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Herr der Ringe Konzert stellt keine bühnenmäßige Darstellung dar

29. Januar 2024
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Besucher nimmt Konzert mit Handy auf Urteil des OLG München vom 14.09.2023, Az.: 6 U 601/22

Die Darstellung von Filmmusik unter ästhetischer Ergänzung von Nebel, Bildern und Textpassagen, stellt keine bühnenmäßige Darstellung im Sinne des Urhebergesetzes dar, so das OLG München. Konkret verneint das OLG einen Anspruch des Komponisten der Herr Der Ringe Filme gegen einen Veranstalter, der die Filmmusik in ansprechender Weise aufgeführt hatte. Diese Aufführung stellt keine grob veränderte Wiedergabe des Originals dar, weil es sich nicht um eine bühnenmäßige Darstellung handelt, und kann somit nicht vom Komponisten beanstandet werden. Etwaige Urheberrechtsverstöße sind somit einzig durch die GEMA zu verfolgen.

 Oberlandesgericht München
Urteil vom 14.09.2023
Az.: 6 U 601/22

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 20.12.2021, Az.: 42 O 9245/20, wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen Ziffer 2 und Ziffer 3 (2) des Tenors richtet, sowie betreffend Ziffer 4 des Tenors, soweit dort festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch die in der Ziffer 2 genannten verbotenen Handlungen betreffend das Musikwerk „C.“ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.
II. Auf die Berufung der Beklagten im Übrigen wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 20.12.2021, Az.: 42 O 9245/20, abgeändert und – unter Zurückweisung der Berufung bezüglich Ziffer 5 des landgerichtlichen Urteils im Umfang der nachfolgenden Ziffer 4 – insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
die Musikwerke
– T.
– C.
– A.
– T.
– M.
ohne Zustimmung des Klägers öffentlich wiederzugeben, wie geschehen durch Einbindung des YouTube-Videos „DER HERR DER RINGE & DER HOBBIT“ (https://www.y.com…) unter http://s.org…/, wie aus Anlage K 2 ersichtlich.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Umfang und die Dauer der nach vorstehender Ziffer 1 untersagten Handlungen betreffend das Musikwerk „C.“ zu erteilen und hierüber Rechnung zu legen, insbesondere Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1 und des mit diesen Verletzungshandlungen erzielten Umsatzes bzw. Verletzergewinns zu erteilen, nämlich über die Anzahl der mit den Verletzungshandlungen gem. Ziffer 1 erzielten Aufrufe auf eigenen Webseiten sowie die Anzahl der Abspielvorgänge auf diesen eigenen Webseiten, wobei die Auskunft unter Angabe von Anfangs- und Enddatum der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 1 zu erfolgen hat.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch die in Ziffer 1 genannten untersagten Handlungen betreffend das Musikwerk „C.“ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 441,63 Euro (brutto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 21.12.2019 freizustellen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.
IV. Das landgerichtliche Urteil ist in Ziffern 1 und 2 sowie in Ziffer 4 in der Fassung gemäß obiger Ziffer II vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist hinsichtlich Ziffer III vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich Ziffer 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 Euro und hinsichtlich Ziffer 2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Parteien die Vollstreckung gegen sie jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

A.
1 Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Nutzung seiner Werke im Rahmen der Veranstaltung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ sowie in einem YouTube-Video auf Unterlassung, Auskunftserteilung sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch.
2 Der Kläger ist alleiniger Komponist der Musikwerke „C.“, „T.“ und „M.“ sowie Co-Komponist der übrigen in den Klageanträgen zu 1 und 2 genannten Musikwerke. Der Kläger hat die betreffenden Musikwerke als Filmmusiken jeweils passend für konkrete Filmszenen auf der Grundlage des jeweiligen Drehbuchs komponiert.
3 Die Beklagte ist ein in B. ansässiges Veranstaltungsunternehmen. Sie hat im Zeitraum vom 26.12.2018 bis 16.01.2019 mindestens 12 Veranstaltungen unter dem Titel „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ unter Verwendung von Musiken des Klägers zur Aufführung gebracht. Von der Veranstaltung am 25.07.2019 in K. hat der Kläger verschiedene Videomitschnitte als Anlage K 1 vorgelegt. Die Verwendung der streitgegenständlichen Musikwerke für die Aufführung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ wurde von der Beklagten vom Kläger nicht lizenziert.
4 Darüber hinaus band die Beklagte in ihren Internetauftritt einen Werbefilm als YouTube-Video mit dem Titel „DER HERR DER RINGE & DER HOBBIT“ mit Szenen aus der Veranstaltung unter Verwendung der im Klageantrag zu 2 genannten Musikwerke (Anlage K 8) des Klägers ein (Anlage K 2). Der Kläger hat der Herstellung des Trailers oder einer öffentlichen Zugänglichmachung dessen bzw. eine Einbindung des Videos im Internetauftritt der Beklagten nicht zugestimmt.
