Wettbewerbsverstoß durch irreführende Werbung mit UVP-Preis

23. Mai 2016
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Rote UVP-Taste auf einer weißen Tastatur. Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 03.03.2016, Az.: 6 U 94/14

Wird in einer Werbung mit einem durchgestrichenen UVP-Preis geworben ist dies irreführend, sofern der so bezeichnete Preis vom Anbieter selbst festgelegt worden ist und nicht vom Hersteller oder einem anderen Vorlieferanten stammt.

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Urteil vom 03.03.2016

Az.: 6 U 94/14

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.4.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des erstinstanzlichen Unterlassungsgebots durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,– € und die Vollstreckung im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

I.

Die Beklagte warb im Internet für von ihr angebotene %, indem sie dem von ihr verlangten Preis jeweils einen höheren, durchgestrichenen Preis gegenüberstellte, der als „UVP (unverbindliche Preisempfehlung)“ bezeichnet war. Die Klägerin, eine Mitbewerberin der Beklagten, beanstandet diese Werbung als irreführend und nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.

In der Klageschrift hatte die Klägerin einen gegen die konkreten Verletzungsformen gerichteten Unterlassungsantrag angekündigt, dem ein Vorspann vorangestellt war, wonach der Beklagten die Werbung mit durchgestrichenen Preisempfehlungen untersagt werden sollte, „wenn der durchgestrichene Preis nicht als Verbraucherpreis für Produkte mit vergleichbaren Eigenschaften und Qualitätsmerkmalen in Betracht kommt, weil er die marktüblichen Preise für eben diese Produkte um ein Vielfaches übersteigt und anhand vergleichbarer Verkaufsangebote dieses Produkte nicht zu ermitteln ist“. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter diesen Antrag „jeweils beschränkt auf die konkrete Verletzungsform“ gestellt. Das Landgericht hat die Beklagte gemäß diesem Antrag zur Unterlassung sowie zur Erstattung von Abmahnkosten verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die in der Werbung genannten empfohlenen Preise im Zeitpunkt der Bezugnahme nicht als Verbraucherpreis in Betracht gekommen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, gegen das sich die Beklagte mit der Berufung wendet, Bezug genommen (§ 540 I, 1 ZPO).

Im Berufungsverfahren haben beide Parteien zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Mit Verfügung vom 22.2.2016 (Bl. 267 ff. d.A.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass die angegriffene Werbung sich bereits deswegen als irreführend darstellen könne, weil – was die Klägerin auch in erster Instanz vorgetragen habe – die in Bezug genommene Preisempfehlung nicht von einem Dritten, sondern von der Beklagte selbst stamme. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter erklärt, er behaupte und habe auch schon in der ersten Instanz behauptet, dass die als „UVP“ bezeichneten Preise in der angegriffenen Werbung von der Beklagten selbst festgesetzt worden seien. Die Beklagte vertritt die Auffassung, auf diesen Gesichtspunkt komme es aus prozessualen Gründen nicht an; jedenfalls sei ein hierauf gestützter Anspruch verjährt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Der Klägerin steht der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch aus §§ 5, 8 III Nr. 1 UWG zu, weil die beanstandete Werbung mit einem dem verlangten Preis gegenübergestellten durchgestrichenen, als „UVP (unverbindliche Preisempfehlung)“ bezeichneten höheren Preis irreführend ist.

a)

Eine Preisgegenüberstellung der genannten Art erweckt beim angesprochenen Verkehr den Eindruck, der höhere „empfohlene“ Preis sei von einem Dritten, nämlich dem Hersteller oder einem anderen Vorlieferanten des werbenden Händlers, als ein angemessener, am Markt tatsächlich erzielbarer Verkaufspreis ermittelt und daher dem Handel als Richtpreis empfohlen worden. Dem in der Werbung herausgestellten Hinweis auf die Differenz zwischen diesem empfohlenen Preis und dem von dem werbenden Händler tatsächlich verlangten – niedrigeren – Preis kommt für die Einschätzung der Preiswürdigkeit durch den angesprochenen Verkehr eine erhebliche Bedeutung zu. Eine solche Werbung ist daher irreführend im Sinne von § 5 UWG, wenn der genannte empfohlene Preis entweder tatsächlich gar nicht vom Hersteller oder einem anderen Vorlieferanten, sondern vom werbenden Händler selbst festgesetzt worden ist, oder wenn die Preisempfehlung zwar von einem Dritten ausgesprochen worden ist, sich dieser Preis aber – sei es mangels ernsthafter Kalkulation, sei es aus anderen Gründen – zum Zeitpunkt der Bezugnahme nicht (mehr) realistischer Marktpreis, sondern als „Mondpreis“ darstellt. Zwischen beiden Irreführungsgesichtspunkten besteht dabei insoweit ein enger sachlicher Zusammenhang, als sich die Frage nach dem „Mondpreis“-Charakter erst dann stellt, wenn die Preisempfehlung tatsächlich vom Hersteller oder einem anderen Vorlieferanten stammt; hat der werbende Händler dagegen diesen Preis selbst festgelegt, ist die Werbung ohne Rücksicht darauf irreführend, wie dieser Preis im Hinblick auf die Marktverhältnisse einzuschätzen ist.

b)

Bei Anwendung dieser Erwägungen auf den vorliegenden Fall erweist sich die angegriffene Werbung schon deswegen als irreführend, weil nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sach- und Streitstand die Beklagte die in ihrer Werbung als „UVP (unverbindliche Preisempfehlung)“ bezeichneten höheren Preise nicht aus der entsprechenden Empfehlung eines Vorlieferanten übernommen, sondern selbst festgelegt hat.

Die Klägerin hat – worauf der Senat mit Verfügung vom 22.2.2016 hingewiesen hat – bereits in erster Instanz den eigenen Vortrag der Beklagten dahin verstanden, dass die Beklagte die als „UVP (unverbindliche Preisempfehlung)“ bezeichneten Preise selbst willkürlich festgelegt habe (Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.2.2014, Seite 10, letzter Absatz; Bl. 116 d.A.). Für die Richtigkeit dieser Behauptung, die der Klägervertreter in der Senatsverhandlung bekräftigt hat, spricht, dass die Beklagte die in Rede stehenden Produkte unter ihrer eigenen Marke („A“) bzw. ihrem eigenen Unternehmenskennzeichen („B“) anbietet. Unter diesen Umständen wäre es Sache der Beklagten gewesen, das Vorliegen einer Preisempfehlung seitens eines Dritten durch Nennung des betreffenden Herstellers oder Vorlieferanten und Vorlage der entsprechenden Preisempfehlung zu substantiieren. Dies hat die Beklagte auch nach dem entsprechenden Hinweis des Senats vom 22.2.2016 unterlassen.

c)

Die dargestellten Gründe, aus denen sich die angegriffene Werbung als irreführend darstellt, gehören auch zum Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Jedenfalls nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht den Unterlassungsantrag auf die konkreten Verletzungsformen beschränkt hat, umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 401 – Biomineralwasser, 1. Leitsatz) der Streitgegenstand alle Rechtsverletzungen, die in den konkreten Verletzungsformen verwirklicht sind; dies gilt sogar unabhängig davon, ob sich die Klägerin auf diese Rechtsverletzungen gestützt und den hierzu gehörenden Tatsachenvortrag gehalten hat (BGH a.a.O.). Damit zählt zum Streitgegenstand des von der Klägerin zuletzt gestellten und vom Landgericht zuerkannten Unterlassungsantrages auch der oben unter b) dargestellte Irreführungsgesichtspunkt.

Einem Verbot der konkreten Verletzungsformen unter diesem Irreführungsgesichtspunkt steht auch nicht die Dispositionsmaxime entgegen (vgl. hierzu WRP 2014, 1482; GRUR-RR 2013, 302 – Zählrate). Denn jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin klargestellt, dass sie ihr Unterlassungsbegehren auch auf diesen Gesichtspunkt stützen will.

d)

Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht verjährt, da die mit Kenntnis von der Verletzungshandlung beginnende Verjährungsfrist des § 11 UWG durch die Klageerhebung rechtzeitig gehemmt worden ist (§ 204 I Nr. 1 BGB). Insbesondere umfasste auch der Streitgegenstand des mit der Klageschrift angekündigte Unterlassungsantrages bereits den unter b) dargestellten Irreführungsgesichtspunkt.

Allerdings zielte der Vorspann, mit dem in diesem Klageantrag das angestrebte Verbot der konkreten Verletzungsformen versehen war, auf einen anderen Irreführungsaspekt ab, nämlich den „Mondpreis“-Charakter der empfohlenen Preise. Dem abstrakt beschreibenden Teil eines zugleich gegen die konkrete Verletzungsform gerichteten Unterlassungsantrages kann auch durchaus maßgebende Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstands zukommen (vgl. Senat GRUR-RR 2013, 446 -Combiotik, juris-Tz. 23 unter Hinweis auf BGH GRUR 2013, 631 [BGH 27.03.2013 – I ZR 100/11] -AMARULA/Marulablu, juris-Tz. 55). Etwas anderes gilt jedoch, wenn auf Grund besonderer Umstände eine solche zergliedernde Betrachtungsweise der vom Bundesgerichtshof mit der Entscheidung „Biomineralwasser“ angestrebten Aufgabe des „feingliedrigen“ Streitgegenstandsbegriffs (vgl. a.a.O. Tz. 23) nicht gerecht würde. In einem solchen Fall lässt der Streitgegenstand eines gegen die konkrete Verletzungsform gerichteten, jedoch mit einem Vorspann versehenen Unterlassungsantrages -entgegen dem Wortsinn des Antrags (vgl. hierzu BGH WRP 2016, 327 [BGH 23.07.2015 – I ZR 143/14] – Preisangabe für Telekommunikation, juris-Tz. 16) – eine umfassende Überprüfung der konkreten Verletzungsform zu.

Im vorliegenden Fall liegen die besonderen Umstände, die ungeachtet des mit der Klageschrift angekündigten Unterlassungsantrages eine Erstreckung des Streitgegenstands auf den unter b) dargestellten Irreführungsaspekt bereits mit der Klageerhebung gebieten, in dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen der Frage des Urhebers der Preisempfehlung einerseits und dem „Mondpreis“-Charakter der empfohlenen Preise andererseits. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter a) zu diesem Punkt Bezug genommen werden.

2.

Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten steht der Klägerin ebenfalls in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang aus § 12 I 2 UWG zu. Der Berechtigung der Abmahnung im Sinne dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass mit dem Abmahnschreiben vom 9.8.2013 (Bl. 34 ff. d.A.) – ähnlich wie mit dem in der Klageschrift angekündigte Unterlassungsantrag – der „Mondpreis“-Charakter der empfohlenen Preise in den Vordergrund der Beanstandung gerückt worden ist. Denn die Beklagte – der bekannt war, dass es schon an der Empfehlung von Preises seitens eines Dritten fehlte – war durch die Abmahnung in den Stand versetzt, die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt. Wie ausgeführt, sind insbesondere auch die entscheidungserheblichen Fragen zur Streitgegenstandsbestimmung in Wettbewerbssachen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt.

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