Dauerhafte Kontensperre bei Versenden von CEI-Fotos

14. Februar 2022
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Vorhängeschloss umgeben von Daten Urteil des LG München I vom 31.01.2022, Az.: 42 O 4307/1

Das LG München I hat in seinem Urteil festgestellt, dass ein soziales Netzwerk das Benutzerkonto eines Users, welcher Fotos mit CEI-Inhalt versendet, sofort und dauerhaft sperren kann. Durch das Versenden der Fotos mit CEI („Child Exploitative Imagery“) -Inhalt über ein soziales Netzwerk besteht die Gefahr der multiplen Weiterverbreitung, die auf digitalem Wege einfach erfolgen kann. Dem sozialen Netzwerk ist es deshalb in dieser Situation nicht zuzumuten, das Vertragsverhältnis mit dem User aufrechtzuerhalten. Dies gilt auch, wenn der User die Fotos nicht öffentlich verbreitet, sondern in einer privaten Mitteilung an eine dritte Person versendet.

Landgericht München I
Endurteil vom 31.01.2022
Az.: 42 O 4307/1

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 11.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Wiederherstellung des klägerischen Benutzerkontos beim sozialen Netzwerk der Beklagten, Schadensersatz sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten für vorgerichtliche Tätigkeiten.

Die Beklagte ist Anbieterin und Vertragspartnerin der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Nutzer eines von der Muttergesellschaft der Beklagten betriebenen weltweiten sozialen Netzwerkes.

Der Kläger unterhielt und nutzte seit ca. 2009 ein privates Nutzerkonto bei diesem sozialen Netzwerk. Die Nutzung erfolgte insbesondere auf der Grundlage der Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten, die der Kläger bei der Anmeldung im Netzwerk akzeptierte. Der Kläger legte ein persönliches Profil an, mit dem er Beiträge einstellen und die Beiträge anderer Nutzer kommentieren konnte. Er nutzte seinen Account bei der Beklagten ausschließlich zu privaten Zwecken, um Kontakte zu Freunden und Familie zu halten.

Mit Wirkung zum 19.04.2018 änderte die Beklagte die von ihr vorgegebenen Nutzungsbedingungen (vgl. Anlage K 1 bzw. B 20) und Gemeinschaftsstandards (vgl. Anlage K 3 bzw. B 21) und gab dies ihren Nutzern über ein sogenanntes Popup Fenster bekannt, welches mit einem Hyperlink zu den aktualisierten Regelungen verbunden war. Die weitere Nutzung des Netzwerks und der damit verbundenen Funktionen war den Nutzern nur möglich, wenn sie die geänderten Bedingungen durch Bestätigung einer in dem Popup Fenster enthaltenen Schaltfläche mit der Aufschrift „Ich stimme zu“ billigten. Am 28.04.2018 betätigte der Kläger diese Schaltfläche.

In Ziffer 4.2 der geänderten Nutzungsbedingungen ist die Aussetzung und Kündigung von Konten geregelt:
„[…] Unser Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn eine Partei gegen Pflichten aus diesen Nutzungsbedingungen, Gesetze, Rechte Dritter oder Datenschutzrichtlinien verstößt, und der kündigenden Partei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der Interessen beider Parteien die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nur innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nach Kenntniserlangung von dem Verstoß möglich.
Ist der wichtige Grund ein Verstoß gegen eine Pflicht dieser Nutzungsbedingungen, so ist die Kündigung nur nach dem erfolglosen Ablauf einer gewährten Abhilfefrist oder nach einer erfolglosen Warnung zulässig. Eine Abhilfefrist ist jedoch nicht erforderlich, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflichten ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn nach Abwägung der Interessen beider Parteien besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen.
Du kannst mehr dazu [Hyperlink] erfahren, was du tun kannst, wenn dein Konto deaktiviert worden ist, und wie du uns kontaktieren kannst, wenn wir nach deiner Meinung dein Konto irrtümlicherweise deaktiviert haben.“

Die Gemeinschaftsstandards der Beklagten stellen ausweislich Ziffer 5 ihrer Nutzungsbedingungen „Richtlinien“ dar, die die „Standards“ der Beklagten bezüglich der Inhalte, die gepostet werden, sowie bezüglich der Aktivitäten auf anderen „Produkten“ der Beklagten „skizzieren“. Nach Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen dürfen die Produkte der Beklagten nicht dazu genutzt werden, „etwas zu tun oder zu teilen“, das insbesondere gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards verstößt.

Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards (Anlage K 3 bzw. B 21) lautet wie folgt:
„Nacktdarstellung von Kindern und deren sexuelle Ausbeutung
Grundgedanke dieser Richtlinie
Wir lassen keinerlei Inhalte zu, in denen Kinder sexuell ausgebeutet oder gefährdet werden.
Wenn wir Kenntnis von möglicher Ausbeutung von Kindern erlangen, melden wir dies in Einklang mit geltendem Recht dem Nationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC – National Center for Missing and Exploited Children). […]“

Es folgt eine Aufzählung von konkreten Inhalten, welche gemäß Teil III Ziffer 7 untersagt sind. Insbesondere sind Inhalte, die die Nacktheit von Kindern darstellen, verboten.