5 Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 09.12.2019 erfolglos abgemahnt und zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Anerkennung einer Schadensersatzpflicht aufgefordert (vgl. Anlagen K 9 und K 10).
6 Der Kläger hat seine Klage in erster Instanz darauf gestützt, die Verwendung der streitgegenständlichen Musikwerke für die Veranstaltungen des Beklagten könne nicht über die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) lizensiert werden, weil es sich bei der Veranstaltung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ – anders als der Titel suggeriere – nicht um ein Konzert im klassischen Sinne, sondern um eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG handele. Durch die Nutzung der der vom Kläger (mit-)komponierten Filmmusiken im Rahmen der Veranstaltung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ erfolge zudem eine Entstellung der urheberrechtlich geschützten Werke des Klägers. Weiterhin verletze die Verwendung der Musikwerke des Klägers in dem Werbetrailer der Beklagten (Klageantrag zu 2) die dem Kläger zustehenden Urheberrechte.
7 Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
die Musikwerke
– C.
– P.
– A.
– T.
– T.
– K.
– T.
– T.
– T.
– M.
– T.
– I.
– T.
ohne Zustimmung des Klägers im Rahmen der Multimedia-Show „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ zusammen mit anderen Werken – nämlich zusammenfassende Erzählung des verfilmten literarischen Werks „Der Herr der Ringe“ von J. R. Reuel Tolkien, Illustrationen der Künstler Ted Nasmith und John Howe, Videobotschaften von Sir Christopher Lee und Lichtinstallationen – aufzuführen, wie aus den Videomitschnitten gemäß Anlage K 1 teilweise ersichtlich.
2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
die Musikwerke
– T.
– C.
– A.
– T.
– M.
ohne Zustimmung des Klägers öffentlich wiederzugeben, wie geschehen durch Einbindung des YouTube-Videos „DER HERR DER RINGE & DER HOBBIT“ (https://www.y.com…) unter http://s.org…/, wie aus Anlage K 2 ersichtlich.
3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Umfang und die Dauer der nach den Ziffern 1 und 2 verbotenen Handlungen betreffend das Musikwerk „C.“ zu erteilen und hierüber Rechnung zu legen, insbesondere
(1) a) Auskunft zu erteilen wann und wo sie in Deutschland die unter Ziffer 1. genannten Multimedia-Show „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ zur Aufführung gebracht hat, jeweils unter Angabe von Ort, Datum, Uhrzeit (Beginn) und Anzahl der Besucher durch Vorlage geeigneter Unterlagen (Aufzeichnungen über Verkauf der Eintrittskarten, konsumierte Speisen und/oder Getränke) und Rechnung zu legen über die von ihr erzielten Netto-Umsätze (d. h. Bruttoumsätze ohne Mehrwertsteuer), welche bei den Multimedia-Show „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ gemäß Ziffer 1 durch den Verkauf von Eintrittskarten und konsumierte Speisen und/oder Getränke erzielt worden sind.
b) Auskunft zu erteilen über die Auflagenhöhe, den Preis und die Verkaufszahlen des Programmheftes zur Multimedia-Show „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ gemäß Ziffer 1, aufgeschlüsselt nach dem jeweiligen Veranstaltungsort und dem Veranstaltungsdatum, und Rechnung zu legen über die von ihr erzielten Netto-Umsätze (d.h. Bruttoumsätze ohne Mehrwertsteuer), welche bei den Aufführungen der Multimedia-Shows „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT -Das Konzert“ gemäß Ziffer 1 durch den Verkauf des Programmheftes erzielt worden sind.
(2) Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 2 und des mit diesen Verletzungshandlungen erzielten Umsatzes bzw. Verletzergewinns zu erteilen, nämlich über die Anzahl der mit den Verletzungshandlungen gem. Ziffer 2 erzielten Aufrufe auf eigenen Webseiten sowie die Anzahl der Abspielvorgänge auf diesen eigenen Webseiten, wobei die Auskunft unter Angabe von Anfangs- und Enddatum der Verletzungshandlungen gemäß Ziffer 2 zu erfolgen hat.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch die in den Ziffern 1 und 2 genannten verbotenen Handlungen betreffend das Musikwerk „C.“ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.766,50 € (brutto) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über Basiszinssatz seit 21.12.2019 freizustellen.
