Kündigung von Konto bei sozialem Netzwerk nach verweigerter Identitätsprüfung

16. November 2020
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Ein Mann hat eine Wolke vor dem Gesicht Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 03.09.2020, Az.: 2-03 O 282/19

Das LG Frankfurt a. M. hatte sich kürzlich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein soziales Netzwerk ein Konto kündigen bzw. löschen darf, wenn der zugehörige Nutzer seine Identität nicht bestätigt. Die Beklagte hatte Identitätsprüfungen durchgeführt, um gegen Fake Profile vorzugehen, dabei aber nicht zwingend einen Personalausweis gefordert, sondern auch ein Foto ausreichen lassen. Da soziale Netzwerke keinem generellen Kontrahierungszwang unterliegen, ist der Betreiber nicht zum Vertragsschluss mit einem seine Mitwirkung verweigernden User verpflichtet. Dass der klagende Nutzer seine Anonymität wahren wollte, spielt keine Rolle, weil er hierfür auf andere Netzwerke hätte ausweichen können und seine Identität darüber hinaus nur gegenüber dem Betreiber und nicht gegenüber anderen Usern hätte offenlegen müssen.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 03.09.2020

Az.: 2-03 O 282/19

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Löschung eines Profils auf der Plattform der Beklagten, Schadensersatz und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte betreibt die Webseite und das soziale Netzwerk www.F.com. Das soziale Netzwerk wird von der Muttergesellschaft der Beklagten mit Sitz in Kalifornien, USA, betrieben. Für Europa ist Anbieter und Vertragspartner der Nutzer von F die Beklagte mit Sitz in Dublin, Irland. Die Nutzung des sozialen Netzwerkes F erfolgt auf Grundlage einer einmaligen Anmeldung unter Angabe von Klardaten.

Die Beklagte stellt den Nutzern Geschäftsbedingungen, die u.a. aus den Nutzungsbedingungen (Anlage K1) und den Gemeinschaftsstandards (Anlage K3) bestehen.

In Ziffer 1 dieser Nutzungsbedingungen heißt es u.a. :

„Wir bekämpfen schädliches Verhalten und schützen und unterstützen unsere Gemeinschaft:

Personen können nur dann Gemeinschaften auf F bilden, wenn sie sich sicher fühlen. Wir beschäftigen weltweit spezielle Teams und entwickeln fortschrittliche technische Systeme, um Missbrauch unserer Produkte, schädliches Verhalten gegenüber anderen und Situationen aufzudecken, in denen wir möglicherweise dazu beitragen können, unsere Gemeinschaft zu unterstützen und zu schützen. Wenn wir von derartigen Inhalten oder Verhaltensweisen erfahren, werden wir geeignete Maßnahmen ergreifen, z. B. indem wir Hilfe anbieten, Inhalte entfernen, den Zugriff auf bestimmte Features sperren, ein Konto deaktivieren oder Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden aufnehmen. Wir teilen Daten mit anderen F-Unternehmen, wenn wir Missbrauch oder schädliches Verhalten durch eine Person feststellen, die eines unserer Produkte nutzt.“

Ziffer 3 lautet u.a. (Hervorhebung hier):

3.1 Wer F nutzen kann

Wenn Personen hinter ihren Meinungen und Handlungen stehen, ist unsere Gemeinschaft sicherer und kann stärker zur Rechenschaft gezogen werden. Aus diesem Grund musst du Folgendes tun:

•Denselben Namen verwenden, den du auch im täglichen Leben verwendest.

•Genaue und korrekte Informationen über dich zur Verfügung stellen.

•Nur ein einziges Konto (dein eigenes) erstellen und deine Chronik für persönliche Zwecke verwenden.

•Dein Passwort nicht weitergeben, anderen keinen Zugriff auf dein F-Konto gewähren bzw. dein Konto nicht an jemand anderen übertragen (ohne unsere Zustimmung).

