Urheberrechtlicher Auskunftsanspruch auch bei Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß

11. März 2014
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Beschluss des BGH vom 16.05.2013, Az.: I ZB 44/12

Ein Anspruch gegen einen Provider auf Auskunft nach § 101 UrhG setzt keine Rechtsverletzung von gewerblichem Ausmaß voraus, wenn die für die Urheberrechtsverletzung genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht wird.

Bundesgerichtshof

Beschluss vom 16.05.2013

Az.: I ZB 44/12

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2013 beschlossen:

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. April 2012 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. März 2012 abgeändert.

Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 des Beschlusses der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2. Februar 2012 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.

Die Kosten der gerichtlichen Anordnung trägt die Antragstellerin.

Gegenstandswert: 3.000 €.

Entscheidungsgründe

I. Die Antragstellerin ist ein Softwareunternehmen. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „F1 2010“.

Die Antragstellerin hat die L. Deutschland GmbH beauftragt, Online-Tauschbörsen im Blick auf das Computerspiel zu überwachen. Die L. Deutschland GmbH verfügt über eine Software, mit der festgestellt werden kann, über welchen Internetanschluss eine bestimmte Datei zum Download angeboten wird. Die von der Antragstellerin vorgelegte Anlage ASt 1 enthält von der L. Deutschland GmbH ermittelte IP-Adressen, die Nutzern zugewiesen waren, die das Computerspiel „F1 2010“ in der Zeit zwischen dem 26. Januar und dem 1. Februar 2012 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten hatten. Die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen waren den Nutzern von der weiteren Beteiligten, der Deutschen Telekom AG, als Internet-Provider zugewiesen worden.

Die Antragstellerin hat gemäß § 101 Abs. 9 UrhG in Verbindung mit § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG beantragt, der weiteren Beteiligten zu gestatten,

ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.

Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die zum Erlass der begehr-ten Anordnung erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß sei hinsichtlich des Computerspiels „F1 2010“ nicht gegeben. Das gemäß § 101 Abs. 2 UrhG vorausgesetzte gewerbliche Ausmaß könne bei