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Google muss Suchergebnis mit Unternehmenspersönlichkeitsrechtsverletzung löschen

23. Juni 2015
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Ein Internetfeld für die Sucheingabe, das ein Finger berührt. Der Hintergrund ist blau Beschluss des OLG München vom 27.04.2015, Az.: 18 W 591/15

Ergebnisse einer Suchmaschine, bei deren Inhalt es sich um unwahre Tatsachenbehauptungen handelt, die geeignet sind das Ansehen eines Unternehmens in der Öffentlichkeit zu schädigen, müssen vom Betreiber der Suchmaschine aus der Ergebnis-Liste entfernt werden.

Konkret ging es um einen Blog-Eintrag, dessen Inhalt beim Durchschnittsleser den Eindruck erweckt, die Staatsanwaltschaft ermittle wegen Betrugs gegen das im Zusammenhang genannte Unternehmen. Tatsächlich handelt es sich jedoch um Ermittlungen wegen Kapitalanlagebetrugs, was - so das Oberlandesgericht - einen erheblichen Unterschied darstelle. Damit sieht das Gericht das Unternehmenspersönlichkeitsrecht des Unternehmens verletzt und der entsprechende Beitrag ist zu entfernen.

Oberlandesgericht München

Beschluss vom 27.04.2015

Az.: 18 W 591/15

 

In Sachen

(…)

– Antragstellerin und Beschwerdeführerin –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum, Stadtwaldgürtel 81-83, 50935 Köln,

(…)

gegen

Google Inc., 1600 Amphitheatre Parkway Mountain View, CA 94043 USA, USA – Vereinigte Staaten –

– Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin –

wegen Unterlassung

hier: Beschwerde

erlässt das Oberlandesgericht München – 18. Zivilsenat – durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht (…),

die Richterin am Oberlandesgericht (…) und den Richter am Oberlandesgericht (…) am 27.04.2015 folgenden

 

Beschluss

 

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 04.03.2015 aufgehoben und folgende einstweilige Verfügung erlassen:

 

Einstweilige Verfügung

 

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepulik Deutschland bei Eingabe der Suchworte „(…)betrugsverdacht“ in die Suchmaske der Antragsgegnerin unter www.google.de das folgende und aus Anlage LHR 1 ersichtliche Suchergebnis aufzuzeigen:

„23.07.14 14:46 (…) unter Betrugsverdacht Staatsanwalt ermittelt (…) Das Geschäftsmodell von (…) sieht vor, dass“

und dabei auf die Webseite mit der URL

(…)

zu verlinken, wenn aus dieser Inhalte wie aus Anlage LHR 2 (Anlage zu dieser einstweiligen Verfügung) ersichtlich sind.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Streitwert des Besachwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

 

I.

Die Antragsgegnerin betreibt eine Suchmaschine im Internet. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 26.02.2015 gegen die Anzeige eines Suchergebnisses bei Eingabe eines bestimmten Suchbegriffs in die Suchmaske der Antragsgegnerin sowie gegen die Verlinkung auf die angegriffene Textberichterstattung unter einer konkreten URL. Bei diesem Text handelt es sich um einen Blogbeitrag. Der Verfügungsantrag ist auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt Auf Bl. 1/17 d.A. wird Bezug genommen. Das Landgericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 04.03.2015, der Antragstellerin am 10.03.2015 zugestellt, zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 27/34 d.A. Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 24.03.2015, zugegangen am gleichen Tag, legte die Antragstellerin Beschwerde ein. Wegen der Begründung wird auf Bl.35/44 d.A. Bezug genommen. Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.03.2015 (Bl. 45/48 d.A.) nicht ab.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, so dass der Beschluss des Landgerichts München I vom 04.03.2015 aufzuheben und dem Verfügungsantrag stattzugeben war. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG zu, denn der Inhalt des Suchergebnisses, bei dem es sich um ein Snippet handelt, sowie die Verlinkung auf die angegriffene Äußerung in dem Blog verletzen sie rechtwidrig in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Die Antragsgegnerin haftet als Störerin, da sie die ihr obliegenden Prüfpflichten verletzt hat. Wiederholungsgefahr ist gegeben. Auch der Verfügungsgrund ist zu bejahen.

