Textilfaserkennzeichnung „Cotton“ zulässig – „Acryl“ unzulässig

23. November 2016
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
1517 mal gelesen
0 Shares
Waschanleitung und Textilfaserkennzeichnung Urteil des OLG München vom 20.10.2016, Az.: 6 U 2046/16

Wer bei Textilerzeugnissen die Faserbezeichnung „Acryl“ anstelle der zulässigen Bezeichnung „Polyacryl“ verwendet, verstößt gegen die Textilkennzeichnungsverordnung. Da dem Verbraucher nicht ohne Weiteres bekannt ist, was sich hinter den möglicherweise synonym verwendeten Begriffen verbirgt, ist die Bezeichnung „Acryl“, welche in Anhang I der TextilKennzVO nicht verzeichnet ist, auch geeignet, die Verbraucherinteressen i.S.d. § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Anderes kann hingegen gelten, wenn anstelle der Faserbezeichnung „Baumwolle“ der Begriff „Cotton“ verwendet wird. Denn diesbezüglich hat sich der englische Begriff in die deutsche Umgangssprache eingebürgert.

Oberlandesgericht München

Urteil vom 20.10.2016

Az.: 6 U 2046/16

 

Tenor

In dem Rechtsstreit (…)

erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2016 folgendes

ENDURTEIL:

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 11.04.2016, Az. 4 HK O 2387/16, abgeändert und in den Ziffern I. und II. wie folgt neu gefasst:

„I. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an einem Mitglied des Vorstandes der Komplementärin der persönlich haftenden Gesellschafterin der Antragsgegnerin, gem. § 890 ZPO verboten,

a) Jacken oder Shorties (Schlafanzüge mit kurzem Arm und kurzem Bein), die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn diese jeweiligen Bekleidungsgegenstände nicht vor dem Kauf mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteil der jeweils enthaltenen Textilfasern gekennzeichnet sind, insbesondere wenn dies geschieht wie aus den erstinstanzlichen Anlagen SNP 2 und SNP 3 ersichtlich ist;

Bild

Bild

b) Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn im Rahmen der Kennzeichnung der Faserzusammensetzung dieser Bekleidungsgegenstände Begriffe verwendet werden, die nicht in der deutschen Fassung des Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27. September 2011 (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18.10.2011 – L272/1 unter Berücksichtigung der Berichtigung, die im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 120/16 vom 05.05.2012 veröffentlicht wurde) aufgeführt sind, wenn dies geschieht wie aus den erstinstanzlichen Anlagen SNP 5 ersichtlich ist und bei Hosen die Bezeichnung „Acryl“ verwendet wird;

Bild

c) Hosen, Sweatshirts/Pullover/Hoodies oder Socken, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn hierbei nicht die in diesen Bekleidungsgegenständen jeweils enthaltenen Textilfaser(n) anhand der Textilfaserbezeichnungen benannt werden, welche in der deutschen Fassung des Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27. September 2011 (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18.10.2011 – L272/1 unter Berücksichtigung der Berichtigung, die im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 120/16 vom 05.05.2012 veröffentlicht wurde) aufgezählt werden, wenn dies geschieht wie folgt: Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 12.02.2016 wird im Übrigen zurückgewiesen.“

Im Übrigen wird die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Antragstellerin 68,75% und die Antragsgegnerin 31,25% zu tragen. Die Antragstellerin trägt zu 68,75% die durch die Nebenintervention verursachten Kosten erster Instanz. Im Übrigen trägt die Nebenintervenientin die durch die Nebenintervention verursachten Kosten erster Instanz selbst. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Antragstellerin 58,3% und die Antragsgegnerin 41,7% zu tragen. Die Antragstellerin trägt zu 58,3% die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zweiter Instanz. Im Übrigen trägt die Nebenintervenientin die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zweiter Instanz selbst.

sowie folgenden

Beschluss:

1. Der Streitwert für das Verfahren erster Instanz wird unter Abänderung von Ziff. III. des Tenors des Endurteils des Landgerichts München I vom 11.04.2016, Az. 4 HK O 2387/16, bis zum 14.03.2016 auf € 50.000,- und für die Zeit danach auf € 37.500,- festgesetzt.

2. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 37.500,- festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I. Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche wegen des Anbietens von Bekleidungsgegenständen ohne bzw. mit behaupteter falscher Textilfaserbezeichnung geltend.

Die Antragstellerin ist ein großer deutscher Bekleidungshersteller, die Antragsgegnerin ein Lebensmittel-Discounter, welche auch Textilerzeugnisse zum Verkauf anbietet.

Die Antragsgegnerin bot am 18.01.2016 auf ihrer Homepage Arbeitsjacken und Shorties (= Schlafanzüge mit kurzem Arm und kurzem Bein) ohne Faserkennzeichnung an (vgl. Internetausdrucke in Anlagen SNP 2 und SNP 3). Ausweislich des als Anlage SNP 4 vorgelegten Internetausdrucks vom 27.01.2016 wurden Fitnesshosen angeboten, die als Faserkennzeichnung den Begriff „Neopren“ trugen, sowie am 29.01.2016 ausweislich des als Anlage SNP 5 vorgelegten Ausdrucks Jogging-Hosen der Marke „R. … 6“ mit der Faserkennzeichnung „Acryl“. Die Produkte konnten online bestellt werden.

Darüber hinaus bot die Antragsgegnerin am 30.01.2016 in ihren Filialen Hosen und Sweatshirts/Pullover jeweils der Marke „R. … 6“ an, bei denen auf der Verpackung und den Innenetiketten die Faserbezeichnung „Acryl“ verwendet wurde (vgl. Quittung in Anlage SNP 6 sowie Abbildungen in Anlagen SNP 7 und SNP 8).

Seit dem 13.02.2016 wurden ausweislich der als Anlage SNP 11 vorgelegten Quittung und der als Anlagen SNP 12 vorgelegten Abbildungen in den Filialen der Antragsgegnerin Socken der Marke „um.“ angeboten, bei denen eine Banderole lediglich folgende Kennzeichnung aufweist:

„GB 68% Cotton 30% Polyester 2% Elastane FR 68% Coton 30% Polyester 2% Elasthanne ES 68% Algodon 30% Poliester 2% Elastano PT 68% Algodäo 30% Poliester 2% Elastano“

Weiterhin wurden ausweislich der als Anlagen SNP 13 und SNP 14 vorgelegten Abbildungen am 13.02.2016 Sweatshirts/Pullover/Hoodies der Marke „um.“ angeboten, bei denen auf der geschlossenen Verpackung die Faserbezeichnung „Cotton“ aufgebracht ist.

Schließlich trug die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10.03.2016 vor, dass die Antragsgegnerin am 16.02.2016 in ihrem Online-Shop Hosen der Marke „R. … 6“ angeboten habe, die sowohl auf der Verpackung als auch auf dem innenliegenden Etikett mit der Textilkennzeichnung „52% Cotton“, „8% Acrylic“ versehen gewesen seien, und bot zur Glaubhaftmachung die Rechnung in Anlage SNP 19 sowie Ablichtungen von Hose samt Verpackung in Anlage SNP 20 an. Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass sich der auf den Ablichtungen ersichtliche Preis i. H. v. 6,99 € nicht auf der Rechnung in Anlage SNP 19 finden lasse.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 11.04.2016 dem zuletzt gestellten Antrag der Antragstellerin vollumfänglich stattgegeben und der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten,

Verbrauchern im geschäftlichen Verkehr in Deutschland

„a) Jacken, Shorties (Schlafanzüge mit kurzem Arm und kurzem Bein) oder Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn diese jeweiligen Bekleidungsgegenstände nicht vor dem Kauf leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteil der jeweils enthaltenen Textilfasern gekennzeichnet sind und/oder wenn im Rahmen der Kennzeichnung der Faserzusammensetzung dieser Bekleidungsgegenstände Begriffe verwendet werden, die nicht in der deutschen Fassung des Anhangs I. der Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführt sind;

b) Hosen, Sweatshirts/Pullover/Hoodies oder Socken, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, mit Etiketten oder einer Kennzeichnung bereitzustellen, wenn hierbei nicht alle in diesen Bekleidungsgegenständen jeweils enthaltenen Textilfasern leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar anhand der Textilfaserbezeichnungen benannt werden, welche in der deutschen Fassung des Anhangs I zur Textilkennzeichnungsverordnung aufgezählt werden.

Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, u. a. ausgeführt:

Der Antragstellerin stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gem. §§ 8, 3, 3a UWG i. V. m. Art. 9 der Textilkennzeichnungsverordnung zu.

Die Klageanträge seien hinreichend bestimmt, auch wenn im vorliegenden Falle im Wesentlichen der Gesetzeswortlaut wiedergegeben werde. Es sei nach dem zweigliedrigen Gegenstandsbegriff ausreichend, dass die Antragstellerin im Einzelnen vorgetragen habe, was gerügt werde.

