Unzulässige Alleinstellungswerbung, wenn Konkurrenzanbieter kurze Zeit später dieselbe Leistung erbringt

07. Juli 2017
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Ein in der Hand gehaltenes Smartphone, auf dem ein Upload-Vorgang stattfindet Urteil des OLG Köln vom 10.03.2017, Az.: 6 U 124/16

Wirbt ein Telekommunikationsanbieter damit, das schnellste Netz in einer bestimmten Stadt zu haben, so kann dies eine irreführende Alleinstellungswerbung darstellen. Zulässig wäre sie nur, wenn sie wahr wäre. Ergibt sich allerdings bereits kurze Zeit später, dass ein Konkurrenzanbieter ebenfalls diese Leistung erbringen kann, so fehlt es an der für eine zulässige Alleinstellungsbehauptung erforderlichen Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Sonderstellung.

Ebenso kann eine Werbeaussage mit einer Geschwindigkeitsangabe von „400 Mbit/s“ als Irreführung angesehen werden, wenn nicht klargestellt wird, dass es sich dabei um die maximal mögliche Übertragungsrate handelt. Zwar habe sich der Verkehr an die Formulierung „bis zu … Mbit/s“ gewöhnt und erwarte nicht die volle Leistung. Ohne diesen Zusatz geht er allerdings davon aus, dass dieser Tarif sich von anderen abhebt.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 10.03.2017

Az.: 6 U 124/16

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 29.06.2016 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 52/16 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

Die Parteien sind gerichtsbekannte Wettbewerber auf dem Markt der Telekommunikations- und Internetdienstleistungen. Die V. NRW GmbH warb im März 2016 mit den aus der einstweiligen Verfügung des Landgerichts vom 22.03.2016 eingefügten und im Folgenden dargestellten Werbemitteln.

Inhalt der Werbung waren – soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung – folgende Aussagen:

„JETZT SURFEN IM SCHNELLSTEN NETZ DER STADT“

„Es ermöglicht schon heute HighSpeed Internet mit bis zu 400 Mbit/s – mehr als jeder andere Anbieter bei Ihnen in Köln.“

„400 MBIT/S FÜR KÖLN“

Die Antragstellerin hat die erstgenannten Aussagen für eine unzulässige Alleinstellungswerbung gehalten, weil sie – unstreitig – im Zeitpunkt der Werbung im Privatkundenbereich selbst ein Produkt mit bis zu 400 MBit/s in Vorbereitung gehabt habe, welches ab dem 01.04.2016 verfügbar gewesen sei. Hinsichtlich der Geschwindigkeitsangabe „400 MBIT/S FÜR KÖLN“ fehle der Hinweis darauf, dass es sich dabei lediglich um eine maximale Geschwindigkeit handele.

Soweit die Antragstellerin auch eine Preisangabe beanstandet hat, hat die Antragsgegnerin nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eine Abschlusserklärung abgegeben und insoweit auch keine Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Die Antragstellerin hat im ursprünglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17.03.2016 als Antragsgegnerin die

„V. GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführer M. T. (Vorsitzender), Dr. I. M., V. S., B.-Straße, I.,“

bezeichnet. Der Kammervorsitzende der zuständigen 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln hat daraufhin am 22.03.2016 bei den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angerufen und bei Herrn Rechtsanwalt T. unter Verweis auf die Werbemittel und den vorprozessualen E-Mail Verkehr (Anlage Ast 8) nachgefragt, ob nicht die V. NRW GmbH in Anspruch genommen werden solle. Herr Rechtsanwalt Dr. T. hat dies bestätigt. Der Kammervorsitzende hat daraufhin das Passivrubrum entsprechend geändert, ohne dass die Antragstellerin dies schriftsätzlich beantragt hätte.

Die Antragstellerin hat sodann eine einstweilige Verfügung des Landgerichts erwirkt, in der der Antragsgegnerin bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wörtlich oder sinngemäß mit den folgenden Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen:

a)      „JETZT SURFEN IM SCHNELLSTEN NETZ DER STADT“

und/oder

„Es ermöglicht schon heute HighSpeed Internet mit bis zu 400 Mbit/s – mehr als jeder andere Anbieter bei Ihnen in Köln.“

und/oder

b)      mit einer Geschwindigkeitsangabe wie „400 MBIT/S FÜR KÖLN“ zu werben, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich dabei lediglich um eine maximale Geschwindigkeit handelt;

c)      im Zusammenhang mit der Angabe „400 MBIT/S FÜR KÖLN“:

ein Anschluss bei der Antragsgegnerin sei zum Preise ab 19,99 € erhältlich, wenn es für diesen monatlichen Preis keinen Anschluss mit einer entsprechenden Geschwindigkeit gibt, sondern nur einen anderen Anschluss mit einer geringeren Geschwindigkeit;

jeweils, wenn dies geschieht wie in der nachstehenden Werbung:

