Keine Staatshaftungsansprüche für Sportwettenanbieter wegen Europarechtsverstoß

22. Oktober 2012
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Eigener Leitsatz:

Der bayrische Staat sowie deutsche Städte können nicht für das Verbieten von Sportwetten belangt werden, auch wenn das deutsche Sportwettenmonopol nachträglich für unvereinbar mit dem europäischen Recht und der deutschen Verfassung erklärt wurde. Da zum Zeitpunkt des Verbotes die Unrechtmäßigkeit noch nicht festgestellt worden war bzw. Übergangsfristen liefen, kann den Staatsorganen kein schuldhaftes Fehlverhalten zur Last gelegt werden, so dass diese nicht regresspflichtig sind.

Bundesgerichtshof

Pressemitteilung Nr. 178/12 zu den Urteilen vom 18.10.2012

Az.: III ZR 196/11 & III ZR 197/11

Der unter anderem für die Staatshaftung zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute die Abweisung von zwei Schadensersatzklagen einer Sportwettenanbieterin gegen zwei bayerische Städte und den Freistaat Bayern bestätigt.

Die Klägerin verfügte über eine Erlaubnis der gibraltarischen Behörden für die Veranstaltung von Sportwetten, die sie in Bayern auch über Wettbüros vertrieb, welche von selbständigen Geschäftsbesorgern geführt wurden. Die beklagten Städte untersagten im Jahr 2005 unter Bezugnahme auf den bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Staatsvertrag zum Lotteriewesen einem Geschäftsbesorger die Vermittlung von Sportwetten, weil er nicht die erforderliche staatliche Erlaubnis besaß. Ferner ordneten sie die sofortige Vollziehung ihrer Verfügungen an. Die hiergegen gerichteten Widersprüche und bei den Verwaltungsgerichten angebrachte Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteilen vom 8. September 2010 das deutsche Sportwettenmonopol für mit der europarechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, früher Art. 49 EGV) unvereinbar erklärt hat, fordert die Klägerin nunmehr Schadensersatz für die aufgrund der Untersagungsverfügungen entgangenen Gewinne in den Jahren 2006 und 2007.

Die Vorinstanzen haben einen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch verneint. Dies hat der III. Zivilsenat bestätigt. Voraussetzung für einen solchen Schadensersatzanspruch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass die betreffende öffentliche Körperschaft in "hinreichend qualifizierter" Weise gegen Unionsrecht verstoßen hat. Hierfür sind unter anderem entscheidend das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie die Fragen, ob der Verstoß vorsätzlich begangen wurde und ob ein etwaiger Rechtsirrtum entschuldbar ist. Dass die Behörden und die Gerichte in Bayern aufgrund des in dem seinerzeit gültigen Staatsvertrag geregelten Sportwettenmonopols die Tätigkeit des Geschäftsbesorgers der Klägerin unterbanden und der bayerische Gesetzgeber das Monopol aufrecht erhielt, stellte hiernach keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar. Aufgrund der bis zum Jahr 2005 ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sportwettenmonopolen in anderen Mitgliedstaaten war noch nicht hinreichend klar, dass die Ausgestaltung des Monopols in Deutschland europarechtswidrig war.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 entschieden, die in den deutschen Ländern geltenden Regelungen zum Sportwettenmonopol seien verfassungswidrig, da sie in sich nicht stimmig seien. Zugleich hat es ausgeführt, die insoweit bestehenden Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts liefen parallel zu denen, die das europäische Gemeinschaftsrecht an derartige Monopole stelle. Gleichwohl durften die bayerischen Behörden und Gerichte sowie der Landtag auch nach dieser Entscheidung davon ausgehen, dass der Vertrieb von Sportwetten durch andere Anbieter als die Monopolgesellschaften auch nach dem europäischen Recht weiter unterbunden werden durfte. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 für die Fortgeltung der Monopolvorschriften zugestanden. In dieser Zeit durften die Regelungen jedoch nur unter bestimmten Maßgaben, die den vom Gericht beanstandeten Unstimmigkeiten entgegenwirkten, angewandt werden. Die Behörden, Gerichte und Gesetzgeber durften deshalb davon ausgehen, dass bei Einhaltung dieser Maßgaben schon vor der gesetzlichen Neuregelung der Sportwetten ein verfassungs- und aufgrund der Parallelität der Anforderungen auch ein unionrechtskonformer Zustand hergestellt wurde. Dass in Bayern die Maßgaben eingehalten wurden, ist den Behörden in einer Vielzahl von, zum Teil auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligten, Verwaltungsgerichtsentscheidungen bestätigt worden.

Urteile vom 18. Oktober 2012

III ZR 196/11
LG Landshut – 54 O 30/10 – Entscheidung vom 30. November 2010
OLG München – 1 U 392/11 – Entscheidung vom 15. Juli 2011

und

III ZR 197/11
LG Passau – Az. 1 O 1118/09 vom 04.11.2010
OLG München – Az. 1 U 5279/10 vom 15.07.2011

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