Getränkewerbung mit Preisen exklusive Flaschenpfand ist zulässig

17. Juni 2020
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Getränkekisten blau Urteil des OLG Köln vom 06.03.2020, Az.: 6 U 90/19

Getränkeverkäufer müssen keine Gesamtpreise angeben: Entgegen der Ansicht des klagenden Wettbewerbsverbandes entschied das Gericht, die Auszeichnung von Preisen exklusive Pfand sorge für Transparenz, vermeide Rechenfehler und wahre so die Interessen der Verbraucher. Außerdem seien letztere es seit vielen Jahren gewohnt, dass neben dem Getränkepreis noch der Pfandbetrag angegeben wird. Hinzu kommt, dass das Flaschenpfand keinen Preisbestandteil darstellt, da man hierfür keine Gegenleistung erhält. Gestützt werden kann dies zudem auf § 1 Abs. 4 Preisangabengesetz (PAngV), worin explizit gefordert wird, keinen Gesamtbetrag zu bilden.

Oberlandesgericht Köln

Urteil vom 06.03.2020

Az.: 6 U 90/19

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 03.04.2019 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 256/18 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Werbung der Beklagten für Getränke, die in Pfandflaschen verkauft werden.

Der Kläger ist ein nach § 8 Abs. 3 UWG klagebefugter Verein. Er nimmt die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Anspruch. Die Beklagte betreibt Lebensmittelmärkte. Sie warb auf der Titelseite des Werbefaltblattes „A, 41. Woche 2018. Gültig ab 08.10.2018“ für „B versch. Sorten,teilw. koffeinhaltig,

(1l = 0,33) 1,5-l-PET-Fl.“ zu einem Preis von 0,49 €. In diesem Preis war das Pfand nicht eingerechnet, sondern zusätzlich ausgewiesen mit „zzgl. 0,25 Pfand“. Im Innenteil der Werbung warb die Beklagte für andere pfandpflichtige Getränke entsprechend. Auf die Anlage K3 (Bl. 34 ff. AH) wird Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte müsse einen Gesamtpreis einschließlich des Pfandes angeben. § 1 Abs. 4 PAngV dürfe mangels Grundlage im Unionsrecht nicht mehr angewendet werden.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für Getränke, auf denen ein Pfand erhoben wird, mit der Ankündigung von Preisen zu werben, ohne den jeweiligen Gesamtpreis einschließlich des Pfandes zu nennen, sofern dies geschieht, wie in der Anlage K 3 wiedergegeben,

2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

1) die Klage abzuweisen;

2) hilfsweise: das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen vorzulegen:

a) Sind die Richtlinien 98/6/EG und 2005/29/EG dahingehend auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach derjenige, der als Anbieter von Getränken gegenüber Verbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt und außer dem Entgelt für das Getränk eine rückerstattbare Sicherheit, nämlich ein Pfand, fordert, dessen Höhe neben dem Preis für das Getränk anzugeben hat und kein Gesamtbetrag zu bilden ist?

b) Muss der bei einem Anbieten im Sinne des Artikels 1 Richtlinie 98/6/EG gemäß den Artikeln 1 und 3 Abs. 1 Satz 1 anzugebende Verkaufspreis bei Getränken, auf die eine rückerstattbare Sicherheit, nämlich ein Pfand, erhoben wird, dieses Pfand einschließen?

c) Muss der bei einer Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 2 Buchstabe i) Richtlinie 2005/29/EG gemäß deren Art. 7 Abs. 4 Buchstabe c) Fall 1 anzugebende „Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben“ bei Getränken, auf die eine rückerstattbare Sicherheit, nämlich ein Pfand, erhoben wird, auch das Pfand einschließen?

Die Beklagte hat gemeint, § 1 Abs. 4 PAngV sei weiterhin anzuwenden.

