Kein Schmerzensgeld nach Veröffentlichung eines Bildes von Teilnehmern einer rechtsextremen Demonstration im Internet

04. September 2014
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Urteil des AG Friedberg vom 06.08.2014, Az.: 2 C 1141/13(11)

Eine Veröffentlichung von Fotos eines rechtsradikalen Demo-Teilnehmers begründet keinen Schmerzensgeldanspruch, da ein schwerwiegender Eingriff vorliegen muss und dieser ist nicht gegeben, wenn man sich mit der Teilnahme an einer Demonstration selbst in die Öffentlichkeit begibt. Gleiches gilt für ein Bild auf Facebook, dass der Betroffene selbst online gestellt hat und welches aufgrund der Kleidung die Zugehörigkeit des Betroffenen zum Rechtsextremismus nach außen aufzeigt.

Amtsgericht Friedberg

Urteil vom 06. August 2014

Az.: 2 C 1141/13(11)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger war im Jahr … im Bürgerbüro und als Standesbeamter bei der Stadt … tätig. Wegen seiner Mitgliedschaft in der NPD war er in das Visier des … geraten. Von dort war in einem Schreiben vom … (Kopie Blatt 7, 8 der Akten) die Stadt … aufgefordert worden, den Kläger aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Beigefügt war ein Bild von einem Neonazi-Aufmarsch am … in …, bei welchem der Kopf des Klägers rot eingekreist war. Darüber hinaus hat das … einen Screenshot des Facebook-Profils des Klägers beigefügt, welcher ein Lichtbild des Klägers in einem T-Shirt mit dem Aufdruck … der Marke … enthielt. Der Beklagte hat das Schreiben und die Lichtbilder (Kopie Blatt 9,10 der Akten) im Januar 2012 kurzfristig auf seiner Homepage zugänglich gemacht. Auf ein Abmahnschreiben des Klägervertreters hin wurde der Eintrag aus dem Internetauftritt des Beklagten entfernt. Eine Unterlassungserklärung hat der Beklagte nicht abgegeben. Der Beklagte wurde in einem Eilverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main rechtskräftig zur Unterlassung der Veröffentlichung des Schreibens vom …, des Lichtbildes des Klägers als Teilnehmer des „Neonaziaufmarsches am … in …“ und des Facebook-Profils des Klägers verurteilt, soweit der Kläger dort identifizierbar ist. Die Kosten der ersten Instanz wurden dem Verfügungskläger zu einem Viertel, dem Verfügungsbeklagten zu drei Vierteln auferlegt. Von den Kosten der zweiten Instanz hatten der Verfügungskläger ein Sechstel, der Verfügungsbeklagte fünf Sechstel zu tragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird auf die Kopie Blatt 11 bis 23 der Akten Bezug genommen. Es folgten Presseveröffentlichungen, die sich mit der Tätigkeit des Klägers in der Stadt … beschäftigten. Der Kläger wurde von seinem Arbeitgeber in die Kasse verletzt. Seine Bestellung zum Standesbeamten wurde widerrufen.
Der Kläger begehrt von dem Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 €. Zur Zahlung dieses Betrags und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 318,18 € wurde der Beklagte durch Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom … unter Fristsetzung bis zum … vergeblich aufgefordert. Wegen der Zusammensetzung der Honorarforderung wird auf Blatt 36 der Akten Bezug genommen. Der Kläger begehrt weiter Schadensersatz in Höhe von 250,00 € für Rechtsanwaltskosten aus dem Eilverfahren vor dem Landgericht Gießen und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Er hat hierzu vorgetragen, dass dies der Eigenanteil seiner Rechtsschutzversicherung sei. Wegen des Inhalts der in Kopie vorgelegten Beitragsrechnung, aus der sich eine Selbstbeteiligung für die Rechtsschutzversicherung in Höhe von 250,00 € je Rechtsschutzfall ergibt, wird auf Blatt 90 der Akten verwiesen. Der Eigenanteil wurde dem Kläger von seinem Prozessbevollmächtigten mit E-Mail vom … (Kopie Blatt 91 der Akten) in Rechnung gestellt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass durch die Veröffentlichung seitens des Beklagten sein Persönlichkeitsrecht in einer Weise verletzt wurde, welche die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 3.000,00 € rechtfertige. Der Kläger behauptet, die Stadt … habe ihn von seiner Aufgabe im Bürgerbüro und als Standesbeamter wegen der Veröffentlichung seitens des Beklagten und wegen des hierdurch in der Öffentlichkeit entstandenen Druckes entbunden. Der Kläger habe zeitweilig Furcht um seinen Arbeitsplatz gehabt und vorübergehend unter Depressionen und Appetitlosigkeit gelitten. Außerdem habe er nächtelang nicht schlafen können. Der Kläger behauptet weiter, er habe die von seinem Prozessbevollmächtigten angeforderten 250,00 € am Folgetag an diesen überwiesen. Dies hat der Klägervertreter anwaltlich versichert und im Bestreitensfalle die Vorlage eines Kontoauszuges angekündigt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.566,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.04.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Maßnahme der Stadt … sei nicht auf die Veröffentlichung auf der Internetseite des Beklagten zurückzuführen. Ursache sei vielmehr der Brief des … an die Stadt … gewesen. Außerdem habe der Beklagte die arbeitsrechtlichen Maßnahmen der Stadt … durch seine neofaschistischen Tätigkeiten, die er selbst öffentlich gemacht habe, selbst verursacht. Der Beklagte ist der Auffassung, seine Veröffentlichung sei durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies sei von dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verkannt worden. Ein Schmerzensgeldanspruch stehe dem Kläger mangels einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht zu. Die auf Schadensersatz in Höhe der Selbstbeteiligung aus der Rechtsschutzversicherung gerichtete Forderung hält der Beklagte für unsubstantiiert. Er bestreitet in diesem Zusammenhang, dass der Betrag von dem Beklagten an den Klägervertreter gezahlt wurde.
Die Akten 2 O 168/12 des Landgerichts Gießen wurden zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen den Beklagten schon aufgrund seines eigenen Vorbringens nicht zu. Wegen der Veröffentlichung eines den Kläger betreffenden Schreibens und zweier Bilder von dem Kläger auf der Internetseite des Beklagten kann der Kläger von dem Beklagten eine Entschädigung in Geld nicht verlangen. Ein solcher Anspruch findet seine Grundlage in den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes. Er beruht auf dem Gedanken, dass die Verletzung der Würde und Ehre des Menschen ohne Zubilligung einer Geldentschädigung häufig verkümmern würde (BVerfG, NJW 2000, 2187; Erman, BGB, Kommentar, 13. Auflage 2011, Rdn. 314, Anhang zu § 12 m.w.N.). Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung, (schweres) Verschulden des Schädigers und Subsidiarität (Erman, a.a.O., Rdn. 315; juris, PK-BGB, Band 2, BGB, Rdn. 44 zu § 253). Zwar steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main fest, dass der Beklagte durch die Veröffentlichung der Bilder und des Schreibens des … das Persönlichkeitsrecht des Klägers in rechtswidriger Weise verletzt hat. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ist aber keine schwere. Dies folgt aus der Tatsache, dass der Kläger sich durch die Teilnahme an einer Demonstration rechtsextremer Personen in … mit seiner rechtsextremen politischen Gesinnung selbst in die Öffentlichkeit begeben hat. Der Kläger hat zudem durch die Veröffentlichung eines eigenen Bildes auf der öffentlich zugänglichen Internetplattform Facebook, welches ihn in einem T-Shirt der Marke … abbildet, öffentlich zu erkennen gegeben, dass er zu einem Personenkreis gehört, der rechtsextreme Auffassungen vertritt. Das Tragen von Kleidungsstücken dieser Marke gilt allgemein als Erkennungszeichen von Rechtsextremisten. Wenn der Kläger in solcher Weise seine extremen politischen Ansichten öffentlich macht, muss er damit rechnen, dass politische Gegner dies aufgreifen und ihn in der politischen Auseinandersetzung auch hart angreifen. Die bloße Weitergabe des Briefes und die Veröffentlichung der beiden Bilder durch den Beklagten sind bei dieser Sachlage nicht als eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers zu bewerten.

