Wer zahlt die Kosten des Verfahrens bei einem Urheberrechtsstreit?
Landgericht Köln
Urteil vom 30.03.2023
Az.: 14 O 222/22
Leitsätze
1. Ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO kommt dann nicht in Betracht, wenn der Kläger bereits vorgerichtlich auf die Nachfrage des Beklagten nach der urheberrechtlichen Abmahnung seine Rechtsinhaberschaft substantiiert.
2. Der Abmahnende ist nicht verpflichtet dem Abgemahnten gegenüber den Vollbeweis oder eine zur Überzeugung entsprechend § 286 ZPO genügende Indizienlage vorzutragen.
Tenor
I. Im Wege des Anerkenntnisurteils:
1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Herkunft, den Umfang und gesamte Dauer der Verwendung der streitgegenständlichen Lichtbilder durch den Beklagten zu erteilen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zur Zahlung der für die Nutzung der im ursprünglichen Klageantrag zu 1) wiedergegebenen Lichtbilder ersparten Lizenz verpflichtet ist.
3. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten außergerichtlicher Rechtsvertretung durch Zahlung an Rechtsanwalt I., X.-straße, O. in Höhe von 1.214,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
II. Im Wege des Schlussurteils:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist mit Blick auf die Tenorziffern I. 1. und I. 3 vorläufig vollstreckbar. Mit Blick auf die Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Die Parteien haben um urheberrechtliche Ansprüche wegen der Verwendung von Lichtbildern durch den Beklagten bei eBay gestritten.
Der Kläger ist – was im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden ist – Inhaber von ausschließlichen Verwertungsrechten an den nachfolgend wiedergegebenen Lichtbildern
„Bilddarstellung wurde entfernt“
„Bilddarstellung wurde entfernt“
Die Lichtbilder wurden am 31.01.2017 vom hauptberuflichen Fotografen W. Z. im Auftrag des Klägers erstellt. Herr Z. übertrug die ausschließlichen Nutzungsrechte an den Kläger.
Der Beklagte vertreibt unter dem eBay-Namen „A.“ als gewerblicher Verkäufer diverse Neuware. Im Mai 2022 stellte der Kläger fest, dass der Beklagte die streitgegenständlichen Fotografien in seinen gewerblichen Kaufangeboten auf der Plattform eBay nutzte.
Mit anwaltlichem Abmahnschreiben 18.05.2022 wurde der Beklagte abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.05.2022 stellte der Beklagte die Rechteinhaberschaft des Klägers an dem Bildmaterial in Frage, ohne die Nutzung der Bilder zu bestreiten. Er gab weder eine Unterlassungserklärung ab, noch erteilte er Auskunft über die Bildernutzung, noch zahlte er Abmahnkosten. Der Kläger replizierte vorgerichtlich dergestalt, dass er den Namen des Lichtbildners und auch Ausdrucke der unbearbeiteten Fotorohdateien übersandte, wobei dieses Schreiben und die Ausdrucke nicht zur Akte gelangt sind. Der Beklagte antwortete hierauf wiederum mit ausführlicher Begründung und verwies auf verbleibende Zweifel an der Aktivlegitimation.
Der Kläger hat am 11.08.2022, zugestellt am 07.09.2022, Klage erhoben.
Er hat beantragt,
1. dem Beklagten aufzugeben, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, die nachfolgend wiedergegebenen Lichtbilder
„Bilddarstellung wurde entfernt“
„Bilddarstellung wurde entfernt“
ohne Zustimmung des Klägers zu vervielfältigen und/oder vervielfältigen zu lassen und/oder Vervielfältigungen dieser Lichtbilder ohne Zustimmung des Klägers öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, wenn geschehen wie auf der Plattform www.ebay.de geschehen und in Anlage K1 wiedergegeben.
2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über die Herkunft, den Umfang und gesamte Dauer der Verwendung der streitgegenständlichen Lichtbilder durch den Beklagten zu erteilen.
3. festzustellen, dass der Beklagte zur Zahlung der für die Nutzung der in Antrag zu 1) wiedergegebene Lichtbilder ersparten Lizenz verpflichtet ist.
4. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von den Kosten außergerichtlicher Rechtsvertretung durch Zahlung an Rechtsanwalt I., X.-straße, O. in Höhe von 1.214,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Der Beklagte hat am 21.09.2022 Verteidigung anzeigen lassen, ohne einen Antrag zu formulieren oder sich zur Sache einzulassen. Mit Schriftsatz vom 05.10.2022 hat der Beklagte sich zur Sache eingelassen, ohne einen Klageabweisungsantrag anzukündigen. In diesem Schriftsatz hat der Beklagte außerdem eine strafbewehrte Unterlassungserklärung betreffend den ursprünglichen Klageantrag zu 1.) abgegeben.