Mit Urteil vom 03.04.2019, auf das wegen der weiteren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung hält der Kläger sein erstinstanzliches Begehren aufrecht. Er verweist auf zu seinen Gunsten ergangene Entscheidungen der Landgerichte Nürnberg-Fürth, Berlin, Kiel und Essen gegen Mitbewerber der Beklagten zu identischen Unterlassungsansprüchen und rügt, dass das Landgericht sich mit seinem Vorbringen nicht hinreichend auseinandergesetzt habe. Ausführungen zu § 5a Abs. 3 Nr.3 UWG lasse das Urteil gänzlich vermissen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des am 03.04.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln – 84 O 256/18 – zu erkennen wie in erster Instanz beantragt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie hilfsweise sinngemäß,

das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung über die in erster Instanz formulierten Fragen vorzulegen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der gerügten Preisauszeichnungspraxis aus § 8 Abs. 1 UWG. Insoweit ist auch der Annexanspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nicht gegeben. Der Kläger ist zwar unstreitig nach § Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, und die Werbung stellt unproblematisch eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, sie ist jedoch nicht nach § 3 UWG unzulässig. Der Kläger kann sich weder auf den Unlauterkeitstatbestand des § 5a UWG / (Vorenthalten wesentlicher Informationen) berufen noch auf den des § 3a UWG i.V.m. einem Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAngV.

1. Der vom Kläger geltend gemachte lauterkeitsrechtliche Anspruch scheitert schon im Ansatz daran, dass das gerügte Verhalten der Beklagten dem geltenden deutschen Recht entspricht, nämlich § 1 Abs. 4 PAngV. Danach ist dann, wenn der Anbieter zusätzlich eine rückerstattbare Sicherheit wie z.B. ein Flaschenpfand fordert, deren Höhe neben dem Preis für die Ware gesondert anzugeben und gerade kein Gesamtbetrag zu bilden; die Einbeziehung der Sicherheit in den Gesamtpreis ist nicht nur nicht geboten sondern sogar unzulässig.

a. § 1 Abs. 4 PAngV hat zwar keine Grundlage im Unionsrecht. Weder die Preisangaben-RL noch die UGP-RL kennen eine entsprechende Vorschrift. § 1 Abs. 4 PAngV könnte daher als gegenüber Art. 7 Abs. 4 lit c) der UGP-RL strengere Klausel anzusehen sein und damit der Verfallklausel des Art. 3 Abs. 5 UGP-RL unterliegen, nach der die Mitgliedsstaaten in dem durch die UGP-RL angeglichenen Bereich nur bis zum 12.06.2013 nationale Vorschriften beibehalten konnten, die milder oder strenger als die UGP-RL sind (und außerdem zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und Klauseln über eine Mindestangleichung enthalten).

