Kein Vergleichsmehrwert bei einer Vereinbarung zum Wettbewerbsverbot

11. Februar 2025
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Beschluss des LArbG vom 08.11.2024, Az.: 26 Ta (Kost) 6051/24

Eine im Rahmen eines Vergleichs geschlossene Vereinbarung, die auf Aufhebung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbots zielt und das Entfallen einer Karenzentschädigung regelt, sorgt bei der Berechnung des Gegenstandswerts nicht dafür, dass die für dessen Dauer zu zahlende Karenzentschädigung in Ansatz zu bringen ist. Folglich ist ein höherer Mehrwert zu verneinen. Grund hierfür ist insbesondere, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, mit der Einigungsgebühr als solche abgegolten ist. Bzgl. der Regelung zum vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot bedarf es einer Einzelfallbeurteilung, welche die jeweiligen Interessenlagen berücksichtigen muss. Diese fällt jedoch tendenziell gegen eine Werterhöhung aus, so das LArbG Berlin in seinem Beschluss.

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 26. Kammer

Beschluss vom 08.11.2024

Az.: 26 Ta (Kost) 6051/24

 

Leitsatz

1. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts für eine Regelung zum vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot ist auf die wirtschaftliche Bedeutung der Vereinbarung für die Parteien abzustellen. Welche wirtschaftliche Bedeutung die Aufhebung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hat, hängt von der Interessenlage ab.

2. Insoweit kann es darauf ankommen, ob Angebote anderer Arbeitgeber vorliegen, der Arbeitnehmer die Absicht hat, sich im Geschäftsbereich seines alten Arbeitgebers selbständig zu machen oder er eine Vertragsstrafe, die für den Fall von Wettbewerbsverstößen vereinbart ist, nicht verwirken will.

3. Gibt es derartige konkrete Anhaltspunkte für die Gegenstandswertberechnung nicht, verbleibt als Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Bewertung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die in §§ 74 ff. HGB enthaltene Regelung. Streiten die Parteien über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, ist für den Gegenstandswert deshalb die Höhe der vom Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitraum zu zahlenden Entschädigung entscheidend (vgl. LAG Köln 8. September 2021 – 2 Ta 119/21, Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 17. Februar 2020 – 26 Ta (Kost) 6112/19, Rn. 5 ff.).

4. Bei einem unter zwei Jahren liegenden Anspruchszeitraum ist der Betrag entsprechend zu kürzen (vgl. LAG München 23. Oktober 2023 – 3 Ta 178/23, Rn. 19). Hat der Arbeitgeber von seinem Recht aus § 75a HGB Gebrauch gemacht, ist das ggf. hinsichtlich des insoweit maßgeblichen Zeitraums zu berücksichtigen (vgl. LAG Hamm 26. Oktober 2022 – 8 Ta 198/22, Rn. 18).

5. Geht es um eine Aufhebung des Wettbewerbsverbots auf Initiative der Arbeitgeberseite, ist § 75a HGB ebenfalls zu beachten. Die Vorschrift ermöglicht es dem Arbeitgeber, vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung zu verzichten, dass er mit Ablauf eines Jahres seit der Erklärung ohnehin von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird. Je länger der Zeitraum zwischen Abschluss des Vergleichs und einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist, desto geringer sind daher die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Vereinbarung über die Aufhebung des Wettbewerbsverbots und das Entfallen der Karenzentschädigung.

Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang
vorgehend ArbG Berlin, 31. Juli 2024, 34 Ca 12555/24, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Juli 2024 – 34 Ca 12555/23 – wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführer haben den Kläger erstinstanzlich in einem Rechtsstreit vertreten, in dem dieser im Rahmen einer Stufenklage Auskunft/Buchauszug und Zahlung der sich daraus ergebenden Provisionen/Prämien beansprucht hat. Darüber hinaus hat der Kläger sonstige Vergütung geltend gemacht. Am 27. Juni 2024 haben die Parteien einen Vergleich geschlossen. Darin haben sie sich ua auf Provisionszahlungen für die Zeit bis zum Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten am 28. Februar 2025 geeinigt. Unter Nr. 4 des Vergleichs haben sie darüber hinaus die Aufhebung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Wettbewerbsverbots und das Entfallen einer Karenzentschädigung geregelt.

Das Arbeitsgericht hat bei der Berechnung des Gegenstandswerts für den Vergleich wegen der Regelung unter Nr. 4 einen Mehrwert in Höhe von 13.500 Euro in Ansatz gebracht, was einer Karenzentschädigung für ein halbes Jahr entsprochen hätte. Im Ergebnis ergab sich für das Verfahren ein Betrag in Höhe von 83.553 Euro und für den Vergleich ein solcher in Höhe von 180.779 Euro.

Mit ihrer Beschwerde machen die Klägervertreter geltend, für die Regelung zur Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sei die für dessen Dauer zu zahlende Karenzentschädigung in Ansatz zu bringen. Die Arbeitgeberin habe auf die Aufhebung des Wettbewerbsverbots und den Wegfall der Karenzentschädigung bestanden. Die Karenzentschädigung hätte für einen Zeitraum von zwei Jahren 54.000 Euro betragen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die im Vergleich unter Nr. 4 getroffene Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigung hat jedenfalls keinen höheren als den durch das Arbeitsgericht in Ansatz gebrachten Mehrwert ausgelöst.