Im Übrigen hat der Beklagte die Aktivlegitimation des Klägers bestritten und eine Auflage durch das Gericht an den Kläger beantragt, dass dieser als Beweis angekündigte hochauflösende Originaldateien sowie weitere Bilder aus der Lichtbildreihe als Rohdateien sowie die Bestätigung (schriftliche Erklärung) des Lichtbildners vorzulegen habe. Er trägt vor, dass er bei entsprechendem Nachweis in der vorgerichtlichen Korrespondenz schon vorgerichtlich die klägerischen Ansprüche erfüllt hätte.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2023 hat der Kläger die Unterlassungserklärung des Beklagten angenommen und den Rechtsstreits teilweise für erledigt erklärt mit Blick auf den ursprünglichen Klageantrag zu 1.). Er hat außerdem die streitgegenständlichen Fotos als nicht freigestellte Lichtbilder sowie eine Erklärung des Fotografen Z. zur Akte gereicht.
Mit Schriftsatz vom 01.02.2023 hat der Beklagte den Rechtsstreit ebenfalls teilweise für erledigt erklärt und die verbliebene Klageforderung anerkannt unter Verwahrung gegen die Kostenlast gem. § 93 ZPO.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 03.02.2023 das schriftliche Verfahren gem. § 128 Abs. 3 ZPO eingeleitet.
Entscheidungsgründe
I. Der Beklagte war zunächst entsprechend seines Anerkenntnisses zu verurteilen, § 307 ZPO. Einer weiteren Begründung bedarf es insoweit nicht.
II. Die nach der Teilerledigung einzig verbleibende Kostenentscheidung nach § 91a ZPO bzw. nach § 93 ZPO ergibt die tenorierte Kostenverteilung.
a) Es liegt kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO vor. Zum einen hat der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben. Zum anderen mangelt es an einem „sofortigen“ Anerkenntnis.
Der Beklagte beruft sich mit seiner Verwahrung gegen die Kostenlast auf § 93 ZPO. Nach dieser Vorschrift fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und dieser nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat.
Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei grundsätzlich dann, wenn ihr Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 93 Rn. 3).
Es muss zudem ein sofortiges Anerkenntnis vorliegen. Ein Anerkenntnis erfolgt grundsätzlich dann „sofort“, wenn der Beklagte die erste sich bietende prozessuale Möglichkeit zum Anerkenntnis gegenüber dem Gericht und dem Gegner wahrnimmt (MüKo ZPO/Schulz, 6. Aufl., § 93, Rn. 12). Dabei ist im Hauptsacheverfahren davon auszugehen, dass bereits die Ankündigung eines Klageabweisungsantrags und das Bestreiten des Klagegrundes schädlich sind und ein nachfolgend erklärtes Anerkenntnis nicht mehr sofort sein kann (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., § 93, Rn. 4).
Neben diesen allgemeinen Grundsätzen kann es im Urheberrecht zu Besonderheiten kommen, da die Aktivlegitimation des Urhebers nicht selten für den Abgemahnten nicht ohne Weiteres überprüfbar ist. So hat etwa das OLG Frankfurt (Beschluss vom 28.8.2017 – 11 W 16/17, ZUM-RD 2018, 7) ausgeführt, dass unter Beachtung des Grundsatzes, dass der Verletzer verpflichtet ist, sich selbst nach der Rechtekette zu
erkundigen, wenn er einen nicht von ihm stammenden urheberrechtlich geschützten Gegenstand benutzen will und er auch im Prozess die Rechtsinhaberschaft nicht einfach bestreiten darf, gleichwohl den Kläger die Darlegungs- und Beweislast für seine Rechtsinhaberschaft trifft. Die Erkundigungspflicht des Verletzers besagt zunächst nur, dass er sich nicht ohne Weiteres auf einen Rechtsirrtum dahingehend berufen kann, er habe geglaubt, selbst aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzungsberechtigt zu sein. Sie bedeutet aber nicht, dass er gegenüber jedem Dritten, der seinerseits behauptet, Rechteinhaber zu sein, ohne Weiteres zur Unterlassung verpflichtet wäre.
Ein Bestreiten der Rechteinhaberschaft mit Nichtwissen ist nur dann unzulässig, wenn der Kläger seine Urheberschaft (bzw. seine Rechteinhaberschaft) substantiiert dargelegt hat (OLG Frankfurt a.a.O.). Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
Anders als im oben zitierten Fall hat der Kläger vorliegend aber bereits vorgerichtlich auf die Nachfrage des Beklagten nach der Abmahnung seine Rechtsinhaberschaft substantiiert. Er hat den Namen des Lichtbildners und auch Ausdrucke der unbearbeiteten Fotorohdateien übersandt. Hierauf hat der Beklagte vorgerichtlich nach eigenem Vortrag darauf verwiesen, dass die Übersendung einer „lediglich 100 Kilobyte kleinen PDF-Datei mit drei auf einer DIN-A4-Seite zusammengefasst dargestellten und schlecht aufgelösten Abbildung von ‚Originaldateien‘ zur Glaubhaftmachung oder schlüssigen Darlegung einer Rechteinhaberschaft ungeeignet“ sei. Auch rügt er, dass keine weiteren Bilder aus einer Bilderreihe vorgelegt worden seien. Er hielt vielmehr seine Verteidigung aufrecht, dass die Bilder von dem chinesischen Lieferanten stammten.
