Treuwidrigkeit bei Berufung auf Wettbewerbsverbot
OLG München
Urteil v. 18.12.2024
7 U 9239/21
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten werden das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.11.2021, Az. 5 O 4642/19, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten seiner Wiedereinsetzung.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Parteien streiten um Vertragsstrafenansprüche.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Meiningen, Az. IN 306/17, vom 20.12.2017 zum vorläufigen Insolvenzverwalter und sodann mit Beschluss vom 22.03.2018 laut Anl. K 1 aufgrund eines Eigenantrags vom 19.12.2017 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der S.S. GmbH (im Folgenden als Insolvenzschuldnerin bezeichnet) bestellt.
Die Insolvenzschuldnerin wurde von dem Beklagten und Herrn T.L. mit Gesellschaftsvertrag vom 31.08.2015 laut Anl. K 3 (im Folgenden mit GV abgekürzt) gegründet. Das Stammkapital der Insolvenzschuldnerin in Höhe von insgesamt 25.000,00 € ist in zwei Geschäftsanteile von jeweils 12.500,00 € geteilt, von denen einen Herr T.L. und den anderen der Beklagte übernahm. Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin war T. L.
Der Gesellschaftsvertrag der Insolvenzschuldnerin lautet auszugsweise wie folgt:
„I. Allgemeine Bestimmungen
(…)
§ 2
Gegenstand des Unternehmens
1. Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung, Produktion, Vermarktung und Installation für [sic] Energieversorgungssysteme und deren Komponenten, sowie die Entwicklung, Wartung, Service solcher Systeme und Komponenten. Gegenstand ist auch die Vornahme der hierzu notwendigen Investitionen in Betriebsanlagen. Die Vermarktung umfasst neben dem Verkauf auch Leasing und alternative Finanzierungsmodelle wie Miete und Contracting sowie der dazugehörigen Abrechnungen.
2. Gegenstand des Unternehmens ist außerdem die Beteiligung an und die Übernahme von anderen in- und ausländischen Unternehmen, gleich welcher Art, einschließlich der Übernahme der Geschäftsführung, Vertretung sowie Verwaltung von Unternehmen.
3. Die Gesellschaft ist berechtigt, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland zu gründen und zu errichten. Sie kann gleiche und branchenähnliche Unternehmungen im In- und Ausland erwerben, sich an solchen beteiligen, pachten und sämtliche einschlägigen Geschäfte betreiben, die geeignet sind, den Gegenstand des Unternehmens mittelbar oder unmittelbar zu fördern.
(…)
VII. Wettbewerbsverbot; Liquidation
§ 16
Wettbewerbsverbot
1. Die einzelnen Gesellschafter dürfen im Rahmen des Unternehmensgegenstandes während des Bestehens der Gesellschaft und während ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft weder für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden noch ein Konkurrenzunternehmen gründen oder erwerben oder sich an einem solchen beteiligen, sofern dies nicht für Rechnung der Gesellschaft erfolgt. Als Konkurrenzunternehmen gilt jedes Unternehmen, das auf dem Gebiet der Entwicklung, Produktion oder Vermarktung von Komponenten für Energieversorgungssysteme auf Basis der Brennstoffzellentechnologie tätig ist.
Die Beteiligten stellen klar, dass die Unternehmen X. GmbH und E. GmbH sowie S. Energie GmbH nicht als Konkurrenzunternehmen im Sinne dieser Bestimmung gelten.
(…)
2. Den Gesellschaftern und den Geschäftsführern kann Befreiung vom Wettbewerbsverbot erteilt werden. Über Art und Umfang der Befreiung sowie ein ggf. zu zahlendes Entgelt für die Befreiung beschließt die Gesellschafterversammlung mit einer Mehrheit von 90% der Stimmen (…).
(…)
4. Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus oder wird sein Geschäftsanteil eingezogen, so gilt Absatz 1 entsprechend für die Dauer von zwei Jahren nach dem Ausscheiden mit der Maßgabe fort, dass für das Tätigkeitsgebiet der Gesellschaft auf den Zeitpunkt des Ausscheidens oder der Einziehung abzustellen ist.
5. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot dieses § 18 [sic] hat der Zuwiderhandelnde für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 50.000,- (in Worten fünfzigtausend) an die Gesellschaft zu zahlen. Je zwei Wochen einer fortgesetzten Zuwiderhandlung gelten als unabhängig und selbständige Zuwiderhandlung. Das Recht, Schadensersatz oder Unterlassung zu verlangen, wird durch die Zahlung der Vertragsstrafe nicht berührt. Die Vertragsstrafe wird auf den Schadensersatz angerechnet.
(…)“
Der Beklagte war im Zeitraum vom 12.05.2016 bis 01.01.2018 als Geschäftsführer der E. GmbH (im Folgenden als E. bezeichnet) tätig. Die E. war unter der Firma S.-A. 980 GmbH mit dem Geschäftsgegenstand „Verwaltung eigenen Vermögens“ durch Gesellschaftsvertrag vom 08.03.2016 gegründet worden. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 02.05.2016 wurde die Firma in E. geändert. Gleichzeitig wurde als neuer Geschäftsgegenstand die „Vorbereitung und Durchführung von Energiecontracting einschließlich Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb von Energieversorgungsanlagen zur Produktion und Lieferung von Wärme und Strom, sowie alle damit verbundenen Dienstleistungen“ festgelegt. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 01.01.2018 (Az 1501 IN 3007/17) wurde über das Vermögen der E. das Insolvenzverfahren eröffnet (vgl. den Handelsregisterauszug laut Anl. K 4).
Der Kläger behauptet, dass der Beklagte durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der E. vom 12.05.2016 bis zum 01.01.2018 gegen das vertragliche vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Aus dem 85-wöchigen Zuwiderhandlungszeitraum ergäben sich 42 selbständige Verstöße und damit ein Vertragsstrafenanspruch von insgesamt 2.100.000 €.
Die E. sei im selben Marktsegment wie die Insolvenzschuldnerin tätig gewesen. Die E. sei in § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV nicht benannt, sodass eine Tätigkeit für sie auch nicht vom Wettbewerbsverbot ausgenommen sei.
Die Insolvenzschuldnerin habe ihren Geschäftsbetrieb bis Ende 2017 aufrechterhalten, was sich daran zeige, dass mit der E. GmbH eine enge Geschäftsbeziehung noch bis in das Jahr 2017 bestanden habe und die Insolvenzschuldnerin noch im Jahr 2017 umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen unternommen habe.
Die Vertragsstrafe sei auch nicht unverhältnismäßig hoch. Mit der Festlegung der Vertragsstrafe hätten die Gesellschafter übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, wie bedeutsam ihnen die Einhaltung des Wettbewerbsverbots sei. Die geltend gemachte Vertragsstrafe sei auch unter Berücksichtigung eines etwaig eingetretenen Schadens angemessen. Denn die Marge der E. in Bezug auf die an der Insolvenzschuldnerin vorbei getätigten Geschäfte habe ausweislich der Angaben des Herrn L. (vgl. dessen Email vom 01.03.2019, 14:38 Uhr laut Anl. K 12) mindestens zwei Millionen Euro betragen.
