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Wettbewerbsrechtliche Zurechnung von „Affiliate“-Betreibern

16. Februar 2023
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Laptopbildschirm, auf dem die Internetseite Amazon geöffnet ist Urteil des BGH vom 26.01.2023, Az.: I ZR 27/22

Wettbewerbswidrige Webseiten mit „Affiliates-Links“ sind dem Betreiber nicht zuzurechnen. Sog. „Affiliates“ steht es im Rahmen eines Amazon-Partnerprogramms zu, Links auf der eigenen Webseite zu veröffentlichen, die auf Angebote der Handelsplattform Amazon verweisen. Bei Kaufabwicklung über einen solchen Link erhält der „Affiliate“ eine anteilige Provision. Mangels einer Beherrschung des Risikobereichs sowie einer Einflussmöglichkeit Amazons auf die Webseite des „Affiliate“, sei laut BGH kein zurechnungsbegründendes Beauftragtenverhältnis im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG gegeben. Dafür spreche außerdem das Eigeninteresse, das der „Affiliate“ durch das Generieren von Provision verfolgt.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 26.01.2023

Az.: I ZR 27/22

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Februar 2022 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin und vertreibt ihre Produkte über ihre Webseite und über einen Shop auf dem Amazon-Market-Place auf der Online-Handelsplattform Amazon. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und jeweils in Luxemburg ansässig.

Die Beklagte zu 1 ist für den technischen Betrieb der Webseite www.amazon.de sowie das Amazon-Partnerprogramm verantwortlich. Im Rahmen dieses Programms steht es Dritten, so genannten Affiliates, frei, auf der eigenen Webseite Links auf Angebote auf der Online-Handelsplattform Amazon, so genannte Affiliate-Links, zu setzen. Wird über einen solchen Link ein Kauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis. Grundlage dieses Programms ist die „Vereinbarung zur Teilnahme am Amazon-Partnerprogramm“, in deren Rahmen die Beklagte zu 1 als alleinige Vertragspartnerin der Affiliates fungiert. Die Vereinbarung kommt durch Registrierung und Bestätigung der Bedingungen durch den Affiliate zustande, ohne dass die Beklagten zuvor die Initiative ergriffen hätten. Eine etwaige vorangehende Prüfung der potenziellen Affiliates oder deren Internetseite durch die Beklagte zu 1 findet nicht statt.

Im Rahmen des Partnerprogramms entscheidet der Affiliate selbständig und weisungsfrei darüber, ob und wie er auf Angebote auf der Online-Handelsplattform Amazon verlinkt. Die Vereinbarung sieht insbesondere keine Vorgaben für die Gestaltung der Affiliate-Webseite und den Umfang der Verlinkungen, keine Weisungsbefugnis der Beklagten zu 1 und keine Ausschließlichkeit des Amazon-Partnerprogramms gegenüber anderen Partnerprogrammen vor. Nach der Vereinbarung sind der Affiliate und die Beklagte zu 1 unabhängige Vertragspartner. Der Affiliate muss gewährleisten, dass bei Erstellung, Pflege und Betrieb der Webseite nicht gegen anwendbare gesetzliche Bestimmungen, Verordnungen, Vorschriften oder ähnliches verstoßen wird. Gemäß Ziffer 2 der Vereinbarung behält sich die Beklagte zu 1 bei Nichteinhaltung der Vereinbarung vor, „neben allen anderen uns zur Verfügung stehenden Rechten und Rechtsbehelfen“ die Vergütung einzubehalten.

Die Beklagte zu 2 agiert auf der Webseite www.amazon.de als Verkäuferin. Sie vertreibt die Produkte, die mit der Information „Verkauf und Versand durch Amazon“ gekennzeichnet sind und nicht in Shops von Dritthändlern angeboten werden. Zu den Produkten zählen auch Matratzen. Teilweise übernimmt sie für Dritthändler die Lagerung und den Versand von Produkten gegen Zahlung einer Vergütung.

