Kommentar Top-Urteil

BGH sorgt für Klarheit: Keine Haftung der Lufthansa für Flugausfälle wegen Pilotenstreiks

22. August 2012
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Flugzeug auf der Startbahn

Streitfrage nun höchstrichterlich geklärt

Nachdem die Deutsche Lufthansa 2010 zahlreiche Flüge wegen Pilotenstreiks strich, klagten zwei Kunden auf eine Ausgleichszahlung. Ihr Flug aus Miami nach Deutschland war von der Annullierungswelle betroffen. Untere Instanzen urteilten hierbei jedoch unterschiedlich – nun schaffte der BGH Klarheit und lehnte die Ausgleichzahlung ab.

2004 stärkt eine EU-Verordnung die Rechte der Passagiere

Nach Maßgabe der Fluggastrechteverordnung kann Reisenden unter gewissen Umständen eine über die Rückerstattung hinaus gehende Ausgleichszahlung zustehen. Dies ist dann der Fall, wenn der Flug massiv verspätet ist oder -wie hier- gänzlich ausfällt. je nach Flugdistanz kann sich der Kunde über bis zu EUR 600.- freuen. Damit Fluggesellschaften jedoch nicht stets haften, enthält die EU-Verordnung auch den Verweis auf „außergewöhnliche Umstände“, die insbesondere vorliegen, wenn für das Unternehmen die Gegebenheiten nicht beherrschbar sind. In diesem Fall haftet die Airline nicht.

Gretchenfrage

Damit galt es zu klären, ob ein Pilotenstreik, der den Ausfall des Fluges verursachte, ein solches unbeherrschbares Ereignis darstellt. Passagiere klagten auf die Ausgleichszahlung. Die Lufthansa sah im Streik naturgemäß ein unbeherrschbares Ereignis. Ferner legte sie dar, eine großangelegte Reorganisierung der verfügbaren Flugzeuge und Piloten durchgeführt zu haben, um wirklich nur eine Mindestzahl an Flügen annullieren zu müssen. Die beiden Verfahren, zuletzt anhängig beim LG Köln und LG Frankfurt a.M., endeten unterschiedlich:

Kölner Richter sprechen Entschädigung zu

Die Airline habe in keinster Weise substantiiert dargelegt, wirklich alles Erforderliche zur Schadensbegrenzung unternommen zu haben, so das AG. Daher müsse sie -sogar unabhängig von der Unabwendbarkeit des Streiks- die Ausgleichszahlung leisten. Die Berufung beim LG Köln endete auf anderem Wege, doch mit demselben Ergebnis:  Schon die Unbeherrschbarkeit des Streiks negierte das Gericht hier. Es liege in der Hand der Lufthansa, die Personal- und Lohnpolitik so zu gestalten, dass eine Streiksituation nicht entsteht. Zwar habe die Airline alles unternommen, um die Schäden gering zu halten, doch mangels Unbeherrschbarkeit sei dies ohne Belang.

Andere Ansicht in Frankfurt a.M.

Während das AG Frankfurt a.M. sich einen Anspruch auf Ausgleichszahlung bejahte, erteilte das LG Frankfurt a.M. dem Anspruch auf eine Ausgleichzahlung eine klare Absage: Der Streik stelle ein unbeherrschbares Ereignis dar, was sich bereits aus der Verordnung selbst ergebe. Ferner hätte der Lufthansa keine Möglichkeit offen gestanden, die Annullierung des Flugs aus Miami zu verhindern. Insbesondere sei sie nicht verpflichtet gewesen, weitere Piloten anzustellen. Daher könne keine Zahlung gefordert werden.

Die Frage geht an den X. Zivilsenat des BGH

Eine Airline kann das Eintreffen eines Streiks regelmäßig nicht beherrschen. Diese Situation trifft sie von außen: Allein die Arbeitnehmerseite hat im Rahmen der ihr zukommenden Tarifautonomie die Entscheidungsgewalt, damit liegt diese gerade außerhalb des Airline-Betriebs. Daran ändert auch nichts, dass der Streik hier von Cockpit, der Gewerkschaft der Piloten, also vorliegend der eigenen Angestellten, und nicht z.B. von Fluglotsen, die einem dritten Unternehmen zugehörig sind, verursacht wurde. Danach konnte sich die Lufthansa der Ausgleichszahlungspflicht entziehen, sofern sie auch alles versuchte, die Beeinträchtigungen zu minimieren. Dies war unter Würdigung insbesondere der umfassenden Reorganisierung der Fall. Die Stornierung genau eines einzelnen Flugs kann auch nicht als beherrschbar betrachtet werden, weil stattdessen auch ein anderer hätte annulliert werden können.

Fazit

Insgesamt hat sich die Airline also nach Kräften bemüht, so viele Fluggäste wie nur möglich zu befördern. Der Ausfall einiger Flüge war für die Lufthansa nicht beherrschbar. Folglich haben die Passagiere, die ihren Flug dennoch nicht antreten konnten, keinen über die Rückerstattung der Flugkosten hinaus gehenden Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.

Verfahrensgang:

Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 138/11
AG Köln – Urteil vom 25. Oktober 2010 – 142 C 153/10
LG Köln – Urteil vom 27. Oktober 2011 – 6 S 282/10

Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 146/11
AG Frankfurt am Main – Urteil vom 24. März 2011 – 32 C 2262/10-41
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 8. November 2011 – 2-24 S 80/11

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