Der Kläger beantragte daher:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.100.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 08.11.2018 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Der Beklagte erwiderte, dass das Wettbewerbsverbot und die Vertragsstrafenabrede sittenwidrig seien. So fehle es in der Vereinbarung an der Festlegung einer Obergrenze für die Vertragsstrafe. Auch bestehe ein Missverhältnis zwischen der vom Beklagten investierten Summe von 12.500,00 € und dem nicht in Gang gekommenen Geschäft der Insolvenzschuldnerin einerseits und der vereinbarten Vertragsstrafe andererseits. Die Strafbewehrung würde unter den konkreten Umständen auch unzulässigerweise einen rein nachträglichen Strafcharakter erhalten. Denn die mit einer Vertragsstrafe verfolgten Ziele, vor vertragswidrigem Verhalten abzuschrecken und vertragswidriges Verhalten kurzfristig mit Sanktionen abstellen zu können, könnten aufgrund der Insolvenz der Gesellschaft nicht mehr erreicht werden.
Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der E. habe kein Wettbewerbsverhältnis bestanden. Bereits im Jahr 2014/2015 habe die E. GmbH die Finanzierung von Nano Blockheizkraftwerken unter Verwendung von Brennstoffzellentechnologie für Endkunden mittels Miete/Contracting betrieben. Um diese Aktivitäten u.a. aus Bilanzierungs- und Risikogründen von der E. GmbH in die E. auszugliedern, sei die E. im Verbund der X. GmbH und E. GmbH, die eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der X. GmbH gewesen sei, gegründet worden. Damit sei, um Endkunden weiterhin ein Energiecontractingmodell anbieten zu können, das Geschäftsfeld Miete/Contracting auf die E. übertragen worden, die Fördermittel beantragt und erhalten habe und die sich im Übrigen um eine umfangreiche Bankfinanzierung für die Anlagen habe kümmern sollen. Die E. habe zu diesem Zweck ausschließlich von der E. GmbH Brennstoffzellenanlagen gekauft, vertrieben und finanziert. Die Gesellschafterstruktur der E. sei mit der der X. GmbH „weitgehend“ identisch gewesen. Die Insolvenzschuldnerin sollte dagegen ein Anbieter für die Installation und Wartung von Anlagen mit Brennstoffzellentechnologie der E. GmbH sein und damit einen anderen Punkt der Wertschöpfungskette abdecken. Sämtlichen Beteiligten sei daher klar gewesen, dass der im Gesellschaftsvertrag der Insolvenzschuldnerin angegebene Geschäftszweck der Vermarktung von Energieerzeugungsanlagen über Miete/Contracting theoretischer Natur gewesen sei. Der weit gefasste § 16 GV sei darauf zurückzuführen, dass der Text zum Wettbewerbsverbot aus dem Gesellschaftsvertrag der X. GmbH kopiert und nicht diskutiert worden sei.
Die Insolvenzschuldnerin sei im Übrigen spätestens seit dem ersten Quartal 2016 auch kein werbendes Unternehmen mehr gewesen, womit das Wettbewerbsverbot gegenstandslos geworden sei. Der Beklagte habe die Gesellschaft liquidieren wollen, was der Mitgesellschafter L. aber abgelehnt habe.
Jedenfalls sei ein etwaiger Vertragsstrafenanspruch auch verwirkt, da der geschäftsführende Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin von der Auslagerung des Finanzierungsgeschäfts auf die E. Kenntnis gehabt und offenkundig keinen Verstoß gesehen habe.
Mit Endurteil vom 25.11.2021, Az. 5 O 4642/19, das den Parteivertretern jeweils am 26.11.2021 zugestellt wurde (vgl. zu Bl. 174 d.A.), verurteilte das Landgericht München I den Beklagten zur Zahlung von 150.000,00 € und wies die Klage im Übrigen ab.
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass das Wettbewerbsverbot nicht sittenwidrig sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte nicht Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, sondern nur deren Gesellschafter gewesen sei. Ein Gesellschafter sei aber weniger schutzwürdig als ein Geschäftsführer, der nach § 38 GmbHG grundsätzlich jederzeit abberufen werden und deshalb seine wirtschaftliche Grundlage auch jederzeit verlieren könne. Darüber hinaus sei ein Wettbewerbsverbot während der Gesellschafterstellung weniger einschneidend als ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Auch eröffne der Gesellschaftsvertrag dem Gesellschafter die Möglichkeit, bei der Gesellschafterversammlung eine Befreiung zu erwirken. Die sachliche Erstreckung des Wettbewerbsverbots sei hinreichend bestimmt. Schließlich sei bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit zu berücksichtigen, dass das Wettbewerbsverbot bereits Ausnahmen vorsehe und der Beklagte als Inhaber der Hälfte der Gesellschaftsanteile in der Lage gewesen sei, Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zu blockieren. Selbst wenn die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe unverhältnismäßig sein sollte, so würde dies für sich allein genommen noch nicht zur Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverbots, sondern gegebenenfalls nur zur Herabsetzung der verwirkten Vertragsstrafe führen (LGU S. 6 und 7 unter Punkt A).
Der Beklagte habe durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der E. GmbH gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen. Ausweislich des Geschäftszwecks der Insolvenzschuldnerin einerseits und der E. andererseits liege eine Überschneidung der Tätigkeitsbereiche vor. Aber auch wenn der aufgrund der Presseberichterstattung laut Anl. K 5 und K 11 und der Aussage des Zeugen L. wenig glaubhafte Vortrag des Beklagten unterstellt werden sollte, wonach die Insolvenzschuldnerin gegründet worden sei, um Brennstoffzellenanlagen verbauen zu können, und die E. ausschließlich Brennstoffzellenanlagen angekauft und von externen Partnern gegen Zahlung vertreiben und einbauen habe lassen, läge ein Wettbewerbsverstoß vor (LGU S. 7 und 8 unter Punkt B I 1).
Die Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der E. falle auch nicht unter die in § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV enthaltene Ausnahmeregelung, da dort lediglich zwei andere Firmen aufgeführt seien (LGU S. 8 unter Punkt B I 2).
Entgegen dem Vortrag des Beklagten sei aufgrund der Feststellungen im Gutachten des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter laut Anl. K 9 auch davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin ihre werbende Tätigkeit jedenfalls bis zum Oktober/November 2017 fortgeführt habe. Dies ergebe sich auch aus den glaubhaften Angaben des glaubwürdigen Zeugen L. (LGU S. 8 und 9 unter Punkt B I 3).
Eine Duldung der Tätigkeit des Beklagten für die E. durch den Mitgesellschafter L. habe der Beklagte nicht nachweisen können. Vielmehr ergebe sich aus der Aussage des Zeugen L., dass dieser zwar von der Existenz der E. gewusst habe, von der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten für die E. jedoch erst kurz vor der Stellung des Insolvenzantrags am 19.12.2017 Kenntnis erlangt habe (LGU S. 9 unter Punkt B I 4).
