Zusatzgebühren bei Online-Tickets

28. Juli 2009
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Eigener Leitsatz:

Beim Verkauf von Online-Tickets müssen evtl. anfallenden Zusatzkosten wie Vorverkaufs- und Systemgebühren in Zusammenhang mit dem Kartenpreis gut erkennbar sein. Das Herausstellen des Kartenpreises als Blickfang und der Verweis auf zusätzliche Kosten in Fußnoten führt den Verbraucher über die wahren Endkosten in die Irre und ist wettbewerbswidrig. Der Kunde geht dann nämlich einzig und allein vom gut sichtbar herausgestellt beworbenen Ticketpreis ohne weitere Entgelte aus.

Landgericht Hamburg

Urteil vom 18.06.2009

Az.: 315 O 17/09

Tenor:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

I. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000.-, ersatzweise einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
    
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf einer Internetseite (hier „www. m….sommer.de”) für Bühnenshows mit dem Hinweis „Tickets ab … € (hier ab 19,90 €) zu werben, wenn bei einer Buchung von Tickets über die Internetseite neben dem Ticketpreis
eine Vorverkaufsgebühr (hier 15 % des Ticketpreises)
und/oder
eine Systemgebühr (hier 2,00 €)
gefordert wird,

wie aus der als Anlage beigefügten Bildschirmkopie ersichtlich.

2. an den Kläger 200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20. 01. 2009 zu zahlen.

I. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

II. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung EUR 15.000.- vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG.

Die Beklagte befasst sich mit der Werbung und dem Vertrieb von Tickets für Show-Veranstaltungen. Die Beklagte ist konzernmäßig verbunden mit der S. Entertainment GmbH. Sie unterhält unterschiedliche Internetseiten, unter anderem eine solche mit der Adresse www. p…ticket.de.

Im Sommer und Herbst 2008 hatte die Beklagte eine gesonderte Seite unter der Internetadresse www. m….sommer.de. unterhalten.

Am 14.08.2008 präsentierte sie auf ihrer genannten Internetseite www. m….sommer.de Angebote für den „m….sommer 2008“. Der Nutzer hatte die Möglichkeit, sich bezüglich der Verfügbarkeit von Tickets für unterschiedliche Zeiträume zu informieren (Anlagen K2, K3 und K4). Dabei war in der Kopfzeile hinter „m….sommer 2008“ deutlich sichtbar dargestellt „Tickets ab 19,90 €*“. Besonders herausgestellt war die Präsentation eines Musicals „W…. – Die Hexen von ..“ in Stuttgart. Darin war blickfangmäßig eingebaut: „TICKETS AB 19,90 €*”. Daneben war ein Link mit dem Text „HIER ONLINE BUCHEN”. Der Verbraucher, der das Ticket über den Link „HIER ONLINE BUCHEN” online bestellt, hat zusätzlich eine Vorverkaufsgebühr von 15 % des dargestellten Ticketpreises zu entrichten; desweiteren sei eine Systemgebühr in Höhe von 2,00 € hinzuzurechnen.

Der *Hinweis hinter „Tickets ab 19,90 €“ verwies auf eine Fußzeile mit folgendem Inhalt:
    
„Hotlinekosten: 14 Ct./Min., abweichende Preise aus den Mobilfunknetzen möglich./Ticketpreis gültig für alle abgebildeten Produktionen bis auf Disneys DER KÖNIG DER LÖWEN und ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK (Tickets ab 29,90 €)./Gültig für alle ausgewählte Termine und Preiskategorien, buchbar bis 30.09.2008 für Vorstellungen bis 30.09.2008 (bei ELISABETH für Vorstellungen bis 14.09.08). Nur solange der Vorrat reicht./Alle Preise verstehen sich zzgl. Vorverkaufsgebühr und 2,- € Systemgebühr pro Ticket. Auf Sommerpreise werden keine weiteren Ermäßigungen gewährt.”

Auf Anlage K 1 wird verwiesen.

Der Kläger geltend, die von der Beklagten zu verantwortende Werbung verstoße gegen § 3 UWG in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG, § 1 PreisangabenVO. Denn ein Verbraucher, der über die Internetseite bestelle, könne dieses Ticket zu dem von der Beklagten hervorgehobenen Preis (hier „… ab 19,90 €“) nicht erhalten. Denn der Verbraucher habe zusätzlich eine Vorverkaufsgebühr von 15 % des dargestellten Ticketpreises zu entrichten, wenn er das Ticket online bestelle; desweiteren sei eine Systemgebühr in Höhe von 2,00 € hinzuzurechnen.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Unterlassung. Er hat die S. Entertainment GmbH mit Schreiben vom 12. 09. 2008, (Anlage K 5) im Ergebnis ohne Erfolg abgemahnt. Er verlangt von der Beklagten für die Abmahnung Aufwendungsersatz von 200,00 €.