Ziffer 14 der Gemeinschaftsstandards untersagt die Darstellung von „Bildern mit sexuellen Inhalten, um das Teilen nicht einvernehmlicher Inhalte sowie von Inhalten über Minderjährige zu verhindern.“ Untersagt ist insbesondere das Teilen von Bildern, die „reale, nackte Erwachsene“ mit sichtbaren Genitalien abbilden.

Der Kläger leitete neun Fotos von weiblichen Personen über den Messenger Dienst der Beklagten weiter, die er aus seinem Freundeskreis erhalten hatte. Die von der Beklagten eingesetzte Software „PhotoDNA“ identifizierte diese Fotos als „Child Exploitative Imagery“ (CEI), als ausbeuterische Bilder von Kindern.

Die Software „PhotoDNA“ erstellt von hochgeladenen Fotos einen digitalen Fingerabdruck bzw. einen „hash-Code“ und gleicht diesen mit bekannten CEI-Inhalten ab. In den von der Beklagten hierfür genutzten Datenbanken sind nur bestätigte CEI-Inhalte enthalten: Die Fotos, die verwendet werden, um die „hash-Codes“ zu erstellen, sind zuvor an das „National Center for Missing and Exploited Children“ (NCMEC) gemeldet und von Menschen als CEI-Inhalt verifiziert worden. Erst anschließend werden die „hash-Codes“ der jeweiligen Datenbank hinzugefügt.

Am 10.12.2018 sperrte die Beklagte das Konto des Klägers dauerhaft (Klageschrift vom 28.03.2019, S. 12, Bl. 12 d.A.). Er erhielt dabei folgende Mitteilung: „Dein Konto wurde gesperrt, weil wir festgestellt haben, dass du nicht zur Nutzung von berechtigt bist. In unseren Nutzungsbedingungen kannst du mehr über unsere Richtlinien erfahren.

Falls du glaubst, dass dein Konto fälschlicherweise gesperrt wurde, nimm Kontakt mit uns auf.“

Aufgrund der dauerhaften Sperre konnte der Kläger die Funktionen des Netzwerkes nicht nutzen und insbesondere nicht mit anderen Nutzern interagieren; sie stellt eine Deaktivierung des Kontos dar.

Nachdem der Kläger sich bei der Beklagten über die Deaktivierung seines Kontos beschwerte, nahm sich das Sicherheitsteam der Beklagten der Beschwerde an. Ein Mitglied des Teams sichtete nochmals die Fotos und bestätigte, dass sie CEI-Inhalt beinhalteten. Die Beklagte meldete anschließend den Vorfall an das NCMEC.

Das NCMEC seinerseits teilte den Fall dem Bundeskriminalamt mit. Dieses sichtete ein Foto und stellte fest, dass es sich um ein Bild einer nackten, weiblichen Person mit gespreizten Beinen handelt. Das Bundeskriminalamt gelangte hinsichtlich dieses einen Fotos zu folgendem Ergebnis (E-Mail vom 11.02.2021, Bl. 144 d.A.): Aufgrund der Perspektive der Aufnahme sei es nicht einfach ein eindeutiges Alter festzulegen. Auf jeden Fall sei die Person noch sehr jung und dürfte vom Alter her an der Grenze zwischen Jugendlicher und Erwachsener liegen. Das Bundeskriminalamt stufte das Foto als nicht relevant ein, da es nicht zweifelsfrei sagen konnte, dass es sich bei dem abgebildeten Mädchen um eine Minderjährige handelte.

Der Klägervertreter holte eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung des Klägers für die außergerichtliche Tätigkeit gegen die Beklagte ein und wandte sich mit Schreiben vom 06.02.2019 an die Beklagte (Anlage K 13). Diese reagierte nicht. Daraufhin holte der Klägervertreter eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung für die gerichtliche Tätigkeit ein.

Der Kläger trägt vor, er könne sich nicht vorstellen, dass einer seiner Freunde unerlaubtes Material versende. Bei den Personen auf den streitgegenständlichen Bildern handele es sich um erwachsene Frauen.

Ferner sei der Kläger von der Rechtsschutzversicherung zur Einziehung der Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit ermächtigt worden (Anlage K 34).

Der Kläger vertritt die Ansicht, die Sperrung seines Benutzerkontos stelle eine vertragliche Pflichtverletzung seitens der Beklagten dar. Er habe nicht gegen die Nutzungsbedingungen oder Gemeinschaftsstandards der Beklagten verstoßen. Diese stellten zudem auf ein öffentliches Posten oder Teilen von Inhalten ab, wohingegen er die Fotos lediglich privat über den Nachrichtendienst Messenger versendet habe, also im Rahmen eines privaten Gesprächsverlaufs.

Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag stünde der Annahme eines sogenannten virtuellen Hausrechts entgegen.

Die erzwungene Änderung der Gemeinschaftsstandards und Nutzungsbedingungen im Frühjahr 2018 sei unwirksam gewesen. Überdies seien die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten als allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam. Insbesondere könne eine Sperrung oder eine Deaktivierung des Benutzerkontos nicht ohne vorherige Anhörung des Betroffenen erfolgen.

Der Kläger habe einen Anspruch auf Schadenersatz, da die Deaktivierung seines Kontos einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstelle. Zudem stünde dem Kläger eine fiktive Lizenzgebühr als Schadenersatz zu. Daneben ergebe sich ein Schadensersatzanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung.

Die Einschaltung des Klägervertreters sei für die Einholung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung notwendig gewesen. Eine Anfrage nur durch den Kläger hätte keinen Erfolg gehabt, da einige Rechtsschutzversicherungen erst nach Anrufung des Versicherungsombudsmannes oder Einschaltung der BaFin zur Deckung bereit seien.

Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, das am 10.12.2018 deaktivierte Profil des Klägers (Anmelde-Email: be) auf www…com vollständig wiederherzustellen und insbesondere alle Verknüpfungen dieses Profils mit den Profilen anderer Nutzer, wie dies zum Löschungszeitpunkt bestand, wiederherzustellen; sowie dem Kläger Zugriff auf dieses Konto zu gewähren.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.500,- € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2018 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten
a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 807,36 € und
b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 255,85 € und
c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 €
durch Zahlung an die Kanzlei freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte meint, der Kläger habe sein Konto verwendet, um CEI Inhalte zu verbreiten.

Sie bestreitet, dass tatsächlich Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts des Klägers angefallen seien.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Klage sei im Antrag unter Ziffer 2 bereits unbestimmt, da der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung auf verschiedene Ansprüche und Lebenssachverhalte stütze.

Durch die Versendung der streitgegenständlichen Fotos habe der Kläger in eklatanter Weise gegen die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten verstoßen, die unter anderem ausdrücklich Inhalte verbieten, die Nacktdarstellungen von Minderjährigen enthalten oder Minderjährige sexuell ausbeuten. Die Sperrung des Benutzerkontos des Klägers sei – insbesondere aufgrund des Verstoßes gegen Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards – rechtmäßig gewesen. Hierbei sei unerheblich, dass die streitgegenständlichen Inhalte nicht öffentlich verbreitet worden seien, sondern in einer privaten Mitteilung an eine dritte Person versandt wurden.

Die im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandard seien gegenüber dem Kläger wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden. Während Ziffer 3.2 der Nutzungsbedingungen eine zeitlich beschränkte Nutzungsbeschränkung von Konten erfasse, sei in Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen eine dauerhafte Deaktivierung von Konten geregelt. Diese unterliege nicht einer AGB-Prüfung, da sie als gesetzeswiederholende Bestimmung der AGB-Kontrolle entzogen sei. Die weiterhin bestehende Annahme, dass der Kläger das streitgegenständliche Konto für die Verbreitung von CEI-Material genutzt habe, rechtfertige eine sofortige Kündigung des Kontos ohne vorherige Abmahnung im Sinne der Klausel 4.2 der Nutzungsbedingungen.

Auch das sogenannte virtuelle Hausrecht berechtige die Beklagte, einen Kunden von der Nutzung der Plattform auszuschließen.

Es liege am Kläger zu widerlegen, dass er sein Nutzerkonto nicht für die Verbreitung von möglicherweise strafrechtlich relevantem Material genutzt habe. Jedenfalls treffe ihn eine sekundäre Darlegungslast. Der Kläger habe die streitgegenständlichen Fotos selbst versendet und müsse deshalb in der Lage sein vorzutragen, warum die Beiträge nicht strafbar sein sollten.

Bei dem streitgegenständlichen Foto handele es sich offenbar um Material (jedenfalls) im Grenzbereich der Strafbarkeit. Die Maßstäbe innerhalb eines Strafverfahrens könnten nicht im Rahmen einer Kündigung gelten. Andernfalls wäre die Beklagte gezwungen, auch die Verbreitung von Material über ihre Dienste zu dulden, die mit sehr hoher – wenngleich gegebenenfalls nicht für eine Verurteilung einem Strafverfahren ausreichender – Wahrscheinlichkeit die Sicherheitsstrafgesetze verletzen.

Die Klägerin sei gemäß § 10 S. 1 Nr. 2 TMG sowie § 4 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, S. 1 Nr. 2 und 3 NetzDG berechtigt und gegebenenfalls sogar verpflichtet, Inhalte mit CEI-Material zu beseitigen. Der Meinungsfreiheit seien Grenzen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht anderer Personen gesetzt, deren Schutz in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Normen verankert sei.

