Abbildung eines bekannten Fahrzeugs auf einem Aufkleber kann Markenverletzung darstellen

11. März 2014
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Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 21.10.2013, Az.: 6 W 82/12

Die Darstellung eines bekannten und als Bildmarke eingetragenen Fahrzeugs auf einem Aufkleber kann eine Markenverletzung darstellen, auch wenn die Form abgewandelt ist. Im Falle einer bekannten Marke reicht es aus, dass ein Verbraucher die Aufmachung der Kennzeichen mit der eingetragenen Marke verknüpft. Hierbei kann auch ein Grad der Zeichenähnlichkeit ausreichen, der geringer ist, als der zur Begründung einer Verwechslungsgefahr notwendige Grad. Entscheidend ist, ob durch die Gestaltung die Wertschätzung dieser Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird, da bei einer bekannten Marke gerade der Schutz der Werbefunktion im Mittelpunkt steht.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss vom 21.10.2013

Az.: 6 W 82/12

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse des Antragsgegners.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Nachdem beide Parteien das Eilverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die Kosten gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Maßgebend ist der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang, also die Frage, wer bei einer Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich obsiegt hätte.

Obsiegende Partei wäre aller Voraussicht nach die Antragstellerin gewesen, da ihr Eilantrag zulässig und begründet war.

Der Eilantrag war zulässig, er wurde insbesondere bei einem örtlich zuständigen Gericht erhoben. Die beim Landgericht Kiel zum Zeitpunkt der Einleitung des Eilverfahrens anhängige negative Feststellungsklage führte nicht dazu, dass dieses als Gericht der Hauptsache gemäß § 937 Abs. 1 ZPO allein örtlich zuständig geworden wäre. Hauptsache im Sinne dieser Vorschrift ist nur die auf Unterlassung gerichtete Leistungsklage, nicht aber die negative Feststellungsklage. Es handelt sich um zwei verschiedene Streitgegenstände, weil das Rechtsschutzziel der Leistungsklage über den Streitgegenstand der Feststellungsklage hinausgeht (BGH, Urteil vom 07.07.1994, Az. I ZR 30/92, Rz. 22 bei Juris – Parallelverfahren II). Der Zweck des § 937 ZPO, sich widerstrebende Entscheidungen zu vermeiden, rechtfertigt es jedenfalls nicht, auch die negative Feststellungsklage als Hauptsache zu behandeln, da es den Verletzten in jedem Fall unbenommen bleibt, Leistungsklage vor einem anderen, nach § 14 Abs. 2 UWG zuständigen Gericht zu erheben; er kann nicht darauf verwiesen werden, diese als Widerklage in dem Feststellungsverfahren zu erheben (BGH a.a.O., Rz. 26). Die gegenteilige Auffassung würde zu einer nicht hinnehmbaren Verkürzung der Rechte des Verletzten und einer gleichfalls nicht zu rechtfertigenden Besserstellung des Verletzers führen, da Letzterer es in der Hand hätte, den ihm genehmen Gerichtsstand sofort nach der Abmahnung durch die Erhebung einer negativen Feststellungsklage festzulegen (BGH a.a.O., Rz. 26). Diese Erwägung gilt in gleicher Weise für die Einleitung des Eilverfahrens (so die nunmehr herrschende Meinung, OLG Köln, GRUR-RR 2012, 288; OLG Hamburg GRUR 2001, 361; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren 10. Auflage, Kapitel 54 Rz. 3; Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 31. Auflage § 12, Rz. 3.3). Der Senat hält an seinem früher vertretenen gegenteiligen Standpunkt (Beschluss vom 12.09.1995, Az. 6 W 78/95 = WRP 96, 27; Beschluss vom 06.03.1997, Az. 6 W 1/97 = GRUR 97, 485) nicht mehr fest.

Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit gemäß §§ 935, 940 ZPO ist gegeben. Aus der Nichtanwendbarkeit des § 12 UWG im Markenrecht folgt nicht, dass an die Darlegung und Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes wesentlich höhere Anforderungen zu stellen wären. Vielmehr ist aufgrund der von jeder Markenverletzung ausgehenden Gefährdung für die geschützte Marke ein berechtigtes Interesse des Markeninhabers, weitere Verletzungshandlungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes alsbald zu unterbinden, regelmäßig zu bejahen; insoweit kann jedenfalls der in § 12 UWG zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke auch auf das Markenrecht angewendet werden (Beschluss des Senats vom 09.08.2002, Az. 6 W 103/02). Der Antragstellerin kann nicht vorgeworfen werden, sie habe durch ihr eigenes Verhalten zu erkennen gegeben, dass ihr die Angelegenheit nicht dringlich sei. Sie hat den Antragsgegner unstreitig zeitnah nach Kenntniserlangung von der Verletzungshandlung am 27. Februar 2012 abgemahnt. Am 15.03.2012 ist ihr die negative Feststellungsklage zugestellt worden und am 30.03.2012 hat sie ihren Eilantrag bei Gericht eingereicht. Sie hat damit ihr Interesse an der alsbaldigen Unterbindung der Markenverletzung bekundet. Unerheblich ist es mit Rücksicht auf das eingeleitete Eilverfahren, dass die Antragstellerin in dem Feststellungsverfahren vor dem Landgericht Kiel eine Verlängerung der Klageerwiderungsfrist beantragt hat.

Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus Art. 98 Abs. 1, 9 Abs. 1 lit. c GMV. Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 18. September 2006 eingetragenen Gemeinschaftsmarke …. Hierbei handelt es sich um eine Bildmarke, die den „…-Bus“, dargestellt in fünf verschiedenen Perspektiven, zeigt.