1.

Ein Verfügungsanspruch ist entgegen der Ansicht des Landgerichts zu bejahen.

a.

Die internationale Zuständigkeit für die auf persönlichkeitsrechtliche Ansprüche gestützten Anträge auf Unterlassung der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. deren Ermöglichung ist gegeben.

Nach den vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 02.03.2010 (VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 20 mwN) aufgestellten Grundsätzen sind die deutschen Gerichte zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinn aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden lnteressen – lnteresse der Antragstellerin an der Achtung ihres Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse der Antragsgegenerin an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere aufgrund des Inhalts der konkreten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten ist oder eintreten kann. Dies ist vorliegend anzunehmen, da eine Kenntnisnahme des beanstandeten Suchergebnisses und der damit verlinkten Website nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit der Meldung der Fall ist, und die von der Antragstellerin behauptete Beeinträchtigung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch Kenntnis des Suchergebnisses und die mit dieser verlinkte Website (auch) im Inland eintritt (vgl. auch BGH, Urteil vom 29.3.2010 – VI ZR 111/10, vom 14.5.2013 – VI ZR 269/12 und vom 14.05.2013 – VI ZR 269/12).

b.

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler deutsches Recht angewandt. Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung grundsätzlich dem Recht desjenigen Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Der Verletzte kann jedoch nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 und 3 EGBGB im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des Vorverfahrens verlangen, dass anstelle dieses Rechts das Recht des Staates angewandt wird, in dem auch der Erfolg eingetreten ist. Von dieser Möglichkeit hat die Antragstellerin vorliegend Gebrauch gemacht. Der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB maßgebliche Erfolgsort liegt in Deutschland. Hier wird die Achtung der in Deutschland ansässigen Antragstellerin gestört bzw. gefährdet (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2013, a.a.O., und vom 08.05.2012 – VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 31 – auch zur Nichtanwendbarkeit der Rom II-Verordnung und zu § 3 TMG als sachlich-rechtliches Beschränkungsverbot). Es kann offenbleiben. ob die Antragstellerin ihr Bestimmungsrecht durch die Erklärung im Schriftsatz vom 26.02.2015, die der Antragsgegnerin noch nicht zugegangen ist (vgl. zur Rechtsnatur des Bestimmungsrechts gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. OLG Celle, Urteil vom 06.09.2012 – 13 U 18/12 m.w.N.; Münchener Kommentar zum BGB. 6. Aufl., 2015 Art. 40 EGBGB Rdnr. 35 bis 38), ausgeübt hat hat. Denn die Ausübung des Bestimmungsrechts kann auch außerhalb des Prozesses erfolgen und ist formfrei möglich (OLG Celle, a.a.O.; Münchener Kommentar. aaO, Rdnr. 38). Im Streitfall hat die Antragstellerin durch das Heranziehen allein deutscher Normen zur Begründung ihrer Ansprüche in den Anwaltsschriftsätzen vom 29.01.2015 (LHR 8. Seite 8) und 23.02.2015 (LHR 11, Seite 17), die dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorausgingen, das Optionsrecht zumindest konkludent ausgeübt. Es ist davon auszugehen, dass die anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragstellerin die Wahlbefugnis nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 BGB kannten, d.h. das erforderliche Erklärungsbewusstsein hatten, das Bestimmungsrecht ausüben zu wollen (vgl. Münchener Kommentar, a.a.O., Rdnr. 38).

c.

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist zu bejahen. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin nicht vorrangig den Autor des streitgegenständlichen Blogbeitrags oder den Blogbetreiber in Anspruch nimmt (vgl. EuGH, Entscheidung vom 13.05.2014 – C-131/12, Juris Abs. 82).

d.

