Durchsetzung eines Patents in einer marktbeherrschenden Position

18. Februar 2019
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Festplatte Computer Endurteil des LG München I vom 31.01.2019, Az.: 7 O 14461/17

Selbst wenn sich der Patentinhaber (hier: Qualcomm Inc.) in einer marktbeherrschenden Stellung befindet, darf er nicht daran gehindert werden, sein Recht an dem Patent durchzusetzen, da die Marktstellung bei der Geltendmachung von Patentverletzungen irrelevant ist. Wird aufgrund einer Patentverletzung ein Verkaufsverbot von Geräten gefordert, liegt darin kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, selbst wenn dadurch die Geschäftsausübung der beklagten Konkurrenz (Apple Inc.) möglicherweise erschwert wird.

Landgericht München I

Endurteil vom 31.01.2019

Az.: 7 O 14461/17

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagtenseite wegen Verletzung ihrer Rechte aus dem nationalen Teil des europäischen Patents 806 auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

A. Zu den Parteien

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin (K (E) 3) des europäischen Patents 806 (im Folgenden: Klagepatent, K (E) 1) mit dem Titel Verfahren und Vorrichtung zur Kommunikationskanalauswahl.

Die Beklagte ist eine USamerikanische Gesellschaft mit Sitz in Kalifornien. Sie ist das Mutterunternehmen der P. -Gruppe und entwickelt, vertreibt und stellt u.a. mobile Computer und Kommunikationsgeräte her, die unter den Marken x und y vertrieben werden.

B. Klagepatent

Das Klagepatent wurde am 20.11.2006 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 28.11.2005 (US …506) angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 30.03.2016 veröffentlicht.

Patentanspruch 8 lautet im englischen Original wie folgt:

„8. A communication terminal (10) comprising:

a communication controller (63) including a transceiver device for transmitting signals over a communication link; a user interface including a display and an input interface; an input detection device (61) configured to sense input of letters by a user in a standby screen, representing a title for a second communication terminal; a title memory; a data retrieving mechanism (65), configured to retrieve information associated with the title of the second communication terminal and connected to a display control device (62) for presenting the retrieved information on the display and the data retrieving mechanism (65) is configured to retrieve information related to selectable communication channels usable for communicating with the second communication terminal;
characterised in that the display control device (62) is configured to present, on the display, a plurality of selectable items (152-157) only representing the usable communication channels, responsive to sensing of input of the title; wherein once the user starts to type letters, the display control device (62) is configured to present the different usable communication channels for selection.“

Patentanspruch 8 lautet in deutscher Übersetzung:

8. Kommunikationsendgerät umfassend:

eine Kommunikationssteuervorrichtung (63) umfassend eine Transceivervorrichtung zur Übertragung von Signalen über eine Kommunikationsverbindung; eine Benutzerschnittstelle umfassend eine Anzeige und eine Eingabeschnittstelle; eine Eingabedetektionsvorrichtung (61), die dazu ausgebildet ist, die Eingabe von Buchstaben durch einen Benutzer in einer Standby-Anzeige zu detektieren, die einen Titel für ein zweites Kommunikationsendgerät repräsentieren; einen Titelspeicher; einen Datenabfragemechanismus (65), der dazu ausgebildet ist, Information abzufragen, die mit dem Titel des zweiten Kommunikationsendgeräts assoziiert ist und mit einer Anzeigesteuervorrichtung (62) für die Darstellung der abgefragten Information auf der Anzeige verbunden ist; und der Datenabfragemechanismus (65) dazu ausgebildet ist, Information abzufragen, die sich auf auswählbare Kommunikationskanäle bezieht, die für das Kommunizieren mit dem zweiten Kommunikationsendgerät verwendbar sind;
dadurch gekennzeichnet, dass die Anzeigesteuervorrichtung (62) dazu ausgebildet ist, eine Mehrzahl von auswählbaren Punkten (152-157) auf der Anzeige darzustellen, die lediglich die verwendbaren Kommunikationskanäle repräsentieren, die auf das Detektieren der Eingabe des Titels ansprechbar sind; wobei die Anzeigesteuervorrichtung (62) dazu ausgebildet ist, am Anfang der Eingabe von Buchstaben durch den Benutzer die verschiedenen verwendbaren Kommunikationskanäle zur Auswahl darzustellen.

Anspruch 11 lautet im englischen Original:

11. The communication terminal (10) according to claim 8, wherein the display control device (62) is configured to present the plurality of selectable items (152-157) as separate icons.

In deutscher Übersetzung:

11. Kommunikationsendgerät (10) nach Anspruch 8, wobei die Anzeigesteuervorrichtung (62) zur Darstellung der Mehrzahl von auswählbaren Punkten (152-157) als gesonderte Ikonen ausgebildet ist.

Die Klägerin macht im Verfahren nur noch eine beschränkte Anspruchskombination aus Anspruch 8, kombiniert mit dem abhängigen Anspruch 11, geltend (S. 4 Replik). Die Merkmale des (ursprünglich unbeschränkt) geltend gemachten Patentanspruchs 8 ergeben sich im Einzelnen aus der Merkmalsgliederung K (E) 2; die Merkmale des beschränkten Anspruchs folgen aus K (E) 6.

Das Klagepatent ist nicht standardessentiell.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 des Klagepatents zeigt ein beispielhaftes Mobiltelefon:

[Abbildung]

Das Klagepatent geht hierbei grundsätzlich von einem Mobiltelefon mit einem Eingabebereich (input interface) 14 aus, das mit Knöpfen oder Tasten arbeitet, [0016]. Indes erlaubt das Klagepatent auch den Einsatz eines Touch-Displays, [0016] aE.

C. Zu der angegriffenen Ausführungsform

Die Klägerin wendete sich zunächst explizit, aber nicht abschließend, gegen die Mobilfunkgeräte x 7 Plus, x 7, x 6s Plus, x 6s, x SE (S. 22/23, 57 Klageschrift). Sie erläuterte in der Replik, auch die Mobilfunkgeräte x 8 Plus, x 8, und x X verwirklichten das Klagepatent (S. 29 Replik).

Die angegriffenen Ausführungsformen unterstützen Mobilfunkstandards wie GSM, GPRS, UMTS oder LTE. Sie verfügen über ein Multi-Touch Widescreen Display mit LED-Hintergrund-Beleuchtung und IPS-Technologie. Mittels einer Home-Taste an den angegriffenen Ausführungsformen kann der Benutzer in das Hauptmenü des Systems wechseln (S. 23/28 Klageschrift). Die fraglichen Mobilfunkgeräte weisen keine physische Tastatur auf (S. 30 Replik).