Die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe sei jedoch zu auf 150.000,00 € zu reduzieren, da sie unverhältnismäßig sei. In zeitlicher Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte zwar als Geschäftsführer der E. vom 12.05.2016 bis 01.01.2018 tätig gewesen sei, der Insolvenzantrag jedoch bereits am 19.12.2017 gestellt worden sei. Aufgrund der Kenntniserlangung des Mitgesellschafters von der Tätigkeit des Beklagten ab ca. einem Monat vor der Stellung des Insolvenzantrags sei eine gewisse Mitverantwortung anzunehmen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nach der Insolvenzantragstellung einer der Zwecke der Vertragsstrafe, nämlich das Unterbinden des geschäftsschädigenden Verhaltens, nicht mehr habe erreicht werden können (LGU S. 10 unter Punkt C).
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils genommen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben beide Parteien Rechtsmittel eingelegt.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Klageziel insoweit weiter, als er vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe von 750.000 € verlangt.
Der Kläger beantragte mit am 23.12.2021 beim Oberlandesgericht per Fax eingegangenen Schriftsatz des Klägervertreters vom 23.12.2021 (Bl. 182/185 d.A.), dem der Entwurf der Berufungsbegründung beilag, Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz. Mit Senatsbeschluss vom 31.07.2023 wurde dem Kläger für seine beabsichtigte Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.11.2021, Az. 5 O 4642/19, insoweit ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt, als mit der Berufung vom Beklagten die Zahlung von weiteren 600.000,00 € sowie von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.11.2018 aus einem Betrag von 750.000,00 € verlangt wird. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17.08.2023 (Bl. 221/242 d.A.), eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist und begründete seine Berufung. Mit Senatsbeschluss vom 22.01.2024 (Bl. 271/275 d.A.) wurde dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 25.11.2021, Az. 5 O 4642/19 gewährt.
Der Kläger verteidigt zunächst das landgerichtliche Urteil insoweit, als das Landgericht von einer Wirksamkeit des im Gesellschaftsvertrag der Insolvenzschuldnerin vereinbarten Wettbewerbsverbots und der Vertragsstrafenabrede ausging und zu dem Schluss gelangte, dass der Beklagte gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen habe.
Insoweit als das Landgericht die Klage abwies, rügt der Kläger, dass die Feststellung des Landgerichts, die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Vertragsstrafe sei unverhältnismäßig hoch und deshalb um 93% zu reduzieren, fehlerhaft sei. Insofern habe das Landgericht sich schon nicht mit der analog anzuwendenden Regelung des § 348 HGB auseinandergesetzt. Damit könne eine Herabsetzung einer Vertragsstrafe auch bei einem Gesellschafter ohne Kaufmannseigenschaft ausscheiden. Das Landgericht habe auch verkannt, dass sich der der Insolvenzschuldnerin entstandene Schaden auf mindestens zwei Mio. € belaufe und die Vertragsstrafe diesen Betrag deshalb nicht unterschreiten dürfe. Schließlich sei die vom Landgericht vorgenommene Abwägung fehlerhaft.
Der Kläger beantragt daher:
Der Beklagte wird verurteilt, am dem [sic] Kläger € 750.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 08.11.2018 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
auf die eingelegte Berufung hin unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts München I vom 25.11.2021, Az. 5 O 4624/19 die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Beide Parteien beantragen darüber hinaus, die Zurückweisung des jeweiligen gegnerischen Rechtsmittels.
Der Beklagte verfolgt mit seiner am 27.12.2021 eingelegten und mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 28.02.2022 (Bl. 201/214 d.A.), eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag (vgl. Bl. 215 d.A.), begründeten Berufung sein erstinstanzliches Klageabweisungsziel, soweit ihm das Landgericht nicht schon Rechnung getragen hat, unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags vollumfänglich weiter.
Der Beklagte rügt insbesondere, dass das Landgericht seinem Urteil Angaben aus der Vernehmung des Zeugen L. u.a. zur Kenntnis von der Tätigkeit der E. und zur werbenden Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin zu Grunde gelegt habe, obwohl weder die Aussage des Zeugen L. glaubhaft noch der Zeuge selbst glaubwürdig gewesen sei.
Darüber hinaus habe das Landgericht den vom Beklagten angebotenen Zeugen U. nicht vernommen, obwohl dieser u.a. zum Beweis dafür angeboten worden sei, dass der Zeuge L. von der Auslagerung des Finanzierungsgeschäfts auf die E. informiert worden sei. Diese Kenntnis ergebe sich auch aus der Email vom 29.10.2015, 23:47 Uhr laut Anl. B 5, in der der Zeuge L. ausdrücklich beim Beklagten angefragt habe, „Wie weit ist esw?“, wobei mit „esw“ die E. gemeint sei.
Des Weiteren rügt der Beklagte, dass während des gesamten landgerichtlichen Verfahrens die Anwendung von § 139 ZPO unterblieben sei. Dies springe schon dadurch ins Auge, dass das Landgericht zunächst dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe habe verweigern wollen, die nächste Positionierung des Landgerichts in der mündlichen Verhandlung am 20.08.2020 darin bestanden habe, ein zusprechendes Stuhlurteil anzukündigen.
Überraschend sei auch, dass sich das Landgericht bei seiner Entscheidung auf das vom Kläger als (damals) vorläufigem Insolvenzverwalter gefertigte Gutachten laut Anl. K 9 gestützt habe, sodass der Kläger Beweis durch sein eigenes „Gutachten“ angetreten habe. Dies sei nicht zulässig (Berufungsbegründung S. 7, Bl. 207 d.A.). Während des gesamten Verfahrens sei auch unklar geblieben, wie das Landgericht die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sehe.
Der Senat hat am 06.11.2024 mündlich verhandelt. Er hat Beweis durch die Vernehmung der Zeugen L. und U. erhoben. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselte Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die zulässige Berufung des Klägers ist dagegen unbegründet.
I.
Die zulässige, insbesondere form – und fristgerechte Berufung des Beklagten ist begründet. Zwar ist – wovon das Landgericht zutreffend ausging – weder das in § 16 Nr. 1 GV statuierte Wettbewerbsverbot (1.) noch die Vertragsstrafenabrede in § 16 Nr. 5 GV (2.) gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Auch fällt die Tätigkeit des Beklagten nicht unter den Befreiungstatbestand des § 16 Nr. 1 Uabs. 2 GV (3.) und hat der Beklagte durch die Tätigkeit gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen (4.) Jedoch ist das Sichberufen des Klägers auf das Wettbewerbsverbot des § 16 Nr. 1 GV treuwidrig (5.).