Unter Zugrundelegung der gesetzlichen Bestimmungen habe die Antragsgegnerin gegen die Textilkennzeichnungsverordnung verstoßen. Der Einwand, die Antragsgegnerin sei lediglich Händlerin und nicht Herstellerin und deshalb nicht zur Überprüfung der Zusammensetzung der von ihr angebotenen Produkten verpflichtet, verfange nicht, da es in Art. 15 Abs. 3 Textilkennzeichnungsverordnung, der sich an den Händler wende, nicht darum gehe, die Richtigkeit der Angaben durch eine Faseranalyse oder dergleichen zu überprüfen, sondern allein darum, sicherzustellen, dass der angebotene Artikel die entsprechende Etikettierung oder Kennzeichnung nach der Textilkennzeichnungsverordnung trage. Dieser Verpflichtung sei die Antragsgegnerin nicht nachgekommen, da die von ihr im Internet angebotenen Arbeitsjacken und Shorties gemäß Anlagen SNP 2 und SNP 3 gar keine Faserkennzeichnung getragen hätten und die gemäß Anlage SNP 5 angebotenen Jogginghosen die Faserkennzeichnung „Acryl“ trügen; Gleiches gelte für die gemäß Anlagen SNP 7 und SNP 8 angebotenen Hosen und Sweatshirts/Pullover. Letztendlich seien ausweislich Anlagen SNP 11 und SNP 12 am 13.02.2016 auch Socken angeboten worden, die mit der Bezeichnung „Cotton“ anstatt „Baumwolle“ gekennzeichnet seien. Sowohl „Cotton“ als auch „Acryl“ seien Begriffe, die nicht im Anhang 1 zur Textilkennzeichnungsverordnung angeführt seien. Der Gesetzgeber habe bewusst die Entscheidung getroffen, dass die Textilkennzeichnung in der jeweiligen Ansprache im jeweiligen Land des Angebotes zu erfolgen habe, vgl. Art. 16 Abs. 3 Textilkennzeichnungsverordnung, und sei gerade nicht der Auffassung gewesen, dass eine Bezeichnung von Textilfasern anhand von Begriffen, die nicht in der deutschen Fassung des Anhangs 1 der Textilkennzeichnungsverordnung enthalten sind, für den deutschen Verbraucher ausreichend sei. Die Faserbezeichnung habe daher aufgrund der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zwingend in deutscher Sprache anhand der in Anhang 1 enthaltenen Begriffe zu erfolgen. Die Textilkennzeichnungsverordnung stelle daher eine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 3a UWG dar. Der Einwand der Antragsgegnerin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bezeichnung „Cotton“ ein Teil der deutschen Umgangssprache geworden sei, verfange deshalb nicht, zumal es sich hierbei um eine Entscheidung aus dem Markenrecht handele. Aufgrund des Hinweises der Antragstellerin, dass „Acryl“ auch für die Faser „Modiacryl“ (richtig: „Modacryl“) stehen könnte, sei es auch nicht ausreichend, die Faser „Polyacryl“ mit „Acryl“ zu kennzeichnen. Hierin liege auch ein spürbarer Wettbewerbsverstoß i. S. v. § 3 UWG.

Der Einwand der Antragsgegnerin hinsichtlich des gem. § 12 Abs. 2 UWG vermuteten Verfügungsgrundes, dass die Nebenintervenientin wegen der „nachgeschobenen“ Jogginghosen bereits vor Ablauf der Monatsfrist abgemahnt worden sei, verfange schon deshalb nicht, weil die Verstöße, auf die die Antragstellerin bereits in der Antragsschrift und in ihrem Schriftsatz vom 18.02.2016 abgestellt habe, das beantragte Verbot bereits in vollem Umfang deckten. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin von dem Verkauf der „nachgeschobenen“ Hosen bereits mehr als einen Monat vor Beantragung der einstweiligen Verfügung bzw. vor einem „Nachschieben“ der Hosen Kenntnis gehabt habe oder nicht.

In der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Konkretisierung, dass lediglich Erzeugnisse erfasst seien, die 80% Textilanteil enthalten, sei keine teilweise Klagerücknahme zu sehen: Aufgrund der Tatsache, dass die Klageanträge nicht auf die angegriffenen einzelnen Bezeichnungen konkret Bezug nähmen, führe auch der Umstand, dass zunächst auch die Bezeichnung „Neopren“ angegriffen wurde, obwohl die damit bezeichneten Erzeugnisse gar keine Textilerzeugnisse gewesen seien, die der Textilkennzeichnungsverordnung unterlagen, so dass es sich hierbei tatsächlich nicht um die Textilkennzeichnungsverordnung verletzende Gegenstände handele, nicht zu einer Kostenaufteilung.

Gegen diese Entscheidung, dem Vertreter der Antragsgegnerin am 18.04.2016 zugestellt, richtet sich die am 10.05.2016 bei Gericht eingegangene und, nach antragsgemäßer (Bl. 106 f. d. A.) Fristverlängerung (Bl. 108 d. A.) mit Schriftsatz vom 18.07.2016 (Bl. 109 ff. d. A.) begründete Berufung der Antragsgegnerin, mit welcher diese die vollumfängliche Antragszurückweisung begehrt.

Unter Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen macht die Antragsgegnerin folgendes geltend:

Die Entscheidung des Landgerichts sei fehlerhaft, da es in seiner rechtlichen Beurteilung die beiden von der Antragstellerin angegriffenen, unterschiedlichen Verletzungsformen – gänzliches Unterlassen einer Textilkennzeichnung im Angebot und Verwendung von nicht von der deutschen Fassung der Textilkennzeichnungsverordnung genannten Begriffen im Rahmen der Textilkennzeichnung im Angebot – auch hätte unterscheiden müssen und nicht – trotz insofern teilweise fehlender Erstbegehungsgefahr – sämtliche der genannten Bekleidungsgegenstände beiden Verletzungsformen kumulativ und alternativ zuordnen dürfen.

Darüber hinaus sei der Urteilstenor zu weit gefasst, da er die konkrete Verletzungsform in Bezug auf die Verwendung von Begriffen, die in Anhang I zur deutschen Fassung der Textilkennzeichnungsverordnung nicht genannt seien, nicht benenne. Das Verbot wiederhole in seiner jetzigen Fassung lediglich den Gesetzeswortlaut, ohne dass klar werde, an welche konkrete Verletzungsform angeknüpft werden solle. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben, da ein unbestimmter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht geeignet sei, die Verjährung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs zu hemmen. Vorliegend seien auch die den Verjährungseintritt begründenden tatsächlichen Umstände hinsichtlich der angegriffenen Textilien in Anlagen SNP 2 bis SNP 8 und SNP 12 bis SNP 14 unstreitig. Eine Änderung der bisher unbestimmten Anträge durch die Antragstellerin wäre dringlichkeitsschädlich.

Ferner sei die Verwendung des Begriffs „Acryl“ anstelle von „Polyacryl“ nicht geeignet gewesen, die Spürbarkeitsschwelle von § 3a UWG zu überschreiten. Es sei nicht ersichtlich, dass das Angebot eines Bekleidungsstücks mit einer solchen Kennzeichnung geeignet wäre, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktbeteiligten oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen: Die Verbraucher setzten regelmäßig die beiden genannten Begriffe gleich, während es äußerst zweifelhaft erscheine, ob den Verbrauchern regelmäßig die Existenz der Textilfaser „Modacryl“ bekannt sei; es sei nicht davon auszugehen, dass die Kunden bei Betrachtung des Begriffs „Acryl“ eine andere Textfaser als „Polyacryl“ erwarteten. Die Verwendung des Begriffs „Acryl“ dürfe sich, wenn überhaupt, allenfalls positiv auf die übrigen Marktteilnehmer und Mitbewerber der Antragsgegnerin auswirken, da diese Verwendung für die Verbraucher keinen zusätzlichen Kaufanreiz biete, sondern sie im ungünstigsten Fall von dem Kauf der Ware abhalten werde.

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Hoodies habe das Landgericht einen Verstoß gegen die Textilkennzeichnungsverordnung zu Unrecht bejaht. Zum einen habe es sich mit der Produktgruppe in den Entscheidungsgründen nicht auseinandergesetzt, zum anderen fehle es an einem Verstoß, weil die Ware unstreitig in einem durchsichtigen Plastikbeutel mit einem selbstklebenden Verschluss verpackt worden sei, so dass die Kunden die Ware ohne Weiteres aus der Verpackung mit der Kennzeichnung „Cotton“ hätten entnehmen und die Etikettierung, welche in Übereinstimmung mit der deutschen Fassung der Textilkennzeichnungsverordnung die Bezeichnung „Baumwolle“ trage, zur Kenntnis nehmen können. Überdies sei die Verpackung mit der Kennzeichnung „Cotton“ weder Teil der Etikettierung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 lit. g) der Textilkennzeichnungsverordnung noch der Kennzeichnung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 lit. h) der Verordnung.

Auch die Bezeichnung „Cotton“ führe außerdem zu keiner spürbaren Beeinträchtigung der Verbraucher, der sonstigen Marktteilnehmer und der Mitbewerber der Antragsgegnerin: Wie der Bundesgerichtshof und das Bundespatentgericht festgestellt hätten, stelle das Wort „Cotton“ eine beschreibende Angabe für Baumwolle dar und gehöre inzwischen der deutschen Umgangssprache an. Diese Feststellung einer allgemeinen Verkehrserwartung im Hinblick auf den Begriff „Cotton“ sei auch auf das Wettbewerbsrecht übertragbar, da es dort wie im Markenrecht bei der Beurteilung der maßgeblichen Begriffe auf das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf die Irreführung ankomme.