8 Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
9 Die Beklagte hat sich gegen die Klage damit verteidigt, dass schon deshalb keine bühnenmäßige Darstellung vorliege, weil die Konzertreihe der Beklagten kein bewegtes Spiel enthalte. Die Bühnenpräsenz nehme allein das Orchester für sich in Anspruch. Auftretende Personen hätten ausschließlich Moderationsaufgaben und keine darstellerische Funktion. Insgesamt würde keine Multimediashow dargeboten. Projektionen und Beleuchtung sorgten für visuelle Untermalung des Konzerts. Weder aus der Zusammenstellung der musikalischen Darbietungen noch aus dem Auftreten einzelner Personen sei für die Zuschauer ein dramatischer Handlungsstrang im Sinne eines bewegten Spiels dargestellt. Ein Zusammenhang zu einem bestimmten dramaturgischen Geschehen aus „Der Herr der Ringe“ sei den Effekten nicht zu entnehmen. Vielmehr handle es sich, wie sich bereits aus dem Programmheft Anlage K 7 und dem Titel der Veranstaltung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ ergebe, bei der streitgegenständlichen Veranstaltung um eine konzertante Wiedergabe ausgewählter Werke. Soweit Personen Gegenstand der Darbietung seien, die nicht dem Orchester angehörten, handle es sich entweder um Sprecher, Solisten oder Tänzer, die in keinem inhaltlichen Bezug zur Musik stünden, außer dass sie sie selbst aufführten.
10 Darüber hinaus stehe dem Kläger aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Veranstaltung kein Anspruch aufgrund einer Entstellung seiner Werke im Sinne von § 14 UrhG zu. Insbesondere ergebe sich keine Entstellung dadurch, dass die auf bestimmte Szenen in den Filmen zugeschnittenen Musikstücke in ihrer Reihenfolge verändert und so aus dem Erzählstrang gerissen würden.
11 Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 20.12.2021, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, in vollem Umfang stattgegeben.
12 Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, hinsichtlich der Aufführung der im Klageantrag zu 1 genannten Werke sei die Beklagte zur Unterlassung, Auskunftserteilung und dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, da die Beklagte diese Werke im Rahmen der aus Anlage K 1 ersichtlichen Veranstaltung im Kontext einer Erzählung, Illustrationen und Lichtinstallationen gemäß § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG bühnenmäßig dargestellt habe. Durch die konkrete Nutzung der streitgegenständlichen Kompositionen sei zudem eine Entstellung (§ 14 UrhG) der urheberrechtlich geschützten Werke des Klägers erfolgt, was sich daraus ergebe, dass die Reihenfolge der Musikwerke im Rahmen der Veranstaltung der Beklagten gegenüber der Reihenfolge der Musikwerke im Film, für den sie komponiert worden seien, geändert worden sei. Hinsichtlich der Verwendung der Musikwerke des Klägers in dem Werbetrailer der Beklagten (YouTube-Video) sei die Klage ebenfalls begründet. In dem Bereitstellen des Videos auf der Webseite der Beklagten liege eine öffentliche Zugänglichmachung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UrhG in Verbindung mit § 19a UrhG), wobei weder der Kläger noch – unter Berücksichtigung der Zweckübertragungslehre (§ 31 Abs. 5 UrhG) – die GEMA der Beklagten das Recht für eine entsprechende Nutzung der Werke zu Werbezwecken eingeräumt hätten.
13 Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit welcher sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, weshalb in der konkreten Aufführung der Werke weder eine bühnenmäßige Darstellung noch eine Entstellung der Werke des Klägers zu sehen sei, ihr Ziel einer vollumfänglichen Klageabweisung weiterverfolgt.
14 Die Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgericht München I vom 20.12.2021, Aktenzeichen 42 O 9245/20 wird aufgehoben und die ihm zugrunde Klage vom 21.7.2020 abzuweisen (sic).
15 Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
16 Der Senat hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023 darauf hingewiesen, dass die Berufung in Bezug auf den vom Landgericht in Ziffer 2 zugesprochenen Unterlassungsanspruch und die darauf bezogenen Auskunfts- und Schadensersatzansprüche in Ziffern 3 und 4 des landgerichtlichen Urteils unzulässig sein dürfte, da sich der Berufungsbegründung insoweit nicht entnehmen lasse, dass und warum das landgerichtliche Urteil fehlerhaft sein sollte.
17 Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2023 Bezug genommen.
B.
18 Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung und Auskunftserteilung sowie die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht wegen der öffentlichen Wiedergabe der im Klageantrag zu 2 genannten Musikwerke durch Einbindung des YouTube-Videos „DER HERR DER RINGE & DER HOBBIT“ (https://www.y.com…) unter http://s.org…/, wie aus Anlage K 2 ersichtlich, richtet (dazu I).
19 Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten zulässig und überwiegend begründet (dazu II).
20 I. Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung gemäß Ziffer 2 und Ziffer 3 (2) des landgerichtlichen Urteils richtet, sowie betreffend Ziffer 4 des Ersturteils, soweit dort festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch die in der Ziffer 2 genannten verbotenen Handlungen betreffend das Musikwerk „Concerning Hobbits“ entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird. Denn insoweit fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Berufung gemäß § 520 ZPO.
