Wettbewerbsrecht: Zuvorkommen auf dem inländischen Markt

12. Februar 2020
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Gelbe Sneaker vor einem pinken Hintergrund Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 12.12.2019, Az.: 6 U 83/18

Wird ein Produkt zunächst nur im Ausland vertrieben, ist der Zeitpunkt des Eintritts in den inländischen Markt für den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz (§ 4 Nr. 3 UWG) maßgeblich. Demnach fehlt es bereits an einer Nachahmung, wenn das beanstandete Produkt vor dem klägerischen Erzeugnis auf dem inländischen Markt angeboten wurde. Das Zuvorkommen auf dem inländischen Markt ist in diesem Fall grundsätzlich keine gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) des Wettbewerbs.

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Urteil vom 12.12.2019

Az.: 6 U 83/18

 

Tenor

1.) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 19.04.2018, Az. 2-03 O 419/16 wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3.) Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus wettbewerblichem Leistungsschutz hinsichtlich von der Klägerin vertriebener elastischer Schnürsenkel aus Silikon.

Die Klägerin ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Großstadt1, das seit 2012 elastische Schnürsenkel herstellt und weltweit unter der Bezeichnung „Hickies“ vertreibt; der Markteintritt in Deutschland erfolgte im April 2014. Die Beklagte ist ein auf Lederpflege und Schuhzubehör spezialisiertes Unternehmen. Sie vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland elastische „Shoeps“-Schnürsenkel des Herstellers Miyali (nachfolgend auch als „Shoeps“ bezeichnet) des seit 2016, nachdem sie zuvor als Zwischenhändlerin die Produkte der Klägerin vertrieben hatte. Ob die „Shoeps“-Schnürsenkel bereits im Jahr 2014 von der Herstellerin selbst auf dem deutschen Markt vertrieben wurden und wann der Markteintritt in Deutschland erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig.

Bei den streitgegenständlichen Produkten handelt es sich um „Schnürsenkelersatzprodukte“, nämlich um kleine, elastische „one size“-Stäbchen aus Silikon in verschiedenen Farben. Sie können anstelle von herkömmlichen Schnürsenkeln verwendet werden. Die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Stäbchen aus Silikon (im Folgenden als „Hickies“ bezeichnet) sehen „geschnürt“ wie folgt aus:

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Die Beklagte vertreibt „Shoeps“ auf ihrer Internetseite wie folgt:

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Im ungenutzten Zustand stellt sich eine Gegenüberstellung der Produkte wie folgt dar:

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Im geschnürten Zustand stellen sich die Produkte wie folgt dar.

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Das Landgericht hat mit Urteil vom 19.04.2018, auf das gem. § 540 I ZPO wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Produkt der Klägerin weise zwar wettbewerbliche Eigenart auf, da die von der Klägerin vertriebenen elastischen Silikon-Schnürsenkel sich von dem auf dem deutschen Markt vorbekannten Formenschatz hinreichend abhebten. Dies ergebe sich bereits aus der nachgewiesenen Neuheit des Produkts, die ein Indiz für wettbewerbliche Eigenart sei. Das angegriffene Produkt stelle jedoch keine unlautere Nachahmung dar. Hinsichtlich des unverpackten Produktes fehle es an einer vermeidbaren Herkunftstäuschung. Beide Produkte hätten in offener Form unterschiedliche Proportionen. In „geschnürtem“ Zustand seien die Unterschiede zwar geringer; jedoch falle auf, dass der symmetrische Gesamteindruck der Produkte der Beklagten fortbestehe. Zudem habe das Produkt der Klägerin unterschiedliche Enden. Zwar sei der ovale Knopf in geschlossener Form bei beiden Produkten sichtbar. Allerdings weise das Produkt der Klägerin im Gesamteindruck eine ovalere Formgebung zur Schuhmitte hin auf, als dies bei den Produkten der Beklagten der Fall sei. Bei diesen sei zudem der Knopf länglich. Das ihn umgebende Band sei an jener Stelle im Übrigen geradlinig und nicht oval und werde danach wieder dünner. Dadurch erhalte das Produkt der Beklagten einen leicht eckigen Charakter, wohingegen das Produkt der Klägerin ovaler wirke. Angesichts dieser Unterschiede sei ein höherer Grad einer Eigenart erforderlich, an dem es jedoch fehle. Die Klägerin habe ihr Produkt erst im Jahr 2014 und damit in etwa zeitgleich mit der Beklagten auf den deutschen Markt gebracht. Eine gesteigerte Eigenart des klägerischen Produkts könne deshalb nicht ohne weiteres bejaht werden.