Wir versuchen, F umfassend und für alle zur Verfügung zu stellen. Allerdings darfst du F nicht nutzen, wenn Folgendes zutrifft:

3.2 Was du auf F teilen und tun kannst

Wir möchten, dass Personen F nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlergehens anderer oder der Integrität unserer Gemeinschaft erfolgen. Du stimmst deshalb zu, dich nicht an den nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen zu beteiligen (oder andere dabei zu fördern oder zu unterstützen):

1.Du darfst unsere Produkte nicht nutzen, um etwas zu tun oder zu teilen, auf das Folgendes zutrifft:

•Es verstößt gegen diese Nutzungsbedingungen, unsere Gemeinschaftsstandards oder sonstige Nutzungsbedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von F gelten.

•Es ist rechtswidrig, irreführend, diskriminierend oder betrügerisch.

•Es verletzt die Rechte einer anderen Person oder verstößt dagegen, z. B. deren geistige Eigentumsrechte.

2.Du darfst keine Viren oder schädlichen Code hochladen oder etwas tun, das die einwandfreie Funktionsweise bzw. das Erscheinungsbild unserer Produkte unterbinden, überlasten oder beeinträchtigen könnte.

3.Du darfst (ohne unsere vorherige Zustimmung) nicht mittels automatisierter Methoden auf Daten unserer Produkte zugreifen, solche Daten erheben oder versuchen, auf Daten zuzugreifen, für die du keine Zugriffsberechtigung hast.

Wir können Inhalte, die gegen diese Bestimmungen verstoßen, entfernen oder blockieren.

Wenn wir einen von dir geteilten Inhalt wegen eines Verstoßes gegen unsere Gemeinschaftsstandards entfernen, werden wir dich entsprechend informieren und dir erläutern, welche Möglichkeiten du hast, eine weitere Überprüfung zu beantragen, es sei denn, du hast erheblich oder wiederholt gegen diese Nutzungsbedingungen verstoßen oder die Benachrichtigung unsererseits könnte für uns oder andere zu einer gesetzlichen Haftung führen, unserer Gemeinschaft schaden, die Integrität oder den Betrieb unserer Dienste, Systeme oder Produkte beeinträchtigen oder stören, oder wir werden aufgrund technischer Einschränkungen daran gehindert oder es ist uns aus rechtlichen Gründen untersagt.

Zur Förderung unserer Gemeinschaft ermutigen wir dich zum Melden von Inhalten oder Verhaltensweisen, die deiner Ansicht nach gegen deine Rechte (u. a. geistige Eigentumsrechte) oder unsere Nutzungsbedingungen und Richtlinien verstoßen.

Ziffer 4.2 lautet (Hervorhebung hier):

2. Aussetzung oder Kündigung von Konten

Wir möchten, dass F ein Ort ist, an dem sich Personen willkommen und sicher dabei fühlen, sich auszudrücken und ihre Gedanken und Ideen zu teilen.

Unser Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn eine Partei gegen aus diesen Nutzungsbedingungen resultierenden Pflichten, Gesetze, Rechte Dritter oder Datenschutzrichtlinien verstößt, und der kündigenden Partei unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der Interessen beider Parteien die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nur innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nach Kenntniserlangung von dem Verstoß möglich.

Ist der wichtige Grund ein Verstoß gegen eine Pflicht dieser Nutzungsbedingungen, so ist die Kündigung nur nach dem erfolglosen Ablauf einer gewährten Abhilfefrist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine Frist für die Abhilfe ist jedoch nicht erforderlich, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflichten ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn nach Abwägung der Interessen beider Parteien besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen.

Du kannst mehr dazu erfahren, was du tun kannst, wenn dein Konto deaktiviert worden ist, und wie du uns kontaktieren kannst, wenn wir nach deiner Meinung dein Konto irrtümlicherweise deaktiviert haben.

Wenn du dein Konto löschst oder wir es deaktivieren, enden diese Nutzungsbedingungen zwar als Vereinbarung zwischen dir und uns, aber folgende Bestimmungen bleiben weiterhin bestehen: 3.3.1, 4.2 bis 4.5.

Der Kläger meldete sich am 07.03.2019 als Nutzer des von der Beklagten angebotenen Dienstes an, wobei er die E-Mail-Adresse r…@web.de verwendete.

Die Beklagte versetzte das Konto des Klägers in den so genannten „Fake-Account-Checkpoint“ und forderte den Kläger auf, die Echtheit seines Kontos, z.B. durch Vorlage einer Kopie seines Ausweises oder Bildes, oder durch Eingabe eines Bestätigungscodes von einem seiner Geräte zu bestätigen. Dem kam der Kläger nicht nach.

