Rundfunkgebührenpflicht für PKW-Radio

08. Juni 2012
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Eigener Leitsatz:

Schon eine geringe gewerbliche Nutzung des eigenen PKW befreit nicht von der Rundfunkgebührenpflicht eines Zweitgeräts im PKW. Dies könnte nur durch eine ausschließlich private Nutzung erfolgen.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg

Beschluss vom 06.03.2012

Az.: 4 LB 290/09

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Rundfunkgebühren.

Die Klägerin betrieb von 1994 bis Ende 2006 in B. einen Friseursalon im Erdgeschoss eines Gebäudes, in dem sich auch die Wohnung der Klägerin befand. In ihrer Wohnung hielt die Klägerin Rundfunkgeräte zum Empfang bereit. Anlässlich des Besuchs einer Gebührenbeauftragten des Beklagten im Friseursalon am 14. Oktober 2005 unterschrieb die Klägerin ein Formular zur Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten für ein Radio in einem Kraftfahrzeug seit September 1994. In dem Anmeldeformular wurde von der Gebührenbeauftragten handschriftlich vermerkt, dass die Klägerin „seit Eröffnung ihres Friseurstudios in 09/94 durchgehend ein HF im Auto“ gehabt habe.

Mit Bescheid vom 4. August 2006 setzte der Beklagte gegen die Klägerin für den Zeitraum von September 1994 bis Dezember 2005 Rundfunkgebühren in Höhe von insgesamt 696,07 EUR für ein Radio im Kraftfahrzeug der Klägerin fest.

Gegen den Bescheid vom 4. August 2006, zugegangen am 10. August 2006, hat die Klägerin am 6. September 2006 Klage erhoben (Az. 7 A 6203/06) mit der Begründung, dass keine Gebührenpflicht für das Rundfunkgerät in ihrem Pkw gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV bestehe, da sie ihr Fahrzeug ausschließlich zu privaten Zwecken nutze; hinsichtlich der festgesetzten Rundfunkgebühren für den Zeitraum von September 1994 bis Dezember 2001 erhebe sie zudem den Einwand der Verjährung.

Mit weiterem Gebührenbescheid vom 2. September 2006, der am 11. September 2006 bei der Klägerin einging, setzte der Beklagte gegen die Klägerin Rundfunkgebühren für den Anschlusszeitraum von Januar 2006 bis Juni 2006 für 2 Radiogeräte (im Friseursalon und im Kraftfahrzeug) in Höhe von insgesamt 71,35 EUR fest, gegen den die Klägerin am 9. Oktober 2006 ebenfalls Klage erhoben hat (Az. 7 A 6978/06).

