Marktüberwachung: Atemschutzmasken nicht ordnungsgemäß geprüft?

07. Juli 2021
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Mund-Nasen-Bedeckungen Beschluss des OVG Lüneburg vom 15.06.2021, Az.: 13 ME 243/21

Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der VO (EG) Nr. 765/2008 stellt auch als allgemeine Befugnisnorm die Ermächtigungsrundlage dar, um die Marktüberwachung hinreichend zu gewährleisten. So treffen die Wirtschaftsakteure verschiedene Mitteilungspflichten, sofern Atemschutzmasken, die nicht ordnungsgemäß geprüft wurden, auf dem Markt bereitgestellt wurden. Die Mitteilungspflichten sind auch verhältnismäßig, da nur so sichergestellt werden kann, dass alle nicht ordnungsgemäß geprüften Atemschutzmasken zurückgenommen werden und eine weitere Bereitstellung auf dem Markt verhindert wird.

Oberverwaltungsgericht Lüneburg

Beschluss vom 15.06.2021

Az.: 13 ME 243/21

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade – 6. Kammer – vom 9. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.875,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade vom 9. April 2021 hat keinen Erfolg.

I. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 30. September 2020 (nunmehr Klage der Antragstellerin vom 18. Februar 2021, VG Stade – 6 A 235/21 -) gegen die Nummern 3. und 4. des Bescheides des Antragsgegners vom 15. September 2020 (GA, Bl. 62 ff.) in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 (GA, Bl. 66 ff.) sowie den insoweit hilfsweise gestellten Antrag auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu Recht abgelehnt. Gleiches gilt im Hinblick auf die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18. Februar 2021 gegen die Zwangsgeldandrohungen im Bescheid des Antragsgegners vom 2. Februar 2021 (GA, Bl. 113 f.). Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat sich nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

1. Eine zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zwingende Rechtsverletzung ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin zunächst nicht aus einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Verwaltungsgericht. Insoweit verwechselt die Antragstellerin offensichtlich die Darlegung von Zulassungsgründen nach §§ 124, 124a VwGO mit der Darlegung von Beschwerdegründen nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO. Ein möglicher Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör wird dadurch geheilt, dass die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit zur Äußerung hat (vgl. zur Möglichkeit der Heilung von Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Instanzenzug: BVerfG, Beschl. v. 25.5.1956 – 1 BvR 128/56 -, NJW 1956, 1026; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 138 Rn. 18 m.w.N.) und dieser Vortrag – soweit entscheidungserheblich – vom Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt wird. Die Prüfung in der Beschwerdeinstanz hat nicht die Prüfung eines Gehörsverstoßes in der ersten Instanz, sondern – im Rahmen der dargelegten Gründe – eine erneute inhaltliche Prüfung zum Gegenstand.

Eine von der Auffassung der Antragstellerin abweichende Würdigung des Sach- und Streitstandes durch das Verwaltungsgericht stellt zudem für sich genommen ohnehin keinen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dar.

2. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung durch den Austausch der zugrunde gelegten Ermächtigungsgrundlage durch das Verwaltungsgericht vor. Im Ausgangsbescheid vom 15. September 2020 wird das in Nr. 3 und Nr. 4 tenorierte Auskunftsverlangen auf Art. 8 Abs. 10 der Verordnung (EU) 2016/425 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 gestützt (GA, Bl. 64 R). Im Widerspruchsbescheid heißt es hingegen: „Eingriffsermächtigung hierzu ist Art. 13 der Verordnung (EU) 2016/425. Soweit die Ermächtigungsgrundlage nicht ausreichend ist, kommen nach § 1 Abs. 1 u. 4 ProdSG die Vorschriften den ProdSG ergänzend zur Anwendung. Hier ergibt sich die Ermächtigung aus § 28 Abs. 2 Satz 1 ProdSG.“ (GA, Bl. 77). Das Verwaltungsgericht hat die Rechtsgrundlage sodann wiederum in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 gesehen (S. 15 ff. des Beschlussabdrucks).

Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gegenstand der Anfechtung ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt vom 15. September 2020 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2021 gefunden hat. Maßgeblich ist daher die Fassung des Widerspruchsbescheids. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat der Antragsgegner in seinem Widerspruchsbescheid aber nicht Abstand von der im Ausgangsbescheid genannten Ermächtigungsgrundlage des Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 genommen. Er hat den Ausgangsbescheid durch Zurückweisung des Widerspruchs der Antragstellerin in vollem Umfang bestätigt und dabei lediglich die Begründung des Ausgangsbescheids um weitere Normen angereichert, die nach seiner Auffassung die Auskunftsverpflichtung der Antragstellerin und deren Durchsetzung ebenfalls tragen. Der Antragsgegner hat die Begründung der Verfügung mithin nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt. An keiner Stelle des Widerspruchsbescheids ist zu erkennen, dass sich der Antragsgegner von den Erwägungen des Ausgangsbescheids „losgesagt“ hätte. Diese Vorgehensweise ist erkennbar dem stetig wachsenden und zunehmend unabgestimmten Normengeflecht auf europäischer und nationaler Ebene geschuldet, das eine Behörde zur Nennung und Beachtung aller möglichen in Betracht kommenden und sich teilweise überschneidenden oder miteinander in Teilbereichen konkurrierenden Rechtsgrundlagen nahezu zwingt, um den Bestand ihres Bescheids im Falle einer gerichtlichen Überprüfung sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund liegt keine Wesensänderung des angefochtenen Bescheids vor, wenn das Verwaltungsgericht auf die im Ausgangsbescheid genannte Rechtsgrundlage des Art. 19 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zurückgreift.

3. Die Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 liegen entgegen der Auffassung der Antragstellerin vor. Nach dieser Bestimmung können die Marktüberwachungsbehörden u.a. Wirtschaftsakteure verpflichten, die Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie für die Zwecke der Durchführung ihrer Tätigkeiten für erforderlich halten.

Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt (S. 16 f. des Beschlussabdrucks:

„Der Antragsgegner ist die gemäß Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 VO (EG) Nr. 765/2008 zuständige Marktüberwachungsbehörde und die Antragstellerin ein Wirtschaftsakteur in diesem Sinne (vgl. Artikel 2 Nummern 7 und 18 VO (EG) Nr. 765/2008). Der Antragsgegner handelte auch zum Zwecke der Durchführung seiner Tätigkeit, nämlich der Marktüberwachung. Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 VO (EG) Nr. 765/2008 ist dabei nicht so zu verstehen, dass sich die Tätigkeit der Marktüberwachungsbehörden allein auf die Überprüfung von Merkmalen von Produkten (von der Antragstellerin als „Erforschungsmaßnahmen“ bezeichnet) erstreckt. Dies ergibt sich nicht aus der systematischen Stellung von Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 VO (EG) Nr. 765/2008 nach Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 765/2008. Denn die Tätigkeiten der Marktüberwachungsbehörden sind nicht allein in Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 765/2008 festgelegt, sondern finden sich in den allgemeinen Bestimmungen (Artikel 1 und 2) dieser Verordnung. Die „Marktüberwachungsbehörde“ ist gemäß Artikel 2 Nummer 18 VO (EU) 765/2008 eine Behörde eines Mitgliedstaats, die für die Durchführung der Marktüberwachung auf seinem Staatsgebiet zuständig ist. Als Marktüberwachung sind dabei ausweislich Artikel 2 Nummer 17 VO (EG) Nr. 765/2008 die von den Behörden durchgeführten Tätigkeiten und von ihnen getroffenen Maßnahmen, durch die sichergestellt werden soll, dass die Produkte mit den Anforderungen der einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft übereinstimmen und keine Gefährdung für die Gesundheit, Sicherheit oder andere im öffentlichen Interesse schützenswerte Bereiche darstellen, zu verstehen.“

Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Art. 37 der Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstung verweist auf Art. 16 bis 29 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008. Sofern in dieser Verordnung (EU) 2016/425 keine spezielleren Regelungen enthalten sind (etwa in Art. 38), erfolgt ein Rückgriff auf die genannten Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 (vgl. Erwägungsgrund 5 dieser Verordnung). Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 ist dabei als Ermächtigungsgrundlage nicht alleine im Hinblick auf die Überprüfung der Merkmale von Produkten im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 anzusehen, wie ihre systematische Stellung nahelegen könnte. Die Bestimmung ermöglicht als allgemeine Befugnisnorm vielmehr u.a. die Verpflichtung der Wirtschaftsakteure zur Erteilung von Informationen und zur Vorlage von Unterlagen im Hinblick auf den gesamten Aufgabenbereich der Marktüberwachung im Sinne des Art. 2 Nr. 17 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008, wozu auch die Überwachung einer etwaigen Rücknahme gehört. Diese am Zweck einer effektiven Marktüberwachung orientierte weite Auslegung ist durch den Wortlaut gedeckt, da dieser nicht auf die in Unterabsatz 1 bezeichnete Tätigkeit verweist, sondern die Befugnisse der Marktüberwachungsbehörde allgemein zur „Durchführung ihrer Tätigkeiten“ zuweist. Nationale Vorschriften gleichen Inhalts sind aufgrund der unmittelbaren Wirkung der Verordnung (Art. 288 Unterabs. 2 AEUV) und des Anwendungsvorrangs des Europarechts entbehrlich (vgl. Senatsbeschl. v. 12.12.2019 – 13 ME 320/19 -, juris Rn. 42 ff.).

4. Die in Nummern 3. und 4. des Bescheides des Antragsgegners vom 15. September 2020 festgelegten Mitteilungspflichten sind auch verhältnismäßig. Sie dienen erkennbar dem legitimen Ziel, die Befolgung der Rücknahmeverpflichtung in Nr. 2. des angefochtenen Bescheides zu verifizieren und erforderlichenfalls eine weitere Bereitstellung durch die belieferten Wirtschaftsakteure zu verhindern.

a) Die ergriffenen Maßnahmen sind dazu auch geeignet. Indem die Antragstellerin verpflichtet ist, dem Antragsgegner die belieferten Wirtschaftsakteure zu benennen (Nr. 3.), ist dieser nicht allein auf die Angaben der Antragstellerin angewiesen, sondern kann diese Angaben durch Informationen von dritter Seite überprüfen. Er kann zudem erforderlichenfalls gegen die von der Antragstellerin belieferten und zu benennenden Wirtschaftsakteure unter den gleichen Voraussetzungen vorgehen, unter denen der Senat dies in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2020 (13 ME 468/20) gegenüber der Antragstellerin selbst bejaht hat. Dabei reicht es grundsätzlich aus, dass die Atemschutzmasken nicht den Anforderungen der Verordnung (EU) 2016/425 über persönliche Schutzausrüstungen genügen und unzutreffend mit „CE 0194“ gekennzeichnet sind. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist hingegen nicht erforderlich. Sollte dem Antragsgegner die (örtliche) Zuständigkeit für ein Vorgehen gegen die belieferten Wirtschaftskateure fehlen, so kann er zumindest die zuständigen Behörden auf die Problematik aufmerksam machen und zu einem Handeln in eigener Zuständigkeit veranlassen.