Die angegriffenen Ausführungsformen werden durch das Betriebssystem iOS gesteuert, das auch die Funktion Spotlight-Suche umfasst, mittels derer der Nutzer u.a. auf dem Telefon gespeicherte Kontakte finden kann (S. 28/29 Klageschrift). In iOS 11 heißt die fragliche Suchfunktion Siri & Suchen (S. 29 Replik). Die Spotlight-Suche/ Funktion Siri & Suchen (im Folgenden zusammenfassend „Suchfunktionalität“) kann der Nutzer aktivieren, indem er in dem Home-Screen auf dem Display des Telefons nach unten streicht (S. 18 Klageerwiderung-II, S.30 Replik, S. 22 Duplik mit Bildern). Die Suchfunktionalität zeigt nicht nur Kontakte an, vielmehr stellt sie eine Inhalte des jeweiligen iPhones, aber auch Inhalte aus dem Internet umfassende Abfragefunktion dar. Eine Kommunikation kann aus der Suchfunktionalität heraus nicht gestartet werden, vielmehr ist hierzu der Wechsel in die Telefon-/ Nachrichten-/ Facetime-Anwendung erforderlich (S. 24/26 Duplik mit Bildern, SVG, Augenschein).

D.

Die Klägerin bringt vor,

I. sie sei – entgegen der Auffassung der Beklagtenseite – aktivlegitimiert.

II. Vorwürfe der Beklagtenseite, die Klägerin würde eine Marktmacht missbrauchen und durch die Klage den Mitbewerber N. vom Markt drängen wollen, wies die Klägerin zurück. Sie unterstrich, die Beklagtenseite wolle vielmehr die Klägerin schädigen durch Anstiftung der Lizenznehmer der Klägerin dazu, Lizenzgebühren nicht mehr zu zahlen, (S. 63/75 Replik).

III. Zu der Auslegung des Merkmals „Standby-Anzeige“ stützt sie sich auf [0018], und unterstreicht, die Standby-Anzeige erlaube die Eingabe einer Nummer und die Einleitung eines Anrufs. Entscheidend sei, dass aus der Standby-Anzeige heraus ein Kommunikationskanal zugänglich sei, dass mithin keine gesonderte Anwendung für die Aktivierung des Kommunikationskanals aufgerufen werden müsse, sondern durch die bloße Aktivierung einer allgemeinen Eingabemöglichkeit – gleich der Eingabe einer Telefonnummer im Stand der Technik – etwaige Kommunikationskanäle aufgerufen werden können (Klage S. 20, 34/35, Replik S. 7/8). Dieses Verständnis werde durch [0003] und [0019] gedeckt (S. 8/9 Replik).

Ein anderes folge nicht aus [0021] mit Figur 6: die dort beschriebene Ausführungsform sei nicht in Anspruch 8 des Klagepatents beansprucht, weil die Kontaktliste aufgerufen werde, um eine Verbindung einzuleiten (S. 10 Replik unter Bezugnahme auf [0018]). Die Klägerin unterstreicht, dass das Teilmerkmal „Standby-Anzeige“ erst im Verlauf des Erteilungsverfahrens in die Ansprüche 1 und 8 aufgenommen worden sei, um Bedenken wegen Art. 84 EPÜ auszuräumen (Teilanmeldung K (E) 7, Absichtserklärung K (E) 8, Klagepatent mit Änderungen des Prüfers K (E) 9).

IV. Nach obiger zutreffender Auslegung sei das Merkmal verletzt. Denn die Suchfunktionalität erlaube das Eintippen und Eingeben einer Nummer, wie dies die klagepatentgemäße Standby-Anzeige verlange (S. 35 Klageschrift).

Nichts anderes folge aus den Einwendungen der Beklagtenseite. Erstens könne man nicht nur – wie die Beklagtenseite das tue – den Sperrbildschirm oder den Home-Screen als Standby-Anzeige ansehen. Vielmehr sei eine Standby-Anzeige dadurch gekennzeichnet, dass man eine Nummer eingeben könne – das könne man weder bei Sperrbildschirm noch bei dem Home-Screen, aber bei Eingabe in die Suchfunktion (S. 30 Replik). Es sei zu berücksichtigen, dass die angegriffenen Ausführungsformen keine physische Tastatur aufwiesen, wie dies das Klagepatent ausdrücklich vorsehe, [0016]. Durch die Wischgeste erscheine die Tastatur erst, und erst dann könne über eine patentgemäße Standby-Anzeige gesprochen werden (S. 30/31 Replik).

Die Suchfunktion sei keine spezifische Funktionalität für einen Kommunikationskanal, ebenso wenig ein Adressbuch oder eine Kontaktliste, wovon sich das Klagepatent (mit der Standby-Anzeige) abgrenzen wolle (S. 31 Replik).

V. Eine Aussetzung des Verfahrens mit Blick auf die Nichtigkeitsklage (S. 33/61 Replik) oder andere Verfahren (S. 76/80 Replik) sei nicht veranlasst.

E. Anträge

Die Klägerin kündigte zunächst schriftsätzlich folgende Anträge an:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, Kommunikationsendgeräte in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die Folgendes umfassen:

– eine Kommunikationssteuervorrichtung umfassend eine Transceivervorrichtung zur Übertragung von Signalen über eine Kommunikationsverbindung;

– eine Benutzerschnittstelle umfassend eine Anzeige und eine Eingabeschnittstelle;

– eine Eingabedetektionsvorrichtung, die dazu ausgebildet ist, die Eingabe von Buchstaben durch einen Benutzer in einer Standby-Anzeige zu detektieren, die einen Titel für ein zweites Kommunikationsendgerät repräsentiert;

– einen Titelspeicher;

– einen Datenabfragemechanismus, der dazu ausgebildet ist, Information zu detektieren, die mit dem Titel des zweiten Kommunikationsendgeräts assoziiert ist und mit einer Anzeigesteuervorrichtung für die Darstellung der abgefragenen Information auf der Anzeige verbunden ist; und der Datenabfragemechanismus dazu ausgebildet ist, Information abzufragen, die sich auf auswählbare Kommunikationskanäle bezieht, die für das Kommunizieren mit dem zweiten Kommunikationsendgerät verwendbar sind;

dadurch gekennzeichnet, dass die Anzeigesteuervorrichtung dazu ausgebildet ist, eine Mehrzahl von auswählbaren Punkten auf der Anzeige darzustellen, die lediglich die verwendbaren Kommunikationskanäle repräsentieren, die auf das Detektieren der Eingabe des Titels ansprechbar sind; wobei die Anzeigesteuervorrichtung dazu ausgebildet ist, am Anfang der Eingabe von Buchstaben durch den Benutzer die verschiedenen verwendbaren Kommunikationskanäle zur Auswahl darzustellen.