Die Beklagte zu 3 betreibt den „Amazon-Market-Place“. Auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit ihr bieten Dritthändler ihre Produkte in eigenen unter www.amazon.de aufrufbaren Shops an. Neben einer monatlichen Gebühr erhält die Beklagte zu 3 für jeden Geschäftsabschluss über ihre Plattform einen prozentualen Anteil am Kaufpreis als Provision. Die Dritthändler werden in der Vereinbarung verpflichtet, jedwede Form der Werbung, inklusive Affiliate-Werbung, zu dulden.

Der Betreiber der Internetseite s. .de war im September 2019 ein Affiliate-Partner im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms. Die Internetseite befasste sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen und entsprach zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin. Sie enthielt unter anderem ein Ranking der drei vermeintlich besten Matratzen des Jahres 2019. Die darunter abgebildeten Matratzen waren mit Buttons „bei Amazon kaufen“ versehen, die unmittelbar mit einem Amazon-Angebot verlinkt waren. Es handelte sich hierbei stets um Affiliate-Links. Am Seitenende sowie im Impressum wurde darauf hingewiesen, dass die Redaktion von s. .de auf ausgewählte Online-Shops und Partner verlinke, von denen sie gegebenenfalls eine Vergütung erhalte. Zwei der verlinkten Matratzen wurden durch Dritthändler auf dem Amazon-Market-Place vertrieben. Den Versand einer dieser beiden Matratzen übernahm die Beklagte zu 2. Eine weitere Matratze wurde durch die Beklagte zu 2 selbst verkauft und versandt.

Die Klägerin meint, die Werbung auf der Internetseite s. .de sei wettbewerbswidrig und das Verhalten des Betreibers dieser Webseite den Beklagten zuzurechnen. Sie hat nach erfolgloser Abmahnung Unterlassung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen beantragt.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen (LG Köln, Urteil vom 20. Mai 2021 – 81 O 62/20, juris). Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung der Beklagten sind ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, GRUR 2022, 660). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Klage mangels Verantwortlichkeit der Beklagten für die beanstandete Gestaltung der Internetseite s. .de für unbegründet erachtet und dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Die internationale und die örtliche Zuständigkeit seien gegeben. Ob die Klägerin, die unmittelbare Mitbewerberin der Beklagten zu 2 sei, auch zu den Beklagten zu 1 und 3 in einem Wettbewerbsverhältnis stehe, könne offenbleiben. In der Gestaltung der Internetseite s. .de liege eine Wettbewerbsverletzung. Mangels eigener Handlung oder Teilnahmevorsatzes hafteten die Beklagten nicht als Täter oder Teilnehmer dieser Wettbewerbsverletzung. Eine Verletzung von Verkehrspflichten liege ebenfalls nicht vor. Auch eine Haftung der Beklagten für Beauftragte komme nicht in Betracht. Es fehle jedenfalls an einer Einbindung der Werbepartner in die Organisation der Beklagten. Die Beklagten hätten sich weder einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf die Werbetätigkeit der Werbepartner im Rahmen des streitigen Werbeprogramms sichern können, noch hätten sie sich einen solchen Einfluss sichern müssen. Die Entscheidung über das Ob und das Wie der Werbung bleibe vollständig den jeweiligen Werbepartnern vorbehalten, so dass die wesentlichen Vorgänge nicht unter dem Einfluss der Beklagten stünden.

II. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig, insbesondere ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben (dazu II 1). Sie ist aber nicht begründet, weil die Beklagten für den von der Klägerin beanstandeten Wettbewerbsverstoß nicht haften (dazu II 2).

1. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, mit zutreffender Begründung bejaht. Sie ergibt sich aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO), weil die Klägerin geltend macht, das den Beklagten zuzurechnende Verhalten des Betreibers der Internetseite s. .de verletze das Wettbewerbsrecht und verursache einen Schaden im Zuständigkeitsbereich der angerufenen deutschen Gerichte (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – C-360/12, GRUR 2014, 806 [juris Rn. 57 f.] = WRP 2014, 1047 – Coty Germany; BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 – I ZR 210/18, GRUR 2020, 1311 [juris Rn. 16 f.] = WRP 2021, 42 – Vorwerk, mwN; zu Art. 5 Nr. 3 der Verordnung [EG] Nr. 44/2001 [Brüssel-I-VO] vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 65/14, GRUR 2016, 946 [juris Rn. 14 f.] = WRP 2016, 958 – Freunde finden; zur Abgrenzung von EuGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – C-228/11, NJW 2013, 2099 – Melzer vgl. OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2020, 386 [juris Rn. 36 f.]).

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, §§ 5, 5a UWG wegen eines Wettbewerbsverstoßes auf der Internetseite s. .de zu.

a) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unlauterem Wettbewerbsverhalten das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder wahrscheinlich beeinträchtigt werden. Entscheidend ist danach der Ort der wettbewerblichen Interessenkollision (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 [juris Rn. 16] = WRP 2016, 586 – Eizellspende; Urteil vom 15. Februar 2018 – I ZR 201/16, GRUR 2018, 935 [juris Rn. 23] = WRP 2018, 1081 – goFit). Die Klägerin macht geltend, die beanstandete Werbung auf der Seite s. .de habe eine Irreführung der Nutzer dieser Internetseite zur Folge. Danach geht es um eine Kollision wettbewerblicher Interessen auf dem deutschen Markt und ist deutsches Recht anwendbar.

b) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht wettbewerbswidrig war als auch nach dem zur Zeit der Revisionsentscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – I ZR 128/21, GRUR 2022, 729 [juris Rn. 10] = WRP 2022, 727 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen II, mwN).

aa) Nach der beanstandeten Veröffentlichung auf der Internetseite s. .de im September 2019 ist die in § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG geregelte Anspruchsberechtigung der Mitbewerber mit Wirkung vom 1. Dezember 2021 neu gefasst worden (Art. 9 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. November 2020, BGBl. I S. 2568; UWG nF). Die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG stehen nunmehr nicht mehr – wie noch unter § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung (UWG aF) – jedem Mitbewerber zu, sondern nur dem Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt. Eine Übergangsregelung sieht das Gesetz nicht vor.

bb) Mit Wirkung zum 28. Mai 2022 ist zudem die Vorschrift des § 5 UWG neu gefasst und die Vorschrift des § 5a UWG durch die §§ 5a bis 5c UWG ersetzt worden (vgl. Art. 1 Nr. 2 und 3 des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021, BGBl. I S. 3504; UWG nF). Eine für den Streitfall maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Die bisherige Bestimmung des § 5 Abs. 1 UWG aF ist wortgleich in § 5 Abs. 1 und 2 UWG nF enthalten. Die Regelung des § 5a Abs. 2 UWG aF findet sich inhaltsgleich in § 5a Abs. 1 und 2 UWG nF und die Regelung aus § 5a Abs. 6 UWG aF ist nunmehr in § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG nF enthalten.

c) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 2 sei Mitbewerberin der Klägerin, weil beide Parteien über das Internet Matratzen auf dem deutschen Markt anböten. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 3 hat das Berufungsgericht offengelassen, ob ein Mitbewerberverhältnis zur Klägerin im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG und damit eine Anspruchsberechtigung besteht. Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass insoweit sowohl die Voraussetzungen von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aF als auch die zusätzlichen Anforderungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nF erfüllt sind.

d) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt in der Aufmachung der von der Klägerin beanstandeten Internetseite s. .de ein Wettbewerbsverstoß wegen der Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks gemäß § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG nF (§ 5a Abs. 6 UWG aF). Dagegen wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.

e) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagten mangels eigener Handlung oder Teilnahmevorsatz nicht als Täter oder Teilnehmer dieser Wettbewerbsverletzung haften. Auch eine Verletzung von Verkehrspflichten komme nicht in Betracht. Die Revision erhebt dagegen keine Rügen. Rechtsfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich.

f) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, die Beklagten hafteten für den Wettbewerbsverstoß nicht nach § 8 Abs. 2 UWG. Es könne offenbleiben, ob die angegriffene Tätigkeit des Betreibers der Internetseite s. .de den Beklagten zugutekomme. Jedenfalls fehle es an einer Einbindung der Werbepartner in die Organisation der Beklagten. Diese hätten sich keinen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auf die Werbetätigkeit der Werbepartner im Rahmen des hier vorliegenden Werbeprogramms sichern können und müssen. Allein die Zahlung eines Entgelts für einen bestimmten Werbeerfolg könne nicht dazu führen, dass ein selbständiger Unternehmer als in die Betriebsstruktur der Beklagten eingegliedert anzusehen sei. Vielmehr blieben die Entscheidungen über das Ob und das Wie der Werbung vollständig den jeweiligen Werbepartnern überlassen, so dass die wesentlichen Vorgänge nicht unter dem Einfluss der Beklagten stünden. Die Beklagte zu 1 biete für eine Dienstleistung, nämlich die Weiterleitung von einer Internetseite eines Dritten auf die eigene Seite, Vertragspartnern des entsprechenden Werbeprogramms ein Entgelt an, wenn aufgrund der Weiterleitung ein Verkauf zustande komme. Damit übe sie keinen bestimmenden Einfluss aus und müsse dies auch nicht tun. Das Verhältnis der Beklagten zu 1 zu den Werbepartnern beschränke sich auf den reinen Austausch von Leistungen.

Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg.

aa) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 2 UWG auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet. Dem Inhaber eines Unternehmens werden nach dieser Vorschrift Zuwiderhandlungen seiner Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Geschäftstätigkeit seiner Beauftragten zugutekommt, soll sich bei seiner Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber. Deshalb ist es unerheblich, wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehungen ausgestaltet haben. Beauftragter kann auch ein selbständiges Unternehmen sein, etwa eine Werbeagentur. Entscheidend ist, dass der Werbepartner in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zugutekommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des beauftragten Unternehmens hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluss sich der Betriebsinhaber gesichert hat, sondern welchen Einfluss er sich sichern konnte und musste. Der Unternehmensinhaber haftet daher gegebenenfalls auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 174/08, GRUR 2011, 543 [juris Rn. 11 und 13] = WRP 2011, 749 – Änderung der Voreinstellung III; zu § 13 Abs. 4 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1995 – I ZR 133/93, GRUR 1995, 605 [juris Rn. 28] = WRP 1995, 696 – Franchise-Nehmer; zu § 14 Abs. 7 MarkenG vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2005 – I ZR 221/02, GRUR 2005, 864 [juris Rn. 19 f.] = WRP 2005, 1248 – Meißner Dekor II; Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 109/06, GRUR 2009, 1167 [juris Rn. 21] = WRP 2009, 1520 – Partnerprogramm, jeweils mwN). Der Betriebsinhaber haftet dagegen nicht nach § 8 Abs. 2 UWG, wenn das geschäftliche Handeln des Dritten im konkreten Fall nicht der Geschäftsorganisation des Betriebsinhabers, sondern derjenigen eines Dritten oder des Beauftragten selbst zuzurechnen ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1167 [juris Rn. 27] – Partnerprogramm).
bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Betreiber der Internetseite s. .de danach kein Beauftragter der Beklagten zu 1 im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG ist (ebenso OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2020, 386; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29. Oktober 2020 – 20 U 176/20, nicht veröffentlicht; vgl. auch OLG Hamburg, WRP 2021, 82; aA KG, Beschluss vom 25. Oktober 2019 – 5 W 175/19, nicht veröffentlicht).