1. a. Nach der Rechtsprechung des BGH können Wettbewerbsverbote für Gesellschafter einer GmbH ohne weiteres in der Satzung einer Gesellschaft vereinbart werden. Sie sind jedoch zum einen nur in den von § 1 GWB vorgegebenen Grenzen zulässig. Zum anderen sind gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu messen, weil sie regelmäßig die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Gesellschafters berühren. Mit Rücksicht auf die insbesondere bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu beachtenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen – hier für die freie Berufsausübung – sind gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbote nur zulässig, wenn sie nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht über die schützenswerten Interessen des Begünstigten hinausgehen und den Verpflichteten nicht übermäßig beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2009 – II ZR 208/08, Rdnr. 13). Ob ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot diesen Anforderungen entspricht, ist aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere des mit dem Wettbewerbsverbot verfolgten Zwecks, zu beurteilen (BGH, aaO, Rdnr. 14). Während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft findet, ein an die Gesellschafterstellung geknüpftes vertragliches Wettbewerbsverbot seine Rechtfertigung regelmäßig in dem anzuerkennenden Bestreben der Gesellschaft, dass der Gesellschafter als Ausfluss seiner gesellschafterlichen Treuepflicht den Gesellschaftszweck loyal fördert und Handlungen unterlässt, die seine Erreichung behindern könnten. Das Wettbewerbsverbot legitimierende Zweck ist es also zu verhindern, dass die Gesellschaft von innen her ausgehöhlt und ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird (vgl. BGH, aaO, Rdnr. 16). Eine solche Gefahr der inneren Aushöhlung der Gesellschaft zugunsten des eigenen Konkurrenzunternehmens des Gesellschafters besteht regelmäßig, wenn der Gesellschafter die Geschäftsführung maßgeblich beeinflussen kann. Denn wenn ein solcher Einfluss besteht, ist zu befürchten, dass der Geschäftsführer seine Pflicht vernachlässigt, in allen Angelegenheiten, die das Interesse der GmbH berühren, allein deren Wohl und nicht den eigenen Nutzen im Auge zu haben (BGH, Urteil vom 03.05.1988 – KZR 17/87, Rdnr. 26).
Nach der Satzung der Insolvenzschuldnerin kann der Beklagte die Geschäftsführung der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Für die Verneinung einer solchen Beeinflussungsmöglichkeit reicht es nach der Rechtsprechung des BGH nicht aus, dass Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nur der weitere Gesellschafter T.L. war und der Beklagte gegen den Willen des weiteren Gesellschafters L. gemäß § 11 Nr. 4 lit c GV, der insoweit eine 90 prozentige Mehrheit fordert, auch keinen Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeiführen konnte, wonach er oder eine Person seines Vertrauens zum (weiteren) Geschäftsführer bestellt wird, um dadurch die Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin mitbestimmen zu können. Denn ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung ist bereits dann zu bejahen, wenn ein Gesellschafter in der Lage ist, strategische Entscheidungen zu blockieren (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2009 – KZR 58/07, Rdnr. 18).
Zwar konnte der Beklagte eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung nicht schon dadurch verhindern, dass er zur Gesellschafterversammlung nicht erschien, da in einem solchen Fall gemäß § 11 Nr. 3 GV unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen wäre, die sodann ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschlussfähig wäre.
Obwohl in der Gesellschafterversammlung Beschlüsse gemäß § 11 Nr. 2 Abs. 1 S. 1 GV mit einfacher Mehrheit gefasst werden (sofern nicht die Satzung oder das Gesetz eine qualifizierte Mehrheit vorsehen), führt auch dieses Erfordernis nicht zu einer Blockademöglichkeit des Beklagten in allen Fällen, da der Geschäftsführer-Gesellschafter L. in einem solchen Fall nach § 11 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 GV die Stimmengleichheit dahingehend aufheben kann, dass seine Stimme doppelt gezählt wird. Der Beklagte kann eine Beschlussfassung gegen den Willen des Gesellschafters L. in einem solchen Fall nur verzögern, da eine Aufhebung der Stimmengleichheit erst nach drei gleichartigen Beschlüssen mit Stimmengleichheit möglich ist (§ 11 Nr. 1 Abs. 2 S. 3 GV), verhindern kann er sie nicht. Der Beklagte hat in allen Fällen, in denen eine einfache Mehrheit nach der Satzung ausreicht, aber nicht nur keine Blockademöglichkeit, er kann auch selbst ohne die Zustimmung des weiteren Gesellschafters L. keine eigenen Beschlüsse durch die Gesellschafterversammlung bringen. Dies bedeutet, dass er auch bei Geschäften, für die gemäß § 6 Nr. 4 GV der Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf, gegen den Willen des weiteren Geschäftsführer-Gesellschafters L. keine Einflussmöglichkeit hat.
Der Beklagte kann aber die Geschäftsführung der Gesellschaft mittels Beschlüsse der Gesellschafterversammlung beeinflussen, falls diese Beschlüsse einer qualifizierten Mehrheit bedürfen. Eine solche qualifizierte Mehrheit ist – was Maßnahmen der Geschäftsführung anbelangt – nach der Satzung zwar nur in sehr wenigen Fällen erforderlich, bei diesen Fällen handelt es sich aber gerade um strategisch wichtige Entscheidungen wie die Veräußerung des wesentlichen Gesellschaftsvermögens, die Aufnahme oder Aufgabe wesentlicher Geschäftszweige (§ 11 Nr. 4 g GV), die Errichtung und den Erwerb bzw. die Veräußerung von anderen Unternehmen oder Beteiligungen (§ 11 Nr. 4 h GV) sowie die Verlegung von wesentlichen Teilen der Geschäftstätigkeit oder des Anlagevermögens in ein anderes Land (§ 11 Nr. 4 i GV).
Damit hat der Beklagte maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft und dient deshalb das Wettbewerbsverbot dem Schutz vor innerer Aushöhlung, womit das schützenswerte Interesse der Insolvenzschuldnerin am Erhalt ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage die durch das Wettbewerbsverbot bedingte Einschränkung der Berufsfreiheit des Beklagten rechtfertigt.
b. Auch die vom Beklagten dargelegten weiteren Gesichtspunkte (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.10.2020, S. 14 ff, Bl. 96 ff. d.A.) führen nicht zur Annahme einer Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverbots.
aa. Zunächst handelt es sich ausweislich des Wortlauts der Vorschrift (§ 16 Nr. 1 Abs. 1 GV) ausschließlich um ein auf die Dauer der Gesellschafterstellung beschränktes Wettbewerbsverbot, da bezüglich seiner zeitlichen Erstreckung kumulativ zwei Tatbestandselemente erfüllt sein müssen: es müssen nämlich sowohl die Gesellschaft als auch die Gesellschafterstellung bestehen (“während des Bestehens der Gesellschaft und während ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft“). Endet die Gesellschafterstellung, endet auch das in § 16 Nr. 1 Abs. 1 GV vorgesehene Wettbewerbsverbot. Warum sich entgegen diesem eindeutigen Wortlaut des § 16 Nr. 1 Abs. 1 GV – wie der Beklagte behauptet (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.10.2020, S. 12 Mitte, Bl. 94 d.A.) – daraus gleichzeitig ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ergeben soll, erschließt sich deshalb nicht. Dass gemäß § 16 Nr. 4 GV nach Beendigung der Gesellschafterstellung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot greifen kann und § 16 Nr. 4 GV bezüglich des sachlichen, persönlichen und örtlichen Anwendungsbereichs des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auf § 16 Nr. 1 Abs. 1 GV verweist, ist für die Frage der Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereichs des Wettbewerbsverbots nach § 16 Nr. 1 GV ohne Bedeutung.