Am 09.03.2019 sperrte die Beklagte das Konto des Klägers ohne Angabe von Gründen.

Der Kläger versuchte, die Beklagte zur Wiederherstellung seines Kontos zu bewegen, jedoch erfolglos.

Am 25.03.2019 wandte sich der Kläger an seine hiesigen Prozessbevollmächtigten. Diese holten eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung für die außergerichtliche Tätigkeit ein, für die der Kläger Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 8.000 EUR zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 729,23 EUR, geltend macht. Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.04.2019 (Anlage K 13, Bl. 122 d.A.) u.a. auf, die Sperre aufzuheben.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Parteien einen Vertrag über die Nutzung der Plattform der Beklagten geschlossen haben, bei dem es sich um ein Dauerschuldverhältnis mit miet-, werk-, und dienstvertraglichen Elementen handele. Dieser habe Entgeltcharakter.

Die Nutzungsbedingungen der Beklagten seien im Frühjahr 2018 nicht wirksam geändert worden.

Die Sperrung bzw. Deaktivierung eines Kontos der Beklagten ohne Vorliegen von Gründen sei zudem grundsätzlich rechtswidrig. Der Beklagten stehe kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Aus Ziffer 4.1 und 4.2 der Nutzungsbedingungen lasse sich entnehmen, dass die Beklagte lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht habe, wenn eine Partei gegen ihre Pflichten verstoße. Nur der Nutzer könne gemäß Ziffer 4.1 der Nutzungsbedingungen ohne Angabe von Gründen jederzeit kündigen. Indem die Beklagte das Konto des Klägers ohne Angabe von Gründen gelöscht habe, habe sie gegen ihre eigenen Nutzungsbedingungen verstoßen.

Die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast für den Grund einer außerordentlichen Kündigung. Die Beklagte habe auch nicht das Recht gehabt, den Kläger zur Vorlage von Nachweisen zu zwingen.

Der Kläger könne dementsprechend Wiederherstellung verlangen. Dies umfasse auch die Wiederherstellung aller mit seinem Profil verknüpften Inhalte.

Der Schaden, der durch die Verweigerung der Nutzung des Netzwerkes entstanden sei, sei mit 50 EUR pro Tag zu bemessen.

Der Kläger beantragt,

1. das am 08.03.2019 gelöschte Profil des Klägers (Anmelde-E-Mail: r…@web.de) auf www.F.com vollständig wiederherzustellen und insbesondere alle Verknüpfungen dieses Profils mit den Profilen anderer Nutzer, wie dies zum Löschungszeitpunkt bestand, wiederherzustellen; sowie dem Kläger Zugriff auf dieses Konto zu gewähren,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.500 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2019 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten

a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 691,33 EUR und

b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 EUR und

c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 EUR

durch Zahlung an die Kanzlei … freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Kläger ein gefälschtes Konto erstellt habe.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihr aus Ziffer 1, 3 und 4 der Nutzungsbedingungen ein Recht zur Deaktivierung der Konten ihrer Nutzer zustehe. Sie habe den Vertrag mit dem Kläger kündigen dürfen, weil er gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen habe. Er habe ein gefälschtes Konto angemeldet und insbesondere auf ihre Aufforderung hin keine Nachweise vorgelegt. Sie habe den Kläger auch zur Vorlage von Nachweisen auffordern dürfen. Sie habe ihm auch eine Frist eingeräumt, in der er seine Identität habe nachweisen können, so dass eine Abhilfefrist im Sinne von Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen gesetzt worden sei. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, einem Nutzer einen Grund für die Deaktivierung seines Kontos mitzuteilen. Unter anderem sehe dies § 626 Abs. 2 S. 3 BGB nicht vor. Auch könne der Verstoß gegen eine solche Verpflichtung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, sondern nur zu einem Anspruch auf Auskunft über den Grund der Maßnahme.

Dem Kläger sei ein Schaden nicht entstanden. Der entsprechende Antrag sei auch unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt sei.