(Anspruch 8, unmittelbare Verletzung),

insbesondere, wenn die Kommunikationssteuervorrichtung zum Aufbau einer Kommunikationsverbindung mit dem zweiten Kommunikationsendgerät über einen ausgewählten aus der Mehrzahl von Kommunikationskanälen ausgebildet ist;

(Anspruch 9, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die Eingabedetektionsvorrichtung dazu ausgebildet ist, die Eingabe eines Befehls zu detektieren, indem einer der Kommunikationskanäle ausgewählt wird;

(Anspruch 10, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die Anzeigesteuervorrichtung zur Darstellung der Mehrzahl von auswählbaren Punkten als gesonderte Ikonen ausgebildet ist;

(Anspruch 11, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die verschiedenen Kommunikationskanäle zwei Typen der Gruppe: Sprachanruf, Videoanruf, Textnachrichten, Bildnachrichten und E-Mail umfassen;

(Anspruch 12, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die abgefragene Information Identitätsdaten eines Benutzers des zweiten Kommunikationsendgeräts umfasst;

(Anspruch 13, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die abgefragene Information ein Bild eines Benutzers des zweiten Kommunikationsendgeräts umfasst;

(Anspruch 14, unmittelbare Verletzung)

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. März 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten
geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. April 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe:

a) die Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

b) der einzelnen Lieferungen (unter Angabe der Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer), aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote (unter Angabe der Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei zum Nachweis der Angaben zu b) die entsprechenden Belege (nämlich Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten trägt, und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen,
indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits bezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nimmt.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 30. April 2016 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Sie stellte in dem frühen ersten Termin sodann folgende Anträge, die die nunmehr eingeschränkte Geltendmachung der Ansprüche des Klagepatents berücksichtigen:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, Kommunikationsendgeräte in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die Folgendes umfassen:

– eine Kommunikationssteuervorrichtung umfassend eine Transceivervorrichtung zur Übertragung von Signalen über eine Kommunikationsverbindung;

– eine Benutzerschnittstelle umfassend eine Anzeige und eine Eingabeschnittstelle;

– eine Eingabedetektionsvorrichtung, die dazu ausgebildet ist, die Eingabe von Buchstaben durch einen Benutzer in einer Standby-Anzeige zu detektieren, die einen Titel für ein zweites Kommunikationsendgerät repräsentiert;

– einen Titelspeicher;

– einen Datenabfragemechanismus, der dazu ausgebildet ist, Information zu detektieren, die mit dem Titel des zweiten Kommunikationsendgeräts assoziiert ist und mit einer Anzeigesteuervorrichtung für die Darstellung der abgefragenen Information auf der Anzeige verbunden ist; und der Datenabfragemechanismus dazu ausgebildet ist, Information abzufragen, die sich auf auswählbare Kommunikationskanäle bezieht, die für das Kommunizieren mit dem zweiten Kommunikationsendgerät verwendbar sind;

dadurch gekennzeichnet, dass die Anzeigesteuervorrichtung dazu ausgebildet ist, eine Mehrzahl von auswählbaren Punkten auf der Anzeige darzustellen, die lediglich die verwendbaren Kommunikationskanäle repräsentieren, die auf das Detektieren der Eingabe des Titels ansprechbar sind; wobei die Anzeigesteuervorrichtung dazu ausgebildet ist, am Anfang der Eingabe von Buchstaben durch den Benutzer die verschiedenen verwendbaren Kommunikationskanäle zur Auswahl darzustellen; und wobei die Anzeigesteuervorrichtung zur Darstellung der Mehrzahl von auswählbaren Punkten als gesonderte Ikonen ausgebildet ist.

(Anspruch 8, eingeschränkte Fassung, unmittelbare Verletzung),

insbesondere, wenn die Kommunikationssteuervorrichtung zum Aufbau einer Kommunikationsverbindung mit dem zweiten Kommunikationsendgerät über einen ausgewählten aus der Mehrzahl von Kommunikationskanälen ausgebildet ist;

(Anspruch 9, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die Eingabedetektionsvorrichtung dazu ausgebildet ist, die Eingabe eines Befehls zu detektieren, indem einer der Kommunikationskanäle ausgewählt wird;

(Anspruch 10, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die verschiedenen Kommunikationskanäle zwei Typen der Gruppe: Sprachanruf, Videoanruf, Textnachrichten, Bildnachrichten und E-Mail umfassen;

(Anspruch 12, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die abgefragene Information Identitätsdaten eines Benutzers des zweiten Kommunikationsendgeräts umfasst;

(Anspruch 13, unmittelbare Verletzung) und/oder insbesondere wenn die abgefragene Information ein Bild eines Benutzers des zweiten Kommunikationsendgeräts umfasst;

(Anspruch 14, unmittelbare Verletzung)

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. März 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. der Klägerin schriftlich in geordneter Form (gegliedert nach Kalendervierteljahren) Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. April 2016 begangen hat, und zwar unter Angabe:

a) der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

b) der einzelnen Lieferungen (unter Angabe der Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer), aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote (unter Angabe der Marken der jeweiligen Erzeugnisse sowie allen Identifikationsmerkmalen wie Typenbezeichnung, Artikelbezeichnung, laufender Produktnummer), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und ggf. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei zum Nachweis der Angaben zu b) die entsprechenden Belege (nämlich Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt, und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen,
indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits bezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich nimmt.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der N. Inc. durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 30. April 2016 bis zum 20. September 2017 begangenen Handlungen der Beklagten und der der Klägerin durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 21. September 2017 begangenen Handlungen der Beklagten entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagtenseite hat einer etwaigen Teilklagerücknahme unter Verwahrung gegen die Kostenlast zugestimmt. Im Übrigen beantragt sie Klageabweisung,
hilfsweise Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage.

Sie beantragt weiter hilfsweise,
das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 1,152 Mrd. € für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und der Beklagtenseite zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung (auch durch Gestellung einer Bürgschaft) abzuwenden.

Im Hinblick auf die nichttechnischen Erwiderungen beantragt die Beklagtenseite weiter hilfsweise
die Aussetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des UK High Court, HP-2017-000015, § 148 ZPO, bzw. bis zur Entscheidung der EU-Kommission über die Wettbewerbsverfahren gegen die Klägerin wegen AT.40220, AT.39711, Art. 16 VO 2003/1/EG, außerdem weiter hilfsweise von der EU Kommission eine Stellungnahme zur Anwendung der Wettbewerbsregeln einzuholen und das Verfahren bis zum Erhalt der Stellungnahme auszusetzen, und zuletzt hilfsweise eine Vorlage an den EuGH, um die Kartellrechtswidrigkeit des behaupteten klägerischen Verhaltens überprüfen zu lassen.

Die Klägerin wendet sich gegen eine Aussetzung.