Die Vorschrift des Art. 16 Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung sei zudem europarechtswidrig, da sie gegen die Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 34 AEUV verstoße. Die streitgegenständlichen Socken mit einer Faserkennzeichnung in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch würden in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Portugal rechtmäßig in Verkehr gebracht werden. In ihrer Wirkung komme die genannte Vorschrift daher einer Handelsbeschränkung gleich, da sie den Vertrieb von Textilerzeugnissen verbiete, deren Kennzeichnung nicht in der Amtssprache des Mitgliedsstaats, in welchem das Textilerzeugnis gebracht werden solle, sondern in der Amtssprache eines anderen Mitgliedstaats erfolgte, selbst wenn die Ware in jenem anderen Mitgliedstaat in rechtmäßiger Weise in den Verkehr gebracht werden dürfe. Zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls, die diese Handelsbeschränkung gleichwohl zulässig machten, seien nicht ersichtlich, da es Art. 16 Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung den Mitgliedstaaten ermögliche, eine Textilkennzeichnung in einer ausschließlich fremden Sprache in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassen. Dies zeige, dass der europäische Verordnungsgeber hier keine zwingende Notwendigkeit einer Harmonisierung und damit auch kein zwingendes entgegenstehendes Allgemeinwohlinteresse auf europäischer Ebene gesehen habe.

Zu Unrecht habe das Landgericht des Weiteren den Umstand, dass die Antragstellerin erst mit Schriftsatz vom 10.03.2016 die R. … 6-Jogginghosen gem. Anlagen SNP 19 und SNP 20 beanstandet habe, als nicht entscheidungserheblich angesehen. Mit der späteren Einführung weiterer behaupteter Verletzungshandlungen in einen Unterlassungsprozess ohne Änderung des Klageantrags sei eine Änderung des Streitgegenstands verbunden, selbst wenn sich aus den nachgeschobenen Verletzungsfällen dieselbe Verletzungsform ergebe. Das Landgericht hätte daher zu dem Schluss gelangen müssen, dass die Antragstellerin den Verstoß nicht glaubhaft gemacht habe und den Antrag insoweit zurückweisen, zumindest aber die fehlende Glaubhaftmachung im Rahmen der Kostenentscheidung zulasten der Antragstellerin berücksichtigen müssen. Hinsichtlich der fehlenden Glaubhaftmachung werde auf die erstinstanzlichen Schriftsätze der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin vom 29.03.206 verwiesen.

Im Rahmen der Frage der Dringlichkeit sei unberücksichtigt geblieben, dass der Antragstellerin der Vertrieb der Jogginghosen und Hoodies der Marke Um. bereits seit Juni (richtig: Juli) 2015 bekannt gewesen sei. Die Antragstellerin sei außerdem bezogen auf den Vertrieb der „nachgeschobenen Hosen“ lediglich gegen die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung vorgegangen, nicht jedoch gegen die Nebenintervenientin als Lieferantin der Antragsgegnerin, obwohl die Antragstellerin bereits seit Dezember 2015 Kenntnis von dem Vertrieb gehabt habe. Zudem habe sie die beanstandeten Verstöße trotz Kenntnis erst sukzessive in das Verfahren eingeführt und somit Verzögerungen verursacht bzw. in Kauf genommen.

Vorsorglich sei hinsichtlich der Kostenentscheidung des Landgerichts auszuführen, dass der Antragstellerin zumindest ein Teil der Kosten hätte auferlegt werden müssen, da diese in ihrer Antragsschrift vom 12.02.2016 auch das Angebot von Fitness-Hosen mit der Faserkennzeichnung Neopren gerügt habe, es sich hierbei um einen eigenständigen Lebenssachverhalt und damit um einen eigenen Streitgegenstand gehandelt habe und dieser auch nach Ansicht des Landgerichts München I unbegründet gewesen sei. Auch die in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2016 von der Antragstellerin vorgenommene Einschränkung ihrer ursprünglich zu weit gehenden Anträge, wonach lediglich Erzeugnisse erfasst sein sollen, die „einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen‘, hätte sich kostenmäßig zu ihren Lasten auswirken müssen, weil hierdurch nicht eine bloße Konkretisierung, sondern eine Einschränkung der jeweiligen Streitgegenstände erfolgt sei.

Die Nebenintervenientin führt über den Vortrag der Antragsgegnerin hinaus aus, dass das Landgericht bei richtiger Anwendung des Rechts zu der Entscheidung hätte gelangen müssen, dass die Anträge schon unzulässig sind, da die Antragstellerin nicht klargestellt habe, in welchem Verhältnis die einzelnen Streitgegenstände stünden, die sie durch die jeweilige Beanstandung der Kennzeichnung unterschiedlicher Textilien mit jeweils unterschiedlichen Kennzeichnungen in das Verfahren eingeführt habe und über die gesondert entschieden werden müsse.

Unberücksichtigt geblieben sei außerdem, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften der Textilkennzeichnungsverordnung nicht automatisch einen Wettbewerbsverstoß darstelle, da zusätzlich das Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit erfüllt sein müsse. Der Verweis des Landgerichts auf den Inhalt einer Marktverhaltensregel und den möglichen Willen des Gesetzgebers ersetze nicht die Auseinandersetzung mit diesem Tatbestandsmerkmal. Die Vorgabe, dass die Textilkennzeichnung auf Deutsch zu erfolgen habe, ergebe sich im Übrigen zwingend „nur“ aus § 4 des deutschen Textilkennzeichnungsgesetzes, während die Textilkennzeichnungsverordnung die Wahl der Sprache den Mitgliedstaaten freistelle. Eine spürbare Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers bedeute, dass eine Geschäftspraktik die Fähigkeit eines Durchschnittsverbrauchers beeinträchtigt, eine informierte Entscheidung zu treffen, und diese Beeinträchtigung zudem wesentlich genug ist, um die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zu ändern. Diese Voraussetzung sei weder durch die Verwendung der Bezeichnung „Cotton“ an Stelle des Begriffs „Baumwolle“ noch durch die Verwendung der Bezeichnung „Acryl“ an Stelle von „Polyacryl“ gegeben. Es sei mehr als lebensfremd, dass ein Durchschnittsverbraucher bei dem Begriff „Acryl“ an „Modacryl“ denke. Er wisse zwar auch nicht im Einzelnen, was genau „Acryl“ und „Polyacryl“ bedeuteten, ihm seien aber beide Begriffe im Unterschied zu „Modacryl“ zumindest insofern bekannt, als er darunter allgemein die Bezeichnung einer chemischen Faser als Gegenstück zur natürlichen Baumwolle verstehe, ohne jedoch zwischen den beiden Begriffen „Acryl“ und „Polyacryl“ zu differenzieren.

Hinsichtlich des Verstoßes von Art. 16 Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung gegen höherrangiges Recht hätte das Landgericht dem EuGH die entsprechende Frage zur Vorabentscheidung vorlegen müssen, was nun durch das Berufungsgericht zu erfolgen habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Endurteils des Landgerichts München I vom 11.04.2016, Az. 4 HK O 2387/16, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Nebenintervenientin beantragt,

das Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH auszusetzen und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

„Ist Art. 16 Abs. 3 Verordnung (EU) 1007/2011 und die darin enthaltene Verpflichtung, nach der die Kennzeichnung in der jeweiligen Amtssprache des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse auf dem Markt dem Verbraucher bereitgestellt werden, erfolgen muss, sofern der betreffende Mitgliedstaat nicht etwas anderes vorschreibt, mit Art. 34 AEUV vereinbar?“

Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das angefochtene Urteil mit folgendem Tenor aufrechterhalten wird:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, Verbrauchern im geschäftlichen Verkehr in Deutschland

a) Jacken oder Shorties (Schlafanzüge mit kurzem Arm und kurzem Bein), die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn diese jeweiligen Bekleidungsgegenstände nicht vor dem Kauf mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteil der jeweils enthaltenen Textilfasern gekennzeichnet sind, insbesondere wenn dies geschieht wie aus den erstinstanzlichen Anlagen SNP 2 und SNP 3 ersichtlich ist;

b) Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn im Rahmen der Kennzeichnung der Faserzusammensetzung dieser Bekleidungsgegenstände Begriffe verwendet werden, die nicht in der deutschen Fassung des Anhang I. der Textilkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27. September 2011 (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18.10.2011 – L272/1 unter Berücksichtigung der Berichtigung, die im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 120/16 vom 05.05.2012 veröffentlicht wurde) aufgeführt sind, insbesondere wenn dies geschieht wie aus den erstinstanzlichen Anlagen SNP 5 ersichtlich ist und bei Hosen die Bezeichnung „Acryl“ verwendet wird;

c) Hosen, Sweatshirts/Pullover/Hoodies oder Socken, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, bereitzustellen, wenn hierbei nicht die in diesen Bekleidungsgegenständen jeweils enthaltenen Textilfaser(n) anhand der Textilfaserbezeichnungen benannt werden, welche in der deutschen Fassung des Anhang I. der Textilkennzeichnungsverordnung (EU) Nr. 1007/2011 vom 27. September 2011 (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18.10.2011 -L272/1 unter Berücksichtigung der Berichtigung, die im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 120/16 vom 05.05.2012 veröffentlicht wurde) aufgezählt werden, insbesondere wenn dies geschieht wie folgt:

