Check24 muss deutlich auf eingeschränkte Marktauswahl bei Versicherungsvergleich hinweisen

20. Dezember 2021
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Preisvergleich / Münzenstapel mit Würfeln Urteil des LG Frankfurt am Main vom 06.05.2021, Az.: 2-03 O 347/19

Das Vergleichsportal Check24 muss ausdrücklich darauf hinweisen, dass sein Vergleich von Haftpflichtversicherungen auf einer stark eingeschränkten Marktauswahl beruht. Ein Versicherungsmakler muss grundsätzlich sämtliche Versicherer, bei denen das Risiko des Versicherungsnehmers untergebracht werden kann, in seine Analyse mit einbeziehen. Will der Makler bestimmte Versicherer, beispielsweise solche, von denen er keine Courtagezahlung erwarten kann, von einer Vergleichsübersicht ausschließen, muss er seine Beratungsgrundlage nach § 60 Abs. 1 S. 2 VVG entsprechend reduzieren und dies dem Versicherungsnehmer ausdrücklich mitteilen. Ein Versicherungsinteressent erwarte bei der Nutzung eines Vergleichsportals eine tendenziell vollständige Einbeziehung der am Markt befindlichen Produkte. Nur so sei eine individuelle und ausgewogene Marktuntersuchung und Abwägung der Angebote durch den Verbraucher möglich.

Landgericht Frankfurt am Main

Urteil vom 06.05.2021

Az.: 2-03 O 347/19

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen auf der Internetseite … einen Vergleich für Privathaftpflichtversicherungen, der den direkten Abschluss der angebotenen Versicherungen ermöglicht, anzubieten bzw. anbieten zu fassen,

a. ohne Verbraucher ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass dem Vergleich eine nur eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl zu Grunde gelegt wird

und/oder

b. ohne Verbrauchern mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage die Vermittlungsleistung erbracht wird,

wenn dies geschieht wie in den Anlage K3 – K5 abgebildet.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2019 zu zahlen.

3. Die Kosten des hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziffer 1. jeweils in Höhe von 15.000,00 EUR und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 26 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Die Arbeit des Klägers wird aus Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, aus Projektmitteln und durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Der Kläger ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Die Beklagte ist Versicherungsmaklerin im Sinne des § 59 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VVG. Über die Webseite … bietet sie Versicherungsvergleiche an betreffend Privathaftpflichtversicherungen. Insoweit ist die Beklagte für den Internetauftritt verantwortlich.

Nach Eingabe weiterer Daten bezüglich des Versicherungsschutzes, nach Eingabe der persönlichen Daten des Kunden sowie insbesondere nach aktiver Bestätigung des Downloads sämtlicher Vertragsinformationen, die im Nachgang dann auch nochmals per E-Mail dem Kunden übersendet werden, kann dieser auf den Seiten der Beklagten online einen Versicherungsantrag abgeben, den die Beklagte dann an den Versicherer weiterleitet.

Diejenigen Versicherungsgesellschaften, welche mit der Beklagten keine entsprechende Provisionsvereinbarung abgeschlossen haben, nehmen an dem automatisierten Vergleich nicht teil und werden den Nutzern im Rahmen des Vergleichs nicht angezeigt. Zu den nicht teilnehmenden Versicherungen, die Privathaftpflichtversicherungen anbieten, zählen beispielsweise Versicherungsgesellschaften wie die …, …, …, …, … und ….

Gegenstand der vorliegenden Auseinandersetzung ist die Information der Beklagten über die in den Vergleich einbezogenen Versicherungsgesellschaften unter …/.

Der Nutzer der Webseite … gelangte jedenfalls zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 14.03.2019 durch Anklicken der Rubrik „Versicherungen“ zur entsprechenden Unterseite (Anlage K3, Bl. 31 d.A.):


Dabei war die Zeile „Privathaftpflicht Vergleich“ am Ende mit einem kleinen „i“ im hellgrauen Kreis versehen:

Sobald (und auch nur solange) der Nutzer den Mauszeiger über dieses Symbol hielt (Mouseover-Effekt), öffnete sich ein Textfeld mit folgendem Inhalt (Anlage K 4, Bl. 32 d.A.):

Das blau hinterlegte Wort „hier“ wies einen Link auf. Durch Anklicken öffnete sich ein Pop-up-Fenster, welches sich im Browser über die sodann im Hintergrund abgedunkelt dargestellte Seite mit den verglichenen Tarifen legte. Hier bekam der Nutzer eine Auflistung der teilnehmenden und nicht teilnehmenden Versicherer angezeigt, wie dies aus Anlage K5 ersichtlich ist (Bl. 33 ff. d.A.).