Ob Art. 3 Abs. 5 der UGP-RL einer Anwendung des § 1 Abs. 4 PAngV nach dem 12.06.2013 entgegensteht, kann für den vorliegenden Fall indes dahinstehen. Es geht hier nicht um die Frage, ob eine Verletzung des § 1 Abs. 4 PAngV den Rechtsbruchtatbestand des § 3a UWG erfüllt (verneinend z.B. Omsels, WRP 2013, 1286 ff., 1289; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., Einf PAngV Rn. 14; Ernst in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl., Anh. §§ 1-7 UWG, PAngV Einl. Rn. 8; vgl. insoweit auch das vom Kläger in der Berufungsbegründung angeführte Urteil des KG Berlin vom 21.06.2017, 5 U 185/16, WRP 2018, 226, juris-Tz. 63), sondern um die Frage, ob die Einhaltung der Norm einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch auslösen kann. Diese Frage ist zu verneinen. Die EU-Richtlinien haben keine unmittelbare Geltung in den EU-Mitgliedsstaaten. § 1 Abs. 4 der UGP-RL ist dagegen geltendes deutsches Recht, das als solches gemäß Art. 20 Abs. 3 GG Anwendung beansprucht. Der Gesetzgeber hat bis heute keine Veranlassung gesehen, die Norm zu streichen, trotz der bereits vor Jahren geltend gemachten Bedenken (im Übrigen zu Recht, s.u. 2.a.). Der Senat ist an das geltende Recht gebunden und nicht befugt, eine bestehende Vorschrift zu ignorieren. Er kann sich insbesondere nicht aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz bewegen (s. Schilling in Büscher, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Einl. PAngV Rn. 33; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., Einf PAngV Rn. 14; Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., Einführung PAngV Rn. 20; Omsels WRP 2013, 1286 ff., 1287; Ernst in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Aufl., Anh. §§ 1-7 UWG, PAngV Einl. Rn. 8; LG Bonn, Urteil vom 03.07.2019, 12 O 85/18, juris-Tz. 20 f.; i.E. ebenso Schröder, WRP 2019, 984 ff., der dazu rät, die Auszeichnung von Waren in Mehrweggebinden weiterhin nach der – seiner Ansicht nach unanwendbaren – Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV vorzunehmen). Der Ansicht von Köhler (in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 1 PAngV Rn. 28; WRP 2013, 723, 726; ebenso Wenglorz in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., S 14 Rn. 165a) und ihm folgend einiger Landgerichte (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 06.06.2019, 19 O 16/19, Magazindienst 2019, 910 ff.; LG Berlin, Versäumnisurteil i.V.m. Protokoll vom 25.06.2019, 91 O 127/18, Bl. 146 ff. GA; LG Kiel, Urteil vom 26.06.2019, 15 HKO 38/18, Bl. 155 ff. GA; LG Essen, Urteil vom 29.08.2019, 43 O 145/18, Bl. 202 ff. GA), § 1 Abs. 4 PAngV dürfe nicht mehr angewendet werden, ist insoweit nicht zu folgen. Eine dogmatisch tragende Begründung für die Forderung, geltendes Recht zu ignorieren, wird nicht gegeben. Eine solche folgt auch nicht aus der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angeführten BGH-Entscheidung „Energieausweis“ (GRUR 2018, 438), nach der die unzureichende Umsetzung einer Richtlinienbestimmung der Anwendung des § 5a Abs. 4 UWG nicht entgegensteht (juris-Tz 28); Sachverhalt und Fragestellung sind nicht vergleichbar.

b. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Abs. 4 PAngV dahingehend, dass das Pfand in den Gesamtpreis einzurechnen ist, ist nicht möglich. Der Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts kann nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem führen (s. z.B. EuGH, Urteil vom 16.07.2009, bei juris, Rn. 61; Omsels WRP 2013, 1286, 1287 ff.) und findet seine Grenze hier in der eindeutigen Norm. Dass der Verkäufer das Flaschenpfand neben dem Preis für die Ware anzugeben und keinen Gesamtpreis zu bilden hat, folgt nicht nur aus dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 4 PAngV, sondern auch aus dem Sinn und Zweck der Norm gemäß den Gesetzesmaterialen (BT-Dr. 238/97 Seite 7 f.):

„Aus umweltpolitischer Sicht hat die optische Benachteiligung von Mehrweg- gegenüber Einweggebinden positive Auswirkungen. …

Der neue Abs. 3 legt fest, daß als Sicherheit erhobene Beträge – wie insbesondere das sogenannte Flaschenpfand – nicht in den Endpreis einbezogen, sondern separat ausgewiesen werden. Die Preisauszeichnung kann damit so erfolgen, daß der Preis für den Flascheninhalt mit einem Zusatz wie „zuzüglich x DM Pfand“ genannt wird.