Durch die Verpflichtung der Antragstellerin zur Mitteilung des Verbleibs der Atemschutzmasken (Nr. 4. des Bescheids vom 15. September 2020) ist der Antragsgegner in der Lage, eine Ergebniskontrolle der in Nr. 2. des Bescheids vom 15. September 2020 verfügten Rücknahme durchzuführen. Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, dass die Rücknahmemaßnahmen nicht zwingend den Rückerhalt der Masken erfordern, so hat er nach Nr. 4. des Bescheids vom 15. September 2020 den anderweitigen Verbleib dieser Masken mitzuteilen, der in gleich wirksamer Weise verhindert, dass diese auf dem Markt bereitgestellt werden (vgl. Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008).

b) Die in den Nrn. 3 und 4 des angefochtenen Bescheids vom 15. September 2020 getroffenen Anordnungen sind auch erforderlich. Es stellt kein milderes aber gleich effektives Mittel dar, sich ausschließlich auf die Befolgung der Anordnungen in den Nrn. 1. und 2. des Bescheids durch die Antragstellerin zu verlassen und sich der Möglichkeit der Verifizierung durch die Kontrolle bei den belieferten Wirtschaftsakteuren (Nr. 3.) und einer späteren Ergebniskontrolle der nach Nr. 2. des Bescheids mitgeteilten Maßnahmen (Nr. 4.) zu begeben. Auch eine technische Untersuchung der ursprünglich bereitgestellten Atemschutzmasken stellt kein milderes Mittel dar, da es selbst bei einer ausreichenden technischen Qualität der Masken bei dem Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2016/425 und bin der unzutreffenden CE-Kennzeichnung bliebe.

Ob die Antragstellerin im Rahmen des gegen den Bescheid vom 15. September 2020 gerichteten Verwaltungsstreitverfahrens zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 21. Januar 2021 bereits hinreichende Angaben zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach Nr. 4. der angefochtenen Verfügung gemacht hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Daran bestehen Zweifel, weil die Antragstellerin offensichtlich lediglich durch ihre Prozessbevollmächtigten hat mitteilen lassen, in ihrem Lager befänden sich noch 280 der betreffenden Masken, die nicht für den Verkauf bereitgestellt würden. Wie bereits aufgeführt, hätte die Antragstellerin aber auch Angaben zum Verbleib derjenigen Masken machen müssen, zu deren Rücknahme sie verpflichtet war, die sie aber selbst nicht physisch zurückgenommen, sondern auf andere Weise sichergestellt hat. Nur so kann gewährleistet sichergestellt werden, dass sie auf dem Markt nicht bereitgestellt werden. Die schlichte Information über die Lagerbestände der Antragstellerin reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Selbst wenn die Antragstellerin vor Erlass des Widerspruchsbescheids aber ausreichende Angaben gemacht hätte, wäre Nr. 4. des Ausgangsbescheids nicht aufzuheben, da diese Regelung Grundlage für die weitere Verwendung dieser Informationen durch den Antragsgegner ist.

c) Nr. 3. und Nr. 4. des angefochtenen Bescheids vom 15. September 2020 sind auch angemessen. Insbesondere stehen der Mitteilung der belieferten Wirtschaftsakteure (Nr. 3.) keine überwiegenden wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin entgegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in jedem Fall auch ohne die fehlende Konformität der von ihr vertriebenen Masken nach Art. 13 Satz 1 Buchst. b) der Verordnung (EU) 2016/425 ohne weitere Voraussetzung gegenüber dem Antragsgegner auf Verlangen zur Benennung der Wirtschaftakteure verpflichtet ist, an die sie die Masken abgegeben hat. Sofern die Antragstellerin im Falle eines Herantretens durch den Antragsgegner um ihren guten Ruf bei ihren Wirtschaftspartnern fürchtet, ist dem entgegenzuhalten, dass sie den Vertrieb nicht konformer Masken zu vertreten hat und es ihr obliegt, diesen Fehler gegenüber ihren Vertragspartnern zu kommunizieren. Der Versuch, den beim Betreten eines fremden Geschäftsfeldes aufgetretenen Fehler möglichst „unter der Decke zu halten“, ist kein rechtlich anerkennenswerter Gesichtspunkt. Gegen möglicherweise unberechtigte Forderungen ihrer Geschäftspartner stellt das deutsche Rechtsschutzsystem hinreichende Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Ob von der Nutzung der möglicherweise unzureichenden Atemschutzmasken eine konkrete Gesundheitsgefahr ausgeht, ist im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit nicht entscheidend, da bereits im Vorfeld einer solchen Gefahr bei nicht in dem vorgeschriebenen Verfahren überprüften und damit bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung potentiell gesundheitsgefährdenden Atemschutzmasken ein Eingreifen in der gewählten Weise erforderlich und angemessen ist. Die Antragstellerin hat in diesem Fall von ihrer Seite die Konformität der Masken in der vorgeschriebenen Weise nachzuweisen und kann sich dieser Verpflichtung nicht durch den Hinweis entziehen, der Antragsgegner hätte seinerseits die Eignung der Masken überprüfen müssen.