Am Anfang dieser Pop-up-Seite wurde der nachfolgende Text angezeigt, wobei die Symbole jeweils mit den entsprechenden Rubriken verlinkt waren (Bl. 33 d.A.):

Darunter führte diese Basistarife für Privat-Haftpflichtversicherungen und die entsprechenden 38 Versicherer auf.

Daran anschließend wurden drei Tarife der … aufgelistet, die zwar im Vergleich berücksichtigt werden, jedoch von Verbrauchern nicht über dieses Portal abgeschlossen werden können. Danach wurden jene Versicherer aufgeführt, die nicht am Vergleich teilnehmen. Hierbei handelte es sich um 51 Anbieter.

Diese Liste ließ sich mittels eines seitlichen Balkens scrollen. Sie war über eigene URLs abrufbar (…/ sowie …/ sowie …/), wird dem Nutzer aber nicht genannt (Bl. 122 d.A.).

Jene Liste wurde ebenfalls auf der Seite der Vergleichsergebnisse verlinkt, dort am Ende unter „Teilnehmende Versicherungen“ (Bl. 7, 42 d.A.).

Einen ausdrücklichen Hinweis auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl wird nicht erteilt.

Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.2019 erfolglos abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern (Anlage K6, Bl. 41 f. d.A.).

Vorgerichtlich erklärte sich die Beklagte zu gewissen Layoutänderungen des von ihr verantworteten Internetauftritts bereit. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gab sie nicht ab. Wegen der Änderung des Internetauftritts wird Bezug genommen auf die Klageerwiderung, dort S. 6 (Bl. 89 d.A.). Teil des geänderten Internetauftritts der Beklagten ist es, dass Kunden den gewünschten Vergleichsvorgang nur fortsetzen können, wenn diese durch aktives Setzen eines Häkchens bestätigen, dass sie die dort hinterlegten Erstinformationen des Versicherungsmaklers gemäß § 15 VersVermV und die Informationen gemäß § 60 Abs. 2 VVG heruntergeladen und gelesen haben (Bl. 91 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht, dass die monierten Handlungen gemäß § 3a UWG i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 VVG unlauter seien, weil ein ausdrücklicher Hinweis auf die eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl fehle. Die von der Beklagten in den Vergleich einbezogenen Anbieter stellten nur einen Bruchteil des relevanten Gesamtmarktes der Privathaftpflicht-Versicherungen dar. Dies werde dem Verbraucher nicht ausdrücklich und auch nicht in klarer und verständlicher Form mitgeteilt. Nur auf Umwegen gelange der Nutzer zu der Übersicht „Teilnehmende Versicherungen“ und dies auch nur, wenn er aus eigenem Antrieb aktiv danach suche. Darin liege ein Verstoß gegen § 60 Abs. 1 S. 1 VVG.

Hilfsweise trägt der Kläger vor, dass das Informationsangebot der Beklagten bereits nach allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Kriterien unzureichend sei und gegen § 5a UWG verstoße (unter Bezugnahme auf BGH MMR 2018, 170 – Preisportal).

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen auf der Internetseite … einen Vergleich für Privathaftpflichtversicherungen, der den direkten Abschluss der angebotenen Versicherungen ermöglicht, anzubieten bzw. anbieten zu fassen,

a. ohne Verbraucher ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass dem Vergleich eine nur eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl zu Grunde gelegt wird

und/oder

b. ohne Verbrauchern mitzuteilen, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage die Vermittlungsleistung erbracht wird,

wenn dies geschieht wie in den Anlage K3 – K5 abgebildet;

2.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die ursprüngliche Gestaltung ihres Vergleichsportals gesetzeskonform gewesen sei. Der Anwendungsbereich von § 60 Abs. 1 VVG sei nicht eröffnet. Es werde von § 60 VVG nicht gefordert, dass ein Makler tatsächlich alle auf dem Markt tätigen Versicherer in seine Betrachtung einbeziehen müsse. Es bestünde keine Verpflichtung des Versicherungsmaklers solche Versicherer in seine Marktanalyse einzubeziehen, die eine Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern generell ausschlössen.

