Anforderungen an eine dauerhafte Deaktivierung eines Social-Media-Accounts
Oberlandesgericht Dresden
Urteil vom 08.03.2022
Az.: 4 U 1050/21
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 07.05.2021 abgeändert und die Beklagte über Ziff. 1 und 2 hinaus verurteilt,
das am 28.02.2020 deaktivierte Profil des Klägers (Anmelde-Email: i…@yyy.de) auf www.xxx.com vollständig wiederherzustellen und insbesondere alle Verknüpfungen dieses Profils mit den Profilen anderer Nutzer, wie dies zum Löschungszeitpunkt bestand, wiederherzustellen; sowie dem Kläger Zugriff auf dieses Konto zu gewähren.
die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen, die der Kontodeaktivierung i.S.d. Ziff. 2 zugrunde liegen, aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, entsprechend zurückgesetzt wird.
den Kläger von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von weiteren 403,90 € durch Zahlung an die Kanzlei R… freizustellen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 4/5, der Kläger zu 1/5.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 27.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Löschung von Beiträgen des Klägers und die darauf folgende vollständige Sperrung und Deaktivierung seines Nutzerkontos bei dem von der Beklagten bereitgestellten sozialen Netzwerk. Der Kläger unterhielt ein Konto bei dem sozialen Netzwerk www.xxx.com der Beklagten, mit dem er unter seinem persönlichen Profil (Anmelde-Email: i…©yyy.de) Beiträge auf seiner eigenen Profilseite einstellen oder auf denen anderer kommentieren kann. Bei der Anmeldung hat der Kläger u. a. den Nutzungsbedingungen (Anlage K 1 und B 1 d.A.), den Gemeinschaftsstandards der Beklagten (Anlage K 3 und B 2 d.A.) und den Sonderbedingungen für Deutschland (Anlage K 23 und B 7 d. A.) zugestimmt. Im Frühjahr 2018 wies die Beklagte ihre Nutzer darauf hin, dass sie ihre Geschäftsbedingungen ändern würde. Den geänderten Nutzungsbedingungen vom 19.4.2018 einschließlich der Gemeinschaftsstandards stimmte der Kläger zu.
Im Zeitraum vom 31.1.2019 bis 11.1.2020 verlinkte der Kläger auf seiner Profilseite auf insgesamt fünf Videobeiträge (BI. 132-133 d.A.), davon drei Youtube-Videos des Aktivisten der Identitären Bewegung M… S… (Post 1-3), einen auf der Website „zzzzzz.net.“ und einen weiteren auf der Website „…-online.de“ veröffentlichten Beitrag. Alle Beiträge befassen sich in unterstützender Weise mit Aktivitäten der Identitären Bewegung. Für den Inhalt der verlinkten Beiträge wird im Einzelnen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Beklagte löschte alle die Verlinkungen enthaltenden Posts unmittelbar nach deren Einstellung. Am 26.2.2020 deaktivierte sie zudem dauerhaft den xxx-Account des Klägers. Dieser kann seitdem keine eigenen Beiträge mehr einstellen, fremde Beiträge nicht mehr kommentieren, den Messenger-Dienst der Beklagten nicht nutzen und sich nicht mehr über sein xxx-Konto auf anderen Internetseiten einloggen. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Email vom 28.02.2020 (BI.191 d.A., BI. 2 des Anlagenheftes) mit, dass sein Konto dauerhaft gesperrt wurde, weil die Standards der xxx-Gemeinschaft nicht eingehalten wurden. Auf ein außergerichtliches Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.03.2020 (BI. 1-6 des Anlagenheftes) reagierte die Beklagte nicht.
