Berichterstattung über angeblichen Gewichtsverlust eines prominenten Patienten kann Unterlassungsanspruch begründen

21. März 2017
[Gesamt: 0   Durchschnitt:  0/5]
1442 mal gelesen
0 Shares
Vertrauliche Krankenakte auf Tastatur Urteil des OLG Frankfurt a.M. vom 21.11.2016, Az.: 16 U 120/16

Wird in einer Illustrierten behauptet, ein Prominenter habe während seines Krankenhausaufenthaltes einen dramatischen Gewichtsverlust erlitten, der aber weder zu jenem noch zu einem anderen Zeitpunkt tatsächlich eingetreten ist, so stellt dies eine unwahre Tatsachenbehauptung und damit einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Prominenten dar. Durch die Äußerungen wird nicht nur die Privatsphäre, sondern auch das Selbstbestimmungerecht des Patienten verletzt, was eine Verpflichtung zur Unterlassung der Veröffentlichung derartiger Äußerungen begründen kann. Dies erfolgt nicht zuletzt aufgrund dessen, dass ein Patient vor dem Blick in sein Krankenzimmer und dem Einblick in seine Genesungsfortschritte oder -rückschritte geschützt ist, soweit er sie nicht selbst preisgibt.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 21.11.2016

Az.: 16 U 120/16

 

Anmerkung:

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 19. Mai 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 2-03 O 407/15 – wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,– € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger (nachfolgend Kläger) … verunglückte am … 201x … schwer. (…)

Die Verfügungsbeklagte (Beklagte) verlegt die bundesweit vertriebene Illustrierte „X“, die in der Ausgabe … titelte:

„A

Schlimme Nachrichten

Sein Zustand hat sich nicht verbessert

Dramatischer Gewichtsverlust“.

Insoweit wird auf Bl. 16 d.A. Bezug genommen. Auf den Seiten 24 – 25 der Zeitschrift wird berichtet:

„Wie SCHLIMM steht es um ihn? A (…) hat dramatisch an Gewicht verloren…“

Auf S. 25 heißt es „sein dramatischer Gewichtsverlust (…) gebe Anlass zur Sorge.“

Insoweit wird auf Bl. 17 und 18 d.A. Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02. Oktober 2015 mahnte der Kläger die Beklagte ab, die die Abgabe einer Unterlassungserklärung ablehnte.

Auf den klägerischen Antrag vom 12. Oktober 2015 hat das Landgericht es der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss vom 14. Oktober 2015 (Bl. 26 ff d.A.) untersagt,

in Bezug auf den Antragsteller zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

„…hat dramatisch an Gewicht verloren“,

so wie dies in der Illustrierten „X“, Ausgabe (…) auf der Titelseite und auf den Seiten 24 und 25 geschehen ist.

Dagegen hat die Beklagte Widerspruch eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, der Unterlassungsanspruch sei gemäß §§ 1004, 823 BGB, Artikel 1 und 2 Grundgesetz, Artikel 8 EMRK wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet. Es handele sich bei der Berichterstattung um einen rechtswidrigen Eingriff in den räumlich und thematisch gefassten Schutzbereich der Privatsphäre des Klägers, worunter auch Angaben zu seinem Gesundheitszustand gehörten. Die Berichterstattung verletze auch das Selbstbestimmungsrecht des Klägers. Im Übrigen habe er auch nicht an Gewicht verloren, wie in dem Artikel behauptet werde.

Der Kläger hat beantragt,

die einstweilige Verfügung – Beschluss – vom 14. Oktober 2015 zu bestätigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung – Beschluss – vom 14. Oktober 2015 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, da über den Unfall als ein zeitgeschichtliches Ereignis berichtet werden dürfe. Es bestehe auch ein öffentliches Interesse an der Frage der Genesung bzw. des Gesundheitszustandes des Klägers, wobei – so hat die Beklagte behauptet – die Berichterstattung auch wahr sei.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 19. Mai 2016 die einstweilige Verfügung vom 14. Oktober 2015 bestätigt.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte die sich als unwahre Tatsachenbehauptung darstellende Äußerung zu unterlassen habe; bei der angegriffenen Äußerung handele es sich um eine Tatsachenbehauptung. Ihr entnehme der verständige Leser, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers kurz vor der Berichterstattung vom … durch einen „dramatischen“ Gewichtsverlust verschlechtert habe, wovon aufgrund der Glaubhaftmachungslage allerdings nicht ausgegangen werden könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der landgerichtlichen Begründung wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 104 – 109 d.A.) sowie das Original des Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 23. Mai 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einer am 13. Juni 2016 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die mit einer am 07. Juli 2016 bei Gericht eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, der Artikel in der X sage weder ausdrücklich noch konkludent etwas über einen aktuellen Gewichtsverlust aus. Entsprechendes gelte für die eidesstattliche Versicherung der Chefredakteurin B. Das Gericht habe durch die Aufforderung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers, doch auch eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, unzulässig Partei ergriffen. Dem Kläger sei es auch gar nicht bei seinem Eilantrag auf die Frage der Wahrheit angekommen, sondern auf die Tatsache, dass es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers handele. Über „Allgemeinplätze zum Zustand und Genesungsprozess“, wie dies hier geschehen sei, dürfe aber berichtet werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. Mai 2016 – Az. 2-03 O 407/15 – abzuändern und die einstweilige Verfügung (Beschluss) vom 14. Oktober 2015 aufzuheben sowie den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er verweist auf den Umstand, dass sehr wohl durch den Artikel („dramatisch“, „Schlimme Nachrichten“, „(…)“) ein aktueller Umstand suggeriert würde und ohnehin das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen tangiert sei. Die Berichterstattung stelle einen rechtswidrigen Eingriff in die thematische und auch räumlich gefasste Privatsphäre und in das Selbstbestimmungsrecht des Klägers dar.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die einstweilige Verfügung bestätigt.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs.1, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 und 2 GG zu.