F. Die Beklagtenseite bringt vor:

I. Die Beklagtenseite bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin (S. 2/3 Klageerwiderung, S. 2/4 Duplik).

II. Eine Auslegung des Begriffs Standby-Anzeige schon nach dem Wortlaut zeige, dass hier eine Funktion des Telefons angesprochen sei, in der es lediglich bereit sei, Anrufe zu empfangen und Nutzereingaben entgegen zu nehmen (S. 15 Klageerwiderung). Der Fachmann habe den Begriff zum Prioritätszeitpunkt so verstanden, dass das Telefon allenfalls Batterieladung, Signalstärke, Namen des Netzbetreibers, Uhrzeiten und gegebenenfalls eventuelle Benachrichtigungen anzeigte (S. 15 Klageerwiderung, FBD 101). Zwar sei es bei einer Ausstattung des Telefons mit einer physischen Tastatur möglich gewesen, direkt im Standby-Modus eine Nummer einzugeben, das sei für das Verständnis des Begriffs indes nicht konstitutiv gewesen. Maßgeblich sei vielmehr, dass das Gerät im Grundzustand sei, mithin kein weiteres Menü und keine weitere Funktion geöffnet sei. Dieses fachmännische Verständnis decke sich mit dem Verständnis der Beschreibung in [0003]. Nur bei einem Verständnis von Standby-Anzeige als „Nullzustand“ mache auch der „Witz“ des Klagepatents [0018] Sinn (S. 16/17 Klageerwiderung). Es handele sich schon dann nicht mehr um eine klagepatentgemäße Standby-Anzeige, wenn der Nutzer überhaupt eine Anwendung aufrufen müsse. Standby-Anzeige sei damit der Grundzustand des Geräts (S. 6 Duplik).

Der Umstand, dass die angegriffenen Ausführungsformen keine physische Tastatur hätten, erlaube keine weitere Auslegung – insbesondere folge nichts anderes aus dem klägerseits in Bezug genommenen [0016]. Schließlich könne auch ein Touchscreen ständig eine Tastatur anzeigen (S. 6/7 Duplik).

Nicht klagepatentgemäß sei es, wenn nur gespeicherte Telefonnummern aus der Standby-Anzeige heraus angerufen werden könnten (S. 27 Duplik unter Bezugnahme auf [0018]).

III. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten das Merkmal nicht. Standby-Anzeige im klagepatentgemäßen Sinne sei allein der Sperrbildschirm der angegriffenen Ausführungsformen, in dem jedoch keine Anwendung gestartet und kein Menü geöffnet sei (S. 17/18 Klageerwiderung). Die Suchfunktionalität müsse hingegen gesondert aufgerufen werden; sie könne durch eine Geste (Streichen nach unten im „Home-Screen“) gestartet werden (S. 18 Klageerwiderung). Die im Klagepatent beschriebene Problemstellung passe auf die angegriffene Ausführungsform nicht, weil stets die Auswahl einer Anwendung erforderlich sei (S. 7 Duplik).

Die Beklagtenseite unterstreicht: Die Anzeige der virtuellen Tastatur sei von der Suchfunktionalität selbst zu unterscheiden. Das werde deutlich, wenn man eine physische Tastatur an das iPhone anschließe – dann werde gerade keine Tastatur angezeigt. Daher diene die Wischgeste entgegen der Darstellung der Klägerin nicht dazu, eine Tastatur anzuzeigen, sondern die Suchanwendung zu starten (S. 23, 29 Duplik mit Bildern).

Die Suchfunktionalität erlaube die Suche nach bestimmten Themen an verschiedenen Orten des Mobiltelefons (S. 18 Klageerwiderung). Sie erlaube hingegen gerade nicht den Aufruf einer Kommunikation nach Eingabe einer (in dem Telefon nicht gespeicherten) Telefonnummer aus der Anwendung heraus (S. 27 Duplik mit Bild). Der klagepatentgemäßen Funktionsbeschreibung komme die Telefonanwendung am nächsten – sie sei indes nicht klagepatentgemäß, weil die Anwendung erst gestartet werden müsse (S. 28 Duplik).

Es sei auch nicht richtig, wie klägerseits dargestellt, dass die Suchfunktionalität keine Anwendung sei, weil sie nicht gelöscht werden könne und nicht über ein Symbol auf dem Bildschirm verfügte – die Gestensteuerung ersetze technisch nur den Aufruf einer Anwendung durch Betätigen eines Symbols. Der Navigationsaufwand sei derselbe (S. 29/ 30 Duplik).

IV. Ihren Aussetzungsantrag mit Blick auf die Nichtigkeitsklage FBD 102 stützt die Beklagtenseite auf die fehlende Neuheit gegenüber den Entgegenhaltungen Hawkins (FBD 104), Stepanich (FBD 107) und Kwon (FBD 108) (S. 22 Klageerwiderung). Auch der Anspruch in der nunmehr geltend gemachten Fassung sei nicht patentfähig (S. 34/63 Duplik).

Durch die Geltendmachung einer eingeschränkten Merkmalskombination habe sich der Aussetzungsmaßstab verschoben (S. 34 Duplik).

V. Im Übrigen sei jedenfalls eine etwaige Verurteilung zur Unterlassung unverhältnismäßig, weil dies gegen Kartellrecht verstoßen würde: Die Klägerin halte auf dem Markt für Premium-LTE-Basisband-Chipsätze und auf dem SEP-Lizenzmarkt eine marktbeherrschende Stellung (S. 23 ff.). Die relevanten Märkte seien durch starke Markteintrittsbarrieren gekennzeichnet (S. 26 ff. Klageerwiderung). Eine Vielzahl von Wettbewerbsbehörden (im Einzelnen S. 18 ff., FBD 8, 8b, 9, 10) ermittelten wegen missbräuchlichen Verhaltens gegen die Klägerin, teilweise sei sie schon zur Zahlung hoher Bußgelder verpflichtet worden. Unter anderem habe sie durch ein Rabattsystem die Beklagtenseite zu einem exklusiven Bezug von Premium-Basisband-Chipsätzen gezwungen, um so ihre Mitbewerber aus dem Markt zu drängen. Ihre marktbeherrschende Stellung wolle sie auch durch die hiesige Klage stärken (S. 36 Klageerwiderung). Dabei sei irrelevant, dass das hiesige Verfahren kein SEP beträfe. Denn die Klägerin wolle die Beklagtenseite durch die hiesige dafür „bestrafen“, dass die Beklagtenseite nach einer fünfjährigen Periode des Bezugs nur von Chips der Klägerin nunmehr N. -Chipsätze verwende (S. 37 Klageerwiderung).

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs habe kein anderes Ziel als die Aufrechterhaltung und Ausweitung der marktbeherrschenden Stellung der Klägerin durch den Ausschluss von N., sei daher missbräuchlich, Art. 102 AEUV, und daher abzuweisen. Anderenfalls trüge das Gericht zu einer Schädigung oder einem Ausschluss des Wettbewerbs auf dem Markt für Premium-Basisband-Chipsätzen bei. Auch wenn hier ein nicht-beherrschter Markt betroffen sei, müsse nach der Rechtsprechung des EuGH das hiesige Verhalten mit Blick auf die Stellung der Klägerin im beherrschten Markt in einer Gesamtbetrachtung gewürdigt werden (S. 37 ff. Klageerwiderung).