21 1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser aus sich heraus verständlich diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung folgt. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Beschluss vom 05.07.2023 – XII ZB 539/22, BeckRS 2023, 21836 Rn. 7).
22 Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein, so dass es nicht ausreicht, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Dabei ist stets zu beachten, dass formelle Anforderungen an die Einlegung eines Rechtsmittels im Zivilprozess nicht weitergehen dürfen, als es durch ihren Zweck geboten ist. Die Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll den Berufungsführer im Interesse der Verfahrenskonzentration dazu anhalten, die angegriffene Entscheidung nicht nur im Ergebnis, sondern in der konkreten Begründung zu überprüfen. Deshalb muss die Berufungsbegründung auf die tragenden Erwägungen des Erstgerichts eingehen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsführers nicht zutreffen; die Begründung muss – ihre Richtigkeit unterstellt – geeignet sein, das Urteil in Frage zu stellen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 8).
23 2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Beklagten vom 23.03.2022 nicht gerecht, soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung aufgrund der öffentlichen Wiedergabe der im Klageantrag zu 2 genannten Musikwerke durch Einbindung des YouTube-Videos „DER HERR DER RINGE & DER HOBBIT“ unter http://s.org/…/ richtet.
24 Insoweit erschöpfen sich die Ausführungen der Beklagten auf S. 11 der Berufungsbegründung unter Rn. 60 in der bloßen Behauptung, das Vorgericht habe insoweit rechtsfehlerhaft einen Unterlassungsanspruch des Klägers angenommen und der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 2, § 8 Abs. 2 Satz 3, § 97 Abs. 1 UrhG. Diese Ausführungen lassen in keiner Weise erkennen, warum das Urteil insoweit aus Sicht der Berufungsführerin rechtsfehlerhaft sein soll. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Landgericht die Verurteilung insoweit nicht auf eine Handlung der bühnenmäßigen Darstellung nach § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG gestützt hat, sondern darauf, dass eine öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG als besondere Form der öffentlichen Wiedergabe § 15 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 UrhG vorliege und weder der Kläger noch die GEMA der Beklagten ein entsprechendes Nutzungsrecht der Werke des Klägers zu Werbezwecken eingeräumt hätten. Auf diese – eigenständige – Begründung des Urteils hätte die Beklagte mithin gesondert eingehen und darlegen müssen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen sie diese Begründung für unrichtig hält, was nicht geschehen ist.
25 Da die Beklagte hinsichtlich der Annexansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz in der Berufungsbegründung (dort S. 11, Rn. 61 f.) lediglich auf das Nichtbestehen der Unterlassungsansprüche verwiesen hat, schlägt die unzureichende Berufungsbegründung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs bezüglich des YouTube-Videos auch auf die diesbezügliche Verurteilung hinsichtlich der Annexansprüche durch.
26 3. Im vorgenannten Umfang war die Berufung der Beklagten daher mangels hinreichender Begründung als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO.
27 II. Im Übrigen ist die Berufung zulässig, insbesondere wurde diese form- und fristgerecht eingelegt und fristgerecht ordnungsgemäß begründet. Auch in der Sache hat die Berufung insoweit überwiegend Erfolg. Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen der Verwendung der klägerischen Werke im Rahmen der Veranstaltung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ stehen dem Kläger weder aus § 97 UrhG, § 242, § 259 BGB in Verbindung mit § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG aufgrund einer bühnenmäßigen Darstellung zu (dazu 1), noch liegt eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung der Werke des Klägers nach § 14 UrhG vor (dazu 2). Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten steht dem Kläger teilweise zu (dazu 4).
28 1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt eine Verwertungshandlung der bühnenmäßigen Darstellung gemäß § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG, auf welche der Kläger seine Klage in Bezug auf die im Klageantrag zu 1 beschriebenen Verletzungshandlungen allein stützt, nicht vor.
29 a) Ob Musik bühnenmäßig dargestellt im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG wird, ist grundsätzlich in zwei Schritten zu prüfen. In einem ersten Schritt ist danach zu fragen, ob es sich bei der Darbietung, in deren Rahmen die Musik gespielt oder abgespielt wird, insgesamt betrachtet um eine „bühnenmäßige Darstellung“ handelt. Wird dies bejaht, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Musik integrierender, organischer Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur der bloßen Untermalung dient (vgl. BGH, GRUR 2022, 1441 Rn. 29 und 34 – Der Idiot).