Diese Regelung reagiert auf ein BGH-Urteil vom 14. Oktober 1993, das eine Dreifachpreisangabe für Waren für erforderlich hält, die in Mehrwegverpackungen abgegeben werden: den Endpreis als Summe von Getränkepreis und dem sogenannten Pfand. Diese Auslegung führt im Ergebnis zu einer optischen Benachteiligung von Mehrweg- gegenüber Einweggebinden, die auf den ersten Blick preiswerter wirken. Eine Auszeichnung von drei Preisen an einer Ware ist aus dem Gesichtspunkt der Preistransparenz nicht unproblematisch, da die Preisklarheit bei den Waren des täglichen Massenbedarfs eine einfache und auf einen Blick erfaßbare Preisauszeichnung verlangt. Nach der Neuregelung kann der Verbraucher ohne Schwierigkeiten den Preis für den Inhalt vergleichen. Dies entspricht auch den umweltpolitischen Bemühungen um Durchsetzung von Mehrweggebinden.“

Die Auslegung der Norm ist den innerstaatlichen Gerichten vorbehalten (s. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26.09.2911, 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07, NJW 2012, 669, juris-Tz. 47), so dass für ein Vorabentscheidungsersuchen kein Raum ist, selbst dann, wenn § 1 Abs. 4 PAngV – wie nicht (s.u. 2.a.) – nicht mehr in Einklang mit dem europäischen Recht stehen sollte.

c. Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 PAngV scheidet danach aus, weil § 1 Abs. 4 PAngV ausdrücklich klarstellt, dass das Flaschenpfand nicht Teil des Gesamtpreises ist.

Aus §§ 8, 3, 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG kann der Kläger hier keine weitergehenden Rechte herleiten als aus §§ 8, 3, 3a UWG i.V.m. § 1 Abs. 4 PAngV. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3a UWG i.V.m. § 1 Abs. 1 und Abs. 4 PAngV besteht nicht, weil beide die unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1 UWG begründen. Inhaltlich ist § 1 Abs. 4 PAngV gegenüber § 5a Abs. 3 Nr. 3 die speziellere Regelung. Der Gesamtpreis ist zwar eine für den Verbraucher wesentliche Information, das Pfand in Deutschland jedoch gerade nicht Teil des Gesamtpreises, § 1 Abs. 4 UWG (s. auch unter 2.b.). Dafür, dass der Gesetzgeber den Begriff des Gesamtpreises in § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG anders verstanden wissen will als nach der PAngV, ist aus der Gesetzesbegründung (BT-Dr. 16/10145, Seite 26) nichts ersichtlich:

„Zu Absatz 3 Nr. 3

Nach § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG- E, durch den Artikel 7 Abs. 4 Buchstabe c der Richtlinie umgesetzt wird, gelten als wesentlich auch Preisangaben, gegebenenfalls mit zusätzlichen Fracht- , Liefer- oder Zustellkosten. Bei Preisen, die nicht im Voraus berechnet werden können, ist die Art der Preisberechnung wesentlich.

Gemäß § 1 Abs. 1 PAngV gibt es bereits eine Regelung zur Endpreisangabe gegenüber Letztverbrauchern, zu denen auch Gewerbetreibende gehören, die für den eigenen Bedarf kaufen. Bei Fernabsatzverträgen ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV auch anzugeben, welche zusätzlichen Liefer- und Versandkosten anfallen. Bei Leistungsangeboten kommt nach § 1 Abs. 3 PAngV die Angabe von Verrechnungssätzen (Stundensätzen, Kilometersätzen) in Betracht. Da es sich um marktverhaltensregelnde Vorschriften handelt, erfüllen Verstöße dagegen schon heute den lauterkeitsrechtlichen Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG. Die in § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG- E vorgeschlagene Regelung erscheint aber geboten, um die Bedeutung hervorzuheben, die vorenthaltenen Preisangaben für das Lauterkeitsrecht zukommt.“

Die Frage nach der Hierarchie der Normen stellt sich insoweit nicht (vgl. Khler in: Khler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38 Aufl. § 3 a RN. 1.19).