Einen zunächst gestellten Auskunftsantrag hat der Kläger nach Auskunftserteilung im erstinstanzlichen Verfahren für erledigt erklärt. Seine auf Wiederherstellung seines Kontos, Unterlassung künftiger Sperren, Datenberichtigung, Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung, weitere Auskunft, Schadensersatz und Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Klage hat das Landgericht mit Ausnahme eines geringfügigen Anteils an den geltend gemachten Anwaltskosten abgewiesen. Der Kläger habe durch die wiederholte Verlinkung auf Videos, die den Gemeinschaftsstandards der Beklagten zuwiderliefen, gegen seine Pflichten aus dem Nutzungsvertrag verstoßen. Die Gemeinschaftsstandards der Beklagten seien in den Vertrag einbezogen und wirksam, insbesondere verstießen sie nicht gegen § 307 BGB. Weder das klauselmäßige Recht der Beklagten, Inhalte zu löschen und Nutzerkonten zu sperren noch die in den Gemeinschaftsstandards enthaltenen Begriffe „Hassorganisation“ und „Hassrede“ seien intransparent oder in sonstiger Weise unangemessen. Die Identitäre Bewegung, die in den verlinkten Videos präsentiert werde, sei eine Hassorganisation in diesem Sinne, die der Kläger durch die Verlinkung zumindest der Videos 1-3 unterstützt habe. Dabei gehe die Verlinkung von Videos über die mit dem Teilen eines Fotos verbundene Wirkung hinaus und zeige in deutlicher Weise, dass sich der Kläger mit den Inhalten identifiziere. Die Kündigung des Nutzungsverhältnisses sei auch nicht nach § 314 BGB unwirksam, die Angabe des Kündigungsgrundes oder eine Abmahnung seien nicht erforderlich gewesen, weil der Beklagten die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses nicht zumutbar gewesen sei, weil der Kläger trotz wiederholter Beitragslöschungen immer wieder erneut ähnliche Beiträge verlinkt habe, was aus Sicht der Beklagten die Prognose gerechtfertigt habe, er werde ein vergleichbares Verhalten immer weiter fortsetzen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und vertieft. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Angabe eines Kündigungsgrundes keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung des Nutzungsverhältnisses gewesen sei. Der Bundesgerichtshof habe mit Urteilen vom 29. Juli 2021, Az. III ZR 179/20 und III ZR 192/20, festgestellt, dass die Geschäftsbedingungen der Beklagten zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Kontensperrung bei Verstößen gegen die in den Bedingungen festgelegten Gemeinschaftsstandards unwirksam seien, weil sich die Beklagte dort nicht dazu verpflichtet habe, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Gleiches gelte erst recht für Fälle vollständiger Kontodeaktivierungen wie sie in 4.2 der Nutzungsbedingungen der Beklagten enthalten seien. Auch unabhängig davon habe das Landgericht aber verkannt, dass das bloße Verlinken von Inhalten noch kein Zu-Eigen-Machen der Inhalte bedeute und demnach zunächst als neutrale Handlung gewertet werden müsse. Es habe überdies die Drittwirkung der Grundrechte des Klägers verkannt und der Beklagten ein zu weitgehendes Löschungsrecht eingeräumt. Da nach der Rechtsprechung des BGH sämtliche Beitragslöschungen und Nutzersperren, die auf Grundlage des unwirksamen Entfernungs- und Sperrvorbehaltes vorgenommen worden seien, rechtswidrig seien, habe er zugleich Anspruch auf eine umfassende Berichtigung seines Datenbestandes bei der Beklagten sowie einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf erneute Sperren ohne vorherige Anhörung mit der Möglichkeit zur Gegenäußerung und Neubescheidung. Diese Ansprüche könnten klageerweiternd auch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 07.05.2021 abzuändern.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das am 28.02.2020 deaktivierte Profil des Klägers (Anmelde-Email: i…@yyy.de) auf www.xxx.com vollständig wiederherzustellen und insbesondere alle Verknüpfungen dieses Profils mit den Profilen anderer Nutzer, wie dies zum Löschungszeitpunkt bestand, wiederherzustellen; sowie dem Kläger Zugriff auf dieses Konto zu gewähren.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird.
Nur hilfsweise für den Fall, dass das Gericht diesen Klageantrag für zu weitgehend erachten sollte: Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen, die der Kontodeaktivierung i.S.d. Ziff. 2 zugrunde liegen, aus dem Datensatz gelöscht und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, entsprechend zurückgesetzt wird.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagten kein Recht zustand, gegen den Kläger, ohne die Angabe von Gründen, am 28.02.2020 eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Kläger auf www.xxx.com zu sperren (insbesondere, ihm die Nutzung der Funktionen von www.xxx.com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder sein Konto zu deaktivieren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung/Kontodeaktivierung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gem. Ziff. 4 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgte und in letzterem Fall, durch welches.
7. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche.
8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.500,- € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2020 zu zahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 403,90 € durch Zahlung an die Kanzlei R… freizustellen.