30 Die genannten beiden Prüfungsschritte dürfen dabei nicht miteinander vermengt werden. Insbesondere darf daraus, dass die Musik integrierender, organischer Bestandteil des konkreten Bühnengeschehens ist, nicht darauf geschlossen werden, dass es sich bei dem Bühnengeschehen um eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG handelt. Denn ansonsten bestünde die Gefahr, dass in Fällen, in denen die Musik das Geschehen dominiert und die bühnenmäßigen Elemente völlig in den Hintergrund treten oder sogar gänzlich fehlen, eine bühnenmäßige Darstellung bejaht wird, obwohl es sich bei dem Geschehen gerade um ein reines Konzert in Form eines öffentlichen Zu-Gehör-Bringens der Musik durch persönliche Darbietung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 1 UrhG handelt.
31 b) Vorliegend führt bereits der erste Prüfungsschritt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der streitgegenständlichen Aufführung der Beklagten (insgesamt betrachtet) nicht um eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG handelt.
32 aa) Eine bühnenmäßige Darstellung im genannten Sinne liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls in allen Fällen vor, in denen ein gedanklicher Inhalt durch ein für das Auge oder für Auge und Ohr bestimmtes bewegtes Spiel im Raum dargeboten wird (BGH, GRUR 2022, 1441 Rn. 28 – Der Idiot; BGH, GRUR 2008, 1081 Rn. 12 – Musical Starlights; BGH, GRUR 2000, 228 – Musical Gala). Nach dieser Definition des BGH genügt es nicht, dass durch das Geschehen auf der Bühne ein gedanklicher Inhalt transportiert wird, sondern es ist überdies erforderlich, dass dies durch ein bewegtes Spiel im Raum geschieht.
33 Die Literatur geht dabei überwiegend davon aus, dass ein bewegtes Spiel unabdingbare Voraussetzung für eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG ist (vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 19 Rn. 10; Götting, in: BeckOK UrhR, 38. Stand: 01.05.2023, UrhG § 19 Rn. 21; v. Ungern-Sternberg, in: Schricker/Loewenheim, UrhR, 6. Aufl., UrhG § 19 Rn. 36 und Rn. 38; einschränkend allerdings drs. a.a.O. unter Rn. 35, dazu sogleich). Von Ungern-Sternberg (a.a.O. unter Rn. 35) weist indes zutreffend darauf hin, dass die bühnenmäßige Aufführung von Musik- und Sprachwerken im Rahmen von Bühnenaufführungen auch ohne ein bewegtes Spiel möglich ist. So kann beispielsweise auch durch ein Stillstehen und Schweigen durch einen Darsteller auf der Bühne ein bestimmter gedanklicher Inhalt vermittelt werden. Eine irgendwie geartete „Bewegung“ ist daher nicht zwingende Voraussetzung für eine bühnenmäßige Darstellung. Erforderlich ist jedoch in jedem Fall ein „Spiel“, also ein Schauspiel, das heißt, der gedankliche Inhalt muss gerade durch eine körperliche Ausdrucksform durch einen oder mehrere Schauspieler zum Ausdruck gebracht werden. Daran fehlt es etwa, wenn ein Bühnenstück nicht schauspielerisch dargestellt, sondern nur mit verteilten Rollen vorgelesen wird (vgl. Götting, in: BeckOK UrhR, UrhG § 19 Rn. 21; v. Ungern-Sternberg, in: Schricker/Loewenheim, UrhG § 19 Rn. 38).
34 Für eine solche Auslegung spricht insbesondere die Systematik des § 19 Abs. 1 und 2 UrhG. Dieser unterscheidet zwischen dem Vortragsrecht eines Sprachwerks gemäß § 19 Abs. 1 UrhG und dem Aufführungsrecht eines Musikwerks gemäß § 19 Abs. 2 Fall 1 UrhG einerseits, welche beide beinhalten, ein Sprach- bzw. Musikwerk durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör zu bringen, und dem Aufführungsrecht in Form des Rechts, ein Werk öffentlich bühnenmäßig darzustellen gemäß § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG andererseits. Für eine bühnenmäßige Darstellung im letztgenannten Sinne kann es daher nicht genügen, dass ein Sprachwerk oder Musikwerk (oder auch beide Werkarten zusammen) im Rahmen einer Aufführung durch persönliche Darbietung öffentlich zu Gehör gebracht werden. Vielmehr bedarf es, um die bühnenmäßige Darstellung von den vorgenannten anderen Nutzungsarten abzugrenzen, eines darüber hinausgehenden, zusätzlichen Merkmals, das in einem – sei es bewegtem oder unbewegtem – Spielgeschehen besteht. Dies gebietet auch der Grundsatz der Rechtssicherheit: Einem Nutzer (§ 8 VGG), der bei der GEMA die Lizenzrechte für eine Aufführung von Musikwerken nach § 19 Abs. 2 Fall 1 UrhG erworben hat, muss ein klares Abgrenzungskriterium an die Hand gegeben werden, ab wann die Schwelle zu einer bühnenmäßigen Darstellung gemäß § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG, die von dem eingeräumten Nutzungsrecht nicht mehr gedeckt ist, vorliegt.