Unabhängig davon habe die Beklagte Kunden entsprechend § 60 Abs. 1 S. 2 VVG ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hingewiesen habe.

Es sei ohne Weiteres zulässig, wenn Versicherungsmakler den insoweit gebotenen Hinweis über eine Internetseite erteilen, da § 60 Abs. 1 S. 2 VVG gerade keine Textform vorschreibe.

Es sei auch keine frühzeitige Information des Versicherungsnehmers vorgeschrieben. Es genüge vielmehr, wenn der Versicherungsnehmer die Information vor Abgabe seiner Vertragserklärung erhalte, was hier geschehen sei.

Eine aktive Belehrungspflicht treffe den Versicherungsmakler nicht.

Darüber hinaus seien ausreichende Hinweise über die Mouse-Over-Funktion gewährleistet. Die Rechtsprechung habe klargestellt, dass Hinweise unter Einsatz von Sternchen durchaus zulässig seien (unter Bezugnahme auf OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.11.2018, 6 U 77/18, BeckRS 2018, 30032; BGH GRUR 2008, 84 ff. – Versandkosten sowie BGH GRUR 2014, 94 ff. – Pflichtangaben im Internet). Maßgeblich sei, ob der Nutzer aufgrund der konkreten Gestaltung Veranlassung habe, den Cursor auf die Stelle der Website mit der Mouse-Over-Funktion zu bewegen. Das sei hier zu bejahen.

Auch liege kein Verstoß gegen die sich aus § 60 Abs. 2 S. 1 VVG ergebenden Pflichten vor. Ebenso scheide ein Anspruch aus § 5a UWG aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I. Die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich der Verstöße gegen das UWG ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG in Verbindung mit § 4 UKlaG.

II. Unterlassungsansprüche

Der Kläger kann die Unterlassung der monierten geschäftlichen Handlung verlangen aus den §§ 8 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 VVG.

1. Bei dem monierten Internetauftritt handelt es sich um eine geschäftliche Handlung der Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Denn der Versicherungsvergleich steht in einem objektiven Zusammenhang mit der Versicherungsmaklertätigkeit der Beklagten.

2. Unlauterkeit nach § 3a UWG i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 VVG – Antrag zu 1.a.

Die Beklagte hat gegen § 60 Abs. 1 S. 2 VVG verstoßen, indem sie ihre Kunden nicht ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hingewiesen hat.

a. Bei den Vorgaben aus § 60 VVG handelt es sich um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG. Denn diese Vorschrift regelt das Marktverhalten der Versicherungsmakler im Interesse der Marktteilnehmer. § 60 Abs. 1 VVG legt die Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers fest und regelt, welche Pflichten der Makler gegenüber seinen Kunden zu erfüllen hat. § 60 Abs. 2 VVG verpflichtet den Makler bei einer Einschränkung seiner Versicherer- und Vertragsauswahl zu weitergehenden Informationspflichten.

b. Die Beklagte hat gegen § 60 Abs. 1 S. 2 VVG verstoßen, indem sie ihre Kunden nicht ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hingewiesen hat.

(1) Bei der Beklagten handelt es sich um eine Versicherungsmaklerin im Sinne der §§ 59 Abs. 3, 60 Abs. 1 VVG.

(2) Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 S. 1 VVG). Dies gilt nicht, soweit er im Einzelfall vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers diesen ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist (§ 60 Abs. 1 S. 2 VVG).

(3) Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte ihrem Vergleich bzw. Rat keine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherern zu Grunde gelegt, sodass sie die Kunden gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 VVG ausdrücklich auf ihre eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hätte hinweisen müssen.

Im Einzelnen:

Die Beklagte hat – wie die vorgelegte Liste aus Anlage K5 (Bl. 33 ff. d.A.) zeigt – ihren Vergleich nicht auf eine „hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherern“ gestützt. Nach dieser Liste erfasst der von ihr angebotene Vergleich lediglich 104 Basistarife für Privat-Haftpflichtversicherungen, die von 38 Versicherern angeboten werden. Weitere auf dem Markt befindliche 51 Anbieter, darunter auch namhafte Vertreter wie etwa die…, …, …, …, … und …bezieht die Beklagte nach ihren eigenen Angaben nicht in ihre Marktanalyse mit ein (Bl. 38 ff. d.A.).