Für die Auslegung der angegriffenen Äußerungen ist neben dem Wortlaut auch der Kontext zu berücksichtigen, in dem sie stehen (BGH, Urteile vom 22.9.2009 – VI ZR 19/08; vom 3.2.2009 – VI ZR 36/07; vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03; vom 30.1.1996 – VI ZR 386, 94; vom 28.6.1994 – VI ZR 252/93; alle zitiert nach juris). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erläuterten Maßstabes eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, Rn. 3).

e.

Unter Zugrundelegung dieses Grundsatz versteht der maßgebliche Durchschnittsleser die angegriffenen Textpassagen wie folgt:

Sowohl das streitgegenständliche Suchergebnis, als auch der mit diesem verlinkte Blogbeitrag enthalten die Tatsachenbehauptung, dass staatsanwaltschaftlich (durch einen Staatsanwalt) gegen Verantwortliche der Antragstellerin (…) wegen Betruges im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell der Antragstellerin ermittelt werde. Dies ergibt sich im Suchergebnis aus der Äußerung „(…) unter Betrugsverdacht, Staatsanwalt ermittelt“ dem die Worte „Das Geschäftsmodell von (…) sieht vor, dass…“ nachfolgen. Auf der verlinkten Website folgt dieses Verständnis des Lesers aus der Überschrift „Wirtschaftsstrafrecht“ und der Äußerung “ (…) unter Betrugsverdacht, Staatanwalt ermittelt“ in Verbindung mit dem unvollständigen Satz „Das Geschäftsmodell von (…) sieht vor, dass Immobilienobjekte unter Verkehrswert erworben…“. Soweit die Äusserung des Bloggers beginnend mit der Angabe „23.07.14 12:07 | Germany | (…) … Die Wände damit besprühen (…)“ und endend mit den Worten „klare Kiste zuteilen eine Kläger solcher“ noch weitere Textpassagen enthält, die die Thematik „Sachbeschädigung“ assoziieren, ordnet der Durchschnittsleser diese nicht der die Antragstellerin betreffenden Textpassage zu. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass die Website mit der streitgegenständlichen URL, wie aus der Anlage LHR 2 ersichtlich, in der Mitte eine Fotografie enthält und sich sodann ein Text mit der Überschrift „www. (…).de“ bis zum unteren Seitenrand anschliesst. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage LHR 2 Bezug genommen.

Soweit das Suchergebnis noch das Datum „23.07.2014“ und „Juli 23rd.2014“ und die mit diesem verlinkte Äusserung die Angabe „23.07.14 14:46“ sowie „Mittwoch, Juli 23rd, 2014“ enthalten, folgert der Leser hieraus jeweils, dass es sich um den Zeitpunkt der Mitteilung handelt. Nicht dagegen nimmt er an, dass der Zeitpunkt des Beginns der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, über die berichtet wird, angegeben wird.

Dem obigen Textverständnis steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Suchergebnis um ein sog. Snippet handelt und sowohl das Suchergebnis („Das Geschäftsmodell von […] sieht vor, dass“) als auch die Äußerung des unbekannten Bloggers („Das Geschäftsmodell von […] sieht vor, dass Immobilienobjekte unter Verkehrswert erworben…“) bereits jeweils im ersten Satz nach dem Komma mit „abreissen“. Obwohl das Snippet und der Blogbeitrag nicht aus ganzen Sätzen bestehen, ist den Texten im Kontext dennoch jeweils der eigene und ausreichend geschlossene Aussagegehalt zu entnehmen, dass die, also eine Staatsanwaltschaft, gegen Verantwortliche der Antragstellerin wegen Betruges ermittle.

f.

Bei den Äußerungen handelt es sich nicht um Meinungsäußerungen, sondern um Tatsachenbehauptungen.

Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG, NJW 2000, 199, 200 m.w.N.). Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Wahrheit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (BGH, Urteil vom 23.02.1999 – VI ZR 140/98, VersR 1999, 1162 f. und vom 27.04.1999 – VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251. 1252 mwN.; BGHZ 154, 54, 60; BVerfGE 61, 1, 9 = NJW 1983,1415, 1416 85, 1, 14 = NJW 1992, 1439, 1440). Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs vom unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 139, 95, 102 und BGH, Urteil vom 30.05.2000 – VI ZR 276/99).

Enthält eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff, so deutet dies zwar grundsätzlich darauf hin, daß sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen ist. Als Tatsachenmitteilung ist eine solche Äußerung jedoch dann zu qualifizieren, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Hierfür ist der Kontext entscheidend, in dem der Rechtsbegriff verwendet wird (BGH, Urteil vom 27.04.2009 – VI ZR 174/97: Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03; Urteil vom 27.04.1999 – VI ZR 174/97).

Ausgehend hiervon versteht der Durchschnittsleser die angegriffene Äußerung, gegen Verantwortliche der Antragstellerin werde von der Staatanwaltschaft wegen des Verdachts des Betruges ermittelt, nicht als bloße Rechtsauffassung. Vielmehr ruft die Einstufung des Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand im Streitfall die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervor, die als solche mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Der Leser stellt sich konkret vor, dass die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts ermittle, dass Anleger oder Kunden der Antragstellerin durch das Geschäftsmodell im strafrechtlichen Sinne betrogen, also konkret geschädigt worden seien. Dieses Verständnis ergibt sich in dem Suchergebnis aus der Zusammensetzung des Wortes „Betrugsverdacht“ mit dem Wort „Staatsanwaltschaft“ sowie dem Hinweis auf „das Geschäftsmodell der (…) „. Auf der verlinkten Website ist die Äußerung „(…) unter Betrugsverdacht, Staatsanwaltschaft ermittelt“ mit der in großen Lettern gestalteten Überschrift „Wirtschaftsstrafrecht“ überschrieben. Zudem wird im letzten Satz zu dem betreffenden Eintrag nicht lediglich auf „das Geschäftsmodell der (…) „. sondern auch darauf hingewiesen, „dass lmmobilienobjekte unter Verkehrswert erworben“ wurden oder werden. Der Leser versteht den Begriff „Betrug“ in diesem Kontext so, dass behauptet wird, Verantwortliche der Antragstellerin hätten einen Betrug in Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell begangen. Der Leser kennt den Begriff Betrug aus dem Strafrecht und weiß, dass es sich um einen Straftatbestand handelt, der zur Voraussetzung hat, dass andere Personen geschädigt wurden.

g.

Die Tatsachenbehauptungen sind unwahr. Die Antragstellerin hat mit dem vorgelegten Schreiben der Staatsanwaltsschaft (…) (Anlage LHR 12) glaubhaft gemacht, dass gegen Verantwortliche der Antragstellerin nicht wegen Betruges gemäß § 263 StGB, sondern wegen Kapitalanlagebetruges gemäß § 264a StGB ermittelt wird. Der Verlautbarung der amtlichen Stelle ist ein gesteigertes Vertrauen entgegenzubringen (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10).

h.

Die Antragstellerin ist von den angegriffenen Äußerungen betroffen. Es wird das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin verletzt.

Der Antragstellerin als juristischer Person steht das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 EMRK geschützte Unternehmenspersönlichkeitsrecht zu. Der geschützte Bereich ist betroffen, wenn die juristische Person und ihre Tätigkeit zu Objekten einer herabwürdigenden Kritik gemacht werden (BGH, Urteil vom 01.12.2014 – VI ZR 39/14, NJW 2015, 773 m.w.N.; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. Kap. 5 Rnr. 125). Dies ist hier der Fall.