2. Unabhängig davon, dass Art. 20 Abs. 3 GG einer Bewertung der angegriffenen Preisauszeichnung als unlauter entgegensteht, ist das Unterlassungsbegehren aber auch noch aus folgenden Gründen unbegründet:

a. 1 Abs. 4 PAngV steht außerhalb des vollharmonisierten Regelungsbereichs der UGP-RL (ebenso Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., § 1 PAngV Rn. 73; Schilling in Büscher, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 1 PAngV Rn. 58; wohl auch Goldberg, WRP 2013, 1561 ff., 1564, 1565), so dass die o.a. Frage, ob die Norm der Verfallklausel des Art. 3 Abs. 5 der UGP-RL unterfällt und vom Gesetzgeber hätte gestrichen werden müssen, zu verneinen ist. Die UGP-RL stammt aus dem Jahr 2005, § 1 Abs. 4 PAngV aus dem Jahr 1997. § 1 Abs. 4 PAngV ist nicht zur Umsetzung von Richtlinien erlassen worden, sondern allenfalls bei der Umsetzung von Richtlinien beibehalten worden. Die Norm beinhaltet auch keine Ausnahmeregelung zu § 1 Abs. 1 PAngV, sondern eine Klarstellung des Gesetzgebers als Reaktion auf eine zuvor abweichende Auslegung des BGH (s.o. 1.b.). Sinn und Zweck der Norm ist die Beseitigung der optischen Benachteiligung von Mehrweggebinden gegenüber Einweggebinden. Mit der Pfandregelung sind insbesondere auch umweltpolitische Zielsetzungen verfolgt worden. Diese liegen außerhalb des Angleichungsbereichs der UGP-RL.

b. Außerdem ist das Flaschenpfand nicht Teil des Verkaufspreises i.S.d. Art. 1 der Preisangaben-RL 98/6/EG und damit auch nicht Teil des Gesamtpreises i.S.d. § 1 Abs. 1 PAngV und des § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG.

Welche Preisbestandteile dem Gesamtpreis zuzuordnen sind, bestimmt sich grundsätzlich aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der seit Jahren daran gewöhnt ist, dass das Flaschenpfand gesondert neben dem Gesamtpreis für die Ware angegeben wird. Die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1993 (Urteil vom 14.10.1993, MDR 1994, 119 ff.) ist aufgrund der Preisauszeichnungsgewohnheiten im Anschluss an die – wegen der BGH-Rechtsprechung erlassenen – Regelung in § 1 Abs. 4 PAngV überholt.

Bei den Pfandgeldern handelt es sich auch nicht um Preisbestandteile, die der Verbraucher als Gegenleistung für die Ware zu zahlen hat. Verkaufspreis/ Endpreis ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Summe der unvermeidbaren und notwendigen Bestandteile des Preises, die obligatorisch vom Verbraucher zu tragen sind und die Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses bilden (EuGH WRP 2016, 1096 – Citroen Commerce/ZLW, Rn. 37). Das Pfand ist eine reine Sicherheit im Interesse der Wiederverwertung/Verwertung des Gebindes, kein Bestandteil des Warenwertes. Es stellt als „rückerstattbare Sicherheit“ gerade keine Gegenleistung in Geld für den Erwerb des betreffenden Erzeugnisses dar (s. Schilling in Büscher, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 1 PAngV Rn. 58; Schröder WRP 2019, 984, 987).

c. Schließlich steht dem Unterlassungsbegehren entgegen, dass die Preisauszeichnung gemäß § 1 Abs. 4 PAngV die Interessen der Verbraucher wahrt und gerade nicht spürbar beeinträchtigt bzw. geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (s. Schröder WRP 2019, 984, 987 f.). Die separate Auszeichnung von Warenpreis und zu zahlendem Pfand ist nicht nur marktüblich, sondern auch in hohem Maße transparent und besonders geeignet, dem Verbraucher eine informierte geschäftliche Entscheidung zu ermöglichen. Eine solche Preisauszeichnung trägt erheblich dazu bei, Rechenfehler bei der Ermittlung des relevanten Warenpreises zu vermeiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.

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