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Die Antragstellerin verteidigt das Ersturteil und führt hierzu ergänzend aus:

Die Verwendung der irreführenden und unklaren Faserbezeichnung „Acryl“ ebenso wie die Verwendung anderer fremdsprachiger Faserbezeichnungen sei geeignet, die Interessen der Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen. Die angesprochenen Verbraucher wüssten bei der Verwendung von nicht in Anhang I der deutschen Fassung der Textilkennzeichnungsverordnung enthaltenen Faserbezeichnungen nicht genau, welche Textilfasern die derart gekennzeichneten streitgegenständlichen Textilerzeugnisse jeweils enthalten. Unabhängig davon, dass Verbraucher wegen der flächendeckenden Verwendung der unionsrechtlich vorgegebenen Faserbezeichnungen „Polyacryl“ und „Modacryl“ oder „Baumwolle“ im Bekleidungshandel hinter den unüblichen Bezeichnungen „Acryl“, „Acrylic“ oder „Cotton“ etwas Höherwertiges sähen und die derart gekennzeichneten Textilerzeugnisse möglicherweise bereits deswegen kauften, wäre die Spürbarkeit selbst im Falle des Absehens vom Kauf gegeben, da das Fehlen der unionsrechtlich vorgegebenen Informationspflicht auch in diesem Fall geeignet sei, die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. Sinn und Zweck der Textilkennzeichnungsverordnung sei es, den Verbraucher darüber aufzuklären, aus welchen Bestandteilen das von ihm zum Erwerb ins Auge gefasste Textilerzeugnis zusammengesetzt ist. Gerade im Hinblick auf die vielzähligen Unverträglichkeiten sei es von erheblicher Bedeutung, dass der einzelne Verbraucher die jeweilige Zusammensetzung seiner Textilerzeugnisse schnell und sicher erkennen könne.

Auch bei den am 13.02.2016 erworbenen Hoodies liege ein Kennzeichenverstoß vor, da in der Verkaufssituation keine zutreffende deutsche Faserbezeichnung enthalten gewesen sei. Soweit die Antragsgegnerin vorgetragen habe, dass ihre Kunden die Verpackung der Bekleidungsgegenstände angeblich in der Filiale öffnen könnten, um die darin enthaltene Ware genauer zu betrachten und dies von der Antragsgegnerin toleriert werde, werde dieser höchst unwahrscheinliche und in der Realität zu chaotischen Zuständen am Wühltisch führende Vortrag mit Nichtwissen bestritten. Die von der Antragsgegnerin benannten Artt. 3 Abs. 1 lit. g) und h) der Textilkennzeichnungsverordnung seien im Zusammenhang mit Art. 16 Abs. 1 zu lesen, in dem die Verpackung ausdrücklich benannt sei und der gerade auch die Anbringung der Angaben zur Faserzusammensetzung auf der Verpackung fordere, wenn die Textilkennzeichnungserzeugnisse dem Verbraucher in Verpackungen angeboten würden.

Die Argumentation der Antragsgegnerin bezüglich der fehlenden Europarechtskonformität des Art. 16 Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung verkenne, dass es nach deren Sinn und Zweck und ausweislich Erwägungsgrund (10) gerade darauf ankomme, dass für alle Verbraucher in der Union gewährleistet sei, dass sie korrekte und einheitliche Informationen erhalten. Überdies führe Erwägungsgrund (3) den Umstand an, dass durch die Verordnung Hindernisse für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes beseitigt werden sollten, die sich aus abweichenden Vorschriften der Mitgliedstaaten für die Bezeichnung von Textilfasern und der damit zusammenhängenden Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen ergeben könnten, weshalb es erforderlich sei, die Bezeichnung von Textilfasern zu vereinheitlichen. Deutlich werde die Notwendigkeit einer entsprechenden Faserkennzeichnung, wenn man die verschiedenen Begriffe in den europäischen Sprachen für „Wolle“ gem. Nr. 1 des Anhangs der Textilkennzeichnungsverordnung betrachte. Die Vorschrift des Art. 16 Abs. 3 der Textilkennzeichnungsverordnung bezwecke keine Handelsbeschränkung, sondern – neben dem Schutz der Verbraucher -genau das Gegenteil.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2016 (Bl. 156 ff. d. A.) Bezug genommen.

II. Die nach § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte, gem. §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 517 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sowie gem. § 520 Abs. 3, Abs. 2 S. 1 ZPO mit einer ordnungsgemäßen Begründung versehene und damit zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist – nach der von der Antragstellerin im Berufungstermin vorgenommenen Korrektur der Antragsfassungen, die zu einer teilweise hinreichenden Bestimmtheit der Verfügungsanträge i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit zu deren teilweisen Zulässigkeit führt – nur teilweise begründet: Soweit der Verfügungsantrag lit. c) Verletzungsformen mit der Faserbezeichnung „Cotton“ beanstandet (und die Verletzungsformen darüber hinaus keine weiteren, unzulässigen Faserbezeichnungen enthalten), ist eine spürbare Interessenbeeinträchtigung für Verbraucher i. S. v. § 3a UWG zu verneinen, so dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 3, 3a UWG i. V. m. Artt. 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1007/2011 über die Bezeichnungen von Textilfasern und die damit zusammenhängende Etikettierung und Kennzeichnung der Faserzusammensetzung von Textilerzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinien 73/44/EWG, 96/73/EG und 2008/121/EG (Textilkennzeichnungsverordnung – TextilKennzVO) insoweit ausscheidet. Dagegen verstößt eine fehlende Kennzeichnung von Textilerzeugnissen (Verfügungsantrag lit. a)) bzw. deren Kennzeichnung mit der Faserbezeichnung „Acryl“ (Verfügungsantrag lit. b)) gegen die genannten Vorschriften der TextilKennzVO, so dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegeben ist. Die hiergegen von der Antragsgegnerin erhobenen Einwände verhelfen ihrer Berufung nicht zum Erfolg. Im Einzelnen:

A. Verfügungsantrag lit. a)

Der zuletzt gestellte Verfügungsantrag lit. a) hinsichtlich der beanstandeten, von der Antragsgegnerin im Internet angebotenen Jacken und Shorties ohne jegliche Textilfaserkennzeichnung ist hinreichend bestimmt und damit zulässig. Wegen Verstoßes gegen die sich aus den Normen der TextilkennzeichnungsVO ergebende Kennzeichnungspflicht hinsichtlich der in den Bekleidungsstücken enthaltenen Textilfasern steht der Antragstellerin als Verfügungsanspruch auch der genannte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 3, 3a UWG zu, ohne dass sich die Antragsgegnerin erfolgreich auf dessen Verjährung berufen könnte. Da auch die Dringlichkeit der Rechtsdurchsetzung als Verfügungsgrund i. S. v. §§ 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO vorliegend zu bejahen ist, erweist sich die Berufung der Antragsgegnerin in Bezug auf den Verfügungsantrag lit. a) als unbegründet.

1. Der erstinstanzlich gestellte Verfügungsantrag in lit. a) ist in seiner zuletzt gestellten Fassung hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und somit zulässig.

a. Soweit sich der erstinstanzlich gestellte Antrag in lit. a) auf das begehrte Verbot von Jacken und Shorties ohne Textilfaserkennzeichnung bezog („Jacken, Shorties (Schlafanzüge mit kurzem Arm und kurzem Bein) […], die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn diese jeweiligen Bekleidungsgegenstände nicht vor dem Kauf leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar mit einer Angabe über Art und Gewichtsanteil der jeweils enthaltenen Textilfasern gekennzeichnet sind […]“), war er nicht hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit unzulässig, da er lediglich die Verbotstatbestände der Art. 16 Abs. 1, 9 Abs. 1 TextilKennzVO wiederholte und somit auch die in Art. 16 Abs. 1 TextilKennzVO genannten unbestimmten Rechtsbegriffe „leicht lesbar, sichtbar und deutlich erkennbar“ enthielt. Ein entsprechender Unterlassungstitel wäre daher keine geeignete Vollstreckungsgrundlage gewesen (vgl. hierzu Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 12 Rn. 2.36 ff.).

b. Mit der (gem. § 264 S. 2 ZPO zulässigen) Antragsanpassung im Berufungstermin wurden die genannten unbestimmten Rechtsbegriffe eliminiert. Zwar gibt der aktuelle Verfügungsantrag in lit. a) somit weiterhin lediglich den Verbotstatbestand des Art. 9 Abs. 1 TextilKennzVO wieder, was grundsätzlich ebenfalls nicht für die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags genügt (vgl. BGH GRUR 2015, 1237 Rn. 13 – Erfolgsprämie für die Kundengewinnung m. w. N.); wird jedoch wie vorliegend eine komplett fehlende Textilfaserkennzeichnung bei Bekleidungsgegenständen angegriffen, ist eine weitere Konkretisierung etwa durch Aufnahme der konkret angegriffenen Verletzungshandlung nicht mehr notwendig und damit die Wiederholung des Gesetzeswortlauts unschädlich, da für diese spezielle Konstellation das Gesetz hinreichend eindeutig und konkret gefasst ist (vgl. zu den Ausnahmen BGH a. a. O.)

c. Entsprechend bleibt es (jedenfalls für den Verfügungsantrag lit. a)) ohne negative Auswirkungen, dass im Antrag auf die konkret beanstandeten Verletzungsformen in Anlagen SNP 2 und SNP 3 lediglich mit dem (einen unbestimmten Antrag nicht zu retten vermögenden, vgl. BGH GRUR 1993, 565, 566 – Faltenglätter) Zusatz „insbesondere wenn …“ Bezug genommen wird.

