesem Gutachten zugrunde liegende Befragung diente dem Ziel der Ermittlung des Grads der Verkehrsdurchsetzung des roten Farbtons im Zusammenhang mit Verbraucherkrediten. Diese Frage ist für den Streitfall unerheblich. Die rote Farbe des Markeninhabers beansprucht Geltung für Standardbankdienstleistungen für Privatkunden als einem Bündel von Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen werden von der Gesamtbevölkerung (ab einem bestimmten Alter) nachgefragt, weil die Unterhaltung eines privaten Girokontos der Grundversorgung dient und das Führen eines solchen Girokontos Kernstück der Standarddienstleistungen für Privatkunden darstellt. Das IfD-Gutachten vom 26. Februar 2010 hat diese Dienstleistungen nicht zum Gegenstand. Auf den großen zeitlichen Abstand zwischen der Befragung und dem Entscheidungszeitpunkt kommt es insoweit nicht an.

(3) Das von den Löschungsantragstellerinnen in Auftrag gegebene IfD-Gutachten vom 19. Mai 2010 ist für eine Widerlegung der vom Markeninhaber bewiesenen Verkehrsdurchsetzung der angegriffenen Marke zum Entscheidungszeitpunkt am 12. Februar 2015 ebenfalls nicht geeignet. Dieses Gutachten soll die Frage nach dem Grad der Verkehrsdurchsetzung des roten Farbtons in Zusammenhang mit „Kontoführung“ beantworten.

Gegenstand der Befragung war wiederum nicht ein Bündel von Dienstleistungen, sondern eine einzelne Dienstleistung. Aus der Frage nach der Bekanntheit der roten Farbe im Zusammenhang mit „Kontoführung“ geht nicht hervor, dass es um die Führung von (Giro-)Konten von Privatkunden geht. Außerdem wird anhand der einleitungslosen Fragestellung nicht erkennbar, dass ein unter dem Begriff der Bankdienstleistungen für Privatkunden zusammengefasstes Dienstleistungspaket gemeint sein könnte.

(4) Die von den Löschungsantragstellerinnen in Auftrag gegebenen IfD-Gutachten vom 19. Januar 2015, mit denen der Grad der Verkehrsdurchsetzung des roten Farbtons in Zusammenhang mit „Kreditkarten“ einerseits und „Geldanlagen“ andererseits ermittelt werden soll, können eine Verkehrsdurch-setzung zum Entscheidungszeitpunkt ebenfalls nicht widerlegen.

Diese Gutachten greifen wiederum jeweils eine einzelne Dienstleistung aus dem Dienstleistungsbündel heraus, für das die rote Farbe Geltung beansprucht. Außerdem wird nicht nach einem Zusammenhang zwischen der roten Farbe und Dienstleistungen gefragt, die von Privatkunden (und nicht von Geschäftskunden) nachgefragt werden.

(5) Das IfD-Gutachten vom 20. August 2012 hat eine Überprüfung der Ergebnisse der IPSOS-Gutachten vom 24. Januar 2006 und aus Juni 2011 zum Gegenstand. Alle Befragungen, auf denen diese Gutachten basieren, beginnen methodisch fehlerhaft mit der Eingangsfrage, ob die rote Farbe „im Zusammenhang mit Geldinstituten“ bekannt ist oder nicht (s. o. Rn. 43). Sie sind weder geeignet, die Verkehrsdurchsetzung der roten Farbe zu beweisen noch sie zu widerlegen.

c) Da der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag geführt ist, kommt es nicht auf die Frage an, ob der Markeninhaber oder der Löschungsantragsteller die Feststellungslast trägt, wenn im Löschungsverfahren geltend gemacht wird, die infolge Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marke sei zu Unrecht registriert worden. Die Frage kann daher auch im vorliegenden Verfahren offen bleiben.

d) Ist der für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung erforderliche Zu-ordnungsgrad von mehr als 50% nachgewiesen, führt dies zur Annahme einer markenmäßigen Verwendung des angegriffenen Zeichens im Entscheidungszeitpunkt. Dem vom Bundespatentgericht herangezogenen Umstand, dass bis zum Jahr 2013 der Farbauftritt nicht aller Sparkassen durchgängig gleich war, kommt für den Entscheidungszeitpunkt im Jahr 2015 keine Bedeutung zu. Das Bundespatentgericht hat festgestellt, dass ab dem Jahre 2003 das Erscheinungsbild aller Sparkassen unter Verwendung der Farbe Rot in die Wege geleitet worden ist. Es führt für das Jahr 2013 nur an, dass der Farbauftritt der Nassauischen Sparkasse Blau/Rot war. Das hat für die Frage der Verkehrsdurchsetzung im Entscheidungszeitpunkt kein entscheidendes Gewicht.

e) Bei einer solchen Sachlage bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung über die vom Bundespatentgericht aufgeworfenen Frage, ob es mit dem Beibringungs- oder dem Untersuchungsgrundsatz vereinbar ist, dass nach der bisher im Markenverfahren üblichen Verfahrensweise ein Gutachten zur Verkehrs-durchsetzung durch den Anmelder oder durch den Markeninhaber eingeholt wird.