Inwieweit die Antragstellerin durch die Verpflichtung zur Mitteilung des Verbleibs der Masken (Nr. 4.) überhaupt nennenswert beschwert ist, erschließt sich dem Senat auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung nicht. Es sind keinerlei schützenswerte Gesichtspunkte erkennbar, die die Antragstellerin dieser Verpflichtung mit Erfolg entgegenhalten könnte. Insgesamt erweckt der Vortrag der Antragstellerin zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen den Eindruck, in den verfügten Regelungen nach Lücken, Umgehungsmöglichkeiten und rechtlich nicht tragfähigen Ausflüchten zu suchen. Sollte dem ein entsprechendes Verhalten zugrundeliegen, so wäre der Antragsgegner gehalten, weitere und schärfere Kontrollmaßnahmen zu erwägen.

5. Der Antragsgegner hat das ihm durch Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 eingeräumte Ermessen auch im Sinne dieser Vorschrift zur Marktüberwachung und Kontrolle der Konformität der Bereitstellung der auf dem Markt bereitgestellten persönlichen Schutzausrüstung ausgeübt. Die Nennung weiterer möglicher Rechtsgrundlagen im Widerspruchsbescheid ändert daran nichts.

6. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nrn. 3. und 4. des angefochtenen Bescheids vom 15. September 2020. Der Antragsgegner muss sich nicht darauf verweisen lassen, die in Nrn. 1. und 2. des Bescheids verfügte Untersagung der Bereitstellung und Verpflichtung zur Rücknahme der Masken im Wege des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Die Mitteilungspflichten der Nrn. 3. und 4. des Bescheids ermöglichen es dem Antragsgegner erst zu beurteilen, ob und ggf. in welchem Umfang die Antragstellerin ihren Verpflichtungen aus den Nrn. 1. und 2. nachgekommen sind. Sie versetzen den Antragsgegner mithin erst in die Lage zu beurteilen, ob die Untersagungs- und Rücknahmeverfügung einer zwangsweisen Durchsetzung bedarf.

Es ist bei der Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses gegen das Interesse der Antragstellerin an einem Erhalt der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs – wie bereits ausgeführt – nicht ausschlaggebend, ob von den auf dem Markt bereitgestellten Masken eine konkrete Gesundheitsgefahr ausgeht. Entscheidend ist vielmehr, dass die Masken, obwohl sie keiner ordnungsgemäßen Konformitätsprüfung unterworfen wurden, mit einem CE-Kennzeichen versehen worden sind. Auf diese Weise erwecken sie in den belieferten Wirtschaftakteuren und im Endverbraucher ein nicht gerechtfertigtes Vertrauen auf eine nach normierten Vorgaben geprüfte Qualität. Ohne diese vorgeschriebene Prüfung kann eine Gesundheitsgefahr bei bestimmungsgemäßem Gebrauch der Masken nicht ausgeschlossen werden. Die Verpflichtung der Antragstellerin, die von ihr auf dem Markt bereitgestellten Masken zuvor einem ordnungsgemäßen Prüfungsverfahren zu unterziehen, kann sie nicht auf den Antragsgegner mit dem Ansinnen verlagern, dieser möge die Eignung der Masken im Nachgang feststellen lassen. Im Hinblick darauf, dass es sich bei den Masken grundsätzlich um einen Artikel zum einmaligen Gebrauch handelt und die Verbraucher sich im Vertrauen auf die Kennzeichnung bei Nutzung der Masken im Rahmen der COVID-19-Pandemie in möglicherweise falscher Sicherheit wiegen, ist auch ein zügiges Handeln erforderlich, um den Verbleib der restlichen Masken aufzuklären. Das Interesse der Antragstellerin an der Verteidigung ihres durch eigenes Verhalten gefährdeten guten Rufes hat dahinter zurückzustehen.