Nach Ansicht der Kammer kann die Beklagte jene Versicherungen nicht aus ihrem Vergleich ausklammern, ohne den Kunden darüber informiert zu haben gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 VVG.

Denn der Versicherungsmakler muss grundsätzlich sämtliche Versicherer, bei denen das Risiko des Versicherungsnehmers untergebracht werden kann, in seine Analyse mit einbeziehen. Dazu gehören auch Direktversicherer oder solche, die nicht mit Maklern zusammenarbeiten. Will der Makler bestimmte Versicherer oder Gruppen von Versicherern, zum Beispiel solche ausschließen, von denen er keine Courtagezahlung erwarten kann, muss er seine Beratungsgrundlage nach § 60 Abs. 1 S. 2 VVG entsprechend reduzieren und dies dem Versicherungsnehmer mitteilen (LG Heidelberg, Urt. v. 06.03.2020, Az. 6 O 7/19, VersR 2020, 845 betr. Verivox; Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 60 Rn. 4; BeckOK VVG/Gansel/Meister, 10. Ed. 1.2.2021, VVG § 60 Rn. 14; a.A. Reiff, in: VersR 2020, 845, 850 – Anmerkung zu LG Heidelberg Urt. v. 06.03.2020, Az. 6 O 7/19). Dies gilt auch für Internetmakler. Denn ein Versicherungsinteressent wird bei Nutzung der Website in aller Regel eine tendenziell vollständige Einbeziehung der auf dem Markt befindlichen Produkte erwarten (Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 59 Rn. 193; vgl. auch BeckOK VVG/Gansel/Meister, 10. Ed. 1.2.2021, VVG § 60 Rn. 14).

Im vorliegenden Fall erfüllt die nach ihrer eigenen Auflistung lückenhafte Marktabdeckung die Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht, weil eine individuelle und ausgewogene Marktuntersuchung und Abwägung der Angebote auf dieser Grundlage nicht möglich ist. Sie hat nur 38 von insgesamt 89 Versicherer und dabei nicht einmal die Hälfte (42,7 %) aller auf dem Markt befindlichen Versicherer in ihren Vergleich mit einbezogen.

(4) Die Beklagte weist auch nicht gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 VVG ausdrücklich auf diese eingeschränkte Beratungsgrundlage hin.

Der Makler muss den Versicherungsnehmer ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweisen. Der ausdrückliche Hinweis auf eine eingeschränkte Beratungsgrundlage muss vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers erfolgen. Er ist nicht formgebunden, bedarf aber, wie das Merkmal der „Ausdrücklichkeit“ zeigt, der deutlichen Hervorhebung dem Versicherungsnehmer gegenüber (LG Heidelberg VersR 2020, 845 betr. Verivox; Langheid/Rixecker/Rixecker, 6. Aufl. 2019, VVG § 60 Rn. 6). Nicht ausreichend ist es, wenn sich eine Einschränkung der Beratungsgrundlage lediglich aus den Umständen erschließt (Langheid/Wandt/Reiff, 2. Aufl. 2016, VVG § 60 Rn. 25). Da eine Beschränkung der Beratungsgrundlage nur „im Einzelfall“ erfolgen darf, ist jedenfalls eine Beschränkung durch Hinweis in einer für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Erklärung unwirksam. Es bedarf vielmehr eines individuellen Hinweises des Versicherungsmaklers an den Versicherungsnehmer (Thomas Münkel, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 4. Auflage 2020, 4. Aufl. 2020, VVG § 60 Rn. 5). Zum Teil wird für eine Einschränkung der Beratungsgrundlage auch eine Vereinbarung zwischen dem Makler und dem Versicherungsnehmer gefordert (BeckOK VVG/Gansel/Meister, 10. Ed. 1.2.2021, VVG § 60 Rn. 15).

Diese Anforderung an einen expliziten Hinweis erfüllt die Beklagte nicht.

Denn der die Beklagte weist lediglich an versteckter Stelle auf ihre eingeschränkte Marktanalyse hin. Der Kunde gelangt erst über Umwege und nach gezielter Suche zu der relevanten Information, nachdem er über das „i“-Zeichen mit der Maus gefahren ist, dann den „hier“-Link anklickt und das dahinterstehende Pop-up-Fenster gelesen und durch die lange Liste scrollt.

Von einem ausdrücklichen Hinweis kann in einer solchen Konstellation ersichtlich keine Rede mehr sein.