2. Da das von der Antragsgegnerin auf ihrer Webseite enthaltene Angebot von Jacken und Shorties als geschäftliche Handlung i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG keine Angaben zu den darin enthaltenen Textilfasern enthielt, steht der Antragstellerin als Mitbewerberin i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 TextilKennzVO als Verfügungsanspruch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 3, 3a UWG zu.

a. Bestimmungen, die – wie der vorliegend in Rede stehende Art. 9 Abs. 1 Textil-KennzVO – die Kennzeichnung von Textilprodukten regeln, dienen dem Schutz der Verbraucher und stellen damit Marktverhaltensregelungen i. S. v. § 3a UWG dar (vgl. BGH WRP 2016, 1219 Rn. 14 – Textilkennzeichnung).

b. Wie das Landgericht ferner zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen ausgeführt hat, trifft die Verpflichtung aus Art. 9 Abs. 1 TextilKennzVO nicht nur den Hersteller, sondern gem. Art. 15 Abs. 3 TextilKennzVO auch die Antragsgegnerin als Händlerin (vgl. auch die am 24.02.2016 in Kraft getretene parallele Vorschrift des § 3 TextilKennzG sowie BGH WRP 2016, 1219 Rn. 16 a. E. – Textilkennzeichnung).

c. Unstreitig wiesen die Angebote von Jacken und Shorties auf der Webseite der Antragsgegnerin (vgl. Screenshots in Anlagen SNP 2 und SNP 3) keinerlei Beschreibungen der Textilfaserzusammensetzung auf. Zu entsprechenden Informationen ist die Antragsgegnerin gem. Art. 16 Abs. 1 S. 2 TextilKennzVO auch im Rahmen ihres Internetangebots verpflichtet gewesen, da auf der Webseite für den Kunden eine Bestellmöglichkeit gegeben war und damit die Textilerzeugnisse auch „auf dem Markt bereitgestellt“ i. S. v. Art. 16 Abs. 1 S. 1 TextilKennzVO wurden (vgl. BGH WRP 2016, 1219 Rn. 16 ff. – Textilkennzeichnung).

d. Das Unterlassen von Informationen über die Textilfaserzusammensetzung bei den angebotenen Bekleidungsstücken ist auch geeignet, die Interessen des Verbrauchers spürbar zu beeinträchtigen, § 3a UWG. Die Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung beurteilt sich nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhaltensregelung (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 25 – Telefonaktion), vorliegend also gem. Erwägungsgrund (10) der TextilKennzVO die Gewährleistung, dass alle Verbraucher in der Union korrekte und einheitliche Informationen erhalten. Fehlen solche Informationen, ist es dem Verbraucher nicht möglich, eine informierte und freie geschäftliche Entscheidung i. S. v. §§ 2 Abs. 1 Nr. 9, 3 Abs. 2 UWG zu treffen (vgl. OLG Köln WRP 2016, 90 Rn. 17 – Grundpreisangabe bei Amazon II; OLG Hamm, Beschl. v. 20.02.2014 – 4 W 19/14, juris-Rn. 14 f. = BeckRS 2015, 02899 Rn. 14 f.).

e. Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin schließlich auf die Verjährung des geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs wegen Ablaufs der sechsmonatigen Verjährungsfrist gem. § 11 Abs. 1 UWG, da mit Zustellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB gehemmt wurde. Zwar trifft es zu, dass der ursprünglich gestellte Unterlassungsantrag in lit. a) nicht hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war (s. o. A. 1. a.) und daher grundsätzlich erst mit der Rechtshängigkeit des konkretisierten Antrags dessen Hemmungswirkung eintreten konnte (vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 204 Rn. 4; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.05.2016 – 6 U 171/14, juris-Rn. 50 = BeckRS 2016, 15323 Rn. 24). Jedoch bestand trotz des zunächst unbestimmten Antrags kein Zweifel daran, auf welchen Sachverhalt sich der Antrag im Kern bezog, bzw. daran, dass mit der Unterlassungsklage – auch wenn der zunächst gestellte Antrag den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO noch nicht entsprach – jedenfalls die Unterlassung der konkreten Verletzungsform begehrt wurde, so dass auch der noch nicht hinreichend bestimmte Klageantrag die Verjährung hemmen konnte (vgl. BGH GRUR 1998, 481, 483 – Auto 94; BGH GRUR 2004, 517, 519 – E-Mail-Werbung; Bornkamm in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 34 Rn. 36; Toussaint in GK-UWG, 2. Aufl., § 11 Rn. 84; Fritzsche in MünchKommUWG, 2. Aufl., § 11 Rn. 189; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 16 Rn. 37).

3. Schließlich liegt als Verfügungsgrund i. S. v. §§ §§ 940, 936, 920 Abs. 2 ZPO auch Dringlichkeit vor. Diese wird vorliegend gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet und wurde durch die Antragstellerin auch nicht durch eigenes zögerliches prozessuales Verhalten widerlegt, da sie binnen eines Monats nach Kenntniserlangung von Verletzungshandlung und Person des Verpflichteten das einstweilige Verfügungsverfahren einleitete. Dass sie zunächst einen unbestimmten Verfügungsantrag in lit. a) einreichte, ist unschädlich, weil dieser Umstand nichts daran ändert, dass die Antragstellerin innerhalb der Monatsfrist hinsichtlich eines zumindest in der Antragsbegründung benannten konkreten Verletzungsgegenstands um Rechtsschutz nachsuchte, so dass mit der erstmaligen Geltendmachung eines hinreichend bestimmten Verfügungsantrags im Berufungstermin nicht (verspätet) ein neuer Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt wurde, sondern der zugrunde liegende Sachverhalt gleich blieb.

B. Verfügungsantrag lit. b)

Der Verfügungantrag in lit. b) ist, soweit er auf die in der Anlage SNP 5 abgebildeten Verletzungsgegenstände konkret Bezug nimmt, (nur) ohne Aufnahme des Worts „insbesondere“ zulässig. In der Verwendung der Textilfaserkennzeichnung „Acryl“ liegt auch ein Verstoß gegen Artt. 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, Abs. 3 Textil-KennzVO, der die Interessen der Verbraucher spürbar beeinträchtigen kann. Da als Verfügungsgrund zudem Dringlichkeit gegeben ist (s. o. A. 3.), ist die Berufung der Antragsgegnerin auch in Bezug auf den modifizierten Verfügungsantrag lit. b) unbegründet.

1. Auch der zweite Teil des ursprünglich gestellten Verfügungsantrags lit. a) („[…] Hosen, die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen, im Wege des elektronischen Fernabsatzes anzubieten, wenn im Rahmen der Kennzeichnung der Faserzusammensetzung dieser Bekleidungsgegenstände Begriffe verwendet werden, die nicht in der deutschen Fassung des Anhangs I. der Textilkennzeichnungsverordnung aufgeführt sind“) war aufgrund seines lediglich verbotsnormwiederholenden Inhalts (vgl. hierzu oben A. 1. b. sowie Köhler, a. a. O., § 12 Rn. 2.40 ff. m. w. N.) unbestimmt und damit unzulässig. Durch die im Berufungstermin vorgenommene Antragsanpassung im aktuellen Verfügungsantrag lit. b) erfolgte zwar eine Bezugnahme auf die konkret angegriffene Verletzungsform („[…] wenn dies geschieht wie aus den erstinstanzlichen Anlagen SNP 5 ersichtlich ist und bei Hosen die Bezeichnung,Acryl‘ verwendet wird“); diese Anpassung führt jedoch nur insoweit zur hinreichenden Bestimmtheit des Antrags, als die Bezugnahme ohne Aufnahme des vorangehenden Zusatzes „insbesondere“ erfolgt (s. o. A. 1. c.), so dass im Urteilstenor eine entsprechende Einschränkung auf die konkrete Verletzungsform vorzunehmen war, da davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin jedenfalls diese Verhaltensweise verboten haben möchte (vgl. BGH GRUR 2012, 945 Rn. 22 m. w. N. – Tribenuronmethyl).

