Unkenntnis über die eigene Domaininhaberschaft schützt nicht vor Ansprüchen von berechtigten Dritten

20. Oktober 2014
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Urteil des LG Arnsberg vom 11.08.2014

Verletzt der Inhaber einer Domain durch diese das Namensrecht eines Dritten, so kann er sich nicht auf Unwissenheit hinsichtlich seiner Inhaberschaft berufen, oder darauf, dass er die Domain nicht selbst angemeldet hat. Als Inhaber der Domain hat er die Entscheidungsgewalt bezüglich der Domain und ihrer Inhalte. Ansprüche des tatsächlichen Namensträgers auf Freigabe der Domain, sowie auf Erstattung der durch den Streit entstandenen Kosten können sich aus dem verschuldensunabhängigen § 12 BGB ergeben, setzen also gerade keine Kenntnis von der eigenen Stellung als Domaininhaber voraus. Eine Verletzung des Namensrechts durch eine Domain ist gegeben, wenn sie mit den Namen des Namensträgers identisch sind oder aus ihm abgeleitet werden können und dem Domaininhaber keine Rechte an dem Namen zustehen.

Landgericht Arnsberg

Urteil vom 11.08.2014

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Freigabe einer Domain und den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin ist Inhaberin eines Brauhauses … , mit dem Namen … . Sie beauftragte die Fa. … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, den Vater der Beklagten, mit der Erstellung einer Internetpräsenz für das Brauhaus unter der Domain „…“. Der Vater der Beklagten registrierte die streitbefangene Domain sodann nicht auf die Klägerin, sondern auf die Beklagte. Diese wurde dadurch Inhaberin und administrativer Ansprechpartner der Domain. Nach Abschluss der Beauftragung verlangte die Klägerin von dem Vater der Beklagten die Herausgabe der streitgegenständlichen Domain. Dieser verweigerte die Herausgabe, da die Klägerin zunächst die Sicherung von vier Domains bezahlen sollte. Die Klägerin beantragte daraufhin bei der DENIG eG in Frankfurt am Main die streitbefangene Domain zu ihren Gunsten mit einem DISPUTE-Eintrag zu versehen. Die Eintragung wurde von der DENIC eG mit Schreiben vom 08.11.2013 bestätigt (zur Gerichtsakte gereichte Anlage K7). Mit außergerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.11.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Übertragung und zur Freigabe der streitbefangenen Domain auf sowie zur Abgabe einer strafbefangenen Unterlassungserklärung bis zum 25.11.2013. Ebenfalls forderte sie die Beklagte zum Ausgleich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 Euro bis zum 30.11.2013 auf (zur Gerichtsakte gereichte Anlage K2). Mit außergerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2013 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass diese sich als Domaininhaberin nicht auf etwaige Ansprüche ihres Vaters berufen könne. Wegen des genauen Inhalts wird auf die als Anlage K4 zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung des Schreibens vom 22.11.2013 Bezug genommen. Mit außergerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2013 rügte die Beklagte ihre Passivlegitimation und teilte mit, dass die streitbefangene Domain Zug um Zug gegen Zahlung der Forderungen der Fa. … GmbH herausgegeben werden würde. Wegen des genauen Inhalts wird auf die als Anlage K5 zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung des Schreibens vom 28.11.2013 Bezug genommen. Am 16.12.2013 gab die Beklagte die streitbefangene Domain an die Klägerin durch Mitteilung des Auth-Codes heraus.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Klagegrund bzgl. des Klageantrags zu 1.) nach Anhängigkeit aber vor Rechtshängigkeit der Klage weggefallen sei. Daher habe die Beklagte die gesamten. Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der zunächst beantragte Freigabeanspruch habe der Klägerin aufgrund einer Verletzung ihres Namensrechts zugestanden. Sie habe stets nur die Freigabe der streitbefangenen Domain verlangt. Der „wegen“-Zusatz der Klageschrift „Domainherausgabe“ sei falsch formuliert gewesen. Die Rechtsprechung setzte den Begriff „Freigabeanspruch“ mit dem Anspruch auf Löschung einer Domain gleich.

Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hat, die Beklagte 1.) zu verurteilen, durch schriftliche Erklärung gegenüber der zuständigen Vergabestelle — der DENIC eG, Kaiserstr. 75 – 77, 60329 Frankfurt am Main — die Internetdomain freizugeben sowie die Beklagte 2.) zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten an die Klägerin in Höhe von 745,40 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen, hat die Klägerin die Klage bzgl. des Klageantrags zu t) zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten an die Klägerin in Höhe von 745,40 Euro zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass sie keine Kenntnis davon gehabt habe, dass ihr Vater die Domain vertragswidrig auf ihren Namen registriert habe (Zeugnis__). Sie ist der Ansicht, sie sei nicht passivlegitimiert, da zwischen ihr und der Klägerin keinerlei vertragliches Verhältnis bestehe. Die Herausgabe der Domain sei ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt und ohne dass die Klägerin einen Anspruch darauf gehabt hätte.