Die Beklagte hat die Annahme der Zustellung zunächst wegen fehlender Übersetzung der Unterlagen verweigert (Bl. 175 d.A.). Der Kläger hat sodann mit Schriftsatz vom 10.09.2019 den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Vor Ergehen eines eventuellen Versäumnisurteils hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.09.2019 unter Aufrechterhaltung ihres Standpunkts, dass eine wirksame Zustellung nicht vorgelegen habe, ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Das LG Frankfurt a.M. ist international und örtlich zuständig. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit, so dass jedenfalls aufgrund rügeloser Einlassung gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 1 der Brüssel-Ia-VO 1215/2012 von einer Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auszugehen ist (vgl. auch BGH NJW 2018, 3178 Rn. 16).

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freischaltung seines Profils (Antrag zu 1.). Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vetrag.

a. Die geltend gemachten Ansprüche sind gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der Rom I-VO 593/2008 nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Darüber hinaus haben die Parteien in den Nutzungsbedingungen der Beklagten die Geltung deutschen Rechts vereinbart (vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 31.05.2019 – 305 O 117/18, BeckRS 2019, 21755 Rn. 18).

b. Im Grundsatz handelt es sich bei dem Vertrag zwischen einem Nutzer und der Beklagten über die Nutzung des sozialen Netzwerks der Beklagten um einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen (LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 10.09.2018 – 2-03 O 310/18, MMR 2018, 770; vgl. auch KG Berlin DNotZ 2018, 286 Rn. 56 m.w.N.; OLG München NJW 2018, 3115). Gegenstand dieses Vertrages sind auch die von der Beklagten gestellten Verhaltensregeln als AGB.

c. Der Prüfung der Vertragswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung und Abwägung der widerstreitenden Interessen i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB sind die Vertragsbedingungen zu Grunde zu legen, die seit dem Frühjahr 2018 von der Beklagten gestellt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers sind diese schon aus dem Grund wirksam vereinbart worden, dass der Kläger nach seinem Vortrag sich erst im März 2019 und damit unter den neuen Nutzungsbedingungen bei der Beklagten angemeldet hatte.

d. Bei den Nutzungsbedingungen und den darin in Bezug genommenen Gemeinschaftsstandards handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB (OLG Dresden NJW 2018, 3111; OLG Stuttgart NJW-RR 2019, 35; LG Hamburg, Urt. v. 31.05.2019 – 305 O 117/18, BeckRS 2019, 21755 Rn. 23).

e. Der Kläger kann auf dieser Basis nicht die Wiederherstellung seines Profils verlangen.

Im vorliegenden Fall kommt es nicht wesentlich darauf an, ob die Parteien hier um einen Kontrahierungszwang der Beklagten oder um eine zulässige Kündigung des Nutzungsverhältnisses durch die Beklagte streiten.

Insoweit ist hier insbesondere der zeitliche Ablauf zu berücksichtigen. Nach dem klägerischen Vortrag in der Klageschrift wirkte es zunächst so, als ob der Kläger die Plattform der Beklagten bereits seit längerer Zeit nutzte und die Beklagte sich ohne Angabe von Gründen plötzlich entschlossen habe, sein Profil zu löschen. Hierbei unterließ es der Kläger einerseits vorzutragen, dass er sich erst am 07.03.2019 bei der Beklagten angemeldet hatte und dass die Beklagte unstreitig den Kläger aufgefordert hatte, Nachweise für seine Identität vorzulegen und er dem nicht nachgekommen war.

Hierbei ist auch unstreitig geblieben, dass die Nachfrage der Beklagten beim Kläger im unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Anmeldung bei der Beklagten erfolgte. Der Kläger meldete sich am 07.03.2019 an, die Beklagte versetzte sein Profil in einen „Fake-Account-Checkpoint“ und forderte ihn auf, Nachweise beizubringen. Nachdem der Kläger dem nicht nachkam, löschte die Beklagte sein Profil bereits am 09.03.2019.

aa.

In einer solchen Konstellation mag man davon ausgehen, dass der vorliegende Streit zwischen den Parteien sich nicht darum dreht, ob die Beklagte aufgrund eines bestimmten Verhaltens des Klägers, z.B. einer nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten unzulässigen Äußerung, zur Löschung des Beitrags und Sperre bzw. Löschung seines Profils berechtigt war. Vielmehr könnte es vorliegend darum gehen, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, ohne eine Überprüfung seiner Identität gemäß den Nutzungsbedingungen der Beklagten einen Vertrag mit der Beklagten abschließen zu können, der diese verpflichtet, ihm ihre Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Kern des Rechtsstreits könnte dementsprechend sein, ob die Beklagten einem Kontrahierungszwang obliegt.