[Abbildung]

und/oder

[Abbildung]

und /oder

[Abbildung]

Nach Widerspruch hat die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die einstweilige Verfügung der 4. Kammer für Handelssachen des  Landgerichts Köln vom 22.03.2016 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass die als Antragsgegnerin in der einstweiligen Verfügung aufgenommene V. GmbH Antragsgegnerin gewesen sei und nicht die V. NRW GmbH, die im Rubrum aufgeführt sei. Eine anderweitige Auslegung der Parteibezeichnung sei nicht in Betracht gekommen.

In der Sache bestehe kein Verfügungsanspruch, weil die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt bzw. während des Zeitraums der Werbung tatsächlich über das „schnellste Netz der Stadt“ verfügt habe und nicht gehalten gewesen sei, bei Geschwindigkeitsangaben darauf hinzuweisen, dass es sich um die „maximale Geschwindigkeit“ handele. Schließlich sei der Verbotstenor zu weit.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung mit dem angefochtenen Urteil bestätigt. Dabei sei die im Rubrum aufgeführte V. NRW GmbH als Antragsgegnerin in Anspruch genommen worden. Dies ergebe sich aus der Auslegung der Parteibezeichnung und der von Amts wegen vorzunehmenden Berichtigung des Rubrums.

Vorliegend habe die Antragstellerin ersichtlich die V. NRW GmbH auf Unterlassung in Anspruch nehmen wollen, weil diese für die Werbung verantwortlich gewesen und mit dieser auch die vorgerichtliche Korrespondenz geführt worden sei. Daher sei ersichtlich, dass lediglich der Zusatz „NRW“ vergessen worden sei.

Die Anträge und dementsprechend der Tenor der einstweiligen Verfügung gingen auch nicht zu weit, weil die konkrete Verletzungsform und damit eine ausschließlich in Köln zu erwartende Werbung Gegenstand des Unterlassungsantrages gewesen sei.

Die Aussage „JETZT SURFEN IM SCHNELLSTEN NETZ DER STADT“ würden die angesprochenen Verkehrskreise als Alleinstellungswerbung verstehen und nicht nur als Spitzengruppenstellungswerbung. Diese sei unzulässig, weil der Mitbewerber einen deutlichen Vorsprung vorzuweisen haben müsse, der Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit biete. Hier habe die Antragstellerin bereits zum 01.04.2016 eine ab dem 16.03.2016 beworbene Steigerung ihrer maximalen Zugangsgeschwindigkeit erreicht, die der Geschwindigkeit der Antragsgegnerin entsprochen habe.

Die Aussage „Es ermöglicht schon heute HighSpeed Internet mit bis zu 400 Mbit/s – mehr als jeder andere Anbieter bei Ihnen in Köln.“ erfülle diese Voraussetzungen ebenfalls.

Soweit die Geschwindigkeit von 400 Mbit/s in der Werbung nicht beschränkt worden sei, sei dies irreführend, weil die Antragsgegnerin letztlich selbst einräume, diese nicht konstant erreichen zu können.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Berufung der Antragsgegnerin. So habe sich der Antrag nicht gegen sie (V. NRW GmbH), sondern gegen ihre Muttergesellschaft (V. GmbH) gerichtet. Mit der Benennung der „V. GmbH“ im Passivrubrum liege weder eine objektiv unrichtige, noch eine mehrdeutige Parteibezeichnung vor, die von Amts wegen habe berichtigt werden können. Vorliegend existiere auch die im Antrag ausdrücklich genannte „V. GmbH“. Diese sei allerdings in der Sache nicht passivlegitimiert. Der Anruf des Vorsitzenden der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln zeige, dass der Irrtum nicht offensichtlich sei. Hierfür spreche auch, dass die „V. GmbH“ auch auf der Internetseite im Impressum genannt werde.