Selbst wenn aber das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sittenwidrig sein sollte (was der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich dahinstehen lässt), so würde dies im Hinblick auf die im Gesellschaftsvertrag enthaltene salvatorische Klausel (§ 21 GV) und den damit fehlenden Einheitlichkeitswillen der Vertragsparteien für die Frage der Sittenwidrigkeit des § 16 Nr. 1 GV ohne Bedeutung sein.
bb. Anders als in dem vom Oberlandesgericht München (Urteil vom 11.11.2010 – U (K) 2143/10) entschiedenen Fall, geht auch der sachliche Anwendungsbereich des Wettbewerbsverbots nicht über den zum Schutz der berechtigten Interessen der Insolvenzschuldnerin vor dem Wegbruch ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage erforderlichen Umfang hinaus. Es stellt nämlich einerseits nur auf den satzungsmäßigen Unternehmenszweck der Gesellschaft und andererseits auf das Geschäftsfeld des anderen Unternehmens ab, in dem dieses (unabhängig von seinem Geschäftsgegenstand) tatsächlich tätig ist, wobei dieses Geschäftsfeld auch hinreichend genau beschrieben ist (“Entwicklung, Produktion oder Vermarktung von Komponenten für Energieversorgungssysteme auf Basis der Brennstoffzellentechnologie“). Aufgrund des legitimen und schützenswerten Interesses der Insolvenzschuldnerin nicht nur am Schutz vor Konkurrenztätigkeit in den tatsächlich bereits von der Gesellschaft betriebenen Geschäftsfeldern, sondern auch an der Wahrung von zukünftig zu realisierenden Geschäftschancen kann die Sittenwidrigkeit von § 16 Nr. 1 GV auch nicht damit begründet werden, dass der tatsächliche Tätigkeitsbereich der Insolvenzschuldnerin hinter dem in der Satzung der Insolvenzschuldnerin Statuierten zurückblieb.
cc. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Wettbewerbsverbot nach § 16 Nr. 1 GV auch nicht deshalb sittenwidrig, weil davon bereits die Gründung eines Konkurrenzunternehmens erfasst sein soll und – wie der Beklagte anmerkt (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.10.2020, S. 17 und 18, Bl. 99 und 100 d.A.) – die Vorbereitung einer Wettbewerbshandlung wie die Gründung eines Konkurrenzunternehmens noch keine Wettbewerbshandlung sei und deshalb beispielsweise nicht unter das für Vorstände einer Aktiengesellschaft geltende gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 88 AktG falle.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Gründung eines Konkurrenzunternehmens jedoch nicht schon stets eine Wettbewerbshandlung. Vielmehr gilt dies nur, solange das gegründete Konkurrenzunternehmen noch keine nach außen wirkender werbender Tätigkeit aufgenommen hat (vgl. LAG Köln, Urteil vom 12.04.2005 – 9 Sa 1518/04, Rdnr. 36, Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 6. Auflage, München 2023, Rdnr. 22 zu § 88 AktG). Von dieser Differenzierung geht aber auch § 16 Nr. 1 Abs. 1 GV aus, der in S. 1 dem Gesellschafter die Gründung eines Konkurrenzunternehmens verbietet, in S. 2 den Begriff des Konkurrenzunternehmens aber gleichzeitig dahingehend definiert, dass das Konkurrenzunternehmen auf einem der in der Vorschrift aufgeführten Gebiete „tätig“ sein muss. Das Abstellen auf das Tätigsein des Konkurrenzunternehmens schließt damit die bloße vorbereitende Gründung eines Konkurrenzunternehmens, ohne dass dieses bereits eine Konkurrenztätigkeit entfaltet, vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsverbots des § 16 Nr. 1 GV aus, sodass das in § 16 Nr. 1 GV stipulierte Wettbewerbsverbot im Umfang über die gesetzlichen Wettbewerbsverbote in § 88 AktG und § 112 HGB nicht hinausgeht.
Unabhängig davon kann ein gesetzliches Wettbewerbsverbot wie das in § 88 AktG oder § 112 HGB grundsätzlich vertraglich aber auch erweitert werden (vgl. bspw. Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 6. Auflage, München 2023, Rdnr. 48 zu § 88 AktG und Fleischer in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage, München 2022, Rdnr. 97 zu § 112 HGB), sodass ein vertraglich weiter als in § 88 AktG, § 112 HGB gefasstes Wettbewerbsverbot nicht schon deshalb per se sittenwidrig wäre.
dd. Dass § 16 Nr. 1 GV keine örtliche Begrenzung enthält und damit einem Gesellschafter weltweit eine Konkurrenztätigkeit verboten ist, führt ebenfalls nicht zur Sittenwidrigkeit des Wettbewerbsverbots. Denn zur Zweckerfüllung des Wettbewerbsverbots, nämlich der Verhinderung einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage ist unerheblich, ob die Konkurrenztätigkeit vom Ausland oder vom Inland aus betrieben wird. Auch eine Konkurrenztätigkeit auf einem ausländischen Markt würde dem Schutzzweck zuwiderlaufen, da der örtliche Tätigkeitsbereich der Insolvenzschuldnerin nicht nur nicht auf das Inland beschränkt ist, sondern in § 2 Nrn 2 und 3 GV ausdrücklich auch „die Beteiligung an und Übernahme von (…) ausländischen Unternehmen“, die Gründung, Errichtung und den Erwerb von „Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland“ vorgesehen und der Insolvenzschuldnerin damit auch eine Tätigkeit im Ausland möglich ist. Ob die Insolvenzschuldnerin in der Folge tatsächlich eine Tätigkeit mit Auslandsbezug entfaltet hat, spielt im Hinblick auf das berechtigte Interesse der Insolvenzschuldnerin an der Wahrung von Geschäftschancen auf bislang noch nicht betriebene Geschäftsfelder für die Frage der Sittenwidrigkeit keine Rolle.
ee. Warum schließlich die Vorschrift des § 16 Nr. 1 GV unklar und deshalb unwirksam sein soll (so der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 02.10.2020, S. 16, Bl. 98 d.A), erschließt sich nicht.