Die Beklagte widerspricht der Klageerweiterung und beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung der Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresse, der auf Schadensersatz gerichtet Antrag mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Die übrigen Ansprüche bestünden nicht. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BGH beziehe sich nur auf vorübergehende Kontosperrungen und sei auf endgültige Kontodeaktivierungen nicht anwendbar, schon weil die Klausel in Nr. 4.2 den §§ 314, 626 BGB nachgebildet sei und damit einer AGB-Kontrolle nicht unterfalle. Auch hiernach sei eine Anhörung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht geboten. Die streitgegenständlichen Posts mit den darin enthaltenen Verlinkungen verstießen gegen das Verbot der Unterstützung von gefährlichen Personen und Vereinigungen, weil es sich bei der Identitären Bewegung um eine Hassorganisation handele. Einer Abmahnung habe es wegen der Schwere der Verstöße nicht bedurft, diese sei aber auch in der Entfernung des ersten Beitrags auf der Seite zu sehen, weil dem Kläger hiermit eindeutig zu verstehen gegeben worden sei, dass die Beklagte die in der Beitragsverlinkung zu sehende Unterstützung nicht tolerieren werde.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg und führte zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Der Kläger hat einen Anspruch auf Wiederherstellung seines Nutzerkontos aus §§ 280, 249 BGB. Hieraus folgt zugleich der Anspruch auf Wiederherstellung des vollständigen Profils; dass die zugrundeliegenden Daten des Klägers zwischenzeitlich gelöscht worden sind, ihr eine Wiederherstellung daher objektiv unmöglich ist, hat die Beklagte nicht substantiiert behauptet. Die weitergehende Berufung bleibt indes ohne Erfolg.
1. Der zwischen den Parteien bestehende Nutzungsvertrag ist nicht durch die Kündigung bzw. Deaktivierung des Kontos des Klägers beendet worden. Die Kündigung des Nutzungsvertrages seitens der Beklagten war unwirksam. Auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 29.7.2021 – III ZR 179/20 und III ZR 192/20), die dem Landgericht bei Abfassung des Urteils noch nicht bekannt war, war die Beklagte zur Wiederherstellung des Kontos des Klägers und zur Zurücksetzung des Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen festhaltenden „Zählers“ zu verurteilen.
a. In den o.a. Urteilen hat der Bundesgerichtshof im Einzelnen zu den einander gegenüberstehenden Grundrechtspositionen Stellung genommen, die bei der Durchsetzung der in den Nutzungsbedingungen der Beklagten aufgestellten Verhaltensregeln zu beachten sind. Dort hat er – ebenso wie zuvor der Senat – aus dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Grundsatz die Berechtigung der Beklagten abgeleitet, ein Verhalten auch dann den in den Nutzungsbedingungen im einzelnen aufgeführten Sanktionen zu unterwerfen, wenn es sich hierbei noch um nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässige Meinungsäußerungen handelt (vgl. nur BGH, Urteil vom 29.7.2021 III ZR 192/20 Rn 71 bei juris; Senat, NJW 2018, 3111). Allerdings seien hierbei verfahrensrechtliche Anforderungen zu beachten, die es geböten, den Nutzern zumindest das Recht auf Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen. Da Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen diesen Vorgaben nicht entsprach, ist diese Klausel vom BGH als unwirksam angesehen worden. Eine Unwirksamkeit von Ziff. 4.2 für den – hier gegebenen – Fall einer dauerhaften, in der Sache auf eine fristlose Kündigung des Nutzungsvertrages hinauslaufenden Deaktivierung sämtlicher Funktionen dieses Kontos hat der BGH in diesen Entscheidungen jedoch nicht ausgesprochen. Sie kommt auch nicht in Betracht, weil es sich bei dieser Klausel um eine im wesentlichen gesetzeswiederholende Bestimmung handelt, (ebenso für Ziff. 4.2 der Nutzungsbedingungen der Beklagten Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25. Januar 2022 – 3 U 119/20 –, Rn. 49, juris). Auch der Senat hat bereits entschieden, das sich die Regelung über die „Aussetzung und Kündigung von Konten“ in Ziff. 4. 2 der Nutzungsbedingungen eng an § 314 BGB anlehnt und daher eine Intransparenz dieser Vorschrift im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Betracht kommt (Senat, Urteil vom 16. Juni 2020 – 4 U 2890/19 –, Rn. 27, juris). Dies gilt auch insofern, als über Nr. 2.1 der Nutzungsbedingungen auch Verstöße gegen die Gemeinschaftsstandards zu Kündigungsgründen erklärt werden. Ein wichtiger Grund kann insofern auch darin liegen, dass der Schuldner mit seinem Verhalten die Grundlage des Vertrags in Frage stellt und die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche gefährdet (BGH NJW 1981, 1666, 1667; Böttcher aaO. § 314 BGB, Rn. 6). Für den Ausspruch der Kündigung selbst gilt § 307 BGB nicht.