Der Kläger habe gegen § 22 Kunsturhebergesetz verstoßen. Er habe nicht dargelegt, die Einwilligung der abgebildeten Personen zur Verbreitung der Fotos zu haben.

Es bestünde der dringende Verdacht, dass der Kläger entgegen § 201a Abs. 2 StGB unbefugt Bildaufnahmen einer dritten Person zugänglich gemacht habe, die geeignet seien, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden.

Im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Schadenersatz liege bereits keine Einschränkung vor, die zu einer schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers führen würde. Die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr käme nicht Betracht, da die Beklagte die Daten des Klägers lediglich im Namen der von ihm gebilligten Nutzungsbedingungen genutzt habe. Zudem seien die Daten des Klägers nicht unberechtigterweise verwendet worden.

Ein Termin zur mündlichen Verhandlung fand am 11.10.2021 statt, in dem der Kläger persönlich angehört wurde. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 188 ff d.A.) sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erweist sich in der Sache als unbegründet. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte aufgrund der erfolgten Deaktivierung seines Nutzerkontos keine der geltend gemachten Ansprüche zu.
A.
Die Klage ist zulässig.
I.

Das Landgericht München I ist international sowie örtlich und sachlich zuständig.

Die internationale und örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit. c), 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Der Kläger, der seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts München I innehat, erhebt als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte. Diese hat ihren Sitz in Irland und somit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Soweit der Kläger Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend macht, fußt die Zuständigkeit auf Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, da die Deaktivierung seines Kontos als schädigenden Ereignis primär am Wohnort des Klägers eintritt (OLG München, 18.02.2020, 18 U 3465/19).

Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, da der verfahrensgegenständliche Streitwert die Summe von 5.000 € übersteigt.
II.
Der Klageantrag ist insbesondere in Ziffer 2 hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO. Der Kläger beansprucht aufgrund der Deaktivierung seines Kontos bei der Beklagten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.500,00 Euro. Diesen stützt er auf verschiedene Anspruchsgrundlagen, er führt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an, eine Verletzung der Datenschutzgrundverordnung und bemüht eine fiktive Lizenzgebühr aufgrund der Verletzung seiner Daten. Durch die mehrfache Begründung wird der Zahlungsanspruch nicht unbestimmt. Es liegt vielmehr ein Anspruch im prozessualen Sinne vor (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, Einleitung Rn. 70). Ein und derselbe Lebensverhalt, die Deaktivierung seines Kontos, soll nach Auffassung des Klägers zu einem Zahlungsanspruch führen. Ist wie vorliegend eine Leistungsklage unter Bezifferung der streitigen Rechtsfolge gegeben, hat das Gericht unter jedem denkbaren Gesichtspunkt zu prüfen, ob es dem Antrag stattgeben kann (BGH, 20.03.1997 – IX ZR 71/969).
B.
Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Wiederherstellung seines am 10.12.2018 deaktivierten Kontos. Der zwischen den Parteien bestehende Vertrag wurde von der Beklagten rechtmäßig gekündigt; weshalb dem Kläger auch die geltend gemachten Schadenersatz- und Rechtsverfolgungskosten nicht zustehen.
I.
Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom I-VO findet auf den vorliegenden Verbrauchervertrag deutsches Recht Anwendung (BGH, 29.07.2021, Az. III ZR 179/20).
II.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Wiederherstellung seines deaktivierten Kontos, da die Beklagte das dem Konto zugrunde liegende Vertragsverhältnis zwischen den Parteien mit Wirkung zum 10.12.2018 wirksam nach § 314 Abs. 1, 2 BGB gekündigt hat.

1. Zwischen den Parteien bestand ein auf Dauer angelegtes Vertragsverhältnis sui generis (OLG München, 18.02.2020, 18 U 3465/19).

Der Kläger hat bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten 2009 ein Profil angelegt, mit dem er die Funktionen und Dienstleistungen des Netzwerkes nutzen konnte. Nicht als synallagmatische Gegenleistung, aber als konditionale Bedingung für die Diensterbringung der Beklagten schuldete der Kläger die Überlassung seiner Daten (Hacker, Daten als Gegenleistung: Rechtsgeschäfte im Spannungsfeld von DS-GVO und allgemeinem Vertragsrecht, ZfPW 2019, 148, 172 f). Das digitale Austauschverhältnis der Parteien war auf Dauer angelegt, weshalb es als Dauerschuldverhältnis zu betrachten ist (vgl. LG Köln, 27.07.2018, 24 O 187/18). Durch den Abschluss des Nutzungsvertrags hat der Kläger gegen die Beklagte einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Nutzung der von ihr angebotenen Funktionen und Dienstleistungen erworben.