35 bb) Gemessen an diesen Maßstäben kann im Streitfall eine bühnenmäßige Darstellung nicht angenommen werden.
36 (1) Zum tatsächlichen Ablauf der streitgegenständlichen Aufführung der Beklagten wird auf die Ausführungen auf S. 15 ff. unter (a) im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen. Diese tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wurden von den Parteien nicht angegriffen und es sind auch keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, so dass der Senat diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Überdies hat der Senat in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung die als Anlage K 1 vorgelegten Videos auszugsweise selbst angeschaut und sich hierbei davon überzeugt, dass die genannten Feststellungen zutreffend sind, sowie sich zugleich einen eigenen persönlichen Eindruck von der Aufführung verschafft.
37 (2) Auf Grundlage dieses Sachverhalts kann eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG im Streitfall nicht angenommen werden.
38 Selbst wenn man mit dem Landgericht davon ausgehen wollte, dass in der streitgegenständlichen Veranstaltung der Beklagten eine dramatische Geschichte im Sinne eines zusammenhängenden Handlungsablaufs, nämlich eine zusammenfassende Nacherzählung der Kinotrilogie „Der Herr der Ringe“ dargebracht und damit dem Publikum ein gedanklicher Inhalt vermittelt wird, geschieht dies – wie auch vom Landgericht konstatiert – in erster Linie durch die von dem Sprecher vorgetragenen Textpassagen und nicht – wie es für eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG erforderlich wäre – durch ein irgendwie geartetes Schauspiel. Vielmehr ist in dem Vorlesen der Texte (deren Werkcharakter unterstellt) lediglich ein öffentliches Zu-Gehör-Bringen durch persönliche Darbietung im Sinne von § 19 Abs. 1 UrhG zu sehen. Hieran ändert auch nichts, dass die Texte teilweise (oder überwiegend) mit den Musikwerken des Klägers (und anderen) untermalt werden bzw. gemeinsam mit diesen dargeboten werden. Denn auch hierin ist lediglich eine akustische persönliche Darbietung der Musik im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 1 UrhG zu sehen, die ohne darüber hinausgehende – hier nicht erkennbare – schauspielerische Leistungen keine bühnenmäßige Darstellung zu begründen vermag.
39 Auch dass die erzählte Geschichte durch wechselnde Hintergrundbilder auf der Bühnenleinwand verstärkt werden mag, führt nicht zur Annahme einer bühnenmäßigen Darstellung. Denn auch hierin ist keine schauspielerische Leistung zu sehen. Dies zeigt sich auch daran, dass es sich selbst dann, wenn ein bewegtes Spiel gefilmt und der Film in das Bühnengeschehen eingeblendet wird, nicht um eine bühnenmäßige Darstellung nach § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG, sondern um eine Vorführung eines Filmwerks im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 1 UrhG handelt (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 19 Rn. 11). Dies muss erst recht für die bloße Einblendung von starren Bildern gelten.
40 Ebenso vermögen die weiteren Effekte, wie Lichtinstallationen, künstlich erzeugter Nebel oder auch eine etwaige Kostümierung einzelner an dem Geschehen mitwirkender Personen – selbst wenn man mit dem Landgericht davon ausgehen wollte, dass diese den Erzählstrang abrunden und dem Ereignis einen „Showcharakter“ verleihen –, keine bühnenmäßige Darstellung im urheberrechtlichen Sinne zu begründen. Denn auch diese Effekte ersetzen nicht die notwendige körperliche Ausdrucksform im Sinne einer schauspielerischen Leistung von Personen.
41 Eine solche kann schließlich auch nicht in der in dem Video Anlage K 1, Teil 1 (vollständige Version), Hobbit_1 bei Minute 13:59 beginnenden Tanzeinlage (vgl. LGU S. 16, erster Abs. a.E.) gesehen werden. Ebenso wie für ein Schauspiel nicht zwingend eine Bewegung erforderlich ist (vgl. oben), reicht umgekehrt nicht jede Bewegung von Personen auf einer Bühne aus, um eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG annehmen zu können. So sind insbesondere artistische Leistungen oder Tänze (auch in choreografierter Form) nicht als bühnenmäßige Aufführung anzusehen, sofern durch diese dem Publikum nicht ein gedanklicher Inhalt vermittelt wird (vgl. Götting, in: BeckOK UrhR, UrhG § 19 Rn. 23). Dass und inwiefern dies bei dem genannten Tanz des Paares im Rahmen der Aufführung der Beklagten der Fall wäre, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen wäre allein eine einzige kurze, nur wenige Minuten dauernde Tanzeinlage, selbst wenn durch diese dem Publikum ein gedanklicher Inhalt vermittelt werden würde, nicht geeignet, der gesamten, nach den Feststellungen des Landgerichts ca. 90 Minuten dauernden Veranstaltung der Beklagten den Charakter einer bühnenmäßigen Darstellung zu verleihen.