2. Das Landgericht hat zu Recht als Verfügungsanspruch einen (unverjährten, s. o. A. 2. e.) Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 3, 3a UWG zugunsten der Antragstellerin angenommen, da das auf der Webseite der Antragsgegnerin zu findende Angebot der in Anlage SNP 5 abgebildeten Hosen, das als Textilfaserbezeichnung u. a. den Begriff „Acryl“ aufweist, gegen das Kennzeichnungsgebot gem. Artt. 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, Abs. 3 TextilKennzVO verstößt und hierin auch eine potentiell spürbare Beeinträchtigung der Verbraucherinteressen zu sehen ist.

a. Gem. Art. 5 Abs. 1 TextilKennzVO dürfen für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen nur die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I der TextilKennzVO verwendet werden. Für die in den beanstandeten Hosen enthaltenen Fasern sieht Anhang I Nr. 26 (in der nachträglich berichtigten Fassung) die Bezeichnung „Polyacryl‘ vor. Die Verwendung der Bezeichnung „Acryl‘ ist im Anhang I nicht vorgesehen, so dass ein Verstoß gegen die genannte Norm gegeben ist.

b. Dieser Verstoß ist auch geeignet, eine spürbare Beeinträchtigung für die Interessen der Verbraucher i. S. v. § 3a UWG hervorzurufen. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Verbraucher nicht ohne Weiteres Kenntnis darüber hat, was sich hinter dem von der Antragsgegnerin verwendeten Begriff „Acryl“ verbirgt und dieser Begriff im Textilbereich möglicherweise als Synonym zu „Polyacryl“ benutzt wird. Es ist durchaus denkbar, dass er aufgrund der fehlenden Verwendung des Präfixes „Poly-“ (mit der Bedeutung „viel“, „mehr“ oder „verschieden“) davon ausgeht, dass „Acryl“ eine andere Faserart (mit für den Verbraucher im Einzelfall aus seiner Sicht ggf. günstigeren oder auch ungünstigeren Eigenschaften) beschreibt als „Polyacryl“. Zu Recht verweist das Landgericht außerdem auf den Umstand, dass Anhang I in Nr. 29 auch die Faserbezeichnung „Modacryl“ aufführt, so dass für den Verbraucher die zusätzliche Unsicherheit entstehen kann, ob der Begriff „Acryl“ nicht auch für „Modacryl“ steht. Der vorliegende Verstoß ist also geeignet, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (vgl. Köhler, a. a. O., § 3a Rn. 1.103), da er z. B. aufgrund eines bestimmten (fehlerhaften) Verständnisses der Faserbezeichnung „Acryl“ wegen vermeintlich besserer Fasereigenschaften im Vergleich zu „Polyacryl“ eine positive Kaufentscheidung treffen könnte.

c. Dass sich ein Verbraucher über den Begriff „Acryl“ ggf. auch im Wege einer Internetrecherche informieren könnte, ändert nichts an der gerade dargelegten Spürbarkeit des Verstoßes (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 20.02.2014 – 4 W 19/14, juris-Rn. 14 f. = BeckRS 2015, 02899 Rn. 14 f.): Durch die vorgeschriebene einheitliche Kennzeichnung der in den angebotenen Textilien enthaltenen Fasern soll der Verbraucher gerade klar und unproblematisch Informationen über die Faserzusammensetzung bekommen, um eine geschäftliche Entscheidung – häufig vor Ort im Bekleidungsgeschäft – treffen zu können; mit diesem Schutzzweck wäre es aber unvereinbar, den Verbraucher auf (ergänzende oder alternative) Informationseinholung zur Textilfasereigenschaft aus weiteren und im Zweifel nicht unmittelbar verfügbaren sowie möglicherweise unzuverlässigen Quellen zu verweisen.

C. Verfügungsantrag lit. c)

Dagegen ist hinsichtlich des Verfügungsantrags lit. c) – welcher in seiner zuletzt gestellten Fassung ohne den Zusatz „insbesondere“ hinreichend bestimmt ist – die Berufung der Antragsgegnerin teilweise begründet, da der vorliegende Verstoß gegen die (europarechtskonforme) Vorschrift des Art. 16 Abs. 3 TextilKennzVO, soweit von der Antragstellerin die Verwendung der Faserbezeichnung „Cotton“ beanstandet wurde, nicht das Spürbarkeitserfordernis des § 3a UWG erfüllt und damit der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nicht gegeben ist. Dies gilt allerdings nicht für diejenigen konkret mit dem Verfügungsantrag lit. c) angegriffenen Verletzungsgegenstände, die (ggf. neben der Faserbezeichnung „Cotton“) die Faserbezeichnung „Acryl“ bzw. „Acrylic“ enthalten, da insofern ein Verstoß gegen das Kennzeichnungsgebot gem. Artt. 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, Abs. 3 TextilKennzVO zu bejahen ist, der die Verbraucherinteressen spürbar beeinträchtigt und daher zu einem Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 3, 3a UWG führt.

1. In Bezug auf die Bestimmtheit und damit die Zulässigkeit des Verfügungsantrags lit. c) gilt das zu den neu gefassten Verfügungsanträgen lit. a) und lit. b) unter A. 1. bzw. B. 1. Ausgeführte entsprechend: Der erstinstanzlich gestellte Verfügungsantrag in lit. b) – welcher inhaltlich bzw. von der Anspruchsbegründung her dem zuletzt gestellten Verfügungsantrag lit. c) entspricht – war aufgrund der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe sowie aufgrund seines lediglich verbotsnormwiederholenden Inhalts unbestimmt und damit unzulässig. Die Antragsanpassung beseitigte durch die Aufnahme der konkreten Verletzungsgegenstände die Unbestimmtheit, allerdings nur in Bezug auf die konkreten Verletzungsformen, so dass eine entsprechende Einschränkung im Urteilstenor zu erfolgen hatte.

2. Soweit die Antragstellerin die drei im Antrag u. a. abgebildeten Verletzungsgegenstände „Jogginghose Herren grau Size M“ der Marke „um.“ mit der Textilfaserkennzeichnung „65% Polyester 35% Cotton“ (entspricht Anlage SNP 13 bzw. SNP 1. 21), „3/4 Sport Socks“ der Marke „um.“ mit der Textilfaserkennzeichnung u. a. „GB 68% Cotton 30% Polyester 2% Elastane“ (entspricht Anlage SNP 12) sowie „Hoodie Herren schwarz“ der Marke „um.“ mit der Textilfaserkennzeichnung „65% Polyester 35% Cotton“ (entspricht Anlage SNP 14 bzw. SNP 22) konkret angreift, scheidet der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Verfügungsanspruch mangels Spürbarkeit i. S. v. § 3a UWG des formalen Verstoßes aus.

a. Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 TextilKennzVO ordnet an, dass die (gem. Artt. 9 Abs. 1, 5 Abs. 1 TextilKennzVO notwendige) Etikettierung oder Kennzeichnung in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats erfolgt, in dessen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereitgestellt werden, es sei denn, der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor. Maßgeblich sind daher die in Anhang I der TextilKennzVO aufgeführten deutschen Begriffe; der deutsche Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 TextilKennzG (Geltung ab 24.02.2016) keine abweichende Regelung getroffen und ordnet ebenfalls die Kennzeichnung „in deutscher Sprache“ an. In der Konsequenz sind gem. Anhang I Nr. 5 die Fasern aus den Samen der Baumwollpflanze mit dem Begriff „Baumwolle“ zu kennzeichnen. Gegen diese Verpflichtung verstieß die Antragsgegnerin, indem sie auf den Verpackungen der oben genannten Bekleidungsstücke nicht die deutsche Faserbezeichnung „Baumwolle“, sondern die englische Bezeichnung „Cotton“ verwendete.

b. Ohne Erfolg hält die Antragsgegnerin diesem formalen Verstoß die vermeintliche Europarechtswidrigkeit der Regelung in Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 Textil-KennzVO entgegen:

aa. Die von der Nebenintervenientin beantragte Aussetzung des einstweiligen Verfügungsverfahrens und Vorlage an den EuGH zwecks Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV kommt bereits nach allgemeiner Auffassung im Hinblick auf den Eilcharakter des Verfügungsverfahrens nicht in Betracht (vgl. Retzer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 445 m. w. N.); denkbar wäre insofern lediglich ggf., die hinreichende Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs abzulehnen.

bb. Der Senat kann die behauptete Europarechtswidrigkeit der genannten Vorschrift nicht erkennen, da die beanstandete Sprachenvorgabe in Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 TextilKennzVO der Sicherstellung von Erwägungsgrund (3) der TextilKennzVO (Vereinheitlichung der Textilfaserbezeichnungen, um Hindernisse für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu beseitigen) und Erwägungsgrund (10) der Textil-KennzVO (Gewährleistung von korrekten und einheitlichen Informationen) dient und damit letztlich aus Erwägungen des Allgemeinwohls zwingend erforderlich ist: Würden andernfalls nämlich Textilfaserbeschreibungen in einer Landessprache der Europäischen Union, die in diesem Land daher rechtmäßig in Verkehr gebracht werden, für das Inverkehrbringen von Textilerzeugnissen im gesamten Unionsgebiet genügen, wäre der Schutzzweck der TextilKennzVO in keiner Weise sichergestellt. Dies lässt sich zwanglos an den Beispielen von bulgarischen Textilfaserbeschreibungen in kyrillischer Schrift, griechischen Beschreibungen in griechischem Alphabet oder aber ungarischen oder finnischen Kennzeichnungen verdeutlichen, die für den größten Teil der Bevölkerung der anderen EU-Mitgliedstaaten komplett unverständlich bleiben. Das Argument der Antragsgegnerin, Art. 16 Abs. 3 der TextilKennzVO ermögliche es den Mitgliedstaaten, eine Textilkennzeichnung in einer ausschließlich fremden Sprache in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassen, weshalb zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls, die diese Handelsbeschränkung gleichwohl zulässig machten, nicht ersichtlich seien, verfängt demgegenüber nicht: Die Ausnahme in der genannten Vorschrift („. es sei denn der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor“) kann die Mitgliedstaaten nämlich nicht davon entbinden, die Schutzzwecke der Textil-KennzVO sicherzustellen, so dass nur solche Ausnahmeregelungen verordnungskonform wären, die diese Schutzzwecke hinreichend berücksichtigen (z. B. dadurch, dass lediglich solche fremdsprachigen Textilfaserbeschreibungen als zulässig erklärt werden, die für die Bevölkerung des Mitgliedstaats unproblematisch verständlich sind). Keineswegs ist es daher den Mitgliedstaaten möglich, ohne Weiteres eine Textilkennzeichnung in einer ausschließlich fremden Sprache in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassen.