2. Die Beklagte hat das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 10.12.2018 wirksam gemäß § 314 Abs. 1, 2 BGB außerordentlich gekündigt. Eine Kündigungserklärung liegt ebenso vor wie ein sachlich nachvollziehbarer wichtiger Kündigungsgrund. Eine Anhörung ist trotz grundsätzlicher Verfahrensvoraussetzung im Rahmen des § 314 BGB im vorliegend Fall entbehrlich.

a. Hierbei kann dahinstehen, ob die Regelungen zur Kündigung in Nr. 4.2 der geänderten Nutzungsbedingungen der Beklagten, die als allgemeine Geschäftsbedingungen einzuordnen sind, einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff BGB standhalten (siehe hierzu BGH, 29.07.2021, Az. III ZR 179/20). Unabhängig von vertraglichen Regelungen besteht für das vorliegende Dauerschuldverhältnis die Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund nach der Vorschrift des § 314 BGB, welches als zwingendes Recht einzuordnen ist (MüKoBGB/Gaier, 8. Aufl. 2019, BGB § 314 Rn. 5).

b. Eine Kündigungserklärung der Beklagten ist gegeben. Am 10.12.2018 sperrte die Beklagte das Konto des Klägers und teilte ihm mit, dass die Sperrung erfolgt sei, weil der Kläger nicht zur Nutzung berechtigt sei. Durch die Deaktivierung des Benutzerkontos und die Mitteilung der Sperrung hat die Beklagte gemäß § 133 BGB dem Kläger gegenüber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie das Vertragsverhältnis beenden will.

c. Eine zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund i.S.d. § 314 Abs. 1 S. 1 BGB ist durch die Versendung von Fotos mit CEI-Inhalten durch den Kläger gegeben. Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden.

aa. Nach der vollen Überzeugung der erkennenden Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO beinhalten die vom Kläger versandten streitgegenständlichen Fotos Inhalte, die pornographische und damit ausbeuterische Darstellungen von Minderjährigen enthalten.

Das Bundeskriminalamt, welchem eines der streitgegenständlichen Fotos vorlag, erkannte auf diesem das Bild einer nackten, weiblichen Person mit gespreizten Beinen. Nach Aussage des Bundeskriminalamtes sei es aufgrund der Perspektive der Aufnahme nicht einfach, ein eindeutiges Alter festzulegen. Auf jeden Fall sei die Person noch sehr jung und dürfte vom Alter her an der Grenze zwischen Jugendlicher und Erwachsener liegen. Es konnte nicht zweifelsfrei sagen, ob es sich bei der abgebildeten Person um eine Minderjährige handelt, und stufte daher das Foto als nicht relevant ein.

Der rechtsstaatliche Fundamentalgrundsatz „in dubio pro reo“ der die Beweiswürdigung im Strafrecht beherrscht (KK-StPO/Ott, 8. Aufl. 2019, StPO § 261 Rn. 63), gilt im Zivilverfahren nicht. Im zivilrechtlichen Verfahren ist gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO im Rahmen der freien Würdigung vom Gericht zu befinden, ob es von der Wahrheit einer vorgebrachten Behauptung überzeugt ist. Hierfür bedarf es keiner an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, 01.10.2019, VI ZR 164/18). In diesem Sinn ist die erkennende Kammer voll davon überzeugt, dass die streitgegenständlichen Fotos CEI-Inhalte enthalten. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten sind die streitgegenständlichen Fotos von der von der Beklagten für diese Zwecke eingesetzten Software „FotoDNA“ als Fotos mit CEI-Inhalten erkannt worden. Die Software gleicht die von den Nutzern hochgeladenen Fotos mit bekannten Fotos ab, die nachweislich einen CEI-Inhalt aufweisen. Nach der Beschwerde des Klägers bei der Beklagten über die Deaktivierung seines Kontos hat ein Mitglied des Sicherheitsteams der Beklagten die Fotos gesichtet, und bestätigt, dass sie CEI-Inhalte aufweisen. Es ist nicht erkennbar oder auch nicht vorgebracht worden, dass sich sowohl die Software als auch der konkret eingesetzte Mitarbeiter beim Abgleich der streitgegenständlichen Fotos mit den bekannten CEI-Inhalten geirrt hätten. In seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.10.2021 trug der Kläger lediglich vor, die streitgegenständlichen Fotos selbst von Freunden erhalten zu haben. Er könne sich nicht vorstellen, dass diese unerlaubtes Material versendeten. Damit gibt der Kläger glaubwürdig und glaubhaft an, letztendlich selbst nicht zu wissen, ob die Fotos CEI-Inhalte enthalten oder nicht. Nach seinem eigenen Vortrag hat er die Bilder im bloßen Vertrauen darauf, dass es sich um erlaubtes Material handele, weitergesendet. Schriftsätzlich wird von Klägerseite lediglich behauptet, dass es sich bei den abgebildeten Personen um erwachsene Frauen handele. Ein Beweis wird hierzu nicht angeboten, insbesondere legt der Kläger die von ihm versendeten Fotos nicht vor. Damit kann der Vortrag des Klägers die aufgrund der Zuordnung durch die Software und den Mitarbeiter der Beklagten bestehende dringende Annahme, dass die streitgegenständlichen Fotos CEI-Inhalte aufweisen, nicht zur vollen Überzeugung der erkennenden Kammer entkräften.

bb. Durch die Versendung der streitgegenständlichen Fotos hat der Kläger gegen die im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards der Beklagten verstoßen. Diese untersagen in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards i.V.m. Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen die Übermittlung von Fotos mit CEI-Inhalten.

