Ordnungsgeld i.H.v. EUR 100.000.- gegen Facebook

31. Mai 2016
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Facebook-Taste auf PC-Tastatur Beschluss des LG Berlin vom 11.02.2016, Az.: 16 O 551/10

Gegen Facebook war unter anderem wegen einer AGB-Klausel, die Facebook an den von den Nutzern geposteten Inhalten ein weltweites, unentgeltliches und unterlizenzierbares Nutzungsrecht einräumte, vom LG Berlin (Urteil vom 06.03.2012, Az.: 16 O 551/10) in 1. Instanz ein Unterlassungsverbot ergangen, welches vom Kammergericht (Urteil vom 24.01.2014, Az.: 5 U 42/12) dann auch in 2. Instanz bestätigt wurde. Facebook hatte, nachdem ihm die Verwendung seiner IP-Lizenzklausel untersagt wurde, dann deren Wortlaut lediglich durch die Verwendung synonymer Begriffe geändert. Auch nach dieser Änderung blieb die Kernaussage der Klausel jedoch erhalten und begründete damit einen Verstoß gegen das zuvor ergangene Unterlassungsverbot.

Landgericht Berlin

Beschluss vom 11.02.2016

Az.: 16 O 551/10

 

In der Zwangsvollstreckungssache

der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

gegen

die Facebook Ireland Ltd.,

hat die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin am 11.02.2016 durch die Richter (…) beschlossen:

1. Gegen die Schuldnerin wird wegen Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Tenor zu II. 1. 1. des Urteils des Landgerichts Berlin vom 6. März 2012 ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,– € festgesetzt.

2. Die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 100.000,– € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kammer hat der Schuldnerin im Tenor zu II. 1.1. des Urteils vom 6. März 2012 bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel unter anderem die Verwendung einer vertraglichen Klausel mit folgendem Inhalt untersagt:

1. („Erklärung der Rechte und Pflichten“)

1.1. (Ziffer 1.1 „Der Austausch deiner Inhalte und Informationen“ i.V.m. Ziffer 16.3.1) Für Inhalte, die unter die Rechte an geistigem Eigentum fallen, wie Fotos und Videos („IP-Inhalte“), erteilst du und vorbehaltlich deiner Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nichtexklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, unentgeltliche, weltweite Lizenz für die Nutzung aller IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“)
1. Ziffer 2 gilt mit der Maßgabe, dass unsere Nutzung dieser Inhalte auf die Verwendung auf oder in Verbindung mit Facebook beschränkt ist.

Die Unterlassungsverpflichtung hat die Kammer im Urteil vom 6. März 2012 mit einem Verstoß gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 5 UrhG begründet, da der Umfang der Rechteeinräumung unklar bleibe (vgl. Seite 19 der Urteilsgründe vom 6. März 2012). Das Kammergericht hat diese Entscheidung mit Urteil vom 24. Januar 2014 im Ergebnis bestätigt, die Unterlassungsverpflichtung allerdings – insoweit abweichend von der Kammer – auf die generelle Unentgeltlichkeit der Lizenzklausel und deren Verstoß gegen das Transparenzgebot gestützt (vgl. Seiten 35 bis 38 der Urteilsgründe vom 24. Januar 2014 – Az. 5 U 42/12).

Das Urteil vom 6. März 2012 ist hinsichtlich der in Rede stehenden Unterlassungsverpflichtung aufgrund der Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den Bundesgerichtshof seit dem 18. Juni 2015 rechtskräftig.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schuldnerin enthielten jedenfalls am 9. Dezember 2015 unter der Überschrift „Erklärung der Rechte und Pflichten“, dort Nr. 2 die folgende Regelung:

2. Teilen deiner Inhalte und Informationen

Dir gehören alle Inhalte und Informationen, die du auf Facebook postest. Zudem kannst du mithilfe deiner Einstellungen für Privatsphäre und Apps kontrollieren, wie diese geteilt werden. Außerdem gilt:

1. Für Inhalte, die durch Rechte am geistigen Eigentum geschützt sind, wie Fotos und Videos (IP-Inhalte), erteilst du uns ausdrücklich nachfolgende Genehmigung, vorbehaltlich deiner Einstellungen für Privatsphäre und Apps: Du gewährst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte, die du auf bzw. im Zusammenhang mit Facebook postest (IP-Lizenz). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löscht; es sei denn, deine Inhalte wurden mit anderen geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.

2. Wenn du IP-Inhalte löscht, werden sie auf eine Weise entfernt, die dem Leeren des Papierkorbs auf einem Computer gleicht. Allerdings sollte dir bewusst sein, dass entfernte Inhalte für eine angemessene Zeitspanne in Sicherheitskopien fortbestehen (die für andere jedoch nicht zugänglich sind)

3. …

In den gesonderten Bedingungen für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland heißt es:

Für Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland:

1. Ziffer 2 gilt mit Maßgabe, dass unsere Nutzung dieser Inhalte auf die Verwendung auf oder in Verbindung mit Facebook beschränkt ist.

Der Gläubiger meint, die im Dezember 2015 verwendete Bestimmung sei nahezu wortgleich mit der Klausel, deren Verwendung die Kammer untersagt habe. Die Änderungen im Wortlaut seien ausschließlich redaktioneller Art. Bei der Bemessung des zu verhängenden Ordnungsgeldes sei zu berücksichtigen, dass das vorläufig vollstreckbare Urteil der Kammer bereits im März 2012 erlassen worden sei. Bei der Schuldnerin handele es sich um ein soziales Netzwerk, dem bereits 2014 in der Bundesrepublik Deutschland ca. 28 Mio. Nutzer angehört hätten. Die zu unterlassende Bestimmung greife erheblich in die Interessensphäre der betroffenen Verbraucher ein. Sie beziehe sich auf alle Inhalte, die der Nutzer in das Netzwerk einbringe.