Bei dieser Sachlage genügt das vorgerichtliche Verhalten des Klägers den Anforderungen an eine Substantiierung als Reaktion auf die Nachfrage des Abgemahnten nach der Aktivlegitimation. Die Kammer fordert insoweit keine gleichwertigen Substantiierungsanforderungen wie etwa in einem Rechtsstreit nach erheblichem Bestreiten der Aktivlegitimation. Der Abmahnende ist nicht verpflichtet dem Abgemahnten gegenüber den Vollbeweis oder eine zur Überzeugung entsprechend § 286 ZPO genügende Indizienlage vorzutragen. Bei der hier vorgetragenen Mitteilung weiterer Informationen zum Lichtbildner und eines – wenn auch in nicht besonders guter Bildauflösung vorgelegten – Ausdrucks der gegenständlichen Lichtbilder liegt es am Abgemahnten ggf. weitere Ermittlungen anzustrengen oder sich zu unterwerfen. Der Beklagte hätte etwa bei dem benannten Lichtbildner Nachfragen stellen können. Der Vorlage von Verträgen oder hochauflösenden RAW-Dateien oder weiterer Fotos einer Aufnahmenserie bedarf es nach Ansicht der Kammer vorgerichtlich nicht. Dabei handelt es sich jeweils um Indizien, die im Prozess die Aktivlegitimation beweisen können. Es ist aber nicht Zweck der urheberrechtlichen Abmahnung, den Abgemahnten in dieselbe Situation wie ein Gericht zu versetzen, um dort die Zweifeln Einhalt gebietende Überzeugung der Aktivlegitimation zu erreichen. Zweck der Abmahnung ist die Einstellung der Rechtsverletzung und das Angebot zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr sowie der Klaglosstellung des Abmahnenden. Insofern hat der Abgemahnte zwar das Nachfragerecht, trägt aber auch das Risiko, wenn er auf eine weitere Darlegung – wie hier – an der eigenen Verteidigung der fehlenden Aktivlegitimation festhält.
Nachdem der Beklagte also auch nach der vorgerichtlichen Ergänzung des Vortrags zur Aktivlegitimation durch den Kläger die Ansprüche zurückgewiesen hat, hat der Beklagte Klageanlass gegeben.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, so wäre das Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast im hiesigen Verfahren zu spät und nicht mehr „sofort“. Denn dies hätte spätestens mit der Klageerwiderung erfolgen müssen, in der der Beklagte ja bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte eine solche Unterlassungserklärung abgibt, aber die Annexansprüche unter Verweis auf die fehlende Aktivlegitimation zurückweist, da die Aktivlegitimation sowohl für die Unterlassung als auch für alle anderen Ansprüche nach Urheberrechtsverletzung notwendig ist. Wenn der Beklagte sich also bemüßigt sah, sich zu unterwerfen, hätte er auch bereits an dieser Stelle ein sofortiges Anerkenntnis erklären können.
Hinzu kommt, dass das Anerkenntnis im Nachgang auch erst nach erheblichen Zeitablauf erfolgt ist. So hat der Kläger in seiner Replik weitere Indizien für seine Rechtsinhaberschaft vorgelegt. Hierauf hat der Beklagte erst mehr als zwei Monate später und nach mehrmaliger Kontaktierung durch das Gericht mit dem Anerkenntnis unter Verwahrung gegen die Kostenlast reagiert. Dies entspricht nicht den Anforderung an die durch das Merkmal „sofort“ geforderte zeitliche Komponente.
b) Der Beklagte trägt auch die Kosten der Teilerledigung nach § 91a ZPO. Nach der hier beiderseits erklärten Teilerledigung des Unterlassungsantrags hat die Kammer über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Da der Unterlassungsanspruch nach §§ 97 Abs. 1, 19a, 72 UrhG bei Klageerhebung zulässig und begründet war und erst durch die Abgabe der Unterlassungserklärung in der Klageerwiderung unbegründet geworden ist, so gebietet der Sach- und Streitstand die Kostentragung des Beklagten. Ohne die Unterwerfung wäre die Beklagte insoweit im Rechtsstreit unterlegen. Dabei ist die Aktivlegitimation des Klägers mittlerweile unstreitig, wäre aber auch spätestens nach der Vorlage der weiteren Belege in der Replik zur Überzeugung der Kammer im Wege des Indizienbeweises anzunehmen. Die übrigen Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs lagen auch ohne weitere Streitigkeit zwischen den Parteien vor. Es sind auch keine Billigkeitsgründe ersichtlich, ausnahmsweise entgegen des Sach- und Streitstandes die Kosten zu verteilen. Dies gilt insbesondere angesichts der oben bereits ausführlich dargelegten vorgerichtlichen Korrespondenz, die den Beklagten bereits in die Lage versetzt hat, den Rechtsstreit bereits vorgerichtlichen zu erledigen.
III. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1, 709 S. 2 ZPO.
IV. Der Streitwert wird auf 23.400,00 EUR festgesetzt.