(1) Die im April 2018 geänderten Nutzungsbedingungen einschließlich der in Bezug genommenen Gemeinschaftsstandards sind wirksam in das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen worden. Die Beklagte hat jedem Nutzer nach § 145 BGB angeboten, einen Änderungsvertrag abzuschließen, indem sie ihm in Form eines Popup Fensters die beabsichtigte Änderung der Nutzungsbedingungen mitteilte und ihn aufforderte, eine mit „Ich stimme zu“ bezeichnete Schaltfläche anzuklicken. Der Kläger klickte am 28.04.2018 auf diese Schaltfläche und übermittelte dadurch eine elektronische Willenserklärung, die die Annahme des Angebots der Beklagten beinhaltete (BGH, 29.07.2021, Az. III ZR 179/20). Den Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB wurde hierbei Genüge getan. Die Beklagte als Verwenderin hat den Kläger ausdrücklich auf die Neufassung hingewiesen und ihm den geänderten Text zugänglich gemacht (siehe hierzu ausführlich BGH, a.a.O.).

(2) Gemäß der geänderten Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards haben die Nutzer einen respektvollen Umgang miteinander zu wahren und zu gewährleisten, dass die Plattform „sicher“ bleibt (vgl. Einleitung der Gemeinschaftsstandards, Anlage K 3 bzw. B 21). Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards verbietet Inhalte, „in denen Kinder sexuell ausgebeutet oder gefährdet werden“ (Anlage K 3 bzw. B 21). Diese Regelung hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB stand; es liegt keine unangemessene Benachteiligung des Klägers entgegen den Geboten von Treu und Glauben vor. Die Vorschrift beschränkt die Möglichkeit des Nutzers der Dienste der Beklagten, beliebige Inhalte über die Dienste der Beklagten zu versenden. Konkret untersagt sie den Nutzern, Inhalte zu übermitteln, die Kinder sexuell ausbeuten oder gefährden. Dies stellt keine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar. Die Beklagte als Verwenderin möchte mit der Klausel sicherstellen, dass ihre Dienste insbesondere nicht genutzt werden, um Kinder- oder Jugendpornographie zu verbreiten. Die Klausel ist für die Beklagten bereits erforderlich, um ihren eigenen Handlungspflichten aus § 10 S. 1 Nr. 2 TMG sowie § 4 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, S. 1 Nr. 2 und 3 NetzDG nachzukommen (siehe zu einer potentiell ebenfalls bestehenden mittelbaren Störerhaftung bei Kinderpornographie BGH, 27.02.2018, VI ZR 489/16). Daneben dient sie dem Schutz des Kindeswohls.

(3) Durch die Weiterleitung von Fotos mit CEI-Inhalten hat der Kläger gegen Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards verstoßen.

Das vom Bundeskriminalamt beschriebene vom Kläger übermittelte Foto beinhaltet die Darstellung einer unbekleideten weiblichen Person mit gespreizten Beinen, also in sexueller Pose. Nach der vollen Überzeugung der erkennenden Kammer ist auf dem Foto, das als Foto mit CEI-Inhalt erkannt wurde, eine Minderjährige abgebildet. Damit hat der Kläger entgegen der Vorschrift in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards Inhalte übermittelt, in denen Kinder sexuell ausgebeutet oder gefährdet werden.

Der Kläger hat die streitgegenständlichen Fotos über den Messenger Dienst der Beklagten gesendet. Er hat sie somit nicht für die Öffentlichkeit einsehbar auf seiner Profilseite gepostet, sondern sie direkt an zumindest eine weitere Person übermittelt. Auch diese Form der Übersendung wird von der Vorschrift in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards erfasst. Nach Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen dürfen „die Produkte“ der Beklagten nicht dazu genutzt werden, „etwas zu tun oder zu teilen“, das gegen die Gemeinschaftsstandards verstößt. Der Messenger Dienst der Beklagten stellt ein von der Beklagten angebotenes Produkt dar, für das somit die durch die Gemeinschaftsstandards aufgestellten Bedingungen gelten. Durch das Weiterleiten der Fotos via dem Messenger Dienst an eine weitere Person hat der Kläger diese im Sinne der Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen geteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers stellen weder die Vorschriften in Ziffer 3.2.1 der Nutzungsbedingungen noch in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards auf ein öffentliches Posten oder Teilen des Inhalts ab.

cc. Der gegebene Pflichtverstoß des Klägers gegen die vertraglichen Regelungen stellt einen wichtigen Grund dar, der die Beklagte zur Kündigung berechtigt. Ein solcher liegt gemäß § 314 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden. Bei der Abwägung der beidseitigen Interessen sind kollidierende Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz derart in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BGH, 29.07.2021, Az. III ZR 179/20, mit Darstellung des Diskussionsstandes zur Reichweite der Bindung von Anbietern sozialer Netzwerke an Grundrechte ihrer Nutzer).