2. Auch die Vertragsstrafenabrede in § 16 Nr. 5 GV ist nicht sittenwidrig.
a. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist § 16 Nr. 5 GV nicht deshalb sittenwidrig, weil ein Missverhältnis zwischen der vom Beklagten investierten Summe von 12.500,00 € sowie dem zu keinem Zeitpunkt in Gang gekommenen Geschäft der Insolvenzschuldnerin einerseits und der Höhe der möglichen Vertragsstrafe andererseits bestehe (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 27.05.2019, S. 3, Bl. 18 d.A.). Es ist schon nicht erkennbar, welcher Zusammenhang zwischen der Höhe des Stammkapitals und der Höhe der Vertragsstrafe bestehen soll. Das Stammkapital dient dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft, während die Sanktionierung des Wettbewerbsverbots die Gesellschaft vor ihren eigenen untreuen Gesellschaftern schützen soll. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, sodass ein wie auch immer zu bestimmendes Missverhältnis eine Sittenwidrigkeit nicht begründen kann. Auf das nicht in Gang gekommene Geschäft der Insolvenzschuldnerin kommt es für die Frage der Sittenwidrigkeit schon deshalb nicht an, da bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist (vgl. Grüneberg in ders. BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 9 zu § 138 BGB), die tatsächliche Geschäftsentwicklung nach der Gründung jedoch ein späterer und daher unbeachtlicher Umstand ist.
b. Schließlich ist die Vertragsstrafenabrede auch nicht deshalb sittenwidrig, weil § 16 Nr. 5 GV keine von der Verstoßdauer bzw. -häufigkeit unabhängige Höchstbetragsgrenze enthält. Dies ist vor dem mit der Vertragsstrafe und dem damit sanktionierten Wettbewerbsverbot verfolgten Zweck, nämlich dem Schutz vor dem Verlust der wirtschaftlichen Existenzgrundlage der Insolvenzschuldnerin, nicht erforderlich. Denn es ist legitim, dass die Höhe der insgesamt zu zahlenden Vertragsstrafe an die Dauer der Verletzungshandlungen anknüpft. Denn umso länger die dem Gesellschafter nach § 16 Nr. 1 GV verbotene Konkurrenztätigkeit von diesem ausgeübt wird, umso höher ist grundsätzlich der der Gesellschaft entstehende oder drohende Schaden und desto höher ist die ihr daraus erwachsende Gefahr des wirtschaftlichen Existenzverlusts. Wäre die verwirkte Vertragsstrafe dagegen unabhängig von der Dauer der Vornahme der Konkurrenzhandlung in ihrer Gesamthöhe gedeckelt, so würde dies das Risiko begründen, dass der untreue Gesellschafter dahingehend kalkuliert, dass er die Zahlung der Höchstvertragsstrafe in Kauf nimmt und die Konkurrenztätigkeit fortführt, weil der von ihm dadurch auf Dauer realisierte Gewinn den Höchstbetrag übersteigt. Die Gesellschaft wäre dadurch insoweit durch die Vertragsstrafe nicht mehr geschützt. Dies wäre nicht interessengerecht.
Dagegen spricht auch nicht die vom Beklagten in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25.11.2009 – 12 U 681/09. Denn das Oberlandesgericht Nürnberg stellte bei der vom ihm angenommenen Sittenwidrigkeit einer Vertragsstrafenabrede darauf ab, dass die Höhe der unabhängig von der Häufigkeit und der Dauer des Wettbewerbsverstoßes verwirkten immer nur einmaligen Vertragsstrafe vom Bruttoertrag der Gesellschaft aus Geschäften mit ehemals vom Schuldner betreuten Kunden abhing und deshalb grundsätzlich nicht nach oben begrenzt war (OLG Nürnberg, aaO, Rdnr. 65). Diese Vertragsstrafenregelung ist jedoch mit der streitgegenständlichen nicht vergleichbar, da in § 16 Nr. 5 GV mit 50.000,00 € ja gerade eine feste Höhe der Vertragsstrafe für jeden einzelnen Verstoß stipuliert ist.
3. Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass die Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der E. nicht unter die in § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV enthaltene Ausnahmeregelung fällt, wonach „die Unternehmen X. und E. GmbH sowie S. Energie GmbH nicht als Konkurrenzunternehmen“ iSd. § 16 Nr. 1 Abs. 1 GV gelten.
Ob der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 16 Nr. 2 GV eröffnet ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei trotz des Verbots der Buchstabenauslegung in § 133 BGB zunächst vom Wortlaut des § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV auszugehen ist. In diesem sind allerdings nur die Unternehmen X. GmbH und E. GmbH, nicht aber die E. aufgeführt, was gegen eine Erfassung auch der E. spricht, zumal es sich bei der Regelung des § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV um eine Ausnahme vom gemäß § 16 Nr. 1 Abs. 1 GV grundsätzlich geltenden Wettbewerbsverbot handelt, weshalb § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV eng auszulegen ist. Darüber hinaus knüpft die Ausnahmeregelung des § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV auch nicht an bestimmte Geschäftstätigkeiten (wie bspw. das Miet- bzw. Contractinggeschäft) an, sondern an bestimmte genau bezeichnete Firmen, was ebenfalls daraufhin deutet, dass der Befreiungstatbestand des § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV auf bestimmte Firmen, nicht aber auf die von ihnen vorgenommenen Geschäftstätigkeiten bezogen ist.
Eine solche Auslegung ist auch interessengerecht, da sie dem beidseitigen Interesse der Vertragsparteien an klaren und unzweideutigen Anknüpfungspunkten für die sachliche Reichweite des in § 16 Nr. 1 GV vereinbarten Wettbewerbsverbot mit seinen finanziell einschneidenden Folgen in Form der Vertragsstrafe nach § 16 Nr. 5 GV entspricht.
Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass es die E. zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages am 30.08.2015 noch gar nicht gab. Denn diese wurde ausweislich des Handelsregisterauszugs laut Anl. K 4 erst durch Gesellschaftsvertrag vom 08.03.2016 (damals noch unter der Firma „S.-A. 980 GmbH“ und mit dem Geschäftszweck „Verwaltung eigenen Vermögens“) gegründet und nahm nach Umfirmierung und der Änderung des Geschäftsgegenstands im Mai 2016 ihre Geschäftstätigkeit auf. Der Vertragstext enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch noch gar nicht bestehende Firmen von dem Wettbewerbsverbot ausnehmen wollten. Der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf das Wettbewerbsverbot und einem daraus folgenden etwaigen Interesse eines der Gesellschafter an einem Dispens, der über die vertraglich vereinbarten Ausnahmen vom Wettbewerbsverbot hinausgeht, ist in dem Vertrag vielmehr durch § 16 Nr. 2 GV-Rechnung getragen, der ausdrücklich die Möglichkeit der Befreiung von einem Wettbewerbsverbot durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vorsieht.