Der Gläubiger beantragt,

gegen die Schuldnerin ein in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR festzusetzen.

Die Schuldnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Regelungen nunmehr ab dem 3. Februar 2016 dahingehend ändern zu wollen, dass Umfang bzw. Zweck der ihr erteilten Lizenz auf „Facebook-Dienste“ beschränkt werde, der Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der Lizenz entfalle und eine Weitergabe an Dritte für deren Werbezwecke ausgeschlossen werde.

II.

Gegen die Schuldnerin war gemäß § 890 ZPO ein Ordnungsgeld in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu verhängen, da sie durch das Vorhalten der IP-Lizenzklausel – wie vom Gläubiger am 9. Dezember 2015 festgestellt – gegen das Unterlassungsgebot gemäß Tenor zu II.1.1. des Urteils der Kammer vom 6. März 2012 verstoßen hat.

Zwar hat die Schuldnerin die von ihr verwendete Lizenzklausel zwischenzeitlich geändert, so dass sie jedenfalls keine identische Klausel, wie die ihr verbotene, mehr verwendet hat. Entgegen der Auffassung des Gläubigers sind die Veränderungen auch nicht allein redaktioneller Art. So sieht die neue Klausel etwa vor, dass die IP-Lizenz grundsätzlich mit Löschen der IP-Inhalte oder des Kontos des Nutzers endet, was vorher so nicht geregelt war. Dennoch begründet auch die Verwendung der geänderten Klausel einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung, da diese noch vom Kernbereich des zu unterlassenden Verhaltens umfasst ist. Sofern der Titel – wie hier – das Charakteristische oder den „Kern“ der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden nicht nur die mit der verbotenen konkreten Verletzungsform identischen, sondern auch abgewandelte, aber im Kern gleichartige (aber nicht bloß ähnliche) Handlungsformen erfasst (vgl. Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 33. Aufl., § 12 Rdn. 6.4). Zur Bestimmung der Reichweite des Verbots ist auf die entsprechenden Urteilsgründe des Kammergerichts – nicht der erkennenden Kammer – abzustellen, zumal der geltend gemachte Verstoß zeitlich erst nach Erlass und Zustellung des Berufungsurteils erfolgte. Dies kann letztlich aber offen bleiben, da auch nach der Begründung der Unterlassungsverpflichtung durch die erkennende Kammer in erster Instanz ein Kernverstoß vorliegen würde. So lassen die hier vorgenommenen Änderungen einerseits die Unentgeltlichkeit und fehlende Transparenz der Lizenzklausel unberührt, konkretisieren andererseits aber auch nicht den Umfang der IP-Lizenz.

Entsprechende Abhilfe erfolgt allenfalls durch die nunmehr angekündigten Änderungen der IP-Klausel, die sich auf die Verwirkung von Ordnungsmitteln für den Verstoß im Dezember 2015 aber nicht mehr auswirken können. Ob diese Änderungen letztlich ausreichend sind, um dem Unterlassungsgebot Genüge zu tun, kann daher hier ausdrücklich offen bleiben.

Bei Würdigung der Gesamtumstände war vorliegend ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.00,– € angemessen. Zwar kann dafür nicht berücksichtigt werden, dass die Schuldnerin nach dem Urteil der Kammer grundsätzlich bereits seit Mitte 2012 verpflichtet gewesen wäre, die IP-Klausel im Sinne der gerichtlichen Beanstandungen zu abzuändern. Denn eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung war im Rechtssinne erst relevant, als das Urteil (vorläufig) vollstreckbar war. Da der Gläubiger zu keinem Zeitpunkt die zur (vorläufigen) Vollstreckung angeordnete Sicherheitsleistung erbracht hat, war dies erst mit entsprechender (Teil-) Rechtskraft des Urteils – mithin am 18. Juni 2015 – der Fall. Trotzdem ist die erhebliche Ordnungsmaßnahme dadurch gerechtfertigt, dass die nunmehr verwendete – das Verbot verletzende – Klausel – eine sehr große Anzahl von Nutzern betrifft und deren Rechte ganz erheblich einschränkt. Im Übrigen erfolgte die endgültige Bestätigung des Verbots aufgrund der Nichtzulassungsentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 1. Oktober 2015 für die Schuldnerin nicht völlig unerwartet, so dass sie die danach erforderlichen Änderungen bereits soweit hätte vorbereiten können, dass diese jedenfalls zum Zeitpunkt des hier angegriffenen Verstoßes im Dezember 2015 abgeschlossen gewesen waren. Die Beibehaltung einer Klausel mit dem gerichtlich beanstandeten Inhalt lässt dem gegenüber erkennen, dass die Schuldnerin das gerichtliche Verbot nicht ausreichend ernst genommen hat. Die erforderliche Sanktion dieses Verhaltens muss auch für die wirtschaftlich starke Schuldnerin zumindest spürbar sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 ZPO. Der Verfahrenswert war nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Wettbewerbskammern in Höhe des verhängten Ordnungsgeldes zu verhängen, da dieses den ansonsten maßgeblichen Wert, nämlich 1/6 des Wertes des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens deutlich übersteigt.

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