Es fehlt auch an dem erforderlichen Tatbestandsmerkmal der Subsidiarität. Hierunter ist zu verstehen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nicht auf andere Weise Genugtuung erlangt haben darf. Weil der Kläger vor dem Oberlandesgericht mit seinem Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten weitgehend obsiegt hat, hat er bereits ausreichende Genugtuung erfahren (vgl. BGH NJW 1970, 1077).

Ein Anspruch aus § 253 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Kläger zum einen seinen Anspruch nicht auf die behaupteten körperlichen Beeinträchtigungen stützt und zum anderen hierfür Beweis nicht angeboten hat.

Weil die geltend gemachte Hauptforderung nicht besteht, kann der Kläger von dem Beklagten Ersatz für seine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß den §§ 280, 286, 249 BGB nicht verlangen.

Auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 823 Abs. 1, 249 BGB in Höhe von 250,00 €, der ausweislich der vorgelegten Beitragsrechnung der Höhe nach der Selbstbeteiligung der Rechtsschutzversicherung des Klägers entspricht, steht dem Kläger nicht zu. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der geltend gemachte Anspruch dem Kläger wegen der von ihm zu tragenden Selbstbeteiligung in der Rechtsschutzversicherung quotenbevorrechtigt zusteht. Der Kläger kann jedenfalls Zahlung an sich selbst nicht verlangen, weil er für seine Behauptung, er habe den Betrag an den Klägervertreter gezahlt, beweis nicht angeboten hat. Der Kläger hat die Vorlage eines Kontoauszuges zwar angekündigt, diesen aber nicht vorgelegt. Urkundsbeweis im Zivilprozess wird durch Vorlage einer Urkunde, nicht durch Ankündigung der Vorlage einer Urkunde angetreten. Die anwaltliche Versicherung des Klägervertreters ist allenfalls zur Glaubhaftmachung, nicht aber zum Beweis der Zahlung geeignet. Wegen der nicht bewiesenen Zahlung der Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger nur ein Freistellungsanspruch zu, der auf Zahlung an seinen Prozessbevollmächtigten gerichtet wäre. Diesen Anspruch hat der Kläger aber nicht geltend gemacht. Der Freistellungsanspruch hat sich auch nicht gemäß § 250 BGB wegen einer Zahlungsverweigerung des Beklagten in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er den Beklagten auf Freistellung von seinen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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