7. Der Antragsgegner hat das Bestehen des besonderen Vollzugsinteresses auch ordnungsgemäß begründet.

Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dazu bedarf es einer konkreten und substantiierten Darstellung der wesentlichen Erwägungen, aus denen sich aus der Sicht der Behörde ergibt, dass im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und dass das Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben, hinter diesem öffentlichen Interesse zurückzutreten hat (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 27.3.2018 – 4 ME 41/18 -, NJW 2018, 1989 f. – juris Rn. 3; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 745 ff. jeweils m.w.N.).

Diesen Anforderungen trägt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Antragsgegners vom 2. Februar 2021 (GA, Bl. 113 f.) hinreichend Rechnung. Der Antragsgegner hat darin das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung zunächst mit der abstrakten Gesundheitsgefahr, die aus der Verletzung der den ordnungsgemäßen Bereitstellungsprozess betreffenden Vorschriften resultiert, begründet. Es sei gerade Sinn und Zweck der Einhaltung der für Atemschutzmasken maßgeblichen Bestimmungen nach der Verordnung (EU) 2016/425 mögliche Gesundheitsrisiken zu ermitteln und durch behördliches Handeln umgehend auszuschließen. Angesichts der betroffenen hochrangigen Rechtsgüter reiche für ein Eingreifen schon eine abstrakte Gefahr aus. Der gesundheitliche Schutz der Bevölkerung stehe dabei weit über den rein finanziellen Umsatz- oder Gewinninteressen der Antragstellerin. Hinzu komme der ungerechtfertigte Wettbewerbsvorteil, den die Antragstellerin gegenüber anderen Marktteilnehmern dadurch erlange, dass letztere ein teilweise finanziell und zeitlich aufwändiges Prüfungsverfahren durchliefen. Diese konkrete und substantiierte Darstellung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Unerheblich ist insoweit, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug tatsächlich gegeben ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.2.2016 – 3 S 2225/15 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 10.5.2010 – 13 ME 181/09 -, ZLR 2010, 493, 495 – juris Rn. 3; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 246 (Stand: September 2011) m.w.N.). Ebenso ist unerheblich, dass die Interessen an einem sofortigen Vollzug mit den öffentlichen Interessen am Erlass und der Durchsetzung der Verfügung vom 15. September 2020 als solcher weitgehend übereinstimmen. Denn das öffentliche Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr begründet für sich bereits ein hinreichendes besonderes Interesse an einer sofortigen Vollziehung (vgl. Senatsbeschl. v. 17.10.2018 – 13 ME 107/18 -, GewArch 2019, 45 – juris Rn. 30; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.1.2008 – 3 M 196/07 -, juris Rn. 5; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.9.2006 – 8 ME 115/06 -, juris Rn. 21 ff.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 759 jeweils m.w.N.). Da die Nrn. 3. und 4. des Bescheids vom 15. September 2020 lediglich die Kontrolle der Nrn. 1. und 2. dieser Verfügung sichern sollen, ist auch das besondere Vollzugsinteresse weitgehend gleichgerichtet. Es hätte sich daher angeboten, die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gestaffelt, sondern gleichzeitig vorzunehmen.

8. Weitergehende Gründe gegen die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 2. Februar 2021 verbundene Zwangsgeldandrohung enthält die Beschwerdebegründung nicht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat macht sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Bemessung des Streitwertes zu eigen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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