(1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kommt die Vereinbarung auf Initiative des Affiliates durch Registrierung und Bestätigung der Bedingungen zustande. Die Beklagte zu 1 prüft vorab weder die potenziellen Affiliates noch deren Internetseiten. Im Rahmen des Partnerprogramms entscheidet der Affiliate selbständig und weisungsfrei darüber, ob und wie er auf Angebote auf der Online-Handelsplattform Amazon verlinkt. Es gibt insbesondere keine Vorgaben für die Gestaltung der Affiliate-Webseite oder den Umfang der Verlinkung und keine Ausschließlichkeit des Amazon-Partnerprogramms gegenüber anderen Partnerprogrammen. Der Affiliate verpflichtet sich, bei Erstellung, Pflege und Betrieb seiner Webseite nicht gegen Gesetze zu verstoßen. Bei Nichteinhaltung der Vereinbarung kann die Beklagte zu 1 unter anderem die Vergütung einbehalten.

Die von der Klägerin beanstandete Internetseite s. .de befasste sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen und entsprach zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin. Die Internetseite enthielt neben der Kategorie „Magazin“ die Kategorie „Matratzen“, in der diverse Informationen zum Thema „Matratzen“ sowie ein Ranking der drei vermeintlich besten Matratzen des Jahres 2019 zu finden waren.

(2) Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Partnerprogramms sowie der beanstandeten Internetseite s. .de fehlt es im Streitfall entgegen der Auffassung der Revision bereits an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 und damit am inneren Grund der Zurechnung gemäß § 8 Abs. 2 UWG. Die Beklagte zu 1 hat keine grundsätzlich ihr obliegenden Aufgaben im Wege einer arbeitsteiligen Organisation an den Affiliate delegiert. Auch wenn es für die Anwendung von § 8 Abs. 2 UWG keines Auftragsverhältnisses im Sinne des § 662 BGB bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1963 – Ib ZR 25/62, GRUR 1964, 263 [juris Rn. 53] = WRP 1964, 171 – Unterkunde), kann von einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs nicht gesprochen werden, wenn es an jeglicher „Beauftragung“ des Affiliates im Sinne einer Auslagerung von eigenen Tätigkeiten fehlt (vgl. auch OLG Hamburg, WRP 2021, 82 [juris Rn. 51 bis 53]).

Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen – hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen -, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren (vgl. OLG Hamburg, WRP 2021, 82 [juris Rn. 54]). Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 dar.

Die Verantwortung des Affiliates für sein eigenes Produkt spiegelt sich in den Vereinbarungen des streitgegenständlichen Partnerprogramms wider, nach denen die Beklagte zu 1 weder Einfluss darauf hat, ob der Affiliate sein Produkt überhaupt nutzt, um Links zu setzen, noch auf Kontext, Art und Inhalt einer solchen Werbung. Dazu kann auch Negativwerbung wie eine Verlinkung im Rahmen einer kritischen Rezension oder Werbung für die Konkurrenz wie ein Hinweis und eine Verlinkung auf ein günstigeres Angebot auf einer konkurrierenden Online-Handelsplattform gehören.

Der Streitfall unterscheidet sich danach von der Beauftragung einer Werbeagentur, die in der Regel als Beauftragte im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG anzusehen sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1972 – I ZR 19/72, GRUR 1973, 208 [juris Rn. 17] = WRP 1973, 23 – Neues aus der Medizin). Die Werbeagentur bietet zwar auch eine eigene Dienstleistung an, im Rahmen des ihr erteilten Auftrags entwickelt sie aber kein eigenes, sondern ein Produkt für den Auftraggeber, selbst wenn ihr ein Spielraum betreffend Inhalt, Zeitpunkt und Umfang der Werbung verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 – I ZR 228/88, GRUR 1990, 1039 [juris Rn. 24] = WRP 1991, 79 – Anzeigenauftrag; Kloss, IPRB 2022, 80, 81).