Durch die streitgegenständlichen Äußerungen sind die unternehmensbezogenen Interessen der Antragstellerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt sind (Palandt/Sprau BGB 74. Aufl. § 823 Rnr. 92), denn die Äußerungen unter namentlicher Nennung der Antragstellerin sind geeignet, ihr unternehmerisches Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen und ihr damit auch wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Ob gegen ein Unternehmen bzw. Verantwortliche eines Unternehmens wegen Betruges gemäß § 263 StGB oder wegen Kapitalanlagebetruges gemäß § 264a StGB ermittelt wird, ist erheblich. Vorliegend kommt es hinsichtlich der Frage, ob die Antragstellerin von dem Inhalt des Suchergebnisses sowie des Links betroffen ist, nicht auf die Vorstellungen des Durchschnittslesers darüber, welche konkreten Tatbestandsvoraussetzungen ein „Kapitalanlagebetrug“ hat, sondern darauf an, inwieweit sich die beiden Strafnormen voneinander unterscheiden. Der Tatbestand des § 264a StGB befindet sich zwar im 22. Abschnitt des Strafgesetzbuches „Betrug und Untreue“ und ist mit der Überschrift „Kapitalanlagebetrug“ versehen, ist jedoch mit dem Tatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB nicht vergleichbar. § 264a StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das im Verhältnis zu § 263 StGB ein zum selbständigen Tatbestand erhobenes Versuchsdelikt enthält, das weit in den Vorbereitungsbereich hineinragt. Es ist weder die Täuschung eines individuellen Anlegers noch eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung noch der tatsächliche Eintritt eines Schadens nötig. § 264a StGB tritt hinter § 263 StGB zurück, wenn es tatsächlich zu einer Täuschung eines konkreten Anlegers kommt. Tathandlung ist die Verbreitung tatsächlicher Informationen durch schriftliche oder mündliche Äußerungen in Werbemitteln, die aufgrund des unrichtigen Inhalts geeignet sind, bei potenziellen Anlegern Fehlvorstellungen über die mit den Anlageobjekten verbundenen Risiken hervorzurufen. Täter kann jedermann sein. Die Tat des Kapitalanlagebetrugs ist bereits mit Zugänglichmachen der Werbemittel gegenüber einem größeren Personenkreis verwirklicht. Zu diesem Zeitpunkt ist die Tat gleichzeitig auch beendet.

i.

Die Antragsgegnerin haftet auf Unterlassung sowohl für die Verbreitung des Snippets als auch für die über das Suchergebnis vorgenommene Verlinkung auf den streitgegenständlichen Blogbeitrag. Sie kann als Störerin in Anspruch genommen werden, da sie nach den erforderlichen und ausreichenden Hinweisen durch die Antragstellerin nicht die ihr möglichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern. Somit hat sie die ihr obliegenden Prüf- und Kontrollpflichten verletzt.

aa.

Eine Haftung der Antragsgegnerin steht nicht das Haftungsprivileg des § 10 TMG entgegen. Die Antragsgegnerin ist Dienstanbieterin gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG (BGH, Urteil vom 14.05.2013 – VI ZR 269/12). Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin nicht wegen „eigener“ Inhalte, sondern wegen des Zugänglichmachens und Präsentierens von Fremdinhalten in Anspruch, für die der Dienstanbieter gemäß §§ 8 bis 10 TMG nur eingeschränkt haftet. Jedoch ist § 10 TMG nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar (BGH, Urteil vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08; Urteil vom 25.10.2011- VI ZR 93/10; BGHZ 181, 328 Rn. 13 f.).

bb.

Sowohl das streitgegenständliche Snippet, als auch die streitgegenständliche Verlinkung auf den Beitrag des anonymen Autors sind am Maßstab der Störerhaftung zu messen (vgl. EuGH, Entscheidung vom 13.05.2014 – C-131/12; LG Hamburg. Urteil vom 07.11.2014 – 324 O 660/12). Bei dem Snippet handelt es sich nicht um die Verbreitung eines Inhalts, den die Antragsgegnerin selbst generiert hat. Dem Snippet kommt vorliegend auch ein eigener Aussagegehalt zu (siehe oben), so dass dem Suchergebnis nicht lediglich eine bloße Nachweisfunktion, der kein adäquat-kausaler Beitrag beizumessen wäre, zukommt. In der vorgenommenen Verlinkung liegt erkennbar ebenso kein Zueigenmachen des Beitrags des anonymen Autors in dem streitgegenständlichen Blog, da die Antragsgegnerin aufgrund der individuellen Suchanfrage das Ergebnis in der beschriebenen Form erstellt und dem Nutzer anzeigt. Auch dem streitgegenständlichen Blogbeitrag kommt ein eigener Aussagegehalt zu, obwohl er einen unvollständigen Satz enthält (siehe oben).