cc. Nur ergänzend sei außerdem darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung Textilkennzeichnung (BGH WRP 2016, 1219) festgestellt hat, dass – freilich „im Streitfall“, d. h. in Bezug auf die dort in Frage stehende Regelung in Art. 16 Abs. 1 S. 1, S. 2 TextilKennz-VO – keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts bestünden, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV nicht veranlasst sei (BGH a. a. O., Rn. 21).

c. Letztlich kann die Frage der Europarechtskonformität der Regelung in Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 TextilKennzVO aber sogar offenbleiben, da es in der hier streitgegenständlichen Konstellation bei Verwendung des Begriffs „Cotton“ jedenfalls an der notwendigen Spürbarkeit i. S. v. § 3a UWG fehlt.

aa. Zu berücksichtigen ist hier nämlich, dass sich mittlerweile in der deutschen Umgangssprache der englische Begriff „Cotton“ als beschreibende Angabe für „Baumwolle“ eingebürgert hat (vgl. BGH GRUR 1996, 68, 69 – Cotton Line; ebenso BPatG, Beschl. v. 02.03.2004 – 27 W (pat) 254/03, juris-Rn. 10, wonach diese Bedeutung auch breitesten Bevölkerungskreisen ohne Weiteres bekannt ist) und konsequenterweise „Cotton“ bereits im Duden aufgeführt ist. Nicht zu folgen ist in diesem Zusammenhang der Ansicht des Landgerichts, dass die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht Beachtung finden könne, weil sie aus dem Markenrecht stamme: Der Bundesgerichtshof hat hier Feststellungen zum allgemeinen Verkehrsverständnis im Hinblick auf den Begriff „Cotton“ getroffen, ohne dass sich der maßgebliche Verkehr für die hier relevante wettbewerbsrechtliche Problematik von demjenigen Verkehr, der für die markenrechtliche Beurteilung relevant war, unterscheiden würde.

bb. Versteht aber der angesprochene Verkehr (also der Durchschnittsverbraucher) den verwendeten Begriff „Cotton“ ohne Weiteres als „Baumwolle“, da dieser Begriff in den deutschen Wortschatz (ob als Umgangssprache oder als Hochsprache, ist insofern ohne Bedeutung) Eingang gefunden hat, ist der vorliegende formale Verstoß denknotwendig nicht dazu geeignet, den durchschnittlichen Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte; der Kunde, der das Angebot der Antragstellerin wahrnimmt, versteht „Cotton“ als „Baumwolle“ und wird daher in keiner Weise durch diesen Begriff in seiner Entscheidungsfindung beeinflusst, so dass der Formalverstoß unter keinen Umständen geeignet sein kann, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.

cc. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Spürbarkeitserfordernis i. S. v. § 3 Abs. 2 S. 1 UWG a. F., da ein danach erforderliches Informationsdefizit zulasten des Verbrauchers vorliegend nicht gegeben ist.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 3 UWG a. F. ist in Fällen, in denen Informationen vorenthalten werden, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, zugleich davon auszugehen, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG a. F. erfüllt ist (vgl. BGH GRUR 2010, 852 Rn. 21 – Gallardo Spyder, GRUR 2010, 1142 Rn. 24 – Holzhocker, GRUR 2011, 82 Rn. 33 -Preiswerbung ohne Umsatzsteuer, GRUR 2012, 842 Rn. 25 – Neue Personenkraftwagen; GRUR 2013, 1169 Rn. 19 – Brandneu von der IFA)

(2) Soweit nach der Neufassung des Rechtsbruchtatbestands in der Literatur eine anderweitige Abgrenzung zu den Informationspflichten für erforderlich gehalten wird (vgl. z. B. Köhler, NJW 2016, 593, 595; ders., a. a. O., § 3a Rn. 1.18 f.; ders., WRP 2014, 259 Rn. 42 ff.; Ohly, GRUR 2016, 3, 5 f.) bedarf dies hier keiner weiteren Erörterung. Denn vorliegend steht nach den obigen Ausführungen keine Verhaltensweise in Rede, bei der dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wurde, da ihm die Materialzusammensetzung „Cotton“ in für ihn verständlicher Weise mitgeteilt wird.

dd. Dass durch diese Verhaltensweise Interessen der Mitbewerber der Antragsgegnerin oder sonstiger Marktbeteiligter spürbar beeinträchtigt werden, macht auch die Antragsgegnerin nicht geltend (vgl. den im Berufungstermin übergebenen Schriftsatz, S. 2 f.)

ee. Soweit im Urteil des 29. Zivilsenats des OLG München vom 18.02.2016 -29 U 2899/15 (nicht rechtskräftig; Nichtzulassungsbeschwerde Az. I ZR 70/16) demgegenüber der formale Verstoß als spürbar i. S. v. § 3a UWG qualifiziert wird, kann dem aus den gerade ausgeführten Gründen nicht gefolgt werden.

d. Im Ergebnis muss daher nicht mehr entschieden werden, ob sich eine andere Bewertung aus dem Umstand ergibt, dass die beanstandeten Jogginghosen und Hoodies der Marke „um.“ (Anlagen SNP 14 bzw. SNP 22 sowie SNP 13 bzw. SNP 21) lediglich auf einer sichtbaren Kartonage innerhalb eines verschlossenen Polybeutels als Verpackung, nicht jedoch auf dem (in der Verpackungssituation nicht einsehbaren) innenliegenden Etikett die Faserkennzeichnung „Cotton“ aufweisen.

e. Ebenso ist es nicht mehr entscheidungsrelevant, ob die von der Antragsgegnerin behauptete und als dringlichkeitsschädlich eingestufte Kenntnis der Antragstellerin vom Vertrieb von Jogginghosen und Hoodies der Marke „um.“ bereits seit Juli 2015 überhaupt tatsächlich vorlag und ob außerdem die im Juli 2015 erworbenen Jogginghosen und Hoodies überhaupt dieselbe beanstandete Faserkennzeichnung wie die oben bezeichneten Jogginghosen und Hoodies gemäß Anlagen SNP 14 bzw. SNP 22 sowie SNP 13 bzw. SNP 21 aufwiesen; beide Umstände wurden von der Antragstellerin bestritten, ohne dass die Antragsgegnerin näher hierzu vortrug.

3. Dagegen ist die Berufung der Antragsgegnerin unbegründet, soweit in den modifizierten Verfügungsantrag lit. c) über entsprechende Abbildungen die drei weiteren Textilerzeugnisse „Jogginghose L“ der Marke „R. … 6“ mit der Textilfaserkennzeichnung „52% Baumwolle, 40% Polyester, 8% Acryl“ (entspricht Anlage SNP 7), „Sweatshirt“ der Marke „R. … 6“ mit der Textilfaserkennzeichnung „52% Baumwolle/cotton, 40% Polyester, 8% Acryl/acrylic“ (entspricht Anlage SNP 8) sowie „Jogginghose“ der Marke „R. … 6“ mit der Textilfaserkennzeichnung „52% Cotton 40% Polyester 8% Acrylic“ (entspricht Anlage SNP 20) aufgenommen wurden.

a. Unabhängig davon, dass bei dem zweiten und dem dritten beanstandeten Bekleidungsstück auch der Begriff „Cotton“ aufscheint (beim zweiten freilich neben der daneben stehenden deutschen Bezeichnung „Baumwolle“, so dass insofern ein Verstoß gegen die TextilKennzVO ausscheidet), liegt wegen der Verwendung der Kennzeichnung „Acryl“ aus den unter B. 2. ausgeführten Gründen ein Verstoß gegen das Kennzeichnungsgebot gem. Artt. 5 Abs. 1, 9 Abs. 1, 15 Abs. 3, 16 Abs. 1, Abs. 3 TextilKennzVO vor, der geeignet ist, die Verbraucherinteressen spürbar zu beeinträchtigen, so dass ein (unverjährter, s. o. A. 2. e.) Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 3, 3a UWG zu bejahen ist.

b. An diesem Ergebnis ändert naturgemäß die Tatsache nichts, dass bei der Jogginghose gemäß Anlage SNP 20 statt „Acryl“ (sowie bei dem Sweatshirt gemäß Anlage SNP 8 neben „Acryl“) die (englische) Bezeichnung „Acrylic“ aufgeführt wurde, da insoweit aufgrund der weit überwiegenden Übereinstimmung der beiden Begriffe und des weiterhin bestehenden Unterschieds gegenüber der deutschen Bezeichnung gem. Anhang I Nr. 26 „Polyacryl“ die gleichen Erwägungen wie unter B. 2. dargestellt gelten. Aufgrund der beiden Buchstaben am Ende“…-ic“ bei dem englischen Begriff wäre es im Übrigen sogar nicht fernliegend, dass der Verbraucher erst recht (wegen der – fälschlichen – Annahme, es handele sich bei dieser Endung um den Hinweis auf eine andere chemische Zusammensetzung) davon ausgehen könnte, dass es sich hierbei um eine andere Kunstfaser als „Polyacryl“ handelt.