Die Klageschrift ist am 09.12.2013 bei dem Landgericht Arnsberg eingegangen. Sie wurde der Beklagten am 17.01.2014 zugestellt. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig:

Das angerufene Gericht ist sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG für die Entscheidung in der Sache zuständig, da der Streitwert ursprünglich mehr als 5.000,00 Euro betragen hat. Die Klagerücknahme ändert daran nichts, wird die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus §§ 12, 13 ZPO.

Die Klagerücknahme bzgl. des Klageantrags zu 1.) war ohne Zustimmung der Beklagten zulässig, § 269 Abs. 1 ZPO.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 745,40 Euro nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.

Die Klägerin kann als Berechtigte den Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als Aufwendungen gemäß § 670 BGB verlangen, da die Beklagte ihr Namensrecht verletzt hat, der abgemahnte Freigabeanspruch im Zeitpunkt des Abmahnschreibens bestanden hat und weil sie diese Aufwendung für erforderlich halten durfte. Der Freigabeanspruch der Klägerin bzgl. der streitbefangenen Domain folgte aus § 12 BGB. Gemäß dieser Norm kann der Berechtigte von einem anderen die Beseitigung von Beeinträchtigungen verlangen, die entstehen, wenn das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt wird, dass der andere unbefugt den gleichen Namen gebraucht. Die Inhaberschaft der streitbefangenen Domain durch die Beklagte stellte einen solchen unbefugten Namensgebrauch dar.

Die streitbefangene Domain fällt zunächst unter den Namenbegriff des § 12 BGB. Eine Internetadresse unterfällt dem Schutzbereich der Norm, wenn sie mit dem Namen identisch oder aus ihm abgeleitet ist (BGH NJW 02, 2031). Dies ist vorliegend der Fall. Die Domain _ beinhaltet den Namen des klägerischen Unternehmens. Sie ist von dem Namen des Brauhauses abgeleitet und ist bis auf den Bindestrich und die Kleinschreibung identisch.

§ 12 BGB ist auch anzuwendendes Recht. Grundsätzlich können auch Domainnamen unter den markenrechtlichen Schutz fallen, der einer Anwendung des allgemeinen Namensrechts aus § 12 BGB vorgehen würde. § 12 BGB ist jedoch anwendbar, wenn entweder der Namensträger oder der Domaininhaber nicht im geschäftlichen Verkehr tätig ist (vgl. Heine/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12, Rn. 246). Vorliegend ist die Beklagte nicht im geschäftlichen Verkehr tätig.

Die Beklagte hat durch ihre Inhaberschaft der streitbefangenen Domain das Namensrecht der Klägerin durch eine Namensanmaßung verletzt. Voraussetzung für eine solche Verletzung des § 12 BGB im Zusammenhang mit einer Domain ist ein unbefugter Gebrauch des Namens, eine Zuordnungsverwirrung und die Verletzung schutzwürdiger Interessen des Namensträgers (vgl. Heine/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12, Rn. 250). Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Grundsätzlich führt die bloße Registrierung eines fremden Namens bereits zu einem Namengebrauch (vgl. Heine/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12, Rn. 251). Die Beklagte hat die streitbefangene Domain zwar nicht selbst registriert.

Sie ist jedoch durch die Registrierung Inhaberin der Domain geworden und war als administrativer Ansprechpartnerin eingetragen. Ihr oblag demnach die tatsächliche Entscheidungsgewalt bzgl. der Domain und ihrer Inhalte, auch wenn es ihr bis zu dem außergerichtlichen Schreiben der Klägervertreter vom 18.11.2013 womöglich nicht bewusst gewesen ist. Ihre Unkenntnis ist unschädlich, ist der Anspruch ‚aus § 12 BGB verschuldensunabhängig (vgl. Ellenberger/Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 12, Rn. 36). Es reicht aus diesem Grund bereits die bloße tatsächliche Inhaberschaft der streitbefangenen Domain aus.

Eine Zuordnungsverwirrung wird durch den Gebrauch eines fremden Namens als Domainnamen indiziert. Es ist nicht erforderlich, dass die Beklagte in derselben Branche tätig Ist wie die Klägerin (vgl. Heine/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12, Rn. 252). Für einen Besucher der streitbefangenen Domain war zudem nicht erkennbar, dass er sich nicht auf einer Internetseite der Klägerin befand, sondern dass die Domain auf die Beklagte registriert war.