cc.

Die Haftung eines Störers besteht jedoch nicht uneingeschränkt, sondern setzt, um nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt zu werden, die die rechtswidrige Beinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten voraus. Vorliegend hat die Antragsgegnerin ihre Prüfpflichten verletzt.

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin vorliegend auf die Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts hingewiesen (vgl. BGH, Urteil 14.05.2013 – VI ZR 269/12), es handelte sich um eine anlassbezogene, konkrete und belegte Beanstandung, die hinreichend qualifiziert war, die Antragsgegnerin in die Lage zu versetzen, die Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Antragstellerin zu überprüfen.

Die Antragsgegnerin hat die ihr möglichen und zumutbaren Kontrollmaßnahmen nicht ergriffen, Sie hat keine Sperrung der beanstandeten Inhalte in Verbindung mit der konkreten Suchworteingabe „(…) betrugsverdacht“ veranlasst, um zukünftig eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Antragstellerin zu verhindern. Diese Verpflichtung folgt aus der Abwägung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts der Antragstellerin mit der durch Art. 2 und 14 GG geschützten wirtschaftlichen Tätigkeit der Antragsgegnerin (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2013, a.a.O.).

Dabei ist zugunsten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. dass die von ihr betriebene Suchmaschine nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt ist und sie für den jeweiligen Nutzer einen wichtigen Beitrag zur Informationsgewinnung leistet. Der Antragsgegnerin ist es jedoch möglich, Suchergebnisse mit Nachweisen zu bestimmten Suchergebnissen zu sperren.

Hinsichtlich der Interessen der Antragstellerin ist zu beachten, dass wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts seine Reichweite nicht absolut festliegt, sondern diese erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteile vom 08.05.2012 – Vl ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35 vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12, jeweils mwN).

Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BGH, Urteile vom 08.05.2012 – VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37 vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (BGH, Urteil vom 11.12.2012 – VI ZR 314/10; Urteil vom 22.04.2008 – VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34 BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN). Vorliegend stand bereits im Zeitpunkt der Äußerung am 23.07.2014 fest, dass die Tatsachenbehauptung unwahr ist. Es kommt daher nicht auf die Prüfung der Frage an, ob die angegriffene Äußerung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig oder unzulässig ist. Die Antragstellerin muss die Tatsachenbehauptung daher nicht hinnehmen, da an der Verbreitung dieser unwahren Tatsache kein berechtigtes Informationsinteresse besteht.

Dem Umstand, dass die Antragsgegnerin somit auf eine rechtswidrige Berichterstattung verlinkt bzw. einen rechtswidrigen Inhalt im Rahmen des Snippets verbreitet, kommt ein erhebliches Gewicht zu.

Insgesamt überwiegen die Rechte der Antragstellerin die betroffenen Interessen der Antragsgegnerin, mit der Folge, dass diese den ihr möglichen und zumutbaren Prüfpflichten nicht genügt hat.

j.

Die erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor.

3.

Auch der Verfügungsgrund ist zu bejahen. Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihre anwaltliche Bevollmächtigte von dem streitgegenständlichen Suchergebnis einschließlich des Links auf die streitgegenständliche Website, wie aus LHR 2 ersichtlich, erst am 27.01.2015 Kenntnis erlangt hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Streitwert wurde in Ansehung §§ 47, 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO bestimmt.

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