Der Kläger geltend, mit der Angabe „ab 19,90 €” erwecke die Beklagte den Eindruck, es sei zumindest eine bestimmte Anzahl von Tickets für den genannten Preis erhältlich. Jedoch könne ein Verbraucher, der ein Ticket auf der Internetseite bestelle, dieses zu dem von der Beklagten hervorgehobenen Preis (hier 19,90 €) nicht erhalten. Denn unstreitig habe der Verbraucher zusätzlich zum dargestellten Ticketpreises eine Vorverkaufsgebühr von 15 % zu entrichten; ferner sei eine Systemgebühr in Höhe von 2,00 € hinzuzurechnen. Bei der Abwicklung des Geschäftes bei dem üblichen Verhalten des Verbrauchers werde also neben dem ausgewiesenen Entgelt und der Systemgebühr ein weiteres Entgelt zu entrichten sein.

Die Angabe des Ticketpreises erfolge im Übrigen auf einer Internetseite, auf der dem Verbraucher gleichzeitig die Möglichkeit geboten werde, durch den Link „HIER ONLINE BUCHEN” online zu bestellen. Der Großteil des angesprochenen Verkehrskreises, also der, der die Internetseite besuche und sich für eine Ticketbestellung interessiere, werde von der Möglichkeit der Onlinebestellung Gebrauch machen.

Der von der Beklagten konzipierte Sternchenhinweis sei nicht geeignet, die fehlerhafte Angabe des Endpreises zu korrigieren. Dieser nehme als solcher nicht an dem Blickfang der Preisdarstellung teil. Er stehe in einem Fußnotentext; dieser sei nur schwer lesbar. Die sog. Sternchentechnik sei im Zusammenhang mit der vorliegenden Preisgestaltung ohnehin ungeeignet. Die blickfangmäßige Angabe könne zwar durch Sternchenhinweis weiter erläutert werden; sie müsse aber in ihrem Kern zumindest wahr sein.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
    
– wie erkannt. –

Die Beklagte beantragt,
    
die Klage abzuweisen

Der Beklagte trägt vor, die Preisangabe "ab 19,90 EUR" sei wahr. Der Hinweistext sei gut lesbar und auch nicht zwischen anderen Formulierungen versteckt. Schließlich stellten die Gebühren eine Vergütung für eine jeweils gesonderte Leistung dar, die der Verbraucher nicht zwingend in Anspruch nehmen müsse.

Der Verbraucher könne ein Ticket zu genau diesem Preis erwerben, nämlich bei einem Erwerb des Tickets an der Abendkasse. Falsch sei, dass ein Verbraucher bei der Betrachtung der Werbung davon ausgehe, er könne dem Ticketpreis nur durch die Bestellung über das Medium, in dem er die Werbung gesehen habe, realisieren. Dem Verbraucher sei aber bekannt, dass er Eintrittskarten auf verschiedene Arten erwerben kann, so auch beim Veranstalter.

Der Fußnotentext sei gut lesbar, Die Angabe hinsichtlich der Gebühren sei auch nicht etwa "versteckt". Der Text umfasse nur wenige Zeilen mit einfach formulierten, knappen und klar verständlichen Informationen.

Vorverkaufs- und Systemgebühr stellten jeweils eine individuelle, gesonderte Leistung dar, die der Verbraucher nicht zwingend in Anspruch nehmen müsse. Das wisse der Verbraucher. Ihm sei darüber hinaus auch bewusst, dass im Internet beworbene Angebote häufig durch *Hinweise, Hinweistexte und/oder Links erläutert würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien samt Anlagen verwiesen.

Gründe:

Die Klage ist begründet.

I. Zu Recht verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf einer Internetseite (hier „www. m….sommer.de”) für Bühnenshows mit dem Hinweis „Tickets ab … €“ (hier ab 19,90 €) zu werben, wenn bei einer Buchung von Tickets über die Internetseite neben dem Ticketpreis eine Vorverkaufsgebühr (hier 15 % des Ticketpreises) und/oder eine Systemgebühr (hier 2,00 €) gefordert wird, wie aus der als Anlage beigefügten Bildschirmkopie ersichtlich.

Der Unterlassungsanspruch rechtfertigt sich – unbeschadet weiterer Anspruchsgrundlagen aus § 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 PreisangabenVO – aus §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2, 8 UWG. Danach kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine solche ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält: den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Aussage „Tickets ab 19,90 €“ wäre wahr, wenn Tickets ab 19,90 € für das betreffende Musical zu erwerben wären. Der Verkehr erwartet bei einer Preisaussage „ ab …“, dass – wenn auch im eingeschränkten Ausmaß – Tickets zu diesen Preisen zu erhalten sind. Diese Erwartung wird jedenfalls dann getäuscht, wenn der Verbraucher das Ticket über den Link „HIER ONLINE BUCHEN” online bestellt: Dann treten Vorverkaufsgebühren von 15% und eine Systemgebühr von 2 € hinzu.

Dass dies anders sein mag, wenn der Verbraucher die streitgegenständliche Internetseite als bloße Informationsquelle für Vorstellungsdaten und Preise benutzt und beabsichtigt, die Tickets etwa an der Abendkasse zu erwerben, mag sein. Dies ist im Streitfall jedoch zu vernachlässigen, weil die konkrete Verletzungsform angegriffen ist, in der neben der blickfangmäßigen Herausstellung des Musicals und der dafür geltenden Preise der ebenso blickfangmäßig herausgestellte Link „HIER ONLINE BUCHEN” Gelegenheit zum sofortigen Bestellen gibt und dazu auffordert.