Insoweit könnte man es als unschädlich erachten, dass die Beklagte ihre Überprüfung erst nach der Anmeldung des Klägers beim Dienst der Beklagten durchführte und sein Profil anschließend löschte, anstatt den Kläger gar nicht erst vorher zu ihrer Plattform zuzulassen und einen Nutzungsvertrag nicht abzuschließen. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs könnte man dennoch von ausgehen, dass hier der quasi erstmalige Zugang zur Plattform der Beklagten im Streit steht.

Die Beklagte unterliegt jedoch einem generellen Kontrahierungszwang nicht (OLG Dresden NJW-RR 2020, 429 Rn. 4; LG Bremen MMR 2020, 426 Rn. 37; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 03.05.2020 – 2-03 O 411/20). Wenn der Kläger sich einer Mitwirkung grundlegend verweigert, kann die Beklagte nicht dazu verpflichtet sein, einen Nutzungsvertrag mit ihm abzuschließen.

Darauf kam es aber letztlich nicht an.

bb.

Selbst wenn man nicht davon ausgeht, dass ein Kontrahierungszwang der Beklagten im Streit steht, sondern vielmehr die Frage, ob die Beklagte den Vertrag mit dem Kläger kündigen durfte, wäre diese Kündigung als wirksam anzusehen.

Insoweit kommt es wiederum nicht darauf an, ob die Beklagte nur ein außerordentliches Kündigungsrecht oder auch ein ordentliches Kündigungsrecht gemäß § 620 Abs. 2 BGB hatte, worauf Ziffer 4.2 Abs. 2 ihrer Nutzungsbedingungen hinweist, in der davon die Rede ist, dass das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde unberührt bleibe, woraus man schließen kann, dass es auch ein Recht auf ordentliche Kündigung geben soll.

Der Beklagten stand hier jedoch auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Denn der Kläger hat gegen seine Pflichten aus dem Vertrag verstoßen. Ziffer 3.1 der Nutzungsbedingungen legt fest, dass der Nutzer verpflichtet ist, Informationen zu seiner Person vorzulegen. Dementsprechend muss es der Beklagten auch möglich sein, solche Informationen in verhältnismäßigem Umfang überprüfen zu können (vgl. zur Durchsetzung der Nutzungsbedingungen eines Bewertungsportals OLG Köln, Urt. v. 26.06.2019 – 15 U 91/19, S. 26). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich ein Vertragspartner über die Identität seines Gegenübers Gewissheit verschaffen darf. Nachdem die Beklagte hier den Kläger nicht persönlich kennt und Verträge mit ihm nur über das Internet schließt, kann man davon ausgehen, dass sie andere Mittel wählen darf, um Kenntnis von der Identität ihres Vertragspartners zu erhalten. Es steht insoweit dem Kläger frei, den Dienst der Beklagten nicht zu nutzen (vgl. OLG Dresden NJW-RR 2020, 429 Rn. 4; LG Bremen MMR 2020, 426 Rn. 37), wenn er seine Identität nicht offenlegen will.

Insoweit ist der Kammer bewusst, dass die Wahrung der Anonymität im Internet durchaus wichtig sein kann und § 13 Abs. 6 TMG die anonyme Nutzung von Telemediendiensten vorsieht. Einerseits ist dem Nutzer beim Dienst der Beklagten jedoch bekannt, dass er Informationen über seine Person angeben muss. Dies ist auch in den Nutzungsbedingungen so festgelegt. Ob der Kläger einem solchen Fall für sich in Anspruch nehmen, in Anonymität zu verbleiben, obwohl sich die Beklagte entschlossen hat, dass sie ihm gegenüber ihre Nutzungsbedingungen zur Anwendung bringt, kann letztlich offenbleiben. Darüber hinaus steht es dem Kläger steht letztlich frei, andere soziale Netzwerke zu nutzen, die auf die Offenlegung der Identität verzichten, wenn er diese Anforderungen nicht erfüllen will.