Neben der möglichen Aussetzung nach Art. 16 Abs. 1 VO 2003/1/EG, oder zur Anfrage bei der Europäischen Kommission oder zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens oder mit Blick auf ein Verfahren im Vereinigten Königreich (S. 44 ff. Klageerwiderung) müsse das Gericht daher die Unverhältnismäßigkeit des Ausspruchs des Unterlassungsanspruchs nach Art. 3 Abs. 2 der Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG beachten (S. 44 Klageerwiderung). Die Klägerin verstoße auch unmittelbar gegen Art. 3 der Entscheidung der Kommission vom 24.01.2018 (S. 6ff. Duplik).

VI. Mit der Duplik machte die Beklagtenseite auch einen Lizenzeinwand geltend (Duplik Teil III). Weil es hierauf nicht streitentscheidend ankommt, verweist das Gericht auf den Sachvortrag der Beklagtenseite in der Duplik Teil III.

VII. Hilfsweise seien Rückruf- und Vernichtungsansprüche wegen Unverhältnismäßigkeit abzuweisen, weiter hilfsweise seien vollstreckungsrechtliche Besonderheiten zu beachten (S. 65/71 Klageerwiderung, FBD 18, FBD 19, S. 46 Duplik), insbesondere eine erhöhte Vollstreckungssicherheit.

G. Prozessuales

Die Beklagtenseite verkündete mit Schriftsatz vom 21.08.2018 den Streit an die O. A. Co Ltd., die I. Corporation und die E. Corporation. Die E. Corporation trat mit Schriftsatz vom 6.9.2018 dem Streit bei.

Das Gericht hat die Sache in zwei Terminen ausführlich mit den Parteien erörtert.

Zur Ergänzung des Tatbestands nimmt das Gericht Bezug auf alle zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie sämtliche gerichtlichen Verfügungen, Beschlüsse und Protokolle.

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung reichte die beklagte Partei den Schriftsatz vom 25.1.2019 ein. Darin wird mitgeteilt, dass die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes in den Einspruchsverfahren betreffend das EP … 067 (7 O 14455/17 und 7 O 14460/17) und das EP … 658 (7 O 14457/17 und 7 O 14462/17) am 23.1.2019 die vorläufige Rechtsauffassung vertreten habe, dass diese Patente nicht rechtsbeständig seien. Diese vorläufige Einschätzung habe auch Einfluss auf die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit des hiesigen Klagepatents, denn alle Patente entstammten derselben Ursprungsanmeldung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A.

Die Klage ist zulässig.

I. Das Landgericht München ist zuständig. Die internationale und örtliche Zuständigkeit folgt aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO, § 38 Nr. 1 GZVJu, die sachliche (ausschließliche) Zuständigkeit ergibt sich aus § 143 PatG.

II. Der Klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, auch nicht wegen des beklagtenseits erhobenen Kartellrechtseinwands.

1. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt einer Klage nur unter besonderen Umständen. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf die Möglichkeit, ein ordentliches Gericht anzurufen. Das Rechtsschutzbedürfnis einer Klage ist von der Begründetheit zu trennen, d.h. der Berechtigung des materiellen Klagebegehrens (Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 253 ZPO Rn. 18 mwN). Eine Klage kann u.a. unzulässig sein, wenn das Gericht bei einer Gesamtwürdigung Indizien dafür feststellt, dass der Kläger mit der Klage ausschließlich prozesszweckfremde Zwecke verfolgt (BGH NJW 2017, 674, 675 Rn. 25 mwN; als höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Rechtsschutzbedürfnis als allgemeine Prozessvoraussetzung auf das Patentrecht übertragbar).

Immaterialgüterrechte sind im europäischen Primär- und Sekundärrecht ebenso wie national auf verfassungsrechtlicher Ebene geschützt. Sie gewähren ein Ausschließlichkeitsrecht, das insbesondere die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs gewährt. Dessen Ausübung kann grundsätzlich keinen Missbrauch begründen (Calliess/Ruffert-Weiß, EUV/AEUV, 5. Auflage, Art. 102 AEUV Rn. 39 mwN): Es ist eine Grundwertung des Patentrechts, dass der Patentinhaber sein Ausschließlichkeitsrecht auch ausüben darf. Anderes kann grundsätzlich nur gelten, wenn das fragliche Patent standardessenziell ist und dem Patentinhaber hierdurch eine marktbeherrschende Stellung vermittelt, oder wenn sich aus den Modalitäten der Ausübung der Rechte aus dem (nicht standardessentiellen aber nicht umgehbaren) Patent ergibt, dass ein kartellrechtlich relevantes Ziel verfolgt wird (und die Ausübung des Rechts mithin nicht mehr seinem „spezifischen Gegenstand“ entspricht, siehe Calliess/Ruffert-Weiß, EUV/AEUV, 5. Auflage, Art. 102 AEUV Rn. 39 mwN; grundlegend EuGH verb. Rs. C-241/91 P und 242/91 P GRUR-Int 1995, 490, 493, Rn. 50 ff. – Magill; EuGH 238/87 GRUR-Int 1990, 141, Rn. 9 – Volvo/Veng). An die Annahme einer solchen Ausnahmesituation sind strenge Anforderungen zu stellen (zB EuGH Rs. C-418/01 – IMS Health MMR 2004, 456, Rn. 34, 35 mwN). Eine Lizenz soll dann erteilt werden müssen, wenn ihre Verweigerung das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht, die Verweigerung darf nicht gerechtfertigt sein, und sie muss geeignet sein, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen (EuGH Rs. C-418/01 – IMS Health MMR 2004, 456, Rn. 38 mwN). Dieser Ansatz kann dahingehend generalisiert werden, dass bei Vorliegen der vorgenannten Umstände die Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung aus einem Ausschließlichkeit vermittelnden Immaterialgüterrecht ausgeschlossen sein soll.

2. Nach diesem Maßstab liegt keine Rechtsmissbräuchlichkeit der Anträge auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (nachfolgend alleine: Antrag auf Unterlassung) vor, die zu einer Unzulässigkeit der Klage insoweit führen würde.

a. Das Gericht prüft die Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags auf Unterlassung als Teil der Zulässigkeit der Klage, obwohl die Beklagtenseite diesen Punkt (nur) als Begründetheitsproblem ansieht. Das Gericht hat aber die Zulässigkeit einer Klage von Amts wegen zu prüfen und vorgetragene Tatsachen rechtlich eigenständig zu werten, unabhängig von der juristischen Einkleidung durch die Parteien.

b. Die Beklagtenseite hat nicht belegt, dass die Klägerin (lediglich) prozesszweckfremde Ziele mit der Klage verfolgt. Sie hat nicht belegt, dass die Klage nur dem Zweck dient, ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Premium-Basisband-Chipsätze auszubauen, und/ oder N. als Mitbewerber aus dem Markt zu drängen.