Diese Bildmarke wird nicht als kumulativ aus fünf Bildern bestehend wahrgenommen – bei diesem Verständnis ergäbe sie keinen Sinn – sondern als Abbildung eines Erzeugnisses, welches um des genaueren Eindrucks Willen – vergleichbar einer dreidimensionalen Marke – aus verschiedenen Blickwinkeln dargestellt ist. Der markenrechtliche Schutz hat zwar von der eingetragenen Gestaltung der Marke auszugehen (BGH GRUR 2000, 506, Rz. 54 bei juris – ATTACHE/ TISSERAND). Das schließt es aber nicht aus, dass zwei- und dreidimensionale Gestaltungen einander derart ähneln, dass sie verwechslungsfähig sind (BGH, a. a. O.; GRUR 2008, 505, Rz. 19 – TUC-Salzcracker). Auch das legt es nahe, dass die Eintragung der Marke im Stil einer dreidimensionalen Gestaltung dem Verständnis als flächenhafte Darstellung nicht entgegensteht.

Bei einer Bildmarke, die den „…-Bus“ zum Gegenstand hat, handelt es sich um eine bekannte Marke (vgl. Urteil des Senats vom 10.03.2011, Az. 6 U 56/10, Rz. 22 bei Juris).

Eine bekannte Marke ist gemäß Artikel 9 Abs. 1 lit. c  gegen die Ausbeutung ihrer Wertschätzung geschützt. Die erforderliche Zeichenähnlichkeit ist gegeben. Hierbei ist nicht der gleiche Grad der Zeichenähnlichkeit zu fordern, wie er zur Begründung der Verwechslungsgefahr notwendig wäre. Das ergibt sich schon daraus, dass bei dem Schutz bekannter Marken gegen Beeinträchtigung nicht die Herkunftsfunktion allein betroffen ist oder auch nur im Vordergrund steht, sondern dass gerade der Schutz der Werbefunktion im Mittelpunkt steht (Ingerl/Rohnke Markengesetz 3. Auflage § 14 Rdn. 1254). Für einen markenmäßigen Gebrauch des Kollisionszeichen reicht es im Fall der bekannten Marke aus, dass der Verkehr die Aufmachung der Kennzeichen mit der Klagemarke gedanklich verknüpft (Senat a.a.O., Rz. 24 m. w. N.). Auch dies steht hier außer Zweifel.

Entscheidend ist mithin, ob durch die Gestaltung des streitbefangenen Aufklebers die Wertschätzung der Verfügungsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Auch das ist der Fall. Nach den Vorgaben in der L’Oreal-Bellure-Entscheidung des EuGH liegt der Unlauterkeitstatbestand der Rufausbeutung vor, wenn sich das angegriffene Zeichen in die Sogwirkung der älteren Marke begibt, um so von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf oder Ansehen zu profitieren. Hierfür ist eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich (EuGH GRUR 2009, 756, Tz. 41 ff.). Je unmittelbarer und stärker die Marke von dem Zeichen in Erinnerung gerufen wird, desto größer ist die Gefahr, dass die Unterscheidungskraft und Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird. Hier ist der Aufkleber so gestaltet, dass die Darstellung des Fahrzeugs den einzigen Inhalt der Dekoration ausmacht. Für einen Verbraucher kann das bekannte Fahrzeugmodell der Klägerin und eine hierauf bezogene Affinität den einzigen Grund für den Erwerb des Aufklebers darstellen.

Der Antragsgegner kann sich nicht auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofs berufen, mit denen in der Opel-Blitz II-Entscheidung eine Rufausbeutung abgelehnt worden ist. Der Bundesgerichtshof hat dort darauf abgestellt, dass wegen der Erwartungen, welche die angesprochenen Verkehrskreise an Modellspielzeug stellen und der darauf beruhenden jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreue Nachbildungen ein berechtigtes Interesse der Beklagten bestand, das Original-Zeichen der Klägerin als Kühlerbestandteil zu verwenden (BGH GRUR 2010, 726, Rz. 31 – Opel-Blitz II). Hier besteht ein solches berechtigtes Interesse des Antragsgegners nicht, denn dem Antragsgegner stehen unzählige Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, seine Aufkleber zu gestalten.

Der Antragsgegner kann sich auch nicht auf Kunstfreiheit gemäß Artikel 5 Abs. 3 GG berufen. Der Kunstfreiheit kann kein Vorrang vor den Eigentumsrechten des Markeninhabers gewährt werden, wenn mit der Zeichenverletzung ausschließlich kommerzielle Zwecke verfolgt werden (BGH GRUR 2005, 583, 585 – lila Postkarte). Letzteres ist hier der Fall, weil eine künstlerische Auseinandersetzung mit den Produkten und Marken der Antragstellerin nicht stattfindet, sie vielmehr nur zum Aufhänger für den Absatz der eigenen Produkte verwendet werden.

Der Umstand, dass die Antragstellerin ihren Eilantrag in erster Linie auf Artikel 9 Abs. 1 lit. b  gestützt hat und nur hilfsweise auf Artikel 9 Abs. 1 lit. c , hätte nicht zu einem teilweisen Unterliegen der Antragstellerin geführt, weil die Geltendmachung von Ansprüchen wegen Bekanntheitsschutz mit der Geltendmachung von Ansprüchen wegen Verwechslungsschutz einen Streitgegenstand darstellen (BGH GRUR 2012, 621, Rz. 32 – OSCAR).

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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