Kommentar

Anspruch auf Übertragung einer Internet-Domain infolge eines Pfändungsbeschlusses

17. Dezember 2018
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Serverraum mit Code Kommentar zum Urteil des BGH vom 11.10.2018, Az.: VII ZR 288/17

Die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber einer Domain gegen den Domainverwalter aus dem Registrierungsvertrag zustehen, können Gegenstand einer Pfändung sein. Werden die Ansprüche gepfändet, stehen diese dem Pfändungsgläubiger gesamtheitlich zu und er tritt in die vertragliche Position als zu registrierender Domaininhaber. Der Domainverwalter ist, auf Antrag des Gläubigers hin, verpflichtet, diesen als neuen Domaininhaber zu registrieren. Insbesondere geht die Verteidigung fehl, man bekomme einen Vertragspartner „aufgezwängt“: Schutzwürdige Interessen des Domainverwalters stehen in der Regel nämlich keine entgegen.

Was ist passiert?

Der Kläger begehrte seine Registrierung als Inhaber der Domain „d…de“ von der beklagten DENIC eG, der zentralen Registrierungsstelle für Domains unter der Top-Level-Domain „de“. Aufgrund eines vollstreckbaren Titels über insgesamt EUR 1.967,90 erwirkte der Kläger einen amtsgerichtlichen Pfändungsbeschluss, in dem die angeblichen Ansprüche des Vollstreckungsschuldners – Inhaber der Domain „d…de“ – aus dem mit der DENIC eG abgeschlossenen Registrierungsvertrag über die Domain „d…de“ gepfändet wurden. Die Beklagte wurde damit Drittschuldnerin. Die gepfändete angebliche Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche des Schuldners gegen die DENIC eG wurde schließlich dem Kläger mit Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts an Zahlungs statt zu einem Schätzwert von EUR 5.360,00 überwiesen.

In den DENIC-Domainbedingungen heißt es:

„§ 6 Domainübertragung

(1) Die Domain ist übertragbar, es sei denn sie ist mit einem Dispute-Eintrag (§ 2 Abs. 3) versehen.

(2) DENIC registriert die Domain für den künftigen Domaininhaber, wenn der Domaininhaber den Vertrag kündigt, sofern eine Kündigung nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften überflüssig ist, und zugleich der künftige Domaininhaber unter Vorlage der ihn als solchen ausweisenden Unterlagen einen Domainauftrag erteilt. …“

Der Kläger erklärte nach Pfändung die Kündigung der Domain „d…de“ unter gleichzeitiger Beauftragung der DENIC eG, ihn als künftigen Domain-Inhaber zu registrieren, was diese jedoch ablehnte. Auf die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht hin, ging die DENIC eG in Berufung. Doch auch dieses Urteil fiel zugunsten des Klägers aus. Die Beklagte behauptete, der Kläger könne aufgrund des Pfändungsbeschlusses die Übertragung der Domain auf sich nicht bewirken. Das Argument, das Landgericht habe Gegenstand und Reichweite des Pfändungsbeschlusses verkannt, ging allerdings ebenso fehl, wie die Behauptung, die Bedingungen des § 6 der DENIC-Domainbedingungen zur Domainübertragung seien nicht erfüllt.

Die Entscheidung des BGH

Auch die Revision zum BGH hatte in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung der höchsten Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit stützte die vorangegangenen Urteile. Die DENIC eG wurde im Ergebnis dazu verurteilt, den Kläger als Domaininhaber zu registrieren (Urteil des BGH vom 11.10.2018, Az.: VII ZR 288/17).

Zunächst bestätigte der BGH die Ansicht des Berufungsgerichts, dass nicht die Internet-Domain als solche, sondern die Gesamtheit aller schuldrechtlichen Ansprüche des Domain-Inhabers gegenüber der Vergabestelle ein „pfändbares anderes Vermögensrecht“ im Sinne von § 857 Abs. 1 ZPO darstellt. Zweifel, ob nur ein Teil der schuldrechtlichen Ansprüche übergegangen sei, wie von der Revision geäußert, wies der BGH zurück. Dagegen spricht, dass gerade nur die Gesamtheit der Ansprüche ein Vermögensrecht darstellen, auf das in wirtschaftlich sinnvoller Weise im Wege der Zwangsvollstreckung zugegriffen werden kann.