Nach dem Anruf und der Änderung der Parteibezeichnung habe das Landgericht seinen Auslegungsspielraum überschritten. Die Änderung sei nur aufgrund des Sonderwissens der Kammer möglich gewesen, der bekannt gewesen sei, dass die „V. GmbH“ nicht passivlegitimiert sei für die dem Streit zugrundeliegende Werbung. Dies hätte eine nicht mit den Konzernverhältnissen des V.-Konzerns vertraute Kammer nicht annehmen können.

Soweit das Landgericht die telefonische Äußerung als Wunsch habe verstehen können, die Antragsgegnerin zu ändern, seien die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. Bei der Auslegung des Antrags habe auch berücksichtigt werden müssen, dass die Antragstellerin die Konzernstruktur des V.-Konzerns gekannt habe.

Im Ergebnis habe das Landgericht damit etwas anderes zuerkannt, als beantragt worden sei.

In der Sache liege eine Irreführung durch die Angabe „Surfen im schnellsten Netz der Stadt“ nicht vor. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass eine Alleinstellungs- und nicht lediglich eine Spitzenstellungswerbung vorliegt, wäre diese nicht zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Werbung diese Spitzenstellung innegehabt habe. Unstreitig habe zum Zeitpunkt der Werbung allein die Antragsgegnerin eine Geschwindigkeit von 400 Mbit/s angeboten.

Die Antragstellerin habe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Bereich der Telekommunikation von einer gewissen Beständigkeit ausgingen, was das Landgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt habe. Daher könne die Rechtsprechung, die die Beständigkeit im Bereich der Spitzenstellungswerbung voraussetze, jedenfalls im vorliegenden Bereich der Werbung für Telekommunikationsnetze nicht herangezogen werden. Die Entwicklung sei in diesem Bereich rasant, was auch der angesprochene Verkehr wisse.

Auch sei entgegen der Ansicht des Landgerichts keine Einschränkung in der Werbung erforderlich, dass die Geschwindigkeit lediglich „bis zu“ 400 Mbit/s erreicht werde. Das Landgericht habe die sich aus der Entscheidung „Sondernewsletter“ des Bundesgerichtshofs ergebenden Grundsätze missachtet. Danach bedürfe es der genannten Einschränkung nicht, wenn die Einschränkung der Geschwindigkeit auf einem Bereich beruhe, auf den der Anbieter keinen Einfluss habe. Dem angesprochenen Verkehr sei bekannt, dass es sich letztlich um eine „Höchstgeschwindigkeit“ handele. Etwas anderes sei nur dann anzunehmen, wenn beispielsweise aufgrund der Bewerbung einer neuen Technik davon ausgegangen werde, dass die maximale Geschwindigkeit dauerhaft erreichbar sei.

Der Hinweis des Landgerichts, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf schwankende Geschwindigkeiten hinweise, sei vor diesem Hintergrund unschädlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 29.06.2016 (84 O 52/16) abzuändern und den Verfügungsantrag zurückzuweisen, soweit das Landgericht im Umfang des Tenors zu Ziffer 1 a und 1 b der Beschlussverfügung vom 22.03.2016 zum Nachteil der Antragsgegnerin entschieden hat.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Auf die zutreffenden Ausführungen der landgerichtlichen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung ist folgendes zu ergänzen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gegen die im Passivrubrum aufgeführte „V. NRW GmbH“ gerichtet gewesen (dazu II 1). In der Sache hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Äußerung „Jetzt surfen im schnellsten Netz der Stadt“  und „Es ermöglicht schon heute High Speed Internet mit bis zu 400 Mbit/s – mehr als jeder andere Anbieter bei Ihnen in Köln“ besteht (dazu II 2). Auch hinsichtlich einer Geschwindigkeitsangabe von „400Mbit/s“, ohne Angabe, dass es sich um eine maximale Geschwindigkeit handelt, hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass diese Angabe irreführend ist (dazu II 3).

1. Das Landgericht hat mit Recht und aus den zutreffenden Gründen angenommen, dass das Verfügungsverfahren gegen die V. NRW GmbH gerichtet ist und das Passivrubrum von Amts wegen entsprechend korrigiert.