b. Die vorübergehende (in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen geregelte) Deaktivierung und die dauerhafte Aussetzung oder Kündigung von Konten in Ziff. 4.2 erfordern in gleicher Weise eine Abwägung der gegenüberstehenden Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz, was nach der o.a. Rechtsprechung des BGH auch die Berücksichtigung verfahrensrechtlicher Sicherungen beinhaltet. Dass die Netzwerkbetreiber vor dem Ergreifen von Sanktionen die ihnen zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts ergreifen müssen, gilt nicht nur für vorübergehende Maßnahmen, sondern erst recht für die dauerhafte Kündigung eines Nutzerkontos, die die Grundrechte des Nutzers in weitaus stärkerem Maße beeinträchtigt als etwa die 30-tägige Versetzung in den „read-only“-Modus. Eine solche Sachverhaltsaufklärung vor einer fristlosen Kündigung wird sowohl in den §§ 314, 626 BGB als auch in Ziff. 4.2. der Nutzungsbedingungen durch das Regelerfordernis der Abmahnung sichergestellt. Der Senat hat bereits entschieden, dass die bloße Unterstützung einer Hassorganisation die Kündigung des Unterstützeraccounts grundsätzlich nur dann rechtfertigen kann, wenn zuvor eine „gewährte Abhilfefrist“ abgelaufen oder eine Abmahnung erfolglos ausgesprochen wurde. Eine Frist für die Abhilfe ist nur dann nicht erforderlich, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflichten ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn nach Abwägung der Interessen beider Parteien besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen (Senat, Urteil vom 16. Juni 2020 – 4 U 2890/19 –, Rn. 36, juris). Auch eine Abmahnung ist nach § 314 BGB nur unter diesen Voraussetzungen entbehrlich. Abweichend hiervon hat sich die Beklagte in Ziff. 4.2 ihrer Nutzungsbedingungen ihr Recht zur Ausübung einer fristlosen Kündigung jedoch in jedem Fall an eine vorherige Abmahnung geknüpft und sich lediglich eingeräumt, im Einzelfall auf eine Abhilfefrist zu verzichten. Eine solche Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften ist, da sie ausschließlich den Nutzer begünstigt, ohne weiteres zulässig. Bei verständiger Würdigung von Ziff. 4.2. der Nutzungsbedingungen ist allerdings die fristlose Kündigung des Nutzungsvertrages trotz fehlender Abmahnung dann zulässig, wenn sie nicht auf ein gegen die Nutzungsbestimmungen gestütztes Verhalten, sondern auf eine gegen die grundsätzliche, im Widerspruch zu den Gemeinschaftsstandards stehende politisch-ideologische Ausrichtung des Nutzers und die dadurch hervorgerufene Zerrüttung des Vertragsverhältnisses gestützt wird, wie dies bei „Hassorganisationen“ im Sinne der Gemeinschaftsstandards der Fall ist (Senat Urteil vom 16. Juni 2020 – 4 U 2890/19 –, Rn. 46, juris). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
c. Anders als die Beklagte und das Landgericht annehmen, liegt vorliegend aber in der Verlinkung in den Fällen 2) und 3) auf Videos des M… S… in Kenntnis der Löschung der ersten Verlinkung kein Verhalten, das ausnahmsweise eine außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt hätte. Das OLG Brandenburg hat in der o.a. Entscheidung (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 25. Januar 2022 – 3 U 119/20 –, Rn. 52 – 53, juris) zu einem erneuten Posting nach Beitragslöschung und einer hierauf gestützten fristlosen Kündigung ausgeführt:
„Die Funktion einer Abmahnung besteht darin, dem Schuldner die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen und ihn vor den Folgen einer Fortsetzung zu warnen; erst die Missachtung dieser Warnung lässt die weitere Vertragsfortsetzung für den Gläubiger regelmäßig unzumutbar erscheinen. Eine Abmahnung muss daher dem Schuldner vor Augen führen, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht und er für den Fall weiterer Verstöße mit vertraglichen Konsequenzen rechnen muss (BGH, Urt. v.12.10. 2011 − VIII ZR 3/11). Die Abmahnung hat eine Rüge-, Warn- und Ankündigungsfunktion und gibt dem Abgemahnten zugleich auch eine zweite Chance, durch zukünftiges vertragsgerechtes Verhalten eine Kündigung des Vertrags abzuwenden. Des Weiteren hat die Abmahnung den Zweck, eine sichere Prognosegrundlage für die Beurteilung der Rechtfertigung einer möglicherweise nachfolgenden Kündigung zu schaffen. Gerade die wiederholte Vertragsverletzung trotz erfolgter Abmahnung begründet häufig die Negativprognose bezüglich künftiger Vertragsverletzungen (Wiederholungsgefahr) (NK-BGB/Stefanie Jung, 4. Aufl. 2021, BGB § 314 Rn. 45). Anders als das Landgericht ausgeführt hat, lässt sich nicht feststellen, dass aufgrund der Wiederholung eines bereits von der Beklagten beanstandeten Verstoßes zu erwarten war, dass der Kläger sein Verhalten ohnehin nicht ändern würde, so dass eine Abmahnung aufgrund eines bereits eingetretenen irreparablen Vertrauensbruches bereits deshalb entbehrlich war.“
So liegt der Fall auch hier. Auch wenn man unterstellt, dass dem Kläger selbst die Person des M… S…, die Rolle der Identitären Bewegung und deren im Wesentlichen verfassungsfeindliche Bestrebungen, die zu einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz geführt haben, bekannt waren, konnte die Beklagte gleichwohl nicht davon ausgehen, dass der Kläger auch bei einem Hinweis auf die Folgen weiterer Verstöße die Verlinkung auf Videos dieser Organisation fortsetzen und damit sein Nutzungsverhältnis gefährden würde. Dies gilt umso mehr, als – gerichts- und allgemeinbekannt – die Löschung von Beiträgen auf xxx und den anderen sozialen Netzwerken der Beklagten in den meisten Fällen nicht aufgrund einer individuellen Abwägung, sondern auf den von der Beklagten eingesetzten Algorithmen beruht, die mehr oder weniger grobschlächtig auf vermeintliche Verstöße reagieren, dabei aber vielfach auch zulässige Verhaltensweisen sanktionieren. Die bloße Löschung eines Beitrages oder einer Verlinkung hat daher eine so geringe Aussagekraft, dass sich hieraus ohne weiteres nicht einmal die Wiederholungsgefahr für einen gegen die Beklagte gerichteten Unterlassungsanspruch ableiten lässt (Senat, Beschlüsse vom 4.10.2021 4 W 625/21 und vom 5.10.2021 1407/21 beide juris). Umgekehrt kann der Nutzer eine solchen Löschung aber auch nicht entnehmen, dass die Beklagte aufgrund einer eingehenden Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen zu dieser Entscheidung gelangt ist, eine Wiederholung seines Verhaltens daher mit der Gefahr einer Kündigung verbunden ist. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Kläger nach der Löschung des Beitrages 1) nicht erneut auf diesen, sondern auf andere Beiträge des M… S… (Beitrag 2 und 3) und anderer Nutzer (Beitrag 4 und 5) verlinkt hat, die mit dem Erstbeitrag zwar in der Stoßrichtung vergleichbar aber nicht identisch sind. Worauf im Einzelnen die Beklagte den Verstoß gegen ihre Gemeinschaftsrichtlinien in diesen Videos gestützt hat, war aus der bloßen Löschung der Links aber nicht zu ersehen. Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich auch im Übrigen nicht entnehmen, warum ihr eine Abmahnung zum Preis eines vorübergehenden Verbleibs des Klägers auf ihrem sozialen Netzwerk unzumutbar gewesen wäre. Ob in der bloßen, nicht durch einen befürwortenden Kommentar begleiteten Verlinkung auf einen Videobeitrag vorliegend überhaupt eine die Unterstützung einer Hassorganisation im Sinne der Nutzungsbedingungen gesehen werden kann, braucht unter diesen Umständen nicht entschieden zu werden.
2. Einen Anspruch auf die begehrte Datenberichtigung und Zählerzurücksetzung hat der Kläger nur in Form des Hilfsantrags. Dieser folgt auch insoweit aus §§ 280, 241, 249 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag (vgl. Senat Urteil vom 12. Januar 2021 – 4 U 1600/20 –, juris). Der mit dem Hauptantrag Nr. 2 geltend gemachte weitergehende Anspruch auf Datenberichtigung, der in das Berufungsverfahren im Wege der Klagerweiterung eingeführt wurde und auf umfangreiche Sperrungen zu nicht näher genannten Zeiträumen gestützt wird („Bisherige Einschränkungen“ im Zeitraum 5.9. – 29.3. ohne Jahresangaben, Bl. 398 d.A.) ist nach § 533 ZPO unzulässig. Die Beklagte ist der Klagerweiterung entgegengetreten. Da es sich hierbei um zeitlich der Kündigung vor- oder nachgelagerte Sachverhalte handelt, zu deren Grundlagen im Einzelnen nichts bekannt ist, kann die Klageänderung auch nicht auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat nach § 529 ZPO ohnehin zu berücksichtigen hätte.
3. Für den unter Ziff. 4 gestellten Feststellungsantrag fehlt bereits das Feststellungsinteresse. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses sein (vgl. BGH, Urteil vom 07. Juni 2001 – I ZR 21/99 -, Rn. 150 – 151, m.w.N. – juris). Dagegen ist eine Klage auf Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses wie hier der Rechtswidrigkeit eines bestimmten, in der Vergangenheit erfolgten Verhaltens der Beklagten, unzulässig (vgl. BGH, a.a.O.). Soweit sich aus der möglichen Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Sperrung Rechtsfolgen in der Gegenwart ergeben, wie beispielsweise der gleichfalls geltend gemachte Unterlassungsanspruch bzw. der Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung, ist der Kläger auf die vorrangige Leistungsklage zu verweisen, ohne dass es einer isolierten Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Maßnahme bedarf (Senat, Urteil vom 12. Januar 2021 – 4 U 1600/20 –, Rn. 30, juris; Beschluss vom 11.12.2019 – 4 U 1618/19; vgl. LG Bremen, Urteil vom 20. Juni 2019 – 7 O 1618/18 -, Rn. 42, juris).
4. Einen Anspruch gegen die Beklagte, es künftig zu unterlassen, ihm die Nutzung der Funktionen wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten oder sein Konto zu deaktivieren, ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung/Kontodeaktivierung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen (Ziff. 5), hat der Kläger nicht. Da es vorliegend nicht zu einer vorübergehenden Sperre auf der Grundlage von Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen, sondern zu einer dauerhaften Kündigung nach Ziff. 4.2 gekommen ist, fehlt für eine gegen eine vorübergehende Sperre und den vorübergehenden Ausschluss von den Nutzungsfunktionen bereits die – auch für einen vertraglichen Unterlassungsanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB erforderliche – Wiederholungsgefahr, die regelmäßig einen begangenen Vertragsverstoß voraussetzt. Überdies ist die Beklagte auch nicht gehalten, vor einer vorübergehenden Sperre stets eine Anhörungsmöglichkeit einzuräumen; wie ausgeführt reicht insoweit die Einräumung eines Rechts auf nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung aus (BGH, Urteil vom 29.7.2021 – III ZR 179/20; III ZR 192/20 Rn 99). Für die mit dem Antrag zugleich gegen die dauerhafte Aussetzung der Nutzungsfunktionen und Kündigung gerichtete Klage besteht ein solches pauschales Anhörungserfordernis ohnehin nicht, vielmehr knüpfen 4.2 der Nutzungsbedingungen – wie ausgeführt – an den Ablauf einer „gewährten Abhilfefrist“ oder eine erfolglose Abmahnung an.
5. Der Kläger hat auch – wie der Senat ebenfalls bereits mehrfach entschieden hat – trotz der rechtswidrigen Deaktivierung seines Kontos weder einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die mögliche Beteiligung eines beauftragten Unternehmens, noch bezüglich möglicher Weisungen von Seiten der Bundesregierung (Ziff. 6 und 7). Ersterer kommt mangels einer spezialgesetzlichen Grundlage nur nach § 242 BGB in Betracht. Dies setzt voraus, dass der Anspruchsberechtigte über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete unschwer in der Lage ist, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (BGH, Urteil vom 17.07.2002 – VIII ZR 64/01). Seinerseits wird dieser allgemeine Auskunftsanspruch aber ebenfalls durch § 242 BGB begrenzt. Seine Geltendmachung ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Auskunft für den in Frage stehenden Anspruch unter keinem Aspekt relevant ist oder wenn der Gläubiger sie zu „sachwidrigen Zwecken begehrt“ (Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 259 Rz. 9). So liegt es hier, denn selbst – wofür keine Anhaltspunkte bestehen und wofür der Kläger auch keinen Beweis angetreten hat – die Löschungen durch einen von der Beklagten beauftragten Dienstleister vorgenommen werden sollten, kämen Direktansprüche gegen diesen nicht in Betracht. Zudem ist nicht ersichtlich, welchen Schaden er hierdurch überhaupt erlitten haben sollte. Das Auskunftsbegehren ist daher unbegründet (Senatsbeschluss vom 11.06.2019 – 4 U 760/19). Ebenso scheitert ein Auskunftsanspruch des Klägers bezüglich möglicher Weisungen von Seiten der Bundesregierung. Die durch das NetzDG ausgelösten Handlungsaufforderungen für Betreiber sozialer Netzwerke lassen sich bereits ohne Weiteres dem Gesetzestext entnehmen, für eine weitergehende Einflussnahme im konkreten Einzelfall hat der Kläger keine durchgreifenden Indiztatsachen behauptet. Die Annahme, die Bundesregierung oder eine nachgeordnete Stelle der öffentlichen Verwaltung habe im vorliegenden Fall auf die Beklagte eingewirkt, um den Post des Klägers zu sperren, liegt ersichtlich fern und knüpft eher an in einschlägigen Kreisen über das Internet verbreitete Verschwörungstheorien an (so bereits Senatsbeschluss vom 11.06.2019 – 4 U 760/19). Die Geltendmachung eines Auskunftsanspruches mit dem eine Aussage des in Anspruch Genommenen über durch nichts belegte Behauptungen erzwungen werden soll, ist als Fall des Rechtsmissbrauchs unzulässig (vgl. auch insoweit Senat, Urteil vom 12. Januar 2021 – 4 U 1600/20 –, Rn. 32 – 33, juris).
6. Schließlich kommt auch der begehrte Schadensersatzanspruch trotz der formell rechtswidrigen Kündigung nicht in Betracht. Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 7.10.2021 – teilweise unter Bezug auf die Rechtsprechung des Senats – in einem vergleichbaren Rechtsstreit ausgeführt:
“ Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB, da ihr kein materieller Schaden entstanden ist. Die Folgen der vertragswidrigen Sperrung des Kontos führen nicht zu einer Beeinträchtigung des Vermögens oder absoluter Rechte der Klägerin (vgl. OLG München, Urteil vom 07.10.2020 – 18 U 1491/19 Pre Tz. 199 f.; OLG München, Urteil vom 08.12.2020 – 18 U 5493/19 Pre Tz 88, juris). In den Fällen, in denen die Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts beeinträchtigt ist, wird ein materieller Schaden nur dann angenommen, wenn sich die Beeinträchtigung typischerweise als solche auf die „materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt“; Nichtvermögensschäden sind gemäß § 253 BGB nur unter den dort aufgeführten Bedingungen zu ersetzen (vgl. BGH, NJW 2013, 1072 Tz. 9 f.). Wenn nach der Verkehrsauffassung ein Nutzungsverlust sich nur als individuelle Genussschmälerung, nicht jedoch als wirtschaftlicher Schaden darstellt, ist kein Anspruch gegeben. In dem zitierten Urteil hat der BGH ausnahmsweise Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, den Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen, bejaht, weil die Nutzbarkeit des Internets (insgesamt) ein Wirtschaftsgut sei, dessen ständige Verfügbarkeit auch im privaten Bereich für die eigene wirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung sei. Im vorliegenden Fall liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die fehlende Möglichkeit, über das soziale Netzwerk – das trotz seiner marktbeherrschenden Stellung nur eine von vielen Möglichkeiten darstellt, sich öffentlich zu äußern – seine Meinung zu verbreiten, kann nicht annähernd mit einer solchen Beeinträchtigung der Lebenshaltung verglichen werden und stellt daher keinen Vermögensschaden dar, sondern nur eine immaterielle Beeinträchtigung.
Der Klägerin steht wegen der erfolgten Maßnahmen auch kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu. Bei der von der Klägerin insofern geltend gemachten Geldentschädigung handelt es sich nicht um Schmerzensgeld im Sinne von § 253 BGB, sondern um einen ungeschriebenen Ausgleichsanspruch aufgrund eines Eingriffs in das grundgesetzlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dabei wird ein Anspruch regelmäßig erst dann zugesprochen, wenn ein schwerwiegender Eingriff von der Art ist, dass Rechtsbehelfe, die auf die Unterlassung bzw. Beseitigung der Störung zielen, die Verletzungsfolgen nicht hinreichend ausgleichen können (BGHZ 128, 1; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.08.1998 – 6 U 64/97 – juris; OLG Köln, NJW 2017, 835). Bei der Beurteilung, ob ein schwerwiegender Eingriff vorliegt, kommt es insbesondere auf Bedeutung und Tragweite des Eingriffs sowie auf Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad des Verschuldens an (vgl. BGHZ 128, 1, Rn. 73). Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch liegen nicht annähernd vor. Die entgangene Möglichkeit, Beiträge in einem sozialen Netzwerk zu veröffentlichen, stellt bereits keine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts dar, insbesondere wird weder in die Intim- noch in die Privatsphäre der Klägerin eingegriffen. Die Möglichkeiten der Klägerin, ihre Meinung kundzutun und am sozialen Leben teilzunehmen, sind auch ohne ein xxx-Konto vielfältig. Auch ein schwerwiegendes Verschulden der Beklagten ist angesichts dessen, dass zum einen die eingestellten Beiträge gegen die geltenden Gemeinschaftsstandards verstießen, zum anderen ein schwerwiegender Verstoß in Form des Betriebs weiterer Konten vorlag, nicht gegeben. Schließlich stehen der Klägerin gegen die Sperre gerichtlich durchsetzbare Ansprüche zu, die gerichtlich – auch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes – durchgesetzt werden können (vgl. OLG München, Urteil vom 08.12.2020 – 18 U 5493/19 Pre Tz 87).
Ein Schadensersatzanspruch ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer „fiktiven Lizenzgebühr“ begründet. Die Klägerin hat insofern – entsprechend der Argumentation im Falle einer zeitweisen Sperrung eines Kontos – vorgetragen, die Beklagte nutze während der Sperrung die Daten der Klägerin weiter, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Die Beklagte hat dies – unter Hinweis darauf, dass das Konto vollständig deaktiviert wurde – bestritten. Hierauf hat die Klägerin (AS I, 247) ebenfalls mit einer auf eine vorübergehende Sperre bezogene Argumentation reagiert, aber nicht dargelegt, dass auch bei einer vollständigen Deaktivierung eine Datennutzung stattfinde. Das OLG München hat ferner zu Recht in Zweifel gezogen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag um einen gegenseitigen im Sinne von §§ 320 ff BGB handelt (vgl. OLG München, Urteil vom 08. Dezember 2020 – 18 U 5493/19 Pre –, Rn. 101, juris). Im Übrigen spricht gegen einen Schadensbegründung unter diesem Gesichtspunkt, dass eine Bemessung von Leistung und Gegenleistung – auch nicht unter Anwendung von § 287 ZPO – angesichts der Natur des unentgeltlichen Nutzungsvertrages einerseits und des unbestimmten Umfangs der im Einzelfall nutzbaren Daten nicht möglich ist (so zutreffend OLG München, Urteil vom 08.12.2020 – 18 U 5493/19 Pre Tz 101, juris).
Ein Schadensersatzanspruch folgt schließlich auch nicht aus Art. 82 DSGVO. Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründet in Fällen, in denen wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung ein auch nur immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz. Dabei kann bei der Bestimmung auch des immateriellen Schadens auf den Wert der Daten und ihrer Nutzung aus Sicht des Verantwortlichen abgestellt werden, insbesondere, wenn diese Daten kommerziell genutzt werden (vgl. Plath, DSGVO/BDSG Art. 82, Rn. 4 a)). Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist grundsätzlich nicht Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs (vgl. Plath, a.a.O. Rn. 4 c)). Es fehlt jedoch an einer Darlegung seitens des Klägers, inwiefern ein Verstoß der Beklagten gegen Vorschriften der DSGVO vorlag und auf welche Weise ein immaterieller Schaden verursacht worden sein soll (vgl. Ehmann/Selmayr, Datenschutzgrundverordnung 2. Aufl., Art. 82 Rn. 8, 13; OLG Dresden, Beschluss vom 11.06.2019 – 4 U 760/19; OLG München, Urteil vom 08.12.2020 – 18 U 5493/19 Pre Tz 93). Ein Verstoß gegen die Verordnung stellt nicht bereits den Eintritt eines – auch immateriellen – Schadens dar. Außerdem ist ein Verstoß nicht schlüssig vorgetragen worden. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, dass die Einwilligung des Nutzers gemäß Art. 6 Nr. 1 a), f) DSGVO ihre Wirksamkeit von selbst verliere, wenn die Beklagte eine teilweise Sperre des Kontos veranlasse, kann dem nicht gefolgt werden. Auf welche Weise sich eine solche Einschränkung oder Bedingung der Zustimmung zur Datenvereinbarung in rechtlicher Hinsicht ergeben sollte, ist nicht nachzuvollziehen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 20.08.2020 – 4 U 784 Tz 21).“
Dieser Auffassung, die seiner ständigen Rechtsprechung für Fälle rechtswidriger Beitragslöschungen und vorübergehender Sperrrungen auf der Grundlage von 3.2 der Nutzungsbedingungen entspricht, schließt sich der Senat in vollem Umfang an.
7. Der Kläger hat ausgehend hiervon einen Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten jedenfalls in der geltend gemachten Höhe von 403,90 € unter dem Gesichtspunkt des Verzuges. Die Mitteilung mit E-Mail vom 28.2.2020, dass sein Konto dauerhaft gesperrt worden sei, stellt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dar, die den Kläger wegen der rechtswidrigen Kündigung zur Geltendmachung eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 20.000,- € abzüglich der Anrechnung auf die Verfahrensgebühr berechtigt hätte. Der geltend gemachte Freistellungsanspruch bleibt dahinter zurück.
III.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Für die Streitwertfestsetzung hat der Senat gem.- § 48 GKG folgende Beträge angesetzt:
Wiederherstellung Konto: 20.000,- €
Rücksetzung Zähler (Haupt- und Hilfsantrag): 2.500,- €
Unterlassungsantrag: 1.500,- € (vgl. BGH III ZR 251/20)
Feststellung: 500,- €
Auskunftsansprüche: 1.000,- €
Schadensersatz: 1.500,- €
Summe: 27.000,- €