Irrelevant ist, ob die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung innehat, und wenn ja, auf welchem Markt. Denn die Geltendmachung der klägerischen Ansprüche, insbesondere des Unterlassungsanspruchs, ist schon keine missbräuchliche Verhaltensweise. Entgegen den oben dargestellten Grundsätzen hat die Beklagtenseite schon nicht belegt, dass durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs das Auftreten eines neuen Erzeugnisses verhindert wird. Vielmehr behauptet die Beklagtenseite, dass die patentgemäße Erfindung nicht benutzt werde. Die engen Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des EuGH die Geltendmachung eines Immaterialgüterrechts ausgeschlossen sein soll, sind mithin nicht erfüllt.

Die Vorgehensweise der Klägerin erfordert des Weiteren keine Marktmacht, auch nicht bei der beklagtenseits herangezogenen Gesamtschau des Prozessverhaltens der Klägerin. Die Klägerin geht als Patentinhaberin gegen die Beklagtenseite vor, unabhängig von der Stellung beider Parteien auf bestimmten Märkten. Die Beklagtenseite behauptet zwar, dass die Klägerin mit den Klagen ein außerhalb des eigentlichen Klagebegehrens liegendes Ziel verfolge, nämlich N. aus dem Markt zu drängen. Dem steht indes schon entgegen, dass die Klägerin nach dem Vortrag der Beklagtenseite ihre Unterlassungsansprüche (nur) „überwiegend“ gegen iPhones richte, die N. -Chips enthielten (S. 8 Klageerwiderung Teil I). Das bedeutet gleichzeitig, dass sie auch gegen iPhones vorgeht, die Qualcomm-Chips enthalten. Belegt ist die Behauptung, die Klägerin verfolge mit den Klagen das Ziel, N. aus dem Markt zu drängen, im Übrigen nicht. Schließlich kommt hinzu, dass die Beklagtenseite eines der wichtigsten Unternehmen auf dem Markt der Mobilfunktelefonherstellung ist, und die hiesigen Verfahren Signalwirkung für andere Unternehmen haben können, die ein gesondertes gerichtliches Vorgehen gegen diese Unternehmen entbehrlich machen würde. Im Übrigen hat die Beklagtenseite nicht im Einzelnen vorgetragen, welche konkreten anderen Unternehmen durch welche konkreten Produkte Patentrechte der Klägerin verletzen und warum und seit wann die Klägerin hiervon in einer Weise Kenntnis erlangt hat, die eine Klageerhebung mit einiger Erfolgswahrscheinlichkeit ermöglichten.

Wollte man der Argumentationslinie der Beklagtenseite folgen, wäre die Klägerin im Übrigen effektiv jeglicher Möglichkeit beraubt, die Verletzung ihrer Patente durch Mobilfunkhersteller zu ahnden, jedenfalls soweit diese andere als ihre Chips verwenden. Konsequent zu Ende gedacht dürfte die Klägerin auch nicht gegen die Hersteller patentverletzender Chips vorgehen, weil ein etwaiger Unterlassungs- und Rückrufanspruch Auswirkungen auf Mobilfunkhersteller und damit mittelbar auf die Marktquote N. s haben könnte. Die Klägerin wäre mithin wegen einer (bestrittenen) marktbeherrschenden Stellung auf einem abgeschlossenen Markt effektiv daran gehindert, jegliche ihrer Patente – gleich welcher Markt hierdurch betroffen sein könnte – durchzusetzen. Dieses Ergebnis ist mit der oben dargestellten gesetzgeberischen Wertung des Patentrechts nicht vereinbar.

Ein Anspruch auf Lizenzerteilung kommt nur unter engen Voraussetzungen bei standardessentiellen Patenten in Betracht, ein solches liegt unstreitig nicht vor. Eine Ausweitung auf nicht standardessentielle Patente, kommt nach der Rechtsprechung des EuGH (wie vorzitiert) allenfalls dann in Betracht, wenn deren Benutzung unabdingbar ist. Die Beklagtenseite trägt insoweit aber gerade vor, das Klagepatent nicht zu nutzen.

d. Die Klägerin verstößt durch die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs auch nicht gegen die Entscheidung der EU-Kommission, Case AT.40220. Zwar ist sie trotz der eingelegten Nichtigkeitsklage mangels Suspensivwirkung (Art. 278 S. 1 AEUV) verbindlich. Der Beschluss der EU-Kommission erfasst aber die hiesige Klage nicht. Wie oben festgestellt, stellt die Klage keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin dar. Insbesondere ist für die Klage keine marktbeherrschende Stellung erforderlich, sondern nur die Inhaberschaft des Klagepatents. Es liegt mithin kein Verhalten vor, das ein vergleichbares Ziel oder eine vergleichbare Wirkung aufweist wie das durch den Beschluss der EU-Kommission adressierte Verhalten.

3. Nach alledem ist die Klage nicht als kartellrechtsverstoßend anzusehen. Sie ist nicht rechtsmissbräuchlich.

4. Die Klage ist insgesamt zulässig.

B.

Die Klage ist aber unbegründet. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin aktivlegitimiert ist. Ferner kann der Lizenzeinwand dahinstehen. Denn die angegriffenen Ausführungsformen verletzen das Klagepatent nicht.

I. Das Klagepatent EP 806 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Kommunikationskanalauswahl. Es wurde am 20.11.2006 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 28.11.2005 (US …506) angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 30.03.2016 veröffentlicht.

1. Als relevanter Fachmann ist nach übereinstimmender Definition der Parteien, der sich die Kammer anschließt, ein Dipl.-Ing. zu definieren, mit der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption von Kommunikationsendgeräten und Fachkenntnissen im Bereich Kommunikationstechniken wie Festnetz- und Mobiltelefonie. Soweit die Parteien darüber divergieren, ob der Fachmann Kenntnisse im Bereich der verschiedenen gängigen Kommunikationsstandards haben müsse (so die Klägerin) oder Kenntnisse über Benutzeroberflächen ausreichend seien (so die Beklagtenseite), kommt es hierauf nicht streitentscheidend an.

2. Das Klagepatent erläutert zum Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt, dass frühe Kommunikationsendgeräte und -verfahren nur zur Nutzung eines Kommunikationskanals bestimmt waren, etwa der Telegraf und später die Sprachtelefonie für konventionelle Telefone. Auch frühe Mobiltelefone waren ursprünglich nur für Sprachtelefonie entwickelt und geeignet. Im Zuge der Weiterentwicklung mobiler Kommunikationsgeräte traten weitere Kanäle hinzu, so etwa die Möglichkeit, Textnachrichten über den Short Message Service (SMS) zu versenden oder – in späteren Entwicklungsstufen – Multimedianachrichten (MMS) (Abs. [0002]).