42 c) Auf die Frage, ob die Musik des Klägers integrierender, organischer Bestandteil des Spielgeschehens ist und nicht nur der bloßen Untermalung dient (zweiter Prüfungsschritt), kommt es mithin vorliegend nicht an, weil es bereits an einem Spielgeschehen fehlt und es sich damit bei der streitgegenständlichen Aufführung der Beklagten insgesamt betrachtet (erster Prüfungsschritt) bereits nicht um eine bühnenmäßige Darstellung gemäß § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG handelt.
43 2. Die Ansprüche des Klägers lassen sich auch nicht darauf stützen, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Werke des Klägers gemäß § 14 UrhG entstellt oder in anderer Weise beeinträchtigt hätte.
44 a) Gemäß § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Die Prüfung ist dabei in drei Stufen vorzunehmen (vgl. nur Schulze, in: Dreier/Schulze, § 14 Rn. 9): (1.) Es muss eine Beeinträchtigung des Werks vorliegen. (2.) Diese Beeinträchtigung muss die berechtigten Interessen des Urhebers gefährden. (3.) Schließlich ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen.
45 b) Vorliegend kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass durch die Aufführung der Beklagten die im Klageantrag zu 1 genannten Musikwerke des Klägers beeinträchtigt werden (dazu aa) und hierdurch die berechtigten Interessen des Klägers gefährdet sind (dazu bb). Jedenfalls aber die Interessenabwägung fällt vorliegend zugunsten der Beklagten aus (dazu cc).
46 aa) Vorliegend kann unterstellt werden, dass die im Klageantrag zu 1 genannten Musikwerke des Klägers durch die Aufführung der Beklagten beeinträchtigt im Sinne von § 14 UrhG werden.
47 (1) Allerdings kann eine solche Beeinträchtigung entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darin gesehen werden, dass die Werke im Rahmen der Aufführung der Beklagten in einer anderen Reihenfolge gespielt wurden als in den Filmen, für welche die Musik komponiert wurde. Dies würde voraussetzen, dass die Filmmusik als Ganzes (ebenfalls) ein eigenständiges Werk darstellt. Hierzu fehlt es an einem hinreichenden Vortrag des Klägers. Jedenfalls aber ist ein solches Gesamtwerk nicht Gegenstand des Klageantrags zu 1, sondern der Antrag ist ersichtlich nur auf die einzelnen dort aufgeführten Musikstücke als jeweils eigenständige Werke ausgerichtet.
48 (2) Ebenso ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Werke des Klägers im Rahmen der Aufführung der Beklagten in einer geänderten Form dargeboten worden wären und damit eine „Substanzänderung“ erfahren hätten. Eine Beeinträchtigung der (einzelnen) Musikwerke des Klägers könnte mithin allenfalls darin gesehen werden, dass die Musikwerke im Rahmen der Darbietung gemeinsam mit den von dem Sprecher vorgelesenen Texten dargeboten und dadurch in einen anderen Sachzusammenhang gestellt wurden (vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, § 14 Rn. 6), zumal sich die vorgelesenen Texte sich nicht streng am Inhalt der Filme, für welche die Musikwerke des Klägers komponiert wurden, orientieren.
49 bb) Weiter kann unterstellt werden, dass hierdurch die Interessen des Klägers gefährdet werden. Eine solche Gefährdung wird grundsätzlich bereits durch eine festgestellte Beeinträchtigung des Werks indiziert (vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, § 14 Rn. 15, m.w.N.).
50 cc) Die im Rahmen des § 14 UrhG vorzunehmende umfassende Interessenabwägung fällt vorliegend indes zugunsten der Beklagten aus.