(3) Die Erfolgshaftung des Betriebsinhabers für Wettbewerbshandlungen Dritter setzt zudem voraus, dass dieser den Risikobereich in einem gewissen Umfang beherrscht und ihm ein bestimmender und durchsetzbarer Einfluss jedenfalls auf diejenigen Tätigkeiten eingeräumt ist, in deren Bereich das fragliche Verhalten fällt. Erforderlich ist daher, dass sich die Einflussmöglichkeit des Betriebsinhabers auf alle das Angebot des Affiliates kennzeichnenden wesentlichen Vorgänge erstreckt (vgl. BGH, GRUR 2011, 543 [juris Rn. 13] = WRP 2011, 749 – Änderung der Voreinstellung III). Auch hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO die Vereinbarung zum Amazon-Partnerprogramm nicht vollständig gewürdigt, in der sich maßgebliche Elemente einer bestimmenden und durchsetzbaren Einflussnahme fänden, ist sie mit diesem neuen Vortrag in der Revisionsinstanz gemäß § 559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Die Parteien sind in den Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1 sich keinen bestimmenden Einfluss gesichert hat, die Vereinbarung insbesondere keinerlei Vorgaben über das Ob und das Wie der Tätigkeit der Affiliates macht. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, die Vereinbarung von sich aus zu überprüfen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nie ersetzen (BGH, Urteil vom 2. Juli 2007 – II ZR 111/05, NJW 2008, 69 [juris Rn. 25] mwN). Auf entsprechenden schriftsätzlichen Vortrag in den Vorinstanzen verweist die Revision nicht.

Der erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte zu 1 steht im Streitfall entgegen, dass der Affiliate bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit der Beklagten zu 1 geschlossenen Vereinbarung tätig wird, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse (vgl. auch OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2020, 386 [juris Rn. 63]). Wie beim selbständigen Absatzmittler bedarf es für die erforderliche Beherrschung des Risikobereichs auch bei Affiliates mit eigenem Produkt- oder Dienstleistungsangebot besonderer Anhaltspunkte (vgl. BGH, GRUR 2011, 543 [juris Rn. 15] = WRP 2011, 749 – Änderung der Voreinstellung III). Solche Anhaltspunkte lassen sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Der bloße Umstand, dass zwischen der Beklagten zu 1 und dem Betreiber der Internetseite s. .de eine vertragliche Vereinbarung besteht, bei der es die Möglichkeit der Kündigung und gegebenenfalls der Verhängung einer Vertragsstrafe gibt, reicht dafür entgegen der Auffassung der Revision nicht aus.

(4) Die Beklagte zu 1 musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat (siehe oben Rn. 27 bis 30). Die Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 2 UWG führt dabei entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einer im Widerspruch zum Grundgedanken des § 8 Abs. 2 UWG stehenden Privilegierung derjenigen, die sich einer Einflussnahme enthalten (vgl. auch Kloss, IPRB 2022, 80, 81). Vielmehr ist der Ausschluss der Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG eine Folge der fehlenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betriebsinhabers, die allerdings auch dazu führt, dass dieser keinen Einfluss auf das Ob und das Wie der Werbung im Produkt des Affiliates hat. Ist die Beklagte zu 1 bereit, diese Konsequenzen – einschließlich einer möglicherweise kontraproduktiven „Werbung“ – zu tragen, kann bei einem damit verbundenen Haftungsausschluss auch nicht von einer Privilegierung gesprochen werden.

(5) Dahinstehen kann danach, ob der Erfolg der Geschäftstätigkeit des Betreibers der Internetseite s. .de der Beklagten zu 1 überhaupt zugutekommt, was auch das Berufungsgericht im Ergebnis offengelassen hat.

cc) Da es bereits an einer Stellung des Affiliates als Beauftragter im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG gegenüber der Beklagten zu 1 fehlt, kann der Wettbewerbsverstoß des Affiliates auch nicht über § 8 Abs. 2 UWG zu einer Haftung der Beklagten zu 2 und 3 führen, die in keiner Rechtsbeziehung zu diesem stehen.

3. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist damit ebenfalls nicht gegeben.

III. Die Revision der Klägerin ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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