Die Kammer vermag der Beklagten nicht darin zu folgen, dass der Verkehr als selbstverständlich davon ausgehe, dass auch bei einer Online-Bestellung wie im Streitfall Vorverkaufsgebühren erhoben würden. Sie kann der Beklagten darin folgen, dass der Verkehr davon ausgeht, dass im Vorverkauf an der Theaterkasse Vorverkaufsgebühren zu zahlen sind, wohl wissend, dass Theaterkassen eigenständige Unternehmen sind, die ihre Dienstleistungen (Vorverkauf) erbringen und dafür Vorverkaufsgebühren einnehmen. Gleichwohl: Regelmäßig wird in den Vorankündigungen und auf den Tickets im Interesse der Preiswahrheit und –klarheit darauf hingewiesen, dass zu den Ticketpreisen 15 Prozent Vorverkaufsgebühr hinzutreten; auch damit wird das Verkehrsverständnis der angesprochenen Verbraucher geprägt. Die Kammer vermag der Beklagten nicht darin zu folgen, dass der Verkehr bei einer Online-Bestellung über die Beklagte wie selbstverständlich erwartet, dass die Beklagte nach Art einer Theaterkasse Vorverkaufsgebühren erheben wird. Es ist zu bedenken, dass die Beklagte selbst vorträgt, dass für die Dienstleistung des Ticketverkaufs über das Internet die – ebenfalls erhobene – Systemgebühr anfällt; für den Ticketverkauf über das Internet – davon werden solche Verkehrskreise ausgehen, denen bekannt ist, dass eine Systemgebühr erhoben wird – wird die Systemgebühr erhoben; der Kammer erschließt sich nicht, dass der Verkehr erwartet, dass dann noch eine Vorverkaufsgebühr anfällt.

Ebensowenig vermag die Kammer der Beklagten darin zu folgen, dass die Verkehrserwartung dahin geht, bei einer Bestellung über das Internet falle noch eine Systemgebühr an. Nach Auffassung der Kammer werden erhebliche Teile des Verkehrs nicht einmal wissen, was eine Systemgebühr ist und wofür sie erhoben wird; erst recht nicht wird erwartet werden, dass sie bei der Online-Bestellung einer Eintrittskarte erhoben wird, zumal es eine Vielzahl von Portalen im Internet ergibt, die kostenlos genutzt werden können.

Letztlich sieht die Beklagte das auch nicht anders, hat sie doch die entsprechenden Informationen in den Hinweistext am Fuße der Seite eingesetzt, auf den das Sternchen hinter „Tickets ab 19,90 €“ hinweist.

Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass das Sternchen hinter „Tickets ab 19,90 €“ auf einen Fließtext verweist, in dem dargestellt ist, dass auf den angegebenen Ticketpreis 15% Vorverkaufsgebühren erhoben werden und dass eine Systemgebühr von zwei EUR anfällt. Grundsätzlich muss in Fällen, in denen der Blickfang zwar nicht objektiv unrichtig ist, aber nur die halbe Wahrheit enthält, ein Stern oder ein anderes hinreichend deutliches Zeichen den Betrachter zu dem aufklärenden Hinweis führen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 5 Rdnr. 2.98 m.w.N.). Insoweit trifft den Werbenden die Pflicht, die anderen belastenden Bestandteile klar zugeordnet und ähnlich deutlich herauszustellen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O., m.w.N., zunächst für Kopplungsangebote), wobei es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, wie deutlich Stern und aufklärender Hinweis gestaltet sein müssen. Auch unter Berücksichtigung, dass auf dem von der Klägerin vorgelegten Ausdruck der streitgegenständlichen Internetseite der aufklärende Hinweistext kaum lesbar ist, auf der realen Internetseite jedoch größer erscheint, so ist dieser Text in der realen Wahrnehmungssituation immer noch so klein, dass er schwer zu erkennen ist und nicht ansatzweise die Anforderungen an die deutliche Herausstellung der Aufklärung erfüllt; es tritt hinzu, dass über den blickfangmäßig präsentierten Link „HIER ONLINE BUCHEN” der Verbraucher ohnehin dazu verführt wird, sich sogleich in den Bestellvorgang zu begeben. Vor allem aber erscheint der Hinweis darauf, dass eine Vorverkaufsgebühr und eine Systemgebühr anfällt, in dem gesamten Hinweistext erst am Ende und so eingebaut, dass auch dadurch die Wahrnehmung zusätzlich erschwert wird: Es erscheint fraglich, ob der Leser überhaupt bis zum Ende dieses Textes vordringt.

II. Der Aufwendungsersatzanspruch stützt sich auf § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Aus Vorstehendem ergibt sich, dass die Abmahnung berechtigt war. Jenseits dieser Frage steht der Anspruch zwischen den Parteien außer Streit. Die Klage ist der Beklagten an 19. 01. 2009 zugestellt worden.

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91,709 ZPO.

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