Der Antragsteller oder Kläger bestimmt im Rahmen der Antrags- oder Klageschrift, wer Partei in einem Rechtsstreit oder Verfügungsverfahren werden soll. Die Parteibezeichnung ist der Auslegung fähig (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Vor §§ 50-58 Rn. 6; Lindacher in MünchKomm/ZPO, 5. Aufl., Vor § 50 Rn. 12; Werth in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., Vor § 50 Rn. 7). Auch Klarstellungen durch den Kläger oder Antragsteller sind im Laufe des Verfahrens zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1980 – VII ZR 208/79, NJW 1981, 1453). Die Auslegung darf dabei nicht dazu führen, dass die Wahrung der rechtlichen Parteiidentität nicht mehr gewährleistet ist (vgl. Kempe/Antochewicz, NJW 2013, 2797). Die Parteiberichtigung ist allerdings auch dann zulässig, wenn die benannte Partei tatsächlich existierte, die Klage aber ersichtlich gegen eine andere Partei gerichtet werden sollte (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2007 – X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582; BAG, Urteil vom 28.08.2008 – 2 AZR 279/07, NJW 2009, 1293). Voraussetzung ist, dass unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei wirklich gemeint ist (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 582). Dabei können das Vorbringen in der Klageschrift und der Klageschrift beigefügte Unterlagen berücksichtigt werden. So hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass sich in einem Kündigungsschutzprozess aus dem Kündigungsschreiben ergeben kann, wer Klagepartei ist (vgl. BAG, NJW 2009, 1293). Der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2008, 582) hat zu dieser Frage folgendes ausgeführt:

„Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BGHZ 4, BGHZ Band 4 Seite 328 [BGHZ Band 4 Seite 334] = NJW 1952, NJW Jahr 1952 Seite 545; BGH, NJW 1987, NJW Jahr 1987 Seite 1946 m.w. Nachw.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGHZ 4, BGHZ Band 4 Seite 328 [BGHZ Band 4 Seite 334] = NJW 1952, NJW Jahr 1952 Seite 545; BGH, NJW 1987, NJW Jahr 1987 Seite 1946; NJW-RR 1995, NJW-RR Jahr 1995 Seite 764 m.w. Nachw.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (so ausdr. BAG, AP H. 9/2004 § 4 KschG 1969 Nr. AP KSCHG1969 § 50 = BAG-Report 2004, 210; konkludent auch schon BGH, NJW 1983, NJW Jahr 1983 Seite 2448, wo das Auslegungsergebnis, dass ein bestimmtes falsch bezeichnetes Unternehmen verklagt worden sei, mit dem Klagevortrag und der vorprozessualen Korrespondenz begründet wurde). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG, AP H. 9/2004 § 4 KschG 1969 Nr. AP KSCHG1969 § 50 = BAG-Report 2004, 210; so auch schon OLG Hamm, NJW-RR 1991, NJW-RR Jahr 1991 Seite 188). Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (BGHZ 4, BGHZ Band 4 Seite 328 [BGHZ Band 4 Seite 334] = NJW 1952, NJW Jahr 1952 Seite 545; BGH, NJW 1987, NJW Jahr 1987 Seite 1946).“

Nach diesen Grundsätzen war die im Passivrubrum aufgeführte V. NRW GmbH Antragsgegnerin. Ausweislich Anlage Ast 8 wurde die vorgerichtliche Korrespondenz ausschließlich mit der V. NRW GmbH geführt. Auch hat die Antragstellerin im Rahmen der Antragsschrift ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „die Antragsgegnerin (…) aktuell mit unterschiedlich großen Anzeigeplakaten im Stadtgebiet“ werbe. Tatsächlich geworben hat – unstreitig – die V. NRW GmbH und nicht deren Muttergesellschaft, die V. GmbH. Dies ergibt sich aus der Werbung an sich, in der jeweils die V. NRW GmbH ausdrücklich aufgeführt wird. Vor diesem Hintergrund war deutlich, dass nicht die Muttergesellschaft, sondern die Gesellschaft in Anspruch genommen werden sollte, die die Werbung tatsächlich geschaltet hatte. Nicht gegen diese Annahme spricht, dass die V. GmbH im Impressum der Internetseite an erster Stelle genannt wird, weil nicht die Werbung auf dieser Internetseite, sondern die konkret zum Gegenstand des Antrages gemachte Plakat- und Wurfsendungswerbung angegriffen wurde, auf der die V. NRW GmbH benannt wurde.

Das Landgericht hat dabei entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht seinen Auslegungsspielraum überschritten. Denn entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kam es nicht auf „Sonderwissen“ der Kammer an. Vielmehr musste die Kammer – wie sie dies auch getan hat – lediglich unter Auslegung der Antragsbegründung und unter Zuhilfenahme des mit dem Antrag ebenfalls eingereichten vorgerichtlichen E-Mailverkehrs eine Auslegung des Antrages vornehmen. Die genauen Kenntnisse der Konzernverhältnisse des V.-Konzerns waren hierfür nicht erforderlich.

Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass die Anschrift der V. GmbH und der V. NRW GmbH ebenso wie die jeweiligen Geschäftsführer identisch sind, so dass die entsprechende Angabe im Rubrum der Antragsschrift keine Rückschlüsse auf die tatsächlich gemeinte Partei zuließ. Tatsächlich hat die Antragstellerin im Rahmen der Parteibezeichnung damit nur den Begriff „NRW“ nicht aufgeführt.

Soweit der Vorsitzende durch einen Rückruf bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mögliche Unklarheiten ausgeräumt hat, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn das Gericht hat eine Amtspflicht, auf die Berichtigung hinzuwirken (vgl. Vollkommer in Zöller aaO, Vor §§ 50-58 Rn. 7).

2. Das Landgericht hat auch mit Recht und aus den zutreffenden Gründen angenommen, dass mit der Werbung „Surfen im schnellsten Netz der Stadt“ eine Alleinstellungswerbung verbunden ist, deren Zulässigkeit einen Vorsprung von gewisser Dauer voraussetzt.

Die Aussage, „Surfen im schnellsten Netz der Stadt“ stellt sich im Kontext der Verletzungshandlung als eine Alleinstellungswerbung dar. Eine Spitzen- oder Alleinstellungswerbung liegt vor, wenn die Werbung von einem erheblichen Teil des Publikums, zu dem auch die Mitglieder des Senats zählen, dahin verstanden wird, dass er in bestimmter Hinsicht alleine eine Spitzenstellung in Anspruch nimmt (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 5 Rn. 1.138). Dies ergibt sich vorliegend bereits aus der Verwendung des Superlativs, der eine typische Ausdrucksform für eine Alleinstellung darstellt (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm aaO, § 5 Rn. 1.141, mwN).

Das Landgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Alleinstellungswerbung unzulässig ist. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass eine Alleinstellungswerbung zulässig ist, wenn sie wahr ist. Nach einheitlicher Rechtsprechung genügt es hierfür nicht, dass der Werbende nur einen geringfügigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat. Vielmehr erwartet der Verbraucher eine nach Umfang und Dauer wirtschaftliche Sonderstellung. Der Werbende muss einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern haben, und der Vorsprung muss die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bieten (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm aaO,  § 5 Rn. 1.151 mwN).

Nach diesen Grundsätzen kommt die Zulässigkeit der Alleinstellungswerbung nicht in Betracht, weil der Vorsprung nicht von gewisser Dauer gewesen ist, was der Antragsgegnerin auch bekannt war. Denn die Antragstellerin hat bereits im Monat nach der angegriffenen Werbung ebenfalls eine Internetgeschwindigkeit von 400 Mbit/s angeboten. Der angesprochene Verkehr kann daher zum einen dadurch in die Irre geleitet werden, dass er eben nicht von einer Momentaufnahme ausgeht. Die Irreführung kann aber auch darin liegen, dass die Werbeaussage noch zu einem Zeitpunkt Wirkungen entfaltet, zu denen die Aussage nicht mehr zutreffend ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.1991 – I ZR 5/90, GRUR 1991, 850 – Spielzeug-Autobahn).

So liegt der Fall hier. Denn die Entscheidung über den Abschluss eines Vertrages mit einem Internetdienstleister wird der Verbraucher nicht kurzfristig treffen. Wenn daher – wie vorliegend – bereits unmittelbar nach Auslaufen der Werbemaßnahme ein anderer Anbieter die gleiche Leistung anbieten kann, wird der Verkehr über die beworbene Alleinstellung irren. Es kommt hinzu, dass die Werbung mit einer Alleinstellung von angesprochenen Verkehr in der Regel dahin verstanden werden wird, dass ein Vorsprung von gewisser Stetigkeit besteht, weil das Herausstellen einer besonderen Leistung nur in diesem Fall für den Verbraucher von besonderem Interesse ist.

Nicht hiergegen spricht, dass im Bereich der Telekommunikation äußerst schnelllebig neue Leistungen geschaffen und Geschwindigkeiten gesteigert werden (aA OLG Frankfurt, Urteil vom 16.01.2014 – 6 U 212/13). Denn zum einen ist dem angesprochenen Verkehrskreis zu wesentlichen Teilen nicht bekannt, welche Änderungen in diesem Bereich möglich sind. Zum anderen stand im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Werbung – wie dargelegt – bereits fest, dass die Alleinstellung nicht weiter bestehen würde und zu diesem Zeitpunkt wirkte die Werbung noch fort.