Denn die Beklagte hat insoweit hier dem Kläger verschiedene Möglichkeiten angeboten, um seine Identität nachzuweisen bzw. zu belegen, dass der neu angelegte Account kein „Fake-Account“ ist. Die Beklagte hat – anders als es der Kläger darstellt – nicht kategorisch die Vorlage eines Personalausweises verlangt, sondern auch die Vorlage eines Bildes oder ähnlichem als ausreichend erachtet. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der Beklagten hätte es hierfür sogar ausgereicht, wenn der Kläger einen Bestätigungscode von einem seiner Geräte übermittelt, was nicht zwingend die Offenlegung seiner Identität nach sich gezogen hätte.

Hier hat sich die Beklagte dazu entschlossen, die Identität des Klägers zu überprüfen und hat ihn aufgefordert, Nachweise beizubringen.

Auf die Frage, ob die Beklagte insoweit eine Klarnamenpflicht wirksam mit dem Kläger vereinbart hat oder nicht und ob sie diese durchsetzen konnte, kam es vorliegend nicht an. Denn es ist bereits unklar, ob der Kläger überhaupt einen Klarnamen verwendet hat oder nicht, da er den von ihm gewünschten Nutzernamen auf der Plattform der Beklagten nicht angegeben hat. Die von ihm angegebene E-Mail-Adresse hat jedenfalls mit seinem Namen nichts zu tun.

Nachdem der Kläger sich einer weiteren Überprüfung verweigert hatte, durfte die Beklagte in Abwägung der widerstreitenden wegen einer Verletzung der Nutzungsbedingungen gemäß Ziffer 3.1 den Vertrag auch außerordentlich kündigen, da der Kläger seine Mitwirkungspflichten aus den Nutzungsbedingungen bzw. als Nebenpflicht aus dem Vertrag verletzt hatte.

Soweit Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen eine Abhilfefrist bzw. Abmahnung verlangt, wurde diese gewährt, indem der Kläger aufgefordert wurde, binnen gesetzter Frist Nachweise beizubringen. Er ist dem jedoch nicht nachgekommen.

Auch mit dem Argument des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass § 13 Abs. 6 TMG eine Klarnamenpflicht untersage, dringt der Kläger nicht durch. Insoweit ist bereits fraglich, ob § 13 Abs. 6 TMG nach Geltungserlangung der DSGVO noch Wirkung entfaltet. Vorliegend geht es aber nach dem Vortrag der Parteien nicht um eine Durchsetzung der Klarnamenpflicht. So hat der Kläger schon nicht vorgetragen, sich nicht mit seinem Klarnamen angemeldet zu haben, sondern hat nur eine E-Mail-Adresse angegeben. Darüber hinaus hat die Beklagte dargetan, dass sie zur Überprüfung seiner Identität einerseits die Übermittlung eines Bildes (ohne Namen) oder sogar das Senden eines Bestätigungscodes von einem seiner Geräte akzeptiert hätte, so dass der Kläger im Ergebnis zur Offenlegung seines Namens nicht verpflichtet war.

Auch wenn die Kammer davon ausgeht, dass der Kläger sich unter einem anderen Namen oder (ggf. in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 6 TMG) unter einem Pseudonym angemeldet hat, hat die Beklagte nicht verlangt, dass der Kläger sein Profil mit seinem eigenen Namen bezeichnet, sondern nur, dass er diesen der Beklagten gegenüber offenlegt.

2. Mangels Pflichtverletzung der Beklagten scheidet ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus (Antrag zu 2.), wobei dahinstehen kann, ob dem Kläger ein solcher überhaupt und generell zustehen würde (vgl. ablehnend für den Fall der zeitweisen Sperre des Nutzerskontos LG Frankfurt a.M., Urt. v. 05.03.2020 – 2-03 O 427/18).

3. Mangels Hauptanspruchs bestehen auch keine Ansprüche auf Ersatz von außergerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu 3.).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, da der Kläger voll unterlegen ist.

5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

6. Dem Kläger war auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 26.08.2020 kein Schriftsatznachlass zu gewähren. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger auf den Schriftsatz des Klägers, der überwiegend Rechtsvortrag enthielt und nur wenige Seiten lang war, nicht in der mündlichen Verhandlung einlassen konnte. Insbesondere ist die Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO eingehalten.

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