Bei der Frage, ob dieses Auslegungsergebnisses interessengerecht ist, berücksichtigt der Senat auch, dass die (unterstellte) Ausgliederung des Miet- und Contractinggeschäfts aus der E. GmbH in die E. auf eine bewusste Willensentscheidung des Beklagten und der Gesellschafter der E. GmbH und damit nicht auf Ereignisse oder Handlungen Dritter, die aus Sicht des Beklagten zufällig waren, zurückgeht. In letzterem Fall wäre zu klären, ob es noch interessengerecht wäre, dass der Beklagte auch eine zufällige Reduzierung seines durch die Ausnahmevorschrift des § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV durch die Vertragsparteien geschaffenen Tätigkeitsspielraums zu tragen hat. Im streitgegenständlichen Fall beruht die Ausgliederung des Geschäftsfelds „Miete/Contracting“ aus der E. GmbH in die E. jedoch nicht auf einem Zufall. Vielmehr haben sich der Beklagte bzw. die Gesellschafter der E. GmbH (aus welchen Gründen auch immer) für eine Ausgliederung eines bisher von der E. GmbH wahrgenommenen Geschäftsfeldes auf eine neue Gesellschaft (die E.) entschieden. An dieser getroffenen unternehmerischen Entscheidung muss sich der Beklagte auch im Hinblick auf den Umfang des Wettbewerbsverbots festhalten lassen, zumal er nach § 16 Nr. 2 GV die Möglichkeit hatte, eine Befreiung vom Wettbewerbsverbot des § 16 Nr. 1 GV zu erwirken.
Die zwischen den Parteien streitige Behauptung des Beklagten, die durch den Zeugen U. unter Beweis gestellt wurde, dass die Ausnahme der E. GmbH vom Wettbewerbsverbot nach dem gemeinsamen Verständnis der Gründungsgesellschafter auch die damals von der E. angebotenen Finanzierungsdienstleistungen umfasst habe (zu dieser Behauptung und zum Beweisangebot vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25.10.2019, S. 4 letzter und vorletzter Absatz und 5 erster Absatz, Bl. 52 und 53 d.A.), ändert an diesem Auslegungsergebnis nichts, da der Zeuge U. in seiner Vernehmung durch den Senat bekundete, dass er in den Abschluss des Gesellschaftsvertrages der Insolvenzschuldnerin nicht eingebunden gewesen sei, und den Vertrag im Allgemeinen sowie die Ausnahmen vom Wettbewerbsverbot im Besonderen nicht kenne (vgl. S. 7 oben des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 304 d.A.). Den Nachweis eines übereinstimmenden anderweitigen Verständnisses des § 16 Nr. 1 GV konnte der Beklagte damit nicht führen.
Nach alledem fällt die Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der E. nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 16 Nr. 1 Abs. 2 GV.
4. Zu Recht ist das Landgericht schließlich des Weiteren davon ausgegangen, dass der Beklagte durch seine Tätigkeit als Geschäftsführer der E. dem Grunde nach gegen das Wettbewerbsverbot des § 16 Nr. 1 GV verstieß.
Die Gesellschafter haben in § 16 Nr. 1 GV die Voraussetzungen definiert, unter denen ihnen eine Tätigkeit verboten sein soll. Verboten ist demnach eine Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen „im Rahmen des Unternehmensgegenstands“ der Gesellschaft. Das vertragliche Wettbewerbsverbot knüpft damit ausdrücklich nicht an die von der Gesellschaft selbst vorgenommenen Geschäfte an, sondern an den Gegenstand der Gesellschaft, wie er in § 2 GV definiert ist. Diese Anknüpfung ist auch – wie oben unter 1 b bb ausgeführt – im Hinblick auf die Wahrung zukünftiger Geschäftschancen der Gesellschaft legitim und zulässig. Da nach dem eigenen Vortrag des Beklagten die E. Brennstoffzellenanlagen von der E. GmbH gekauft und finanziert habe sowie durch Dritte habe einbauen lassen (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25.10.2019, S. 6 vorletzter Absatz, Bl. 54 d.A. und Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.10.2020, S. 11, Bl. 93 d.A.), war sie im Rahmen des Unternehmensgegenstands der Gesellschaft auch tatsächlich tätig, da dieser auch die „Vermarktung“ von Energieversorgungssystemen umfasste, wobei dazu nach der in § 2 Nr. 1 S. 3 GV enthaltenen Definition des Begriffes „Vermarktung“ „neben dem Verkauf auch Leasing und alternative Finanzierungsmodelle wie Miete und Contracting“ gehören.
Wenn der Beklagte behauptet, dass der „weit gefasste Text zum Wettbewerbsverbot aus dem Gesellschaftsvertrag der X. GmbH kopiert und nicht diskutiert (worden sei), obwohl klar (gewesen sei), dass eine Vermarktung von Energieerzeugungsanlagen über Miete/Contracting als Geschäftszweck der Insolvenzschuldnerin rein theoretischer Natur“ gewesen sei (vgl. Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 02.10.2020, S. 10 drittletzter Absatz, Bl. 92 d.A.), so ändert dies an der Annahme eines Wettbewerbsverstoßes nichts. Denn der Beklagte behauptet damit, dass das gemeinsame Verständnis der Vertragsparteien dahingehend gegangen sei, dass eine Vermarktung von Energieerzeugungsanlagen entgegen dem Vertragswortlaut nicht Geschäftsgegenstand der Gesellschaft sein sollte. Diese Behauptung kann der Kläger – wie er es getan hat (vgl. Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.12.2019, S. 7, Bl. 67 d.A.) – zulässigerweise pauschal bestreiten.
Es wäre nunmehr am Beklagten gewesen, den behaupteten übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zu beweisen. Diesen Nachweis hat er jedoch nicht einmal angetreten.
5. Die Geltendmachung einer nach alledem grundsätzlich verwirkten Vertragsstrafe durch den Kläger ist im vorliegenden Fall jedoch treuwidrig, da dem Kläger nach § 242 BGB das Verlangen einer Vertragsstrafe verwehrt ist, weil der alleinige Mitgesellschafter L. von der Konkurrenztätigkeit des Beklagten wusste und diese Tätigkeit duldete.
Dies ist unabhängig davon, wie lange – was zwischen den Parteien streitig ist – die Insolvenzschuldnerin noch werbend tätig war.
Die Darlegungs- und Beweislast für eine Kenntnis von der Konkurrenztätigkeit und deren Duldung durch den alleinigen Mitgesellschafter L. trägt der Beklagte, da er sich auf ein treuwidriges Verhalten der Insolvenzschuldnerin beruft und deshalb die Voraussetzungen hierfür darlegen und beweisen muss.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist dem Beklagten dieser Nachweis zur Überzeugung des Senats gelungen.
a. Zwar hat das Landgericht eine Kenntnis des Mitgesellschafters verneint und sich für diese Feststellung ausschließlich auf die von ihm vorgenommene Vernehmung des Zeugen L. gestützt (vgl. LGU S. 9 zweiter Absatz unter Punkt B I 4). Jedoch hat es das Landgericht entgegen § 286 ZPO unterlassen seine Würdigung der Aussage des Zeugen L. als „glaubhaft und nachvollziehbar“ in irgendeiner Weise zu begründen, sodass der Zeuge L. durch den Senat erneut zu vernehmen war.