Der Kläger nutzte sein Konto bei der Beklagten nach eigener Aussage ausschließlich zu privaten Zwecken, um Kontakt mit Freunden und Familie zu halten. Durch die Sperrung ist ihm die elektronische Kommunikation zu Freunden und Familie mittels der Dienste der Beklagten nicht mehr möglich. Der Wechsel zu einem anderen Netzwerk eines anderen Betreibers kann für den Kläger mit dem Verlust von Kontakten verbunden sein, die sich auf einem anderen Netzwerk nicht finden: aufgrund der Bindungswirkung sowie eines hohen Marktanteils und der erheblichen Reichweite ihres Netzwerks verfügt die Beklagte über eine bedeutende Markt- und soziale Macht (BGH, 29.07.2021, III ZR 179/20). Durch die Deaktivierung seines Kontos ist der Kläger zudem zumindest abstrakt daran gehindert, mittels den Diensten der Beklagten seine Meinung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kundzutun – auch wenn in der Vergangenheit nicht erkenntlich war, dass er das Netzwerk dazu tatsächlich nutzte. Die Versendung der streitgegenständlichen Fotos stellt keine Meinungsäußerung dar.

Die Beklagte hat ein geschäftliches Interesse daran, den Nutzern ihrer Dienstleistungen ein sicheres Kommunikationsumfeld und ihren Werbekunden ein attraktives Werbeumfeld zu bieten. Für diese Tätigkeit kann sie sich auf die auch für sie geltende Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG berufen (BGH, 29.07.2021, III ZR 179/20, mit Ausführungen zur Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Beklagte als einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen juristischen Person). Weiterhin ist zugunsten der Beklagten das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu berücksichtigen, da diese Vorschrift auch den Kommunikationsprozess als solchen schützt, den die Beklagte als Betreiberin eines Netzwerkes, der dem Austausch von Meinungen dient, unterstützt (BGH, a.a.O). Sie liefert nicht nur die technischen Voraussetzungen, sondern verweist in ihren Gemeinschaftsstandards auf Kommunikationsregeln und gibt hierdurch zu erkennen, welche Formen der Meinungsäußerung in ihrem Netzwerk nicht geduldet werden. Somit macht die Beklagte von ihrem eigenen Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch (BGH, a.a.O).

Zudem wird durch die Pflicht der Nutzer, die Nutzungsbedingungen und Gemeinschaftsstandards zu beachten, das auf die Einhaltung der Mitgliedsbedingungen gerichtete Interesse anderer Nutzer geschützt. Somit sind bei der erforderlichen Abwägung der Grundrechtspositionen auch die Persönlichkeitsrechte der anderen Nutzer zu berücksichtigen, deren Schutz die Gemeinschaftsstandards ebenfalls dienen (BGH, a.a.O). Nicht zuletzt ist das Interesse der Beklagten an der Vermeidung einer Haftung für die über ihre Kommunikationsplattform gesendeten Beiträge einzubeziehen (BGH, a.a.O). Um eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, eine zivilrechtliche Haftung oder eine Inanspruchnahme nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz auszuschließen, ist die Beklagte dazu verpflichtet, Beiträge mit strafbaren oder rechtsverletzenden Inhalten zu entfernen oder zu sperren (vgl. § 10 S. 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 NetzDG).

Unter Abwägung sämtlicher Interessen ist im streitgegenständlichen Verhalten des Klägers ein wichtiger Grund im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB zu sehen, wie er Voraussetzung für eine Kündigung ist. Das in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards genannte Verbot von Fotos mit CEI-Inhalten, welches die Beklagte mit ihrer Kündigung gegenüber dem Kläger durchsetzt, dient nicht nur dem Schutz einer sicheren Kommunikationsumgebung, sondern auch und insbesondere dem Schutz von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der besonders vulnerablen Stellung von Kindern und Jugendlichen kommt der Verhinderung ihrer Ausbeutung ein ungemein hoher Stellenwert zu. Reflektiert wird diese Priorität durch die Straftatbestände in § 184 b StGB und § 184 c StGB, die die Verbreitung, den Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Inhalte unter Strafe stellen. Um die Verbreitung von Inhalten mit CEI-Inhalt auf dem sozialen Netzwerk der Beklagten nachhaltig zu unterbinden, ist es ein probates Mittel, bei einem Verstoß gegen das Verbot der Verbreitung das Konto des betroffenen Nutzers zu sperren und das Vertragsverhältnis zu kündigen. Der Beklagten ist es nicht zuzumuten, das Nutzungsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen, der auf den von ihr angebotenen Diensten CEI-Inhalte verbreitet.