Das Verwaltungsgericht hat beide Verfahren durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2008 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 7 A 6203/06 weitergeführt. Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärte hatte, dass ihr Fahrzeug erst seit Januar 2003 auf ihren Namen zugelassen sei und sie zuvor lediglich ein Fahrzeug ihres Lebensgefährten genutzt habe, erklärte der Vertreter des Beklagten, den angefochtenen Gebührenbescheid vom 4. August 2006 insoweit aufzuheben, als Rundfunkgebühren für den Zeitraum von September 1994 bis Dezember 2002 festgesetzt worden sind. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom 4. August 2006 insoweit aufzuheben, als der Rechtsstreit noch nicht für erledigt erklärt worden ist, sowie den Gebührenbescheid vom 2. September 2006 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist,und erwidert, dass es sich bei dem Hörfunkgerät im Pkw der Klägerin nicht um ein von der Rundfunkgebühr befreites Zweitgerät handele, da der Pkw auch zu anderen als privaten Zwecken genutzt worden sei.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 8. Januar 2008 das Verfahren eingestellt, soweit der Rechtsstreit hinsichtlich des Gebührenzeitraums von September 1994 bis Dezember 2002 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, und im Übrigen die Gebührenbescheide vom 4. August 2006 und 2. September 2006 aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei dem Radio in dem Pkw der Klägerin um ein gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht ausgenommenes weiteres Gerät (Zweitgerät) handele. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV gelte die Gebührenfreiheit nach Abs. 1 Satz 1 RGebStV zwar nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu anderen selbständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt würden, wobei es auf den Umfang der Nutzung zu den in Satz 1 genannten Zwecken nicht ankomme. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 26.6.2007 – 4 LA 73/07 -) dürfe diese jedoch nicht so gering sein, dass sie praktisch zu vernachlässigen sei und damit bei lebensnaher Betrachtung die private Nutzung des Pkw nicht in Frage stelle. Das Gericht sei unter Berücksichtigung des Akteninhalts und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin ihren Pkw im streitbefangenen Zeitraum allenfalls in unbedeutendem und damit zu vernachlässigendem Umfang für geschäftliche Zwecke genutzt habe. Hiergegen spreche nicht, dass die Klägerin das Autoradio bei dem Besuch der Gebührenbeauftragten am 14. Oktober 2005 rückwirkend ab September 1994 angemeldet habe. Aus dem unterschriebenen Anmeldeformular gehe lediglich hervor, dass die Klägerin die beurkundete Erklärung abgegeben habe. Der Erklärungswert der von ihr unterzeichneten Urkunde sei aber schon deshalb erschüttert, weil die Gebührenbeauftragte offensichtlich davon ausgegangen sei, dass ein Radio im Auto eines Gewerbetreibenden immer gebührenpflichtig sei. Die Gebührenbeauftragte habe weder auf den Umfang der geschäftlichen Nutzung noch auf die Haltereigenschaft abgestellt, denn die Klägerin habe erstmals am 20. Januar 2003 ein Fahrzeug auf ihren Namen zugelassen. Daher lägen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Anmeldung vor. Das Gericht halte zudem auch den Vortrag der Klägerin, dass sie in Anwesenheit von Kunden zur Unterschrift des Formulars gedrängt worden sei, für glaubhaft. Auch die Angaben der Klägerin zum tatsächlichen Umfang der geschäftlichen Nutzung ihres Fahrzeugs seien glaubhaft. Die Klägerin habe weder Hausbesuche durchgeführt noch ihr Auto als Werbeträger genutzt. Es erscheine auch lebensnah, dass der Klägerin Materialien von den Firmen über die entsprechenden Vertreter in den Salon gebracht bzw. geschickt worden seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten, die der Senat durch Beschluss vom 18. November 2009 (4 LA 86/08) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen hat.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf seinen Berufungszulassungsantrag vom 5. März 2008 im Wesentlichen Folgendes vor: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich bei dem Kraftfahrzeug der Klägerin um ein solches, das während der Zeit des Betriebs des Friseursalons zu anderen als privaten Zwecken genutzt worden sei. Die Klägerin habe sowohl bei der Anmeldung des Hörfunkgerätes als auch im folgenden Schriftverkehr mit ihm bestätigt, dass sie ihr Kraftfahrzeug seit der Eröffnung des Friseursalons durchgehend geschäftlich genutzt habe. Erst in der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2008 habe die Klägerin behauptet, ihr Fahrzeug nur zu privaten Zwecken genutzt zu haben, allerdings auch Fahrten zur Post und anderen Geschäften getätigt zu haben, wobei der Umfang der Nutzung nicht weiter „spezifiziert“ worden sei. Letzteres sei jedoch unerheblich, da es nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV auf den Umfang der nicht privaten Nutzung nicht ankomme. Auch eine völlig untergeordnete gewerbliche Nutzung schließe eine Zweitgerätefreiheit daher aus.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover – Einzelrichter der 7. Kammer – vom 8. April 2008 zu ändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist begründet.

Diese Entscheidung trifft der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht für erforderlich hält.

Das Verwaltungsgericht hat die Gebührenbescheide des Beklagten vom 4. August 2006 und 2. September 2006 zu Unrecht aufgehoben, soweit mit diesen Rundfunkgebühren für die Zeiträume von Januar 2003 bis Dezember 2005 und Januar 2006 bis Juni 2006 festgesetzt worden sind. Denn die Heranziehung der Klägerin zu Rundfunkgebühren für diese Zeiträume ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV) hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelungen der §§ 5 und 6 RGebStV für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Rundfunkgebühr zu entrichten. Für das in ein Kraftfahrzeug eingebaute Rundfunkempfangsgerät gilt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 RGebStV derjenige als Rundfunkteilnehmer, für den das Kraftfahrzeug zugelassen ist.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV ist eine Rundfunkgebühr für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereitgehalten werden, nicht zu leisten. Das gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV jedoch nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt werden, wobei es auf den Umfang der Nutzung der Rundfunkempfangsgeräte, der Räume oder der Kraftfahrzeuge zu den in § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV genannten Zwecken nicht ankommt (§ 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV). Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung „zu anderen als privaten Zwecken“ in § 5 Absatz 2 Satz 1 RGebStV klargestellt, dass es keine Gebührenfreiheit für jede Art der Nutzung gibt, die nicht ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgt, und dass es insoweit auch nicht auf den Umfang der nicht privaten Nutzung ankommt (vgl. LT-Drs. 15/1485, S. 34). Mithin führt auch eine untergeordnete Nutzung des Kraftfahrzeugs zu anderen als privaten Zwecken zum Ausschluss der Gebührenfreiheit eines Zweitgeräts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV (vgl. Senatsbeschl. v. 9.2.2010 – 4 LB 58/09 – mit Verweis auf VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.5.2009 – 2 S 1203/08 -; ferner Bay. VGH, Beschl. v. 4.5.2010 – 7 ZB 09.2551 -), es sei denn, dass diese ausnahmsweise nach Art und Umfang praktisch zu vernachlässigen ist und bei lebensnaher Betrachtung eine Nutzung des Pkw zu ausschließlich privaten Zwecken nicht in Frage stellt (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 26.6.2007 – 4 LA 73/07 -). Letzteres kann jedoch nur atypische Fälle betreffen, in denen aufgrund besonderer Umstände mit der Nutzung des Kraftfahrzeugs im Einzelfall andere als private Zwecke mit verfolgt werden und die Nutzung zu diesen Zwecken nicht mehr messbar ins Gewicht fällt. Allein der Umstand, dass eine Nutzung zu anderen als privaten Zwecken nur in sehr untergeordnetem Maße erfolgt, ist insoweit nicht ausreichend, da es – wie gezeigt – auf den Umfang der Nutzung nicht ankommt.