Auf die Beweislast kommt es nicht an, weil der Senat die erforderlichen Feststellungen aufgrund eigener Sachkenntnis treffen kann. Der Senat gehört zu den mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen.

Soweit die Aussage angegriffen wird „Es ermöglicht schon heute High Speed Internet mit bis zu 400 Mbit/s – mehr als jeder andere Anbieter bei Ihnen in Köln“ handelt es sich ebenfalls um eine Alleinstellungsbehauptung, was sich aus dem Wortlaut ohne weiteres ergibt. Auch diese Aussage ist nach den o.g. Grundsätzen irreführend und daher zu unterlassen.

3. Soweit die Antragsgegnerin damit wirbt, dass eine Geschwindigkeit von „400 Mbit/s“ erreicht werde, liegt ebenfalls Irreführung gemäß § 5 UWG vor. Eine Irreführung ist anzunehmen, weil der angesprochene Verkehr nach der Werbung davon ausgehend wird, dass die Geschwindigkeit von 400 Mbit/s dauerhaft erreicht wird, obwohl dies unstreitig tatsächlich nicht der Fall ist.

Dies ergibt sich schon daraus, dass unstreitig nahezu durchgehend mit Geschwindigkeiten „bis zu … Mbit/s“ geworben wird, so dass der Verkehr an diese Aussage gewöhnt ist. Wird diese Einschränkung weggelassen, spricht dies dafür, dass eine solche auch nicht mehr erfolgt, sondern die angegebenen Übertragungsgeschwindigkeiten im Grundsatz durchgehend erreicht werden. Aufgrund dieser Gewöhnung der angesprochenen Verkehrskreise kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese davon ausgehen, es könnten lediglich Geschwindigkeiten bis zu dem in der Werbung angegebenen Wert erreicht werden, diese aber nicht garantiert werden. Auch ist es nach Überzeugung des Senats dem angesprochenen Verkehr bislang nicht hinreichend bekannt, dass die Werte lediglich theoretische Werte sind, die nur unter idealen Bedingungen erreicht werden (aA OLG Frankfurt, Urteil vom 11.07.2016 – 6 U 100/15, GRUR-RR 2016, 419).

Dem steht die von der Antragsgegnerin angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2009 (I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 – Sondernewsletter) nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof ist in dieser Entscheidung davon ausgegangen, dass die Datenübertragungsgeschwindigkeit ein wesentliches Merkmal der Leistung eines Zugangsproviders wie der Antragsgegnerin darstellt. Er hat in der genannten Entscheidung weiter angenommen, dass der Verkehr jedoch nicht davon ausgehe, diese Geschwindigkeit könne dauerhaft erreicht werden. Vielmehr sei dem Verkehr bekannt, dass die Geschwindigkeit auch aus Gründen, die außerhalb des Einflussbereichs des dortigen Werbenden lagen, eingeschränkt sein könne. Allerdings stand fest, dass die Geschwindigkeit vom dortigen Anbieter durchgehend gewährleistet werden konnte. Damit lag der vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Fall maßgeblich anders. Denn tatsächlich ist dem Verkehr bekannt, dass die Übertragungsgeschwindigkeit nicht nur vom Zugangsprovider, sondern auch vom Server abhängig ist, der die Daten zur Verfügung stellt, und weiteren Faktoren, die außerhalb des Einflussbereichs des Zugangsproviders liegen. Hieraus kann allerdings nicht der Rückschluss gezogen werden, dass dem Verkehr auch bekannt ist, dass alle Zugangsprovider unabhängig von Faktoren, die diese nicht beeinflussen können, immer nur eine maximale Geschwindigkeit garantieren wollen.

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 27.03.2015 (6 U 134/14, GRUR-RR 2015, 304) angenommen hat, dass aufgrund der Bewerbung einer neuen Technik der Verkehr von dem dauerhaften Erreichen der beworbenen Geschwindigkeit ausgehe, steht dies der Entscheidung auch nicht entgegen. Vielmehr war das Bewerben einer neuen Technik lediglich ein Argument, aus dem der Senat das Verkehrsverständnis insoweit hergeleitet hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 €.

Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 52/16

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