Der Senat ist jedoch nach Verkündung der vorliegenden Entscheidung des Bundespatentgerichts ohne weiteres davon ausgegangen, dass von Seiten des Bundespatentgerichts im Löschungsverfahren ein beantragtes gerichtliches Gutachten einzuholen ist, wenn die Parteigutachten zur Überzeugungsbildung nicht ausreichen (vgl. BGH, GRUR 2015, 1012 Rn. 42 – Nivea-Blau). Das ist etwa der Fall, wenn eine nachträgliche Korrektur demoskopischer Untersuchungen ausgeschlossen ist, weil sich die Auswirkungen methodischer Fehler nicht nachträglich quantifizieren lassen. Für die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens spricht zudem, dass bei Parteigutachten eine größere Gefahr suggestiver Fragestellungen zugunsten des jeweiligen Auftraggebers nicht immer ausgeschlossen erscheint.

D. Im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren stellen sich keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Die Frage, welche Anforderungen an die Erlangung von Unterscheidungskraft durch Benutzung bei abstrakten Farbmarken zu stellen sind, ist durch die im vorliegenden Rechtsstreit ergangene Entscheidung „Sparkassen-Rot“ des EuGH geklärt (vgl. EuGH, GRUR 2014, 776 – Deutscher Sparkassen- und Giroverband/Banco Santander [Sparkassen-Rot]). Auf die Frage der Feststellungslast kommt es im Streitfall nicht an, weil die Verkehrsdurchsetzung der roten

Farbe für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag nachgewiesen ist. Auch im Übrigen stellen sich keine Fragen zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht durch die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten wären.

E. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Eine Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht ist nicht erforderlich. Zwar sieht § 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG vor, dass im Falle einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen ist. Die Bestimmung ist vorliegend jedoch nach Sinn und Zweck einschränkend auszulegen.

§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG geht zurück auf § 41x Abs. 1 PatG 1961, der im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Warenzeichengesetz nach dessen § 13 Abs. 5 Satz 2 entsprechend anwendbar war. Die Bestimmung ist durch das 6. Überleitungsgesetz vom 23. März 1961 (BGBl. I, S. 274) aus praktischen Erwägungen eingeführt worden, weil der Bundesgerichtshof bei der Erteilung eines Schutzrechts häufig keine Sachentscheidung treffen könnte; zudem diente die Vorschrift der Arbeitsentlastung des Bundesgerichtshofs (vgl. Begründung zum Entwurf eines 6. Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes BIPMZ 1961, 140, 158).

Von der Vorschrift sind aus Gründen der Prozessökonomie Ausnahmen zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2007 – I ZB 26/05, GRUR 2008, 714 Rn. 46 = WRP 2008, 1092 – idw; Beschluss vom 16. Juli 2009 – I ZB 54/07 Rn. 21, juris). Im vorliegenden Fall erfolgt in Abweichung von § 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG ausnahmsweise keine Zurückverweisung an das Bundespatentgericht aufgrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach

Art. 19 Abs. 4 GG und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der EU-Grundrechtecharta.

Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG ist für die Frage des Vorliegens von Schutzhindernissen der Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag maßgeblich. Das war zunächst der Zeitpunkt der Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts am 24. April 2012 und im Beschwerdeverfahren der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 12. Februar 2015. Würde die Sache nunmehr an das Bundespatentgericht zurückverwiesen, käme es auf den Zeitpunkt der neuerlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts an. Dies könnte dazu führen, dass sämtliche vorliegenden demoskopischen Gutachten durch Zeitablauf nicht mehr aussagekräftig wären und erneut Beweiserhebungen erforderlich würden. Eine derartige Verfahrensverzögerung braucht der Markeninhaber in dem seit mehr als sechs Jahren andauernden Löschungsverfahren nicht hinzunehmen, wenn die Sache – wie vorliegend – zur Endentscheidung reif ist.

Der Senat ist auch nicht in entsprechender Anwendung des § 308 ZPO an einer abschließenden Entscheidung gehindert. Zwar hat der Markeninhaber beantragt, den Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Mit dem Antrag hat er jedoch nur der Vorschrift des § 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG Rechnung getragen. In der Sache ergibt die Auslegung des Rechtsschutzziels des Markeninhabers, dass dieser die Zurückweisung der Löschungsanträge begehrt.

F. Es besteht kein Grund, die Kosten des Verfahrens den Löschungsantragstellerinnen aufzuerlegen (§ 90 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Die aufgeworfenen Rechtsfragen ließen das Begehren der Löschungsantragstellerinnen nicht von vornherein als aussichtslos erscheinen. Danach entspricht es der Billigkeit, von einer Kostenentscheidung abzusehen (§ 90 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

 

Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.07.2015 – 25 W(pat) 13/14 –

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