d) Bei der dem Kläger zur Last gelegten Pflichtverletzung, der Verbreitung von CEI-Inhalten, handelt es sich um die Verletzung einer aus dem Vertragsverhältnis mit der Beklagten resultierenden Nebenpflicht, die in Teil III Ziffer 7 der Gemeinschaftsstandards normiert ist. Besteht der zur Kündigung berechtigende wichtige Grund in der Verletzung einer vertraglichen Pflicht, ist nach § 314 Abs. 2 S. 1 BGB die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Die Beklagte teilte dem Kläger erst zeitgleich mit der Deaktivierung mit, dass sein Konto gesperrt sei und er die Möglichkeit habe, sich bei der Beklagten zu beschweren, wenn er denke, die Sperrung sei fälschlicherweise erfolgt. Vorliegend ist die Voraussetzung der vorherigen Fristsetzung oder Abmahnung jedoch entbehrlich, da gemäß § 314 Abs. 2 S. 3 BGB besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

Die Beklagte hat vorliegend ein besonderes Interesse an einer sofortigen, nicht durch eine Fristsetzung oder Abmahnung verzögerten Beendigung des Vertragsverhältnisses (MüKoBGB/Gaier, 8. Aufl. 2019, BGB § 314 Rn. 28). Der Kläger hat über den Messenger Dienst der Beklagten Fotos mit CEI-Inhalt versendet. Durch die derart erfolgte digitale Verbreitung dieser Inhalte besteht die Gefahr der multiplen Weiterverbreitung, die auf digitalem Wege einfach erfolgen kann. Der Beklagten ist es angesichts dieser Situation nicht zuzumuten, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger aufrechtzuerhalten. Nur durch eine sofortige Kündigung des Nutzungsverhältnisses ist es der Beklagten möglich sicherzustellen, dass der Kläger nicht ein weiteres Mal in der bereits erfolgten Weise den Nutzungsvertrag verletzt (vgl. BGH, 09.06.2011, III ZR 157/10, der eine Abmahnung und Fristsetzung gemäß § 314 Abs. 2 S. 2 BGB für in aller Regel entbehrlich hält, wenn der Gekündigte mit der Nutzung von Telekommunikationsdienstleistungen gegen Strafrechts- oder Jugendschutzvorschriften verstößt). Entgegenstehende und schutzwürdige Interessen des Klägers sind nicht erkennbar. Insbesondere ist die Pflichtverletzung des Klägers, der ein Foto mit CEI-Inhalt versendet, nicht mit einer der Interpretation zugänglichen und von Art. 5 Abs. Satz 1 GG geschützten Meinungsäußerung vergleichbar. Eine Stellungnahme des Klägers zur Beurteilung des Sachverhaltes vor Ausspruch der Kündigung ist nicht erforderlich. Der Kläger hat die Möglichkeit, die er vorliegend genutzt hat, die Kündigung nachträglich anzugreifen und spätestens im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens die Gründe für die Sperrung anzugreifen und sich hierzu Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfG, 11.04.2018, 1 BvR 3080/09).
III.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.500,00 Euro nicht zu.

1. Ein Schadenersatzanspruch ergibt sich nicht aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 BGB. Die Einschränkung der Kommunikationsmöglichkeiten des Klägers erfolgte aufgrund der wirksamen Kündigung durch die Beklagte nicht pflichtwidrig. Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist somit nicht gegeben.

2. Ebenso wenig greift ein Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Für die Datenverarbeitung durch die Beklagte lag die zuvor erteilte Zustimmung des Klägers zu den Nutzungsbedingungen der Beklagten vor (OLG München, 18.02.2020, 18 U 3465/19).

3. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine fiktive Lizenzgebühr zu. Der Kläger hat der Beklagten mit Abschluss des Nutzungsvertrages die Einwilligung zur umfassenden Nutzung seiner Beiträge und Daten erteilt (OLG München, 18.02.2020, 18 U 3465/19).
IV.
Ein Anspruch auf Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Es mangelt am Vorliegen einer Pflichtverletzung durch die Beklagte.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
D.
Der Streitwert der Klage ist nach § 3 ZPO zu schätzen. Der Wert des Anspruchs auf Wiederherstellung bestimmt sich nach dem Interesse des Klägers an der Wiederherstellung seines Benutzerprofils. Angesichts der rein privaten Nutzung des Kontos durch den Kläger ist eine Wertfestsetzung in Höhe von 10.000,00 € für die Wiederherstellung des Kontos angemessen. Zusammen mit dem geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 1.500,00 Euro ergibt sich ein Streitwert von 11.500,00 Euro.

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