Gemessen an den vorgenannten Vorgaben ist die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2003 bis Juni 2006 rundfunkgebührenpflichtig für das Radio in ihrem Kraftfahrzeug, weil sie in diesem Zeitraum das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug auch zu anderen als privaten Zwecken genutzt hat. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Nutzung ihres Kraftfahrzeugs ausgeführt, dass sie in der Zeit, in der sie einen Friseursalon betrieben hat (bis zum 31. Dezember 2006), „gelegentlich“ auch Fahrten zur Post oder anderen Geschäften getätigt habe, im Übrigen sich ihr Lebensgefährte um die geschäftlichen Dinge wie Fahrten zum Steuerberater oder zum Finanzamt gekümmert habe. Auf die gerichtliche Verfügung vom 27. September 2010 hat sie zur Nutzung ihres Fahrzeugs mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2010 ergänzend erklärt, dass sie ihrer Erinnerung nach in wenigen Fällen anlässlich privater Einkäufe Gummihandschuhe, welche sie beim Färben von Haaren benötigt habe, erworben habe. Auf der Grundlage der von der Klägerin abgegebenen Erklärungen liegt eine Nutzung ihres Kraftfahrzeugs zu geschäftlichen und damit anderen als privaten Zwecken vor, die zu einem Ausschluss der Gebührenfreiheit eines Zweitgeräts nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV führt. Denn die Klägerin hat unter Nutzung ihres Kraftfahrzeugs – wenn auch im geringfügigen Umfang – Besorgungen für ihren Geschäftsbetrieb getätigt. Dass diese Besorgungen nach ihrem Vorbringen im Rahmen privater Einkäufe miterledigt worden sind, ist unerheblich. Denn dieses ändert nichts daran, dass durch die Nutzung ihres Kraftfahrzeugs auch andere als private Zwecke verfolgt wurden. Auch der Umstand, dass die Klägerin lediglich „in wenigen Fällen“ Materialien in sehr geringem Umfang für ihren Friseurbetrieb mitbesorgt hat, ist unerheblich, da es – wie dargelegt – auf den Umfang der Nutzung zu anderen als privaten Zwecken nicht ankommt. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die von der Klägerin dargelegte Nutzung ihres PKW zu anderen als privaten Zwecken ausnahmsweise praktisch zu vernachlässigen ist und bei lebensnaher Betrachtung eine ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgende Nutzung des Pkw nicht in Frage stellt. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass das Kraftfahrzeug der Klägerin aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise auch für andere als private Zwecke genutzt worden ist und diese Nutzung daher – wegen ihres Ausnahmecharakters – nicht messbar ins Gewicht fällt. Denn dass ein Gewerbetreibender sein Kraftfahrzeug nutzt, um private Einkäufe zu tätigen, und bei dieser Gelegenheit – wenn auch selten – Besorgungen für den Geschäftsbetrieb geringen Umfangs miterledigt, stellt keine atypische Situation dar. Vielmehr ist es insbesondere beim Betrieb eines kleineren Gewerbes nicht ungewöhnlich, dass ein Gewerbebetreibender im Zusammenhang mit privaten Besorgungen auch Materialien für sein Geschäft erwirbt. Dementsprechend ist auch die Klägerin verfahren

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