Zum Prioritätszeitpunkt nutzten laut Klagepatent viele Anwender ihre Mobiltelefone sowohl für Sprachtelefonie als auch für Textnachrichten. Die Benutzeroberflächen der Mobiltelefone waren jedoch nach wie vor hauptsächlich auf die Anwahl von Telefonnummern für Sprachverbindungen ausgelegt, so dass die Eingabe einer Textnachricht nicht ohne Navigieren in die entsprechende Anwendung möglich war, wenn das Mobiltelefon sich in einem Standby-Zustand befand (Abs. [0003]). Die Eingabe einer Telefonnummer in der Standby-Anzeige erlaubte meist lediglich den Aufbau einer Sprachverbindung (Abs. [0003]), nicht die unmittelbare Eingabe einer Textnachricht.

Das Klagepatent geht in erster Linie von einem Mobiltelefon mit Bildschirm und physischer Tastatur aus, sieht aber auch die Möglichkeit des Einsatzes eines Touch-Screens vor, [0016]. Insoweit weiß der Fachmann, dass eine Touch-Screen-Tastatur dauerhaft oder nur bei Bedarf angezeigt werden kann.

3. Diesen Stand der Technik kritisiert das Klagepatent indirekt [3; 36] dahingehend, dass der Nutzer, der einen anderen Kanal als das Telefon benutzen wollte, zunächst diesen anderen Kommunikationskanal auswählen musste durch Öffnen der entsprechenden Anwendung und anschließend erst den Empfänger der beabsichtigten Nachricht auswählen konnte.

4. Das Klagepatent möchte im Wege einer Alternative bzw. Verbesserung eine effizientere Möglichkeit bereitstellen, um eine Kommunikationsverbindung zu einem zweiten Endgerät in einem Kommunikationsendgerät auszuwählen, welches mehrere Kommunikationskanäle verwenden kann, also etwa Sprachtelefonie und Textnachrichten (Abs. [0005]).

5. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Kommunikationskanalauswahl vor. Die Erfindung nach dem Klagepatent erlaubt es, so [0036], zunächst den zu kontaktierenden Kontakt auszuwählen und sodann den hierzu zu nutzenden Kommunikationskanal, wobei die Auswahl des Kontakts vorliegend dadurch von statten geht, dass in einem Stand-by-Bildschirm durch den Benutzer Buchstaben eingegeben werden, die einen Titel für ein zweites Kommunikationsendgerät repräsentieren, und im Anschluss daran die verschiedenen verwendbaren Kommunikationskanäle zur Auswahl angeboten werden, wobei sie, so die nun geltend gemachte Einschränkung, als gesonderte Ikonen dargestellt werden.

Die Klägerin macht Anspruch 8 nunmehr nur noch in eingeschränkter Fassung geltend (Einschränkung auf Anspruchskombination 8 mit 11).

Beide Parteien gliedern den neu gefassten Anspruch 8 auf dieselbe Weise, der sich die Kammer anschließt (K (E) 6, zuvor K (E) 2). Die von der ursprünglichen Fassung abweichenden Merkmale der eingeschränkten Merkmalskombination hat das Gericht unterstrichen.

8.
A communication terminal (10) comprising:

8.1
a communication controller (63) including a transceiver device for transmitting signals over a communication link;

8.2
a user interface including a display and an input interface;

8.3
an input detection device (61) configured to sense input of letters by a user in a standby screen, representing a title for a second communication terminal;

8.4
a title memory;

8.5
a data retrieving mechanism (65),

8.5.1
configured to retrieve information associated with the title of the second communication terminal and connected to a display control device (62) for presenting the retrieved information on the display; and

8.5.2
configured to retrieve information related to selectable communication channels usable for communicating with the second communication terminal;

characterised in that

8.6
the display control device (62) is configured to present, on the display, a plurality of selectable items (152-157) only representing the usable communication channels, responsive to sensing of input of the title; wherein

8.6.1
once the user starts to type letters, the display control device (62) is configured to present the different usable communication channels for selection;

8.6.2
and the display control device is configured to present the plurality of selectable items as separate icons.

Deutsche Übersetzung:

8.
Kommunikationsendgerät umfassend

8.1
eine Kommunikationssteuervorrichtung (63) umfassend eine Transceivervorrichtung zur Übertragung von Signalen über eine Kommunikationsverbindung;

8.2
eine Benutzerschnittstelle umfassend eine Anzeige und eine Eingabeschnittstelle;

8.3
eine Eingabedetektionsvorrichtung (61), die dazu ausgebildet ist, die Eingabe von Buchstaben durch einen Benutzer in einer Standby-Anzeige zu detektieren, die einen Titel für ein zweites Kommunikationsendgerät repräsentieren;

8.4
einen Titelspeicher;

8.5
einen Datenabfragemechanismus (65),

8.5.1
der dazu ausgebildet ist, Information abzufragen, die mit dem Titel des zweiten Kommunikationsendgeräts assoziiert ist und mit einer Anzeigesteuervorrichtung (62) für die Darstellung der abgefragenen Information auf der Anzeige verbunden ist; und

8.5.2
der dazu ausgebildet ist, Information abzufragen, die sich auf auswählbare Kommunikationskanäle bezieht, die für das Kommunizieren mit dem zweiten Kommunikationsendgerät verwendbar sind;

dadurch gekennzeichnet, dass

8.6
die Anzeigesteuervorrichtung (62) dazu ausgebildet ist, eine Mehrzahl von auswählbaren Punkten (152-157) auf der Anzeige darzustellen, die lediglich die verwendbaren Kommunikationskanäle repräsentieren, die auf das Detektieren der Eingabe des Titels ansprechbar sind; wobei

8.6.1
die Anzeigesteuervorrichtung (62) dazu ausgebildet ist, am Anfang der Eingabe von Buchstaben durch den Benutzer die verschiedenen verwendbaren Kommunikationskanäle zur Auswahl darzustellen;

8.6.2
und wobei die Anzeigesteuervorrichtung zur Darstellung der Mehrzahl von auswählbaren Punkten als gesonderte Ikonen ausgebildet ist.

II. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die technische Lehre des neu gefassten Patentanspruchs 8 des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln. Streitig ist zwischen den Parteien die Verwirklichung der Merkmale 8.3, 8.5.1, 8.5.2 und 8.6. Jedenfalls eine Verwirklichung des Merkmals 8.3 durch die angegriffenen Ausführungsformen besteht nicht.

1. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von Anspruch 8 keinen unmittelbaren wortsinngemäßen Gebrauch. Sie weisen keine Standby-Anzeige im patentgemäßen Sinne (Merkmal 8.3) auf.

a. Gemäß Art. 69 EPÜ wird der Schutzbereich eines europäischen Patents durch die Patentansprüche bestimmt. Beschreibung und Zeichnungen sind zur Auslegung indes heranzuziehen. Erforderlich ist eine funktionsorientierte Auslegung, wobei die Patentschrift ihr eigenes Lexikon darstellen kann (BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube). Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube, mwN). Eine (wohlwollende) Auslegung muss auch dann erfolgen, wenn der Anspruchswortlaut scheinbar eindeutig ist (BGH GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente, mwN). Patentansprüche sind in Zweifelsfällen grundsätzlich so auszulegen, dass sie sich im Verhältnis zu in der Schrift mitgeteiltem Stand der Technik abgrenzen, es ihnen mithin nicht bereits insoweit an Neuheit fehlt. Bei Widersprüchen zwischen Patentansprüchen und Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen (BGH GRUR 2011, 701, 703 Rn. 23 – Okklusionsvorrichtung).

b. Eine klagepatentgemäße „Standby-Anzeige“ im Sinne des Merkmals 8.3 setzt hiernach voraus, dass ein Adressbuch oder ähnliches nicht zielgerichtet geöffnet ist und in diesem Modus Buchstaben eingegeben werden können und sodann aufgrund dieser Eingabe eine Auswahl an Kontaktierungsmöglichkeiten angezeigt wird. Das setzt aus der Sicht des Fachmanns voraus, dass auch im Standby-Modus das Adressbuch im Hintergrund geöffnet sein muss, oder durch die Eingabe im Standby-Modus im Hintergrund geöffnet wird. Anderenfalls wäre technisch nicht erklärlich, wie die anschließende Suche nach weiteren Kommunikationskanälen funktionieren kann. Da Patentansprüche nach oben Gesagtem grundsätzlich so auszulegen sind, dass sie eine neue Erfindung offenbaren, muss Merkmal 8.3 des Klagepatents so gelesen werden, dass ein zielgerichteter Aufruf des Adressbuchs aber in jedem Fall zu unterbleiben hat. Denn andernfalls würde Anspruch 8 nichts anderes beanspruchen, als in [0004] als vorbekannt beschrieben.

Ein anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass das Klagepatent in [0021] und [0023] als Ausführungsbeispiele vorsieht, dass eine Nummer aus einer Konktaktliste abgerufen werden kann ([0021], Z. 20 ff.:
„In an exemplary embodiment, an address number may be input using input interface 14 tc [sic] type the number, or by fetching the number in a contact list stored in the terminal using e.g. a navigationtool 141 of the input interface.”; [0023]: “According to an exemplary embodiment of Fig. 1, a user has input an address number in the form of a telephone number +123456789, either using input interface 14 to type the number or by fetching the number in a contact list stored in the terminal.“)

Denn diese Ausführungsbeispiele lassen sich mit dem Wortlaut des Anspruchs nicht (mehr) vereinen und sind daher nach vorzitierter höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade nicht (mehr) beansprucht. Anderenfalls wäre der „Witz“ des Klagepatents, wonach gerade kein zielgerichteter Aufruf des Adressbuchs oder einer Kontaktliste erforderlich ist, konterkariert, wie dies auch die Klägerin – allerdings mit im Ergebnis abweichendem Auslegungsergebnis – sieht (S. 10 Replik).

Weil schon dieser Aspekt des Begriffs „Standby-Anzeige“ in den angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht ist, kommt es auf die übrigen Umstände des Verständnisses der Standby-Anzeige nicht mehr an.

c. Unter Zugrundelegung der obigen Auslegung liegt keine Verletzung des Merkmals 8.3 vor. Denn die Suchfunktion Spotlight läuft nicht im Hintergrund sondern muss durch den Nutzer extra und zielgerichtet aufgerufen werden. Dies geschieht, indem der Nutzer im Home-Screen-Modus auf dem Display nach unten streicht. Wie die Beklagtenseite zutreffend unterstreicht, ist es für die Patentverletzung unerheblich, ob ein Programm durch das Betätigen eines Buttons oder durch eine Geste auf dem Display, der eine Aktivierung eines bestimmten Programms zugewiesen ist, aufgerufen wird (zu S.18 Klageerwiderung-II).

Die Klägerseite dringt auch nicht mit ihrer Argumentation durch, durch die Geste werde erst eine Tastatur aufgerufen, und erst dann sei von einem patentgemäßen Standby-Modus zu sprechen (zu S. 30 Replik). Das ist widerlegt durch die – nicht bestrittenen Angaben der Beklagtenseite, bei Anschluss einer Tastatur werde in der Suchfunktionalität keine virtuelle Tastatur angezeigt (S. 23, 29 Duplik). Ebenso wäre technisch ohne Weiteres eine Anwendung denkbar, die allein die Anzeige einer virtuellen Tastatur ermöglicht. Das zeigt, dass die Suchfunktionalität bei der angegriffenen Ausführungsform gerade nicht den patentgemäßen Standby-Modus erzeugen soll, sondern eine über die Anzeige der Tastatur hinausgehende Anwendung ist, die dem im Patent beschriebenen Adressbuch gleichsteht. Weil der Begriff „Standby-Modus“ des Merkmals 8.3 aber gerade den zielgerichteten Aufruf einer Anwendung, wie etwa eines Adressbuchs ausschließt, wird durch den Aufruf der Suchfunktionalität das Merkmal nicht verwirklicht.

2. Merkmal 8.3 wird auch nicht mit einem patentrechtlich äquivalenten Mittel verwirklicht. Vortrag hierzu fehlt. Eine äquivalente Verletzung ist auch sonst nicht ersichtlich.

3. Nach alledem liegt keine unmittelbare (wortsinngemäße oder äquivalente) Patentverletzung vor.

Die Klage ist mithin unbegründet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, soweit sie teilweise zurückgenommen worden ist (Geltendmachung einer nur eingeschränkten Merkmalskombination), im Übrigen aus § 91 ZPO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

V. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO war nicht veranlasst.

Nach § 156 Abs. 1 ZPO kann das Gericht die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

Vorliegend hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes am 23.1.2019, und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung, im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eine vorläufige und nicht bindende Einschätzung in Bezug auf die Rechtsbeständigkeit des EP … 067 (7 O 14455/17 und 7 O 14460/17) und des EP … 658 (7 O 14457/17 und 7 O 14462/17) kommuniziert. Hiernach seien diese beiden Patente nicht rechtsbeständig. Auch wenn die Kammer die Einschätzung der beklagten Partei teilte, dass diese vorläufige Einschätzung auch Einfluss auf die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit des hiesigen Klagepatents habe, war eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht veranlasst. Denn wie gezeigt war die Klage mangels Verletzung abzuweisen. Auf die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents kam es daher nicht entscheidend an.

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