51 Hierbei ist zu beachten, dass die durch eine Darbietung von Musikwerken in einem anderen Sachzusammenhang indizierte Interessengefährdung auf Seiten des Urhebers bei objektiver Betrachtung ein gewisses Gewicht aufweisen muss. Dies gebietet wiederum der Grundsatz der Rechtssicherheit. Der Urheber hat es grundsätzlich in der Hand, ein Werk der Musik in eigener Regie zu verwerten und in diesem Fall selbst zu entscheiden, wem er für welche Zwecke und unter welchen Bedingungen Nutzungsrechte einräumt. Entscheidet sich der Urheber indes – aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen – für eine Verwertung durch eine Verwertungsgesellschaft, namentlich die GEMA, gibt er diese Möglichkeit (als Kehrseite der wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Verwertung) bewusst aus der Hand. In diesem Fall ist allein die GEMA berechtigt, die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte einzuräumen, und sie ist hierzu überdies auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen gegenüber jedermann verpflichtet, § 34 Abs. 1 VGG. Ein Nutzer (§ 8 VGG), der Nutzungsrechte für Musikwerke von der GEMA erwirbt, muss sich aber darauf verlassen können, dass er die Musikwerke (in den Grenzen der lizenzierten Nutzungsart) grundsätzlich uneingeschränkt für die von ihm beabsichtigten Zwecke verwenden kann. Allein, dass die konkrete Art der Darbietung der über die GEMA lizenzierten Musik durch den Nutzer oder der Sachzusammenhang, in welchem der Nutzer die Musik verwendet, nicht den subjektiven Vorstellungen des Urhebers entspricht, kann nicht dazu führen, dass dieser über § 14 UrhG den Nutzer auf Unterlassung und/oder Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Es ist deshalb im Rahmen der Interessenabwägung danach zu fragen, ob durch die konkrete Verwendung des Musikwerks die persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers aus Sicht eines objektiven vernünftigen Urhebers nachvollziehbar in erheblicher Weise gefährdet sind, wie dies etwa bei der Verwendung von Musikwerken durch politische Parteien der Fall sein kann.
52 Eine erheblich ins Gewicht fallende Interessengefährdung in diesem Sinne durch die streitgegenständliche Verwendung der Musikwerke des Klägers durch die Beklagte ist vorliegend nicht erkennbar. Hierbei ist insbesondere zu sehen, dass sich die gemeinsam mit der dargebotenen Musik vorgelesenen Texte zwar nicht streng an den Filmen, für welche die Musik komponiert wurde, orientieren mögen. Die Musik wird jedoch weiterhin in demselben thematischen Zusammenhang („Herr der Ringe“) aufgeführt.
53 Es überwiegt daher vorliegend das Interesse der Beklagten, die Musikwerke (soweit eine Lizenzierung durch die GEMA erfolgt ist) in der betreffenden Art und Weise zu verwenden, zumal die Beklagte kommerzielle Zwecke verfolgt und daher im Rahmen der Interessenabwägung auch ihre Berufsausübungsfreiheit zu berücksichtigen ist. Insbesondere hat die Beklagte als professionelle Konzertveranstalterin ein berechtigtes – im konkreten Fall das Klägerinteresse überwiegendes – Interesse daran, die Aufführung der Musikwerke durch weitere Elemente wie Hintergrundbilder, Licht- und Nebeleffekte, Tanzeinlagen, aber auch Sprecheinlagen mit Bezug zum Thema „Herr der Ringe und der Hobbit“ für das Publikum ansprechender zu gestalten und ihr Angebot damit attraktiver zu machen – solange sie – wie hier – die durch § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG gezogenen Grenzen nicht überschreitet.
54 3. Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht wegen der Verwendung der klägerischen Werke im Rahmen der Veranstaltung „DER HERR DER RINGE UND DER HOBBIT – Das Konzert“ stehen dem Kläger mithin nicht zu, so dass das landgerichtliche Urteil insoweit auf die Berufung der Beklagten hin abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen war.
55 4. Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung bzw. Freistellung von Abmahnkosten steht dem Kläger teilweise, nämlich in Höhe von 441,63 Euro zu.
56 Soweit Gegenstand der Abmahnung die Verwendung der im Klageantrag zu 2 genannten Werke des Klägers in dem YouTube-Video war, ist das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG a.F. ausgegangen. Hiergegen wendet auch die Berufung nichts ein.
57 Nachdem der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Unterlassungsanspruch – wie unter B II 1 und 2 ausgeführt – nicht besteht, war insoweit die Abmahnung vom 09.12.2019 hingegen nicht berechtigt, so dass der Kläger insoweit auch keinen Aufwendungsersatz verlangen kann.
58 Da der Gegenstandswert der Abmahnung bezüglich des Werbetrailers gegenüber dem Gegenstandswert der Abmahnung insgesamt 1/4 ausmachte, steht dem Kläger ein Freistellungsanspruch lediglich in Höhe eines Viertels des geltend gemachten Betrags (1.766,50 Euro), mithin in Höhe von 441,63 Euro zu (vgl. BGH, GRUR 2010, 744 Rn. 52 – Sondernewsletter).
59 In diesem Umfang war die Berufung betreffend Ziffer 5 des landgerichtlichen Urteils daher zurückzuweisen. Im Übrigen waren auf die Berufung der Beklagten das Ersturteil insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen.
C.
60 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
61 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
62 Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere handelt es sich, wie aus der BGH-Entscheidung „Der Idiot“ (GRUR 2022, 1441) hervorgeht, bei der Frage, ob eine bühnenmäßige Darstellung im Sinne von § 19 Abs. 2 Fall 2 UrhG vorliegt, in erster Linie um eine vom Tatgericht im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung.

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