Die Beklagte kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass das OLG Frankfurt mit Urteil vom 08.11.2018, Az.: 6 U 77/18, klargestellt habe, dass Hinweise unter Einsatz von Sternchen durchaus zulässig seien (BeckRS 2018, 30032). Denn in jener Entscheidung hat der 6. Zivilsenat festgehalten, dass der Zusatz leicht auffindbar, gut lesbar und inhaltlich klar sein muss, um geeignet zu sein, eine Irreführungsgefahr auszuräumen. Davon kann hier jedoch keine Rede mehr sein, zumal der Kunde, sollte er mit dem Cursor überhaupt die Mouse-Over-Funktion auslösen, dort keine Informationen erhält, die ihn veranlassen sollten, nach weiteren Informationen zu suchen. Vielmehr erhält er dort den für ihn positiven Hinweis, dass ihm die Beklagte „bis zu 260 Tarifvarianten der Privathaftpflicht von verschiedenen Versicherern“ anbietet. Nach dieser wohlklingenden und eine genügende Marktabdeckung suggerierenden Information wird ein Kunde keine Veranlassung dazu sehen, weitere Recherchen zur Marktabdeckung anzustreben.

3. Unlauterkeit nach § 3a UWG i.V.m. § 60 Abs. 2 S. 1 VVG – Antrag zu 1.b.

Ferner hat die Beklagte gegen § 60 Abs. 2 S. 1 VVG verstoßen, indem sie dem Versicherungsnehmer keine Informationen über die Markt- und Informationsgrundlage gegeben hat.

a. Damit der Versicherungsnehmer die fachliche Kompetenz und die Interessengebundenheit von Vermittlern zumindest ansatzweise beurteilen kann, müssen diese gemäß § 60 Abs. 2 VVG in unterschiedlichem Maße über Status und Beratungsgrundlage informieren. Ein Vermittler muss darlegen, welche Versicherungsprodukte er in Betracht gezogen und auf welche Weise er sich die nötigen Informationen verschafft hat (Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 60 Rn. 19). Hierbei sind jedenfalls die Namen der Versicherer anzugeben, die in die Analyse einbezogen wurden (vgl. Langheid/Wandt/Reiff, 2. Aufl. 2016, VVG § 60 Rn. 32). Diese Verpflichtungen gehen über die von § 15 Abs. 1 VersVermV geforderten Angaben hinaus. Die Unterrichtung des Versicherungsnehmers hat klar und verständlich nach Maßgabe der §§ 59 Abs. 1 S. 2 u. 6a VVG zu erfolgen, bevor der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung abgibt, sofern er nicht nach Maßgabe von Abs. 3 darauf verzichtet hat (Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 60 Rn. 18).

b. Diese Anforderungen erfüllt die Beklagte nicht.

Ein klarer und verständlicher Hinweis auf die Markt- und Informationsgrundlage erfolgt in keiner Form vor der Vertragsanbahnung. Insoweit kann die Beklagte nicht auf die auf Webseiten abrufbare Listen verweisen (…./, https://www…. sowie https://www…./ …/). Denn diese sind zwar offenbar im Internet zum Abruf bereitgehalten. Wie der Versicherungsnehmer darauf Zugriff erhält, ist jedoch nicht dargelegt. Die Kammer geht davon aus, dass der Versicherungsnehmer allenfalls in unzureichender Weise und nur über Umwege darauf zugreifen kann. Ob die Beklagte nicht nur eine Liste mit den Versicherern, sondern darüber auch Informationen zur Marktabdeckung hätte bereitstellen müssen, wie das LG Heidelberg hat in einer ähnlichen Konstellation entschieden hat (LG Heidelberg, Urteil vom 06.03.2020 – 6 O 7/19 –, juris Rn. 45; a.A. Prölss/Martin/Dörner, 31. Aufl. 2021, VVG § 60 Rn. 18 „zu weitgehend“), kann nach alledem dahinstehen, da die Klägerin diese Rechtsverletzung nicht mit einem separaten Antrag kumulativ geltend gemacht hat.

4. Die Gesetzesverstöße der Beklagten sind schließlich auch geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen.

II. Der Kläger hat ferner einen Anspruch auf Abmahnpauschale aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. Prozesszinsen kann die Klägerin aus den §§ 291, 288 BGB verlangen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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