Es fehle schließlich auch an einer Ausnutzung der Wertschätzung. Eine besonders hohe Bekanntheit der Wertschätzung gerade des Produkts der Klägerin sei nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Das Landgericht habe rechtsirrig den Grad der wettbewerblichen Eigenart zu niedrig angesetzt. Die Produkte der Klägerin seien deshalb so außergewöhnlich und wiesen einen hohen Wiedererkennungseffekt auf, weil es ihnen gelungen sei, dem ansonsten von der Marke des Schuhherstellers dominierten Schuh erstmals ein zweites Markenelement mit Herkunftsfunktion hinzuzufügen. Im Übrigen habe das Landgericht den klägerischen Produkten rechtsfehlerhaft eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart versagt. Aufgrund der umfangreichen Werbung seit der Produkteinführung sei von einer gesteigerten Bekanntheit auszugehen. Im Übrigen sei das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagte bereits im Jahr 2014 mit Ihrem Produkt auf den Markt getreten sei. Bei der Frage der Herkunftstäuschung sei das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Knopf keine prägende Stellung zukomme. Im Gegenteil sei dies das Erkennungszeichen der klägerischen Produkte und hebe sie signifikant von Schnürsenkeln oder mittlerweile auf dem Markt befindlichen Produkten ab, die Schnürsenkel ersetzen sollten. Die Herkunftstäuschung sei auch vermeidbar.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. April 2018, Az. 2-03 O 419/16 – berichtigt durch Beschluss vom 28. Mai 2018, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung verwirkten Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Wiederholung bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr elastische Schnürsenkel aus Silikon anzubieten, zu bewerben und zu vertreiben und/oder anbieten, bewerben und vertreiben zu lassen, wenn diese wie nachstehend gestaltet sind:

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insbesondere wenn diese

1. in einer Verpackung wie nachstehend abgebildet angeboten, beworben und/oder vertrieben werden

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und/oder

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2. und/oder wenn sie wie in den Aufnahmen in dem auf der facebook-Seite der Beklagten abrufbaren und als Anlage K 1 überreichten Werbefilm, der die nachfolgenden Bilder enthält, beworben werden

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III. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der unter Ziff. I. genannten Handlungen, und zwar unter Angabe

1. der verkauften Erzeugnisse nach Ziff. II., aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse nach Ziff. II. bestimmt waren,

2. der einzelnen Angebote nach Ziff. II., aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, wobei im Fall von Internetwerbung die Anzahl der Abrufe („Klicks“) der betreffenden Website anzugeben ist,

4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gem. Ziff. II. bereits entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019 Bezug genommen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche weder unter Gesichtspunkt des ergänzenden Leistungsschutzes (§ 4 Nr. 3 UWG) aufgrund einer Herkunftstäuschung oder einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung noch aufgrund einer unlauteren Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG) durch die Beklagte zu.

1.) Es fehlt schon an der für ein unlauteres Verhalten nach § 4 Nr. 3 UWG notwendigen Nachahmung.

a) Eine Nachahmung setzt voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt war (vgl. BGH GRUR 2008, 1115, Rnr. 24 – Büromöbel; BGH, GRUR 2002, 629, 633 – Blendsegel). Liegt diese Kenntnis nicht vor, sondern handelt es sich bei der angegriffenen Ausführung um eine selbstständige Zweitentwicklung, ist schon begrifflich eine Nachahmung ausgeschlossen. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass für die Zuerkennung von Ansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG das Vorliegen eines subjektiven Unlauterkeitstatbestands nicht erforderlich ist.

b) An einer solchen Nachahmung fehlt es hier, da die Herstellerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Produkt „Shoeps“ nicht nach dem klägerischen Produkt auf den Markt gebracht hat, was eine Vermutungswirkung für eine Nachahmung auslösen würde (BGH GRUR 1998, 477, 480 – Trachtenjanker), sondern zeitgleich oder sogar früher.

Aus den von der Beklagten vorgelegten Rechnungen (Anlage B 11 ff.) ergibt sich, dass die Markteinführung der Shoeps-Produkte im April 2014 erfolgte und bis Jahresende ca. 4000 Exemplar verkauft wurden.