Zur Gesamtheit der Ansprüche gehört auch der Anspruch auf Registrierung des zutreffenden Inhabers. Dieser Anspruch ist auf Eintragung der Domain in das DENIC-Register und den Primary Nameserver gerichtet. Gleichwohl dieser Anspruch mit Eintragung durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) erlischt, schuldet die DENIC aus dem Dauerschuldverhältnis neben der Aufrechterhaltung der erfolgten Konnektierung, die Anpassung des Registers an die veränderten persönlichen Daten des Domain-Inhabers. Entscheidend an dieser Stelle: als Inhaber aller Ansprüche aus dem Vertrag, ist der Kläger zugleich Inhaber der Domain. Nicht die technische Adresse im Internet, sondern die Summe der Ansprüche und Rechte machten deren Inhaber zum „Inhaber“ einer Internet-Domain. Denn die Registrierung dient nur dazu, als Berechtigter ausgewiesen oder kontaktiert werden zu können. Die übergegangenen Ansprüche beinhalteten damit Recht, von der Beklagten die Eintragung als Domain-Inhaber zu verlangen.

Durch die Revision vorgebrachte Einwände hielten der Prüfung nicht stand. Die Registrierung des Klägers scheidet auch nicht aus dem Grund aus, so der BGH, dass dieser nur Inhaber der Ansprüche aus dem Registrierungsvertrag, nicht aber Vertragspartner der DENIC eG geworden ist. Mit Übernahme der Ansprüche durch den Beklagten verliert der Schuldner diese dauerhaft und endgültig und das Dauerschuldverhältnis wird mit dem neuen Anspruchsinhaber fortgesetzt. Nun zeigt sich die Besonderheit dieser Konstellation: Der Charakter des Dauerschuldverhältnisses erfordert, dass auch die korrespondierenden Vertragspflichten auf den neuen Domaininhaber übergehen. Der BGH folgert, dass spätestens in dem Verlangen eines Gläubigers, registriert zu werden, die Erklärung gegenüber der DENIC eG zu sehen ist, für die Zukunft in den gesamten Vertrag eintreten zu wollen. De facto wird ihr damit ein neuer Vertragspartner gegenübergestellt – ohne dass sie sich dagegen wehren kann.

Aufgrund der marktbeherrschenden Stellung der DENIC eG für die Vergabe von „de“-Domains und angesichts des Massencharakters von Domainregistrierungen, besteht ohnehin keine Möglichkeit, einzelne Anträge genauer zu beurteilen. Es ist außerdem im Sinn der Domainverwalter, das dauerhafte Auseinanderfallen von Rechten aus dem Vertrag und Pflichten gegenüber dem Verwalter, zu verhindern. Im Ergebnis besteht kein sachlicher Grund, die Registrierung des ursprünglichen Anspruchsinhabers aufrechtzuerhalten. Aufgrund des Eintretens in die Stellung des Vertragspartners, kommt es auf eine Domainübertragung nach § 6 der DENIC-Domainbedingungen nicht mehr an.

Fazit

Im Mittelpunkt dieser BGH-Entscheidung steht das Ergebnis: Der Inhaber aller gesamtheitlichen Ansprüche aus dem Registrierungsvertrag ist de facto Vertragspartner des Domainverwalters. Dies ergibt sich aus dem Charakter des Dauerschuldverhältnisses, in dem die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche mit den Vertragspflichten des Domaininhabers korrespondieren. Der Domainverwalter kann sich jedenfalls dann nicht dagegen zur Wehr setzen, wenn – wie hier – eine Top-Level-Domain vorliegt, bei der eine Überprüfung der nahezu unzähligen Vertragspartner bereits aus Gründen der Praktikabilität ausscheidet.

Aus prozessualer Sicht ist hervorzuheben, dass der BGH hier seine eigene Rechtsprechung bezüglich des Gegenstands der Pfändung noch einmal gefestigt hat. Die Internet-Domain als solche stellt kein „pfändbares anderes Vermögensrecht“ im Sinne des § 857 ZPO dar, sondern nur die sich aus dem Vertrag ergebenden Forderungen gegen den Domainverwalter. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der BGH die Pfändung und die Verwertbarkeit der gepfändeten Sache nur der Gesamtheit der Ansprüche zuschreibt. Denn nur hieraus ergibt sich schlussendlich das Recht, die Registrierung als Inhaber der Domain zu fordern.

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