Die inkriminierte Äußerung stellt unstreitig eine Tatsachenbehauptung dar.

Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts, dass es sich bei der Äußerung „…hat dramatisch an Gewicht verloren“ aus der Sicht eines verständigen Lesers um die Beschreibung eines aktuellen Gewichtsverlusts handelt.

Vielmehr wird durch die gesamte Berichterstattung und insbesondere durch den Satz „Sein Zustand hat sich nicht verbessert“ – „Dramatischer Gewichtsverlust“ erkennbar, dass der Zustand unverändert schlecht ist, der Gewichtsverlust aber schon länger zurückliegt. Die „Schlimmen Nachrichten“ bestehen darin, dass sich der Zustand nicht verbessert hat. Dafür spricht auch die Formulierung auf S. 25 der Zeitschrift, in der auf den dramatischen Gewichtsverlust des Klägers (…) abgehoben wird, also auf einen Zustand Mitte des Jahres 201x.

Die Frage, ob aus der Sicht eines Durchschnittslesers dieser Aktualitätsbezug besteht, kann aber dahingestellt bleiben, da der Kläger überhaupt bestritten hat, dass ein Gewichtsverlust stattgefunden hat.

Dabei geht es eben nicht um die Frage, ob … Patienten grundsätzlich einen Gewichtsverlust erleiden können, wie die Beklagte durch die Bezugnahme auf eine ärztliche Stellungnahme zu diesem Thema suggeriert, sondern darum, ob das bei dem Kläger der Fall ist.

Zur Glaubhaftmachung hat sich die Beklagte insoweit auf die eidesstattliche Versicherung ihrer Redakteurin, Frau B, berufen, in der diese an Eides Statt versichert, mit Informanten aus dem Umfeld des Klägers und seines Bruders C telefoniert zu haben, die einen erheblichen Muskelschwund, einen dramatischen Gewichtsverlust des Klägers und ein Gewicht von unter 50 kg bestätigt hätten.

Demgegenüber stehen aber zwei eidesstattliche Versicherungen auf Klägerseite, aus denen sich das Gegenteil ergibt.

Entscheidend ist dabei, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine eidesstattliche Versicherung der Managerin des Klägers, Frau D, vorgelegt worden ist, aus der sich ergibt, dass der Kläger weder aktuell noch zum Zeitpunkt der Berichterstattung oder davor an Gewicht verloren habe, was der Redakteurin der Beklagten, Frau E, auch vertraulich und damit „off the records“ auf deren Anruf hin mitgeteilt worden sei .

Die Vorlage dieser eidesstattlichen Versicherung ist auch nicht verspätet, da es gerade die Beklagte war, die die Vorlage der eigenen eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, in der auf entsprechende Äußerungen der Managerin D abgehoben worden ist, bemängelt hatte. Die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung der Managerin D ist daher erst durch die Berufungsbegründung veranlasst worden.

Von der Wahrheit der inkriminierten Tatsachenbehauptung kann also nicht ausgegangen werden.

Letztlich kann aber auch diese Frage dahingestellt bleiben, da durch die inkriminierte Äußerung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen wurde.

Der Senat folgt der Auffassung des Klägers, dass es sich bei der Äußerung über den dramatischen Gewichtsverlust um einen rechtswidrigen Eingriff in die thematisch und auch räumlich gefasste Privatsphäre des Klägers und in sein Selbstbestimmungsrecht handelt.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln kann, wobei insbesondere auch die Angelegenheiten umfasst sind, deren öffentliche Erörterung und Zurschaustellung als peinlich empfunden würden oder als unschicklich gelten oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslösen können, wie dies etwa bei Krankheiten der Fall sei. Wie auch bereits das OLG O1 unter Bezugnahme auf diese Grundsätze mit Urteil vom … (Az. 1) entschieden hat, hat der Kläger ein Recht darauf, seinen (konkreten) gesundheitlichen Zustand und dessen Entwicklung nach seinem Unfall aus der Öffentlichkeit zu halten (vgl. Bl. 189 ff.d.A.).

Dem schließt sich der Senat an.

Der Kläger ist vor dem Blick in sein Krankenzimmer und dem Einblick in seine Genesungsfortschritte oder -rückschritte geschützt, soweit er sie nicht selbst preisgibt.

Geschützt ist er daher auch vor Angaben über Veränderungen seines Körpergewichts als Folge seines Unfalls und der anschließenden Zeit (…).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Erlaubnis zum Versand des Newsletters: Ich möchte regelmäßig per E-Mail über aktuelle News und interessante Entwicklungen aus den Tätigkeitsfeldern der Anwaltskanzlei Hild & Kollegen informiert werden. Diese Einwilligung zur Nutzung meiner E-Mail-Adresse kann ich jederzeit für die Zukunft widerrufen, in dem ich z. B. eine E-Mail an newsletter [at] kanzlei.biz sende. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

n/a