c. Soweit von der Antragsgegnerin und der Nebenintervenientin außerdem die Ansicht vertreten wird, dass es hinsichtlich der schwarzen Jogginghosen der Marke „R. … 6“ gemäß Anlage SNP 20 angesichts der unterschiedlich aufscheinenden Preise (6,99 € auf dem vierten Bild der Anlage SNP 20, dagegen kein entsprechender Preis, sondern 7,99 € auf der Rechnung in Anlage SNP 19) sowie vor dem Hintergrund der Behauptung der Antragsgegnerin, zuletzt Anfang des Jahres 2015 in ihren Filialen Jogginghosen zu einem Preis von 6,99 € verkauft zu haben, an einer hinreichenden Glaubhaftmachung fehle, folgt dem der Senat nicht: Die Antragstellerin hat in ihren Schriftsätzen vom 05.04.2016, S. 2 f. (Bl. 68 d. A.) und vom 07.04.2016, S. 3 f. (= Bl. 74 f. d. A.) mit nachvollziehbarer Begründung und unter anwaltlicher Versicherung ihres (zuvor bereits durch Vorlage der Anlagen SNP 19 und SNP 20 hinreichend glaubhaft gemachten) Vortrags weiter glaubhaft gemacht, die streitgegenständlichen Jogginghosen am 29.01.2016 zu einem Preis von 7,99 € über den Online-Shop der Antragsgegnerin (Rechnungsstellung am 16.02.2016, Lieferung am 17.02.2016) gekauft zu haben; vernünftige Zweifel an dem Wahrheitsgehalt dieses Vortrags sind nicht ersichtlich.

d. Die Rügen der Antragsgegnerin hinsichtlich der fehlenden Dringlichkeit in Bezug auf die mit Verfügungsantrag lit. c) geltend gemachte Rechtsverletzung durch den erst mit Schriftsatz vom 10.03.2016, S. 1 f. = Bl. 34 f. d. A. in das Verfügungsverfahren eingeführten Verletzungsgegenstand gem. Anlage SNP 20 („nachgeschobene“ Jogginghose der Marke „R. … 6“ mit der Textilfaserkennzeichnung „52% Cotton 40% Polyester 8% Acrylic“) bleiben schließlich erfolglos.

aa. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es sich hinsichtlich der (hier relevanten) Faserkennzeichnung „Acrylic“ nicht um einen mit Anlage SNP 20 neu eingeführten Streitgegenstand handelt, sondern um ergänzende tatsächliche Angaben, die den Kern des in der Antragsschrift angeführten Sachverhalts unverändert lassen (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 15 – Telefonaktion; Köhler, a. a. O., § 12 Rn. 2.29), so dass eine hierdurch verursachte Dringlichkeitsschädlichkeit von vornherein nicht in Betracht kommt. Insofern ist der Einwand, die schriftsätzliche Geltendmachung des am 17.02.2016 festgestellten Verstoßes erst am 10.03.2016 stelle ein dringlichkeitsschädliches und eine Verfahrensverzögerung verursachendes Zuwarten dar, unbegründet.

bb. Darüber hinaus greift auch nicht das Argument von Antragsgegnerin und Nebenintervenientin, aufgrund selektiven Vorgehens der Antragstellerin im Weg der einstweiligen Verfügung (nur) gegen ein Mitglied der Vertriebskette fehle es ebenfalls an der Dringlichkeit. Zum einen ist zu bemerken, dass die diesbezüglich als Beleg zitierte Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 04.12.2014 – 6 U 141/14, juris-Rn. 26 = WRP 2015, 233 Rn. 10 sowie Beschl. v. 23.04.2013 – 6 W 41/13, juris-Rn. 14 = BeckRS 2015, 13387 Rn. 14) sich nicht auf eine Rechtsverfolgung lediglich im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens bezog, sondern auf ein generelles Unterlassen des Vorgehens auch gegen den Hersteller (also auch im Wege des Hauptsacheverfahrens); vorliegend ist die Antragstellerin jedoch auch gegen die Nebenintervenientin als Herstellerin der angegriffenen Ware vorgegangen, wenn auch nicht im Wege der einstweiligen Verfügung, sondern mit einer Hauptsacheklage. Zum anderen weist die Antragstellerin zu Recht darauf hin, dass zum Zeitpunkt des von ihr angegriffenen Angebots der Jogginghosen durch die Nebenintervenientin im Dezember 2015 ein entsprechendes Angebot auch durch die Antragsgegnerin noch nicht bestand und insofern der Vorwurf eines selektiven Vorgehens nicht bestehen kann, da die Antragstellerin eine zukünftige parallele Rechtsverletzung der Antragsgegnerin nicht vorhersehen konnte.

III. 1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, Alt. 2, S. 2, 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

a. Da sich der Gebührenstreitwert in erster und zweiter Instanz unterscheidet (vgl. sogleich unten 2. b.), war für jede Instanz eine gesonderte Kostenentscheidung auszuwerfen. Diesbezüglich wurden die mit den Verfügungsanträgen in der ersten Instanz (zunächst) geltend gemachten vier Streitgegenstände (Angebot von Textilerzeugnissen im elektronischen Fernabsatz mit Faserkennzeichnung „Neopren“; Angebot von Textilerzeugnissen im elektronischen Fernabsatz ohne jegliche Faserkennzeichnung; Angebot von Textilerzeugnissen im elektronischen Fernabsatz mit Faserkennzeichnung „Acryl“; Bereitstellen von Textilerzeugnissen mit Faserkennzeichnung „Cotton“ und/oder „Acryl‘ bzw. „Acrylic“) bzw. die in der zweiten Instanz verbliebenen drei Streitgegenstände jeweils zu gleichen Teilen bewertet.

b. Mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11.04.2016 vorgenommenen Beschränkung der Verfügungsanträge durch die Antragstellerin auf Bekleidungsgegenstände, „die einen Gewichtsanteil von Textilkomponenten von jeweils mindestens 80% aufweisen“, ging eine teilweise Antragsrücknahme einher, durch die die ursprünglich angegriffene Faserkennzeichnung von Fitnesshosen mit dem Begriff „Neopren“ (Anlage SNP 4) als weiterer (vierter) Streitgegenstand nicht mehr weiter verfolgt wurde. Insoweit waren der Antragstellerin die Kosten gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO aufzuerlegen.

c. Darüber hinaus war im Rahmen der Kostenentscheidung zulasten der Antragstellerin auch die im Berufungstermin durch sie vorgenommene weitere Beschränkung aller drei zunächst unbestimmten Verfügungsanträge auf teilweise zulässige Antragsfassungen – in den Verfügungsanträgen lit. b) und c) außerdem auf die Berufung der Antragsgegnerin hin weiter beschränkt auf Antragsfassungen ohne den Zusatz „insbesondere“ – zu berücksichtigen. Der Senat setzt das einhergehende Teilunterliegen der Antragstellerin insgesamt auf 1/2 pro Verfügungsantrag an.

d. Soweit die Antragstellerin hinsichtlich des Verfügungsantrags lit. c) – der sich im Unterschied zu Verfügungsantrag lit. b), der das Anbieten im Wege des elektronischen Fernabsatzes betrifft, auf das Bereitstellen der konkret aufgeführten Kleidungsgegenstände bezieht, so dass zwei verschiedene Streitgegenstände vorliegen – jedenfalls in Bezug auf die dort enthaltenen Verletzungsformen mit den Faserbezeichnungen „Acryl“ bzw. „Acrylic“ obsiegte, wirkte sich dies kostenmäßig bei diesem Antrag (unter Berücksichtigung des hälftigen Unterliegens aufgrund der Antragsbeschränkung, vgl. lit. c.) als Obsiegen zu 1/4 aus.

e. Auf dieser Berechnungsgrundlage ergeben sich für die beiden Instanzen die aus dem Urteilstenor Ziff. III. ersichtlichen Kostenquoten.

2. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 39 Abs. 1, 40, 47 Abs. 1, 51 Abs. 2, Abs. 4 GKG, § 3 ZPO, die Abänderung der Streitwertfestsetzung in erster Instanz auf § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

a. Der Senat legt die Angaben der Antragstellerin in ihren beiden Abmahnungen vom 01.02.2016 (Anlage SNP 9) und 15.02.2016 (Anlage SNP 15) zugrunde, die sämtliche später vom einstweiligen Verfügungsverfahren erfassten Streitgegenstände betrafen, auf die Erledigung des gesamten Rechtsstreits gerichtet waren und in denen die Antragstellerin einen Gegenstandswert von insgesamt € 75.000,- angesetzt hatte. Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur auf die vorläufige Sicherung des Anspruchs gerichtet ist, nicht auf dessen Durchsetzung bzw. Verwirklichung (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 12 Rn. 5.12), war beim Streitwert gem. § 51 Abs. 4 GKG ein angemessener Abschlag von 1/3 vorzunehmen und der Streitwert entsprechend niedriger auf € 50.000,- festzusetzen.

b. Vor dem Hintergrund der gerade unter III. 1. b. dargelegten teilweisen Antragsrücknahme im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 11.04.2016 war der Streitwert erster Instanz ab diesem Zeitpunkt sowie für die zweite Instanz auf € 37.500,- festzusetzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a