Da der Beklagte darüber hinaus bereits erstinstanzlich Herrn T. U. als Zeugen für eine Informierung des Mitgesellschafters L. über die „Auslagerung des Finanzierungsgeschäftes auf die E. “ (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25.10.2019, S. 4 erster Absatz, Bl. 52, vgl. auch Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 30.09.2021, S. 8 f., Bl. 158 f. d.A.) und damit die Kenntnis des Mitgesellschafters L. benannt hatte, das Landgericht diesem Beweisangebot jedoch – ebenfalls ohne Begründung – nicht nachging, war auf die diesbezügliche Berufungsrüge des Beklagten auch der Zeuge U. zu vernehmen.
b. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass der Zeuge L. und damit der alleinige Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzchuldnerin von der Tätigkeit des Beklagten im Rahmen der E. wusste und diese Tätigkeit billigte.
aa. So hat der Zeuge U. in jeder Hinsicht nachvollziehbar und widerspruchsfrei bekundet, dass bereits im Jahr 2015/2016 beabsichtigt gewesen sei, das bislang von der E. GmbH durchgeführte Finanzierungsgeschäft aus der E. GmbH auszugliedern, um im Hinblick auf die beabsichtigte Ausdehnung des Geschäfts auf 1.500 bis 2.000 von der Insolvenzschuldnerin zu installierenden Anlagen jährlich die Risiken für die E. GmbH zu minimieren. Auch sollte zur Bewältigung der geplanten Expansion neben dem bisherigen Finanzierungspartner, der Firma H.strom, ein eigenständiger Finanzierungspartner geschaffen werden. Dies sei die E. gewesen. Bereits im Vorfeld der Gründung der E. habe der Zeuge U., der in mindestens wöchentlichem Austausch mit der Insolvenzschuldnerin und dort mit dem Zeugen L. stand, die Ausgliederung des Finanzierungsbereichs aus der E. GmbH mehrfach mit dem Zeugen L. besprochen. Dabei sei es in den vielen Gesprächen in München und Eisenach common sense bei allen Beteiligten gewesen, dass es ein solches Finanzierungsvehikel brauche (vgl. S. 6 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 303 d.A.). Da der Beklagte – wie der Zeuge L. nach seiner eigenen Aussage wusste (vgl. S. 3 unten des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 300 d.A.) – bei der E. GmbH und der X. GmbH sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer und damit der maßgebliche Entscheider auf Seiten der E. GmbH und der X. GmbH war und die Ausgliederungspläne mit dem Zeugen L. schon vor der Gründung der E. abgesprochen waren, steht zur Überzeuge des Senats fest, dass der Zeuge L. wusste, dass der Beklagte auch bei der aus der E. GmbH ausgegliederten E. eine wesentliche Rolle spielen werde. Dass der Zeuge L. mit der Tätigkeit der E. und damit auch des Beklagten dort einverstanden war, steht für den Senat fest, nachdem der Zeuge U. aussagte, dass der Zeuge L. während der Zusammenarbeit von E. GmbH und Insolvenzschuldnerin niemals von Problemen mit der E. berichtet habe (vgl. S. 7 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 304 d.A.).
An der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen U. und dessen Glaubwürdigkeit gibt es keinen Zweifel. Solche Zweifel hat auch die Klägerseite nicht geäußert. Die Aussage ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen U. spricht auch nicht die Tätigkeit des Zeugen als COO (im Arbeitnehmerverhältnis) für die E. GmbH und die X. GmbH, da es keinen Erfahrungssatz gibt, der besagen würde, dass Arbeitnehmer grundsätzlich zu Gunsten ihrer Arbeitgeber lügen. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen U. spricht des Weiteren, dass er freimütig einräumte, dass er in den Abschluss des Gesellschaftsvertrages der Insolvenzschuldnerin nicht eingebunden gewesen und deshalb dazu nichts sagen könne, obwohl er hierfür vom Beklagten als Zeugen angeboten worden war. Gleiches gilt hinsichtlich der Bedeutung der Abkürzung „esw“ in den Anlagen B 4 und B 5, die ihm nichts sage. Hätte der Zeuge U. dem Beklagten mit seiner Aussage helfen wollen, wäre es nahegelegen, auch insoweit die Beweisbehauptungen des Beklagten einfach zu bejahen.
bb. Die Aussage des Zeugen L. ist dagegen nicht geeignet, die durch die Aussage des Zeugen U. gestützte Behauptung des Beklagten, der Zeuge L. habe von der Ausgliederung der E. aus der E. GmbH sowie deren Tätigkeit gewusst und diese gebilligt, in Zweifel zu ziehen. So legte sich der Zeuge L. bei seiner Vernehmung zunächst nicht fest, ob er gewusst habe, dass aus der E. GmbH eine Gesellschaft ausgegliedert worden sei. Er bekundete nämlich nur „Ich denke nicht, dass ich gewusst habe, dass aus der E. GmbH eine Gesellschaft ausgegliedert werden sollte“ (vgl. S. 3 letzter Absatz unten des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 300 d.A.). Die Aussage ist insoweit aber auch widersprüchlich, da der Zeuge unmittelbar darauf ausführte, dass er später zu einem ihm nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt von der Ausgliederung erfahren habe (vgl. S. 3 letzter und S. 4 erster Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 300/301 d.A.). Im Übrigen war das Erinnerungsvermögen des Zeugen auch ansonsten nur sehr eingeschränkt. So erinnerte er sich nicht einmal an das genaue Datum der Insolvenzantragsstellung (vgl. S. 4 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 301 d.A.), obwohl es sich dabei um ein für ihn sowohl als Geschäftsführer als auch als Mitgesellschafter der Insolvenzschuldnerin einschneidendes Ereignis gehandelt haben dürfte. Keine genauere Erinnerung hatte der Zeuge auch hinsichtlich der von der Insolvenzschuldnerin im Jahr 2017 beschäftigten Mitarbeiter (vgl. S. 4 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 301 d.A.) sowie bezüglich des Einbruchs bei den von der E. GmbH der Insolvenzschuldnerin erteilten Aufträgen (vgl. S. 5 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2024, Bl. 302 d.A.). Insgesamt waren die Ausführungen des Zeugen L. auch sehr verworren und trotz ihres Wortreichtums und zahlreicher Nachfragen für den Senat nur sehr eingeschränkt nachzuvollziehen.
Da es nach alledem dem Kläger nach § 242 BGB verwehrt ist, sich auf die Verletzung des Wettbewerbsverbots durch den Beklagten zu berufen, war die Klage schon aus diesem Grund in vollem Umfang abzuweisen und ist die Berufung des Beklagten begründet. Auf die Frage der Zulässigkeit einer Herabsetzung der Vertragsstrafe kommt es nicht mehr an.
II.
Die zulässige, insbesondere nach der erfolgten Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist unbegründet. Denn – wie oben unter I 5 dargelegt – ist das Verlangen einer Vertragsstrafe aufgrund der Kenntnis des Zeugen L. von der Tätigkeit des Beklagten im Rahmen der E. und der Billigung dieses Tätigwerdens durch den Zeugen L. treuwidrig.
C.
I.
Die Kosten folgen aus § 91 ZPO. Der Kläger unterlag zur Gänze.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Kläger gemäß § 238 Abs. 4 ZPO.
II.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
III.
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt.