Wettbewerbsverstoß durch unzutreffende Werbeaussage

14. September 2016
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blaues Buch mit der Aufschrift Wettbewerbsrecht und einem Paragrafenzeichen in gold Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 30.06.2016, Az.: 6 U 26/16

Wird im Informationsblatt einer Aktiengesellschaft mit der Aussage „Für Sie ändert sich im Übrigen nichts“ geworben, obwohl den Aktionär bei Annahme eines Angebotes erhebliche Änderungen bzw. Nachteile treffen, stellt dies eine irreführende Werbung und damit ein Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht dar. Die durch die Irreführung veranlasste geschäftliche Handlung kann dabei bereits dann vorliegen, wenn der Werbeadressat zur Entgegennahme weiteren Informationsmaterials in näheren Kontakt mit dem Werbenden tritt.

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.

Urteil vom 30.06.2016

Az.: 6 U 26/16

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 19.01.2016 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Entscheidungsgründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 i. V. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg, weil das Landgericht ihr mit Recht untersagt hat, gegenüber Aktionären A AG im Rahmen von Akquisitionsbemühungen zur Gewinnung neuer Kommanditisten mit dem streitgegenständlichen Informationsblatt „Das Angebot an die A“ gem. Anlage AST 6 und der dort enthaltenen Aussage „Für Sie ändert sich im Übrigen nichts“ zu werben. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1,3, 5 UWG.

1. Das Landgericht hat die streitbefangene Aussage mit Recht als irreführend bewertet.

Das Landgericht konnte die Angaben in dem o. g. Informationsblatt aus eigener Sachkunde bewerten, weil für deren Auslegung keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind (vgl. dazu BGH GRUR 2004, 244 [BGH 02.10.2003 – I ZR 150/01] Tz. 20 – Marktführerschaft).

Die Aussage „Für Sie ändert sich im Übrigen nichts“ wird von den angesprochenen Aktionären in dem hier gewählten Kontext so verstanden, dass ihre eigene Rechtsposition und ihre wirtschaftlichen Spielräume, namentlich die Freiheit der Auswahl unterschiedlicher Lieferanten und die Zahlungsabwicklung, durch die Annahme des Angebotes nicht tangiert wird.

Dies ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut dieser Angabe und darüber hinaus aus einer unbefangenen Lektüre der jeweils in der rechten Spalte der fünf vorhergehenden Info – Blöcke enthaltenen Angaben. Dort ist ausschließlich davon die Rede, welche Angebote den Aktionären gemacht werden, wie sie davon profitieren und welche langfristigen Vorteile sie daraus ziehen können. Wenn es dann im sechsten Info – Block lautet „Für Sie ändert sich im Übrigen nichts“, so lässt sich dies aus Sicht der Aktionäre ohne weiteres so verstehen, dass ansonsten mit dem Wechsel keine Änderungen für sie, insbesondere keine Nachteile verbunden sind.

Die Antragsgegnerin kann nicht mit dem Argument gehört werden, dass die angesprochenen Aktionäre den Satz wegen seines Fettdrucks als Überschrift des sechsten Info – Blocks verstehen und ihn deswegen auf die dort nachfolgenden Aussagen beziehen werden. In allen Info-Blöcken dient das Stilmittel des Fettdrucks nicht als Überschrift sondern ausschließlich zur Hervorhebung inhaltlich bedeutender Angaben.

Es wäre im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, warum der Leser die Aussage „Für Sie…“ auf den Fortbestand der Fa. A beziehen sollte. Eine Aussage in dem von der Beklagten behaupteten Sinne würde vielmehr lauten „Für Ihre Beziehungen zur Fa. A…“ oder „Für Ihren Auftritt als A …“ etc.

2. Tatsächlich enthält der Gesellschaftsvertrag der Antragsgegnerin für die eintretenden Kommanditisten erhebliche Nachteile gegenüber ihrer bisherigen Rechtsposition als Teilhaber der A AG (Anlage AST 8):

§ 15 des Gesellschaftsvertrags dient der Kanalisierung des Einkaufsverhaltens der Kommanditisten und statuiert entsprechende Informationspflichten gegenüber der Komplementärin der Antragsgegnerin. Diese Verpflichtungen bestanden in der Satzung der A AG nicht. In § 7 Abs. 3 lit. e des Gesellschaftsvertrags ist ferner ein außerordentliches Kündigungsrecht der Komplementärin der Antragsgegnerin vorgesehen, sofern der Kommanditist nicht an der Zentralregulierung mit Delkredere teilnimmt. Auch diese Regelung war in der Satzung der Firma A AG nicht enthalten. Ob sie branchenüblich ist oder nicht, spielt keine Rolle.

3. Die durch das Informationsblatt hervorgerufene Fehlvorstellung ist geeignet, eine erhebliche Anzahl der angesprochenen Aktionäre zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Diese besteht schon darin, dass die Aktionäre durch das Informationsblatt veranlasst werden, in näheren Kontakt zu der Antragsgegnerin zu treten und deren weiteres Informationsmaterial entgegenzunehmen (BGH GRUR 2015, 698, [BGH 18.12.2014 – I ZR 129/13] Tz. 20 – Schlafzimmer komplett).

Die Antragsgegnerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass die bei der Hauptversammlung der A AG übergebenen weiteren Unterlagen, namentlich der Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Antragsgegnerin (Anlage AST 8), die durch die streitbefangene Passage hervorgerufene Irreführung ausräumen können. Unabhängig davon vermag der Senat diesem Argument auch inhaltlich nicht zu folgen. Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass der angesprochene Verkehr bei der Werbung für höherwertige Angebote eine gesteigerte Aufmerksamkeit walten lässt. Das schließt hier aber nicht aus, dass sich ein erheblicher Teil der angesprochenen Aktionäre, zu denen auch Kleinunternehmer und Handwerker gehören, durch die Angabe in dem falschen Vertrauen wiegt, es bliebe „alles beim Alten“ und deshalb die oben dargestellten Passagen der Satzung nicht zur Kenntnis nimmt oder missinterpretiert.

4. Die Antragsgegnerin haftet für die Verteilung des Informationsblatts auf der Hauptverhandlung der Fa. A AG. Unstreitig handelt es sich um Informationsmaterial, dass für die Akquise von Aktionären des eben genannten Unternehmens genutzt werden sollte. Es ist daher unerheblich, ob die Informationsblätter ohne vorherige Absprache mit der Komplementärin der Antragsgegnerin von der Fa. A AG auf deren Hauptversammlung im Oktober 2015 ausgegeben wurden oder nicht.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, das Informationsblatt trage das Geschäftsabzeichen der B … und sei von ihr erstellt worden.

Dies spielt keine Rolle, weil die B … dieses Angebot im Einvernehmen mit der Komplementärin der Antragsgegnerin erarbeitet hat.

Die Antragsgegnerin ist selbst als Begünstigte in dem Informationsblatt aufgeführt, denn den Aktionären der Firma A AG wird das Angebot unterbreitet, bei der Antragsgegnerin als Kommanditisten einzusteigen. Das Informationsblatt diente der Durchführung des zwischen der Fa. A AG und der Komplementärin der Antragsgegnerin erarbeiteten Integrationsvertrags vom 25. 9. 2015 (Anlage AST 1) und ist daher Teil dieser Absprachen. Die Antragsgegnerin muss sich die Kenntnis und das Verhalten ihrer Komplementärin zurechnen lassen, was zu einer mittäterschaftlichen Haftung führt (§§ 31, 89, 830 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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