Die Inhaberschaft der Beklagten war auch unbefugt im Sinne des § 12 BGB. Unbefugt ist eine Namensnutzung immer dann, wenn dem Domaininhaber kein eigenes Recht an den Namen zusteht (BGH NJW 2008, 3716; NJW 2003, 2978, 2979). Zu einer solchen Befugnis hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Auch eine Interessenverletzung der Klägerin durch die Domaininhaberschaft der Beklagten war gegeben. Die Verletzung folgt bereits daraus, dass ein Domainname nur einmal vergeben werden kann und der Namensträger durch die Sperrwirkung der Domainregistrierung von der Nutzung ausgeschlossen ist (u.a. BGH NJW 2002, 2031, 2033). Auch das Erfordernis, dass es sich um eine Domain handeln muss, die den Namen in identischer Form wiedergibt, ist erfüllt (vgl. Heine/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12, Rn. 259). Die Klägerin konnte von der Beklagten daher die Freigabe bzw. Löschung der Registrierung der streitbefangenen Domain verlangen, da sie selbst beabsichtigte, die Domain für sich zu nutzen. Das schutzwürdige Interesse der Klägerin wäre nur durch eine ausdrückliche Erklärung ihrerseits entfallen, die Domain nicht selbst nutzen zu wollen (vgl. Heine/Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 12, Rn. 259).

Die Klägerin durfte die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Fertigung des Abmahnschreibens auch für erforderlich halten. Sie hatte bereits von dem Vater der Beklagten die Herausgabe der Domain verlangt, was dieser abgelehnt habe, da die

Klägerin der Fa. … GmbH zuerst die Sicherung mehrerer Domains bezahlen sollte. Die Klägerin durfte daher davon ausgehen, dass eine weitere Durchsetzung ihrer Ansprüche .auch gegen die Beklagte ohne anwaltlich Hilfe nicht erfolgsversprechend wäre, insbesondere, da sie nicht davon ausgehen musste, dass der Vater der Beklagten womöglich ohne deren Wissen die streitbefangene Domain auf die Beklagte registriert und dass er sie dabei als zur … GmbH zugehörig angeben hatte.

Die Klägerin durfte die angefallenen Rechtsanwaltskosten auch für angemessen und vernünftig halten (vgl. Sprau/Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 670, Rn. 4). Der angesetzte Gegenstandswert von 10.000,00 Euro ist im Falle der Geltendmachung eines Freigabeanspruchs angemessen (vgl. z.B. LG Düsseldorf, Schlussurteil vom 12.03.2013, Az. 2a 0 371/10). Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten entsprechen denen des RVG.

Die Abmahnung entsprach schließlich zumindest auch dem objektiven Interesse der Beklagten im Sinne des § 683 S. 1 BGB als Unterlassungsschuldnerin gemäß § 12 BGB, da sie zur Beseitigung des Eingriffs ins das Namensrecht der Klägerin verpflichtet war, das Abmahnschreiben zur Beseitigung dieses Eingriffs geeignet war und sich das spätere gerichtliche Verfahren hätte vermeiden lassen können.

Der Freigabeanspruch war auch nicht durch etwaige Gegenansprüche ausgeschlossen oder die Durchsetzung gehemmt. Es mag sein, dass der … GmbH vertragliche Ansprüche gegen die Klägerin zustehen, die der Vater der Klägerin als Geschäftsführer durchsetzen könnte. Diese Ansprüche kann die Beklagte jedoch nicht der Klägerin entgegenhalten. Zwischen den Parteien besteht kein vertragliches Verhältnis und die Beklagte steht in keiner Beziehung zu der GmbH, die es ihr ermöglichen würde, die vertraglichen Ansprüche der GmbH gegenüber der Klägerin geltend zu machen.

2.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 187 ZPO analog.

Der Antrag der Klägerin war bei verständiger Auslegung dahingehend zu verstehen, dass sie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 verlangt. Die Beklagte befand sich durch die Fristsetzung zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bis zum 30.11.2013 ab dem 01.12.2013 im Verzug.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Beklagten waren wegen des Grundsatzes der Einheit der Kostenentscheidung auch die Kosten, im Hinblick auf den zurückgenommenen Klageantrag zu 1.) aufzuerlegen. Dies entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitgegenstandes entsprechend § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO billigem Ermessen, denn die Beklagte wäre bei streitiger Entscheidung unterlegen und ist der Klagegrund nach Anhängigkeit aber noch vor deren Rechtshängigkeit der Klage weggefallen.

Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

 

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