Die Authentizität der vorgelegten Rechnungen hat der Zeuge A bestätigt. Er hat in seiner Vernehmung vor dem Senat erläutert, erstmals 2013 von der Fa. Miyali auf die „Shoeps“ aufmerksam gemacht worden zu sein und daraufhin Kontakt mit möglichen Abnehmern in Deutschland aufgenommen zu haben. Dann seien die Schnürsenkel auf der Fachmesse GDS im März 2014 ausgestellt worden (Anlage B 29, Bl. 432). In unmittelbarer Folge dieser Messe habe er dann begonnen, von der Fa. Miyali „Shoeps“ zu beziehen und an Abnehmer in Deutschland zu verkaufen. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass nur ein Teil der Rechnungen tatsächlich vom Zeugen A erstellt worden sind und ein Teil gefälscht sind. Der Zeuge A hat in der mündlichen Verhandlung die Rechnungen stichprobenartig geprüft und inhaltlich näher erläutern können. Der Senat hat keine Zweifel, dass mit jeder Rechnung auch eine entsprechende Lieferung korrespondiert, hat doch der Zeuge ausgesagt, die Rechnung zwei Tage vor der Lieferung zu versenden.

Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, in sich konsistent und frei von Widersprüchen. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Aufgrund des persönlichen Eindrucks des Senats in Beweisaufnahme ergibt sich insbesondere, dass der Zeuge keinen Be- oder Entlastungseifer für eine Partei an den Tag gelegt hat

Damit ist der Senat mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass die „Shoeps“-Produkte in signifikanten Umfang bereits ab April 2014 auf dem deutschen Markt verfügbar waren und somit keine Nachahmung der klägerischen Produkte vorgelegen hat.

c) Der Ablehnung einer Nachahmung steht auch nicht entgegen, dass der Herstellerin Miyali im Jahr 2014 das seit 2012 in den USA und anderen Ländern bereits vertriebene Produkt der Klägerin bekannt gewesen sein mag. Der ergänzende Leistungsschutz ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Dementsprechend kann die Übernahme einer Gestaltung eines außerhalb der Bundesrepublik bereits vertriebenen Produktes grundsätzlich eine Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG nicht begründen. Der Inländergleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 1 II, 2 I PVÜ ändert nichts daran, dass die nach inländischem Recht erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. BGH, GRUR 1992, 523, 524 – Betonsteinelemente; BGH, GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse).

2.) Aus den eben dargestellten Gründen lässt sich auch eine wettbewerbliche Eigenart der klägerischen „Hickies“ nicht begründen.

Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 18 – Einkaufswagen III; BGH WRP 2015, 1090 Rn. 10 – Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rn. 16 – Hot Sox; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 33 – Herrnhuter Stern). Zwar setzt dies keine Neuheit voraus; diese kann jedoch ein Indiz für die Eigenart darstellen. Treten jedoch zwei Produkte ähnlicher Ausgestaltung zeitgleich auf den Markt, kann der Verkehr von Anbeginn der Ausgestaltung keinen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft entnehmen.

3.) Jedenfalls aber konnte der Senat die zum Zeitpunkt des erstmaligen Inverkehrbringens der „Shoeps“ notwendige „gewisse Bekanntheit“ der „Hickies“-Produkte nicht hinreichend sicher feststellen, so dass es an einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3a UWG fehlt.

a) Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung ist, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine „gewisse Bekanntheit“ bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat (BGH GRUR 2005, 166, 169 – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 – Jeans I; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 – Gartenliege; Harte/Henning/Sambuc § 4 Nr. 3 Rn. 86). Denn andernfalls kann die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht bestehen. Ist nämlich dem Verkehr nicht bekannt, dass es ein Original gibt, scheidet eine Herkunftstäuschung in aller Regel schon begrifflich aus. Für das erforderliche Maß an Bekanntheit gilt: Das Erzeugnis muss bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr der Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (BGH GRUR 2005, 166, 167 – Puppenausstattungen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 – Jeans I; BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 – Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 34 – Gartenliege). Eine Verkehrsgeltung iSd § 4 Nr. 2 MarkenG ist nicht erforderlich (BGH GRUR 2002, 275 (277) – Noppenbahnen; BGH GRUR 2006, 79 Rn. 35 – Jeans I). Dagegen muss eine gewisse Bekanntheit auf dem inländischen Markt bestehen (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse). Daher kommt es auf eine etwaige Bekanntheit auf einem ausländischen Markt nicht an, selbst wenn der ausländische Wettbewerber nach Art. 1 II, 2 I PVÜ Gleichbehandlung genießt (BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse). Maßgebender Zeitpunkt für die Bekanntheit ist die Markteinführung der Nachahmung (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 39 – Stufenleitern; BGH GRUR 2009, 79 Rn. 35 – Gebäckpresse) sowie beim Unterlassungsanspruch der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Für die Feststellung der Bekanntheit gilt: Die Bekanntheit kann sich nicht nur aus entsprechenden Werbeanstrengungen (zB Prospekte, Kataloge, Messeauftritte; OLG Köln WRP 2014, 875 Rn. 7), sondern auch aus der Dauer der Marktpräsenz, den hohen Absatzzahlen des Originals oder dem hohen Marktanteil ergeben (BGH GRUR 2007, 339 Rn. 32 – Stufenleitern; BGH GRUR 2007, 984 Rn. 32 – Gartenliege; BGH WRP 2013, 1189 Rn. 27 – Regalsystem; OLG Frankfurt GRUR-RR 2019, 77 Rn. 26)

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Klägerin ist unstreitig im April 2014 in den deutschen Markt eingetreten. Vorherige Verkäufe über den internationalen Shop der Klägerin nach Deutschland sind schon deshalb nicht zur Begründung einer „gewissen Bekanntheit“ geeignet, weil nicht vorgetragen ist, welchen Umfang diese Verkäufe erreicht haben. Die Klägerin hat im Jahr 2014 ca. 10.000 Verkaufseinheiten abgesetzt, im Jahr 2015 60.000 Verkaufseinheiten. Hinzu kommt die flankierend zum Markteintritt einsetzende Presseberichterstattung.

Die Herstellerin der Shoeps hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ihrerseits von April – Dezember 2014 4.004 Verpackungen an die Handelsagentur A geliefert, die diese an Einzelhändler in Deutschland weitergeliefert hat. Der Zeuge A hat ausgesagt, die von der Fa. Miyali an ihn gelieferten Shoeps-Produkte unmittelbar an Abnehmer in Deutschland weitergeliefert zu haben.

Hieraus ergibt sich, dass die Herstellerin Miyali erstmals im April 2014 mit ihren Produkten auf den Markt getreten ist; dieser Zeitpunkt ist daher für die Betrachtung der Unlauterkeit zugrunde zu legen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte es den klägerischen Produkten jedoch noch an der für eine Herkunftstäuschung notwendigen gewissen Bekanntheit. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt erst vereinzelt Exemplare ihrer Schnürsenkel verkauft. Zwar ist auch zu berücksichtigen, dass bereits zu einem Zeitpunkt Presseberichterstattung über die Produkte der Klägerin in Deutschland stattgefunden hatte, als diese noch gar nicht erhältlich waren. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dem Produkt schon vor dem Markteintritt die notwendige gewisse Bekanntheit zuzusprechen. Der wettbewerbliche Leistungsschutz dient dem Schutz des Leistungsergebnisses eines Mitbewerbers vor einer Übernahme mit unlauteren Mitteln oder Methoden (BGH WRP 2010, 94 Rn. 17 – LIKEaBIKE; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 19, 21 – Herrnhuter Stern). Der Schutz kann sich aber nur auf das auf dem deutschen Markt erworbene Leistungsergebnis beziehen, nicht hingegen auf im Ausland erworbene Leistungsergebnisse. Die (vorbereitende) Presseberichterstattung vor Markteinführung kann daher höchstens dazu führen, dass die notwendige gewisse Bekanntheit auf dem deutschen Markt schneller eintritt.