1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber – und nicht worauf – die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).

Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 3).

2) Geht es um eine Regelung zum vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverbot, ist insbesondere auf die wirtschaftliche Bedeutung der Vereinbarung für die Parteien abzustellen. Welche wirtschaftliche Bedeutung die Aufhebung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hat, hängt insbesondere von der Interessenlage ab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls.

a) Insoweit kann es darauf ankommen, ob Angebote anderer Arbeitgeber vorliegen, der Arbeitnehmer die Absicht hat, sich im Geschäftsbereich seines alten Arbeitgebers selbständig zu machen oder er eine Vertragsstrafe, die für den Fall von Wettbewerbsverstößen vereinbart ist, nicht verwirken will. Gibt es derartige konkrete Anhaltspunkte für die Gegenstandswertberechnung, so sind sie maßgebend. Andernfalls verbleibt als Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Bewertung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die in §§ 74 ff. HGB enthaltene Regelung, da sie nach der Intention des Gesetzgebers dem Ziel dient, die für den Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot entstehenden wirtschaftlichen Nachteile angemessen auszugleichen. Streiten die Parteien über die Gültigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, ist für den Gegenstands-/Streitwert deshalb die Höhe der vom Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitraum zu zahlenden Entschädigung entscheidend (vgl. LAG Köln 8. September 2021 – 2 Ta 119/21, Rn. 7; LAG Berlin-Brandenburg 17. Februar 2020 – 26 Ta (Kost) 6112/19, Rn. 5 ff.). Ist in der vertraglichen Vereinbarung über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eine Karenzentschädigung nicht vorgesehen, ist der Gegenstands-/Streitwert nach der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen des Arbeitnehmers zu bemessen (vgl. LAG Köln 12. November 2007 – 7 Ta 295/07, Rn. 8.; LAG Schleswig-Holstein 31. Mai 2012 – 6 Ta 86/12, Rn. 11). Bei einem unter zwei Jahren liegenden Anspruchszeitraum ist der Betrag entsprechend zu kürzen (vgl. LAG München 23. Oktober 2023 – 3 Ta 178/23, Rn. 19). Hat der Arbeitgeber von seinem Recht aus § 75a HGB Gebrauch gemacht, ist das ggf. hinsichtlich des insoweit maßgeblichen Zeitraums zu berücksichtigen (vgl. LAG Hamm 26. Oktober 2022 – 8 Ta 198/22, Rn. 18).

b) Geht es um eine Aufhebung des Wettbewerbsverbots auf Initiative der Arbeitgeberseite, ist § 75a HGB ebenfalls zu beachten. Die Vorschrift ermöglicht es dem Arbeitgeber, vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung zu verzichten, dass er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung ohnehin von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.

c) Es ist nach den Ausführungen unter 1) zudem zu beachten, dass der Wert des Vergleichs sich nicht um den Wert dessen erhöht, was eine Partei oder die Parteien durch den Vergleich erlangen oder wozu sie sich dort verpflichten. Für die Annahme eines Vergleichsmehrwerts muss vielmehr gerade über die Frage des Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweils im Vergleich getroffene Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben. Durch die Bestimmung von Leistungen oder Gegenleistungen, die allein zur Beilegung des Rechtsstreits selbst vereinbart oder gewährt werden, wird hingegen kein Vergleichsmehrwert begründet. Diese Überlegungen des Streitwertkatalogs korrespondieren mit den gesetzlichen Anforderungen des Gebührentatbestands nach Nr. 1000 VV-RVG Anm. Abs. 1. Denn dort wird ebenfalls die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages verlangt, der den Streit oder die Ungewissheit über ein (weiteres) Rechtsverhältnis beseitigt, soweit sich der Vertrag nicht lediglich auf ein Anerkenntnis beschränkt (vgl. LAG Hamm 26. Oktober 2022 – 8 Ta 198/22, Rn. 13).

3) Dafür, dass über die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots Streit oder Ungewissheit bestanden hätte, ergibt sich aus dem Vortrag in der Beschwerdebegründung hier nichts, auch nicht dazu, ob das für die Möglichkeiten der Beklagten von Relevanz gewesen wäre.

Nach den Ausführungen der Klägervertreter in der Beschwerdebegründung ist die Aufhebung des Wettbewerbsverbots und das Entfallen der Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung auf Initiative der Beklagten vereinbart worden. Sollte nach den Ausführungen unter 2) c) hier überhaupt ein Vergleichsmehrwert für die Regelung zur Aufhebung des Wettbewerbsverbots und zum Entfallen der Karenzentschädigung anzusetzen sein, wäre insoweit allenfalls der Zeitraum vom 1. März 2025 bis zum 27. Juni 2025 zu berücksichtigen gewesen. Zum 27. Juni 2025 hätte die Arbeitgeberin sich am 27. Juni 2024 wegen § 75a HGB ohnehin von der Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung befreien können. Der durch das Arbeitsgericht in Ansatz gebrachte Betrag liegt darüber.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 33 Abs. 9 RVG. Eine Gebühr ist angefallen.

IV.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

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