Keine Werbung mit vorgetäuschtem Abmahnrisiko
Landgericht Kiel
Urteil vom 14.12.2018
Az.: 14 HK O 26/18
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das nachstehend wiedergegebene Werbeschreiben zu versenden, in welchem es heißt:
„ Achtung! Ihre Werbeseite enthält rechtlich fehlerhafte Inhalte, die ein erhöhtes Abmahnungsrisiko aufweisen!
Sehr geehrte Frau…../
sehr geehrter Herr…../
auf ihrer Webseite ist mir aufgefallen, dass sie der Pflicht nach § 13 Abs. 1 des TMG nicht nachkommen und damit die Gefahr besteht, eine Abmahnung zu erhalten.
Ich kann Ihnen helfen und schlage deshalb einen kostenlosen und unverbindlichen Beratungstermin vor, um sie über mögliche Abmahnrisiken aufzuklären und zu schützen.“;
wenn dies geschieht, wie aus der Anlage 1 ersichtlich, wobei die auf der Rückseite des Bildschirms abgebildete Internetseite die Internetseite des Empfängers des Werbeschreibens abbildet und jene Internetseite wie Anlage 2 geschaltet ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagte versandte an eine im Ruhestand befindliche Ärztin, die ihre Praxis in Neumünster hatte, dass aus dem Tenor ersichtliche Schreiben.
Der Kläger nimmt für sich der Anspruch, als Verein zur Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gegen die Regeln des unlauteren Wettbewerbs verstoßende Handlungen vorgehen zu können. Er behauptet, dass er eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden als Mitglieder vertritt, die gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die der Beklagten anbieten. Im Übrigen macht er geltend, dass er selbst von der beanstandeten Werbung betroffen sei, weil auch er Rechtsberatung anbiete, welche seine Mitglieder von den Abmahnungen von Mitbewerbern oder anderen Wettbewerbsverbänden schützen soll.
Bei dem Schreiben der Beklagten handele es sich um eine irreführende Werbung, weil nicht ersichtlich ist, woraus sich das behauptete Abmahnrisiko, das tatsächlich auch nicht bestehe, ergeben solle.
Er beantragt,
– wie erkannt –
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG sowohl klagebefugt wie auch aktivlegitimiert.
Danach ist Voraussetzung, dass es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen handelt, dem eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Es gehört zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers, darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Er ist auf Grund seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, diese Aufgaben tatsächlich zu erfüllen. Denn er verfügt über eigene entsprechend ausgerüstete Geschäftsräume und beschäftigt neben seiner Geschäftsführerin 9 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er hat auch eine ausreichende finanzielle Basis. Nach seinen glaubhaften Angaben erwirtschaftete er im Jahre 2017 einen Überschuss von rund 2 Millionen €.
Der Kläger erfüllt auch das Merkmal der erheblichen Zahl von betroffenen Mitgliedsunternehmen. Zweck dieser Voraussetzung ist lediglich, Wettbewerbsvereinen, die vornehmlich aus Gebühreninteresse gegen Verstöße vorgehen, entgegenzuwirken. Das ist bereits dann nicht der Fall, wenn der Verband aus dem Kreis seiner Mitglieder auf dem Markt in der Weise repräsentativ vertreten ist, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. § 8 Rn. 3.42f). Das ist hier der Fall, weil die Ärztekammer Schleswig-Holstein, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben auch die Beratung ihrer Mitglieder gehört, Mitglied des Klägers ist. Dem steht auch nicht entgegen, wenn sich die Ärztekammer, z. B. durch das Landeszentrum für Datenschutz, fachkompetenter Hilfe bedient.
Das beanstandete Schreiben der Beklagten ist gemäß den §§ 3, 5 UWG unlauter, weil es eine Irreführung des Adressaten bezweckt, die geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Denn die Beklagte täuscht eine Prüfung der Webseite mit dem Ergebnis vor, dass ein Verstoß gegen § 13 TMG vorliege. Tatsächlich liegt ein solcher Verstoß offensichtlich nicht vor. Abgesehen davon, dass die Ärztin nicht mehr beruflich tätig war, nahm sie ersichtlich auch während ihrer Berufstätigkeit durch diesen Vorgang keine Speicherung von Daten über den Nutzungsvorgang hinaus vor. Ziel des Schreibens ist es daher augenscheinlich, Befürchtungen bei dem Adressaten zu erwecken, um ihn über ein möglicherweise zunächst kostenloses Beratungsgespräch zum Abschluss eines Beratungsvertrages zu bewegen, obwohl hierzu kein tatsächlicher Bedarf bestand.
Der Antrag zu 2. ist gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG begründet.
Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass die Ansprüche verjährt sein könnten. Die Einrede der Verjährung hat sie jedoch – was, da anwaltlich vertreten, zu erwarten gewesen wäre – nicht erhoben. Sie sollte offenbar auch nicht erhoben werden, weil die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen für den Eintritt einer Verjährung nicht vorgetragen hat. Aus diesem Grund wäre eine erhobene Einrede jedenfalls unbegründet.
Danach ist der Klage mit den Nebenentscheidungen aus den §§ 91, 709, 717 Abs. 2 ZPO stattzugeben.