Im vorliegenden Fall ist die vorgelegte Presseberichterstattung indes nicht geeignet, einen derartigen Einfluss zu begründen. Die in der Anlage K 3 vorgelegten Berichte datieren überwiegend aus der Zeit nach Markteinführung der „Shoeps“ (11.04.14, 04/2014, 23.09.14). Die in Anlage K 17 – K 24 vorgelegten Presseberichte wiederum richten sich an Fachpublikum („Daily Business Inspiration“, www.fuer-gruender.de,) oder Special-Interest-Medien wie kleine Blogs o.ä. Beides ist nicht geeignet, eine hinreichende Bekanntheit der Produkte zu begründen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch auf die Markteinführung der Produkte an sich im Jahr 2014 abzustellen und nicht auf das Jahr 2016, in dem die Beklagte erstmals die Shoeps-Produkte selbst vertrieben hat (BGH GRUR 2002, 275, 277; BGH GRUR 2007, 339, Rnr. 39 – Stufenleitern). Soweit die Klägerin darauf verweist, jedenfalls im Fall des Inverkehrbringens eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts nunmehr auch im Inland sei der Zeitpunkt nicht auf das erstmalige Inverkehrbringen „vorzuverlagern“, da sonst besonders schnelle Nachahmer den Vertrieb des „Originals“ im Inland verhindern könnten, kann dahinstehen, ob jenseits einer möglichen Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG dem Originalhersteller eine gewisse Karenzzeit zuzubilligen ist. Wenn nämlich nach einem Zeitraum von zwei Jahren, in dem beide Produkte parallel auf dem Markt verfügbar waren, sich nunmehr die Beklagte im Jahr 2016 entschlossen hat, dieses Produkt (auch) zu vertreiben, kann es jedenfalls keinen Anlass geben, den Zeitpunkt derart zurückzuverlagern.

Schließlich kann auch dahinstehen, ob tatsächlich alle an die Abnehmer des Zeugen A gelieferten Produkte unmittelbar an Endabnehmer weiterkauft wurden oder vom Zeugen A an Zwischenhändler geliefert wurden. Es ist davon auszugehen, dass auch über die Zwischenhändler die Produkte in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang an Endabnehmer angeboten wurden. Der von der Klägerin angedeutete Weiterverkauf in das Ausland ist vollkommen spekulativ.

4.) Aus den dargestellten Gründen fehlt es auch einer unangemessenen Ausnutzung der Wertschätzung des klägerischen Produkts im Sinne von § 4 Nr. 3 b) UWG. Auch hierfür ist nämlich erforderlich, dass eine Wertschätzung bereits entstanden ist, also bereits eine gewisse Bekanntheit vorliegt.

5.) Schließlich stellt sich das Verhalten der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Behinderung nicht als unlauter im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG dar.

a) Nach Schaffung eines eigenen gesetzlichen Unlauterkeitstatbestands der gezielten Behinderung besteht kein Bedürfnis mehr, eine allgemeine Behinderung des Originalherstellers unabhängig von den in § 4 Nr. 3 UWG angeführten Unlauterkeitsmerkmalen zur Begründung eines Anspruchs nach dieser Bestimmung ausreichen zu lassen. Den Aspekt einer allgemeinen Behinderung beim wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz als eigenständiges Unlauterkeitskriterium im Rahmen einer entsprechenden Anwendung des § 4 Nr. 3 UWG oder der Generalklausel des § 3 I UWG hat der BGH in der Entscheidung „Segmentstruktur“ im Interesse einer systematisch klaren Abgrenzung aufgegeben (BGH, GRUR 2017, 79 Rn. 79 – Segmentstruktur). Spielt allein bei der Nachahmung eines wettbewerblich eigenartigen Produkts der Gesichtspunkt der Behinderung als Unlauterkeitskriterium eine Rolle, müssen für ein Verbot die Voraussetzungen der gezielten Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG erfüllt sein.

b) Eine Behinderung kann danach in Betracht kommen, wenn der Hersteller des Originalerzeugnisses zwar noch nicht unmittelbar auf dem deutschen Markt aufgetreten ist, nach der Lebenserfahrung aber damit zu rechnen ist, dass die Originalerzeugnisse in Kürze auch in Deutschland vertrieben werden sollen. Die Sachlage liegt insofern nicht anders, als wenn ein deutsches Unternehmen durch das Dazwischentreten eines Mitbewerbers an der bevorstehenden Einführung eines bestimmten neuen Produkts gehindert wird. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in einer Entscheidung aus dem Jahr 1976 stellt das Anbieten einer identischen Nachahmung eine wettbewerbswidrige Behinderung des Originalherstellers dar, wenn dieser beabsichtigt, das Original in Kürze auch auf dem deutschen Markt zu vertreiben und dies dem Anbieter der Nachahmung bei der ihm zumutbaren Marktbeobachtung bekannt sein musste. Von einer Absicht des Originalherstellers, das Originalerzeugnis in Kürze auch im Inland zu vertreiben, müsse insbesondere ausgegangen werden, wenn der Originalhersteller im Inland eine Niederlassung unterhält und das Produkt bereits in anderen Mitgliedsstaaten der EU vertrieben hat. Auf eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht des Nachahmers komme es dagegen nicht an (BGH WRP 1976, 370, 371 – Ovalpuderdose; Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Sambuc, 4. Aufl. 2016, UWG § 4 Abs. 3 Rn. 189-190; Werner in: FS Köhler, Vor- und nachwirkender wettbewerblicher Leistungsschutz, S. 790 f.).

c) Ob an dieser fast vierzig Jahre alten Rechtsprechung auch vor dem Hintergrund des gewandelten Verständnisses des Unlauterkeitsrechts festzuhalten ist, kann hier dahinstehen, da die Voraussetzungen für eine Unlauterkeit unter diesem Aspekt nicht vorliegen. Zwar hatte die Klägerin ihre Produkte seit 2012 zunächst in den USA und sodann auch in Asien sowie ab 2014 über ihren internationalen Online-Shop vertrieben, bevor sie 2014 auch den deutschen Markt betreten wollte. Auch hatte sie 2013 bereits Vorbereitungen hierfür getroffen (Gründung Hickies Europe SA, Deutsche USt-ID, Schaffung eines Lagers in Deutschland). Der Vorwurf der Unlauterkeit wegen eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb könnte die Beklagte vor diesem Hintergrund jedoch nur treffen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem geplanten Markteintritt der Klägerin ihrerseits den Markt betreten hätte, der Klägerin somit zuvorgekommen wäre und diese damit behindert hätte. Im Jahr 2014 war es allerdings nicht die Beklagte, sondern die Herstellerin Miyali selbst, die den deutschen Markt betrat. Die Beklagte hat erst im Jahr 2016 – also zwei Jahre später – mit dem Vertrieb der „Shoeps“-Produkte begonnen, nachdem sie zuvor zwei Jahre die Produkte der Klägerin vertrieben hatte. Die Beklagte hat sich also zu dieser Zeit nach einem anderen Anbieter auf dem Markt der elastischen Schnürsenkel umgesehen und die „Shoeps“-Produkte als eingeführte, am Markt erhältliche Wettbewerbsprodukte ausgewählt. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Behinderung der Klägerin nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass eine derartige Behinderung nach der Rechtsprechung des BGH nur bei einer identischen Leistungsübernahme in Betracht kommt, an der es hier jedoch fehlt. Nähme man eine Nachahmung überhaupt an (vgl. oben), läge schon aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der elastischen Schnürsenkel in der nicht benutzten Form nur eine nachschaffende oder nahezu identische Nachahmung vor.

d) Schließlich lässt sich eine Unlauterkeit durch gezielte Behinderung auch nicht mit dem Argument begründen, dass die Beklagte zuvor die Produkte der Klägerin vertrieben hat. Eine Unlauterkeit kann sich zwar aus einem Vertrauensbruch im Rahmen einer vertraglichen Verbindung ergeben. Eine vergleichbare Situation liegt hier aber nicht vor. Die Beklagte war lediglich Zwischenhändlerin für die Produkte der Klägerin ohne besonderes Vertrauensverhältnis zu dieser. Der Wechsel eines Lieferanten für eine bestimmte Produktgattung durch einen Zwischenhändler ohne weitere besondere Umstände kann jedoch grundsätzlich eine Unlauterkeit nicht begründen; er ist vielmehr selbstverständlicher Teil eines wettbewerblichen Marktgeschehens.

6.) Der Verweis der Klägerin auf eine ungerechtfertigte Schutzlücke kann schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung führen, da diese Schutzlücke im Falle eines Zuvorkommens beim Inlandsvertrieb zuvorderst durch den Gesetzgeber zu schließen wäre und im Übrigen § 4 Nr. 4 UWG in bestimmten Konstellationen Schutz bietet. Im Übrigen bieten die Sonderschutzrechte Möglichkeiten, die (spätere) Produkteinführung eines bereits im Ausland vertriebenen Produkts auch im Inland hinreichend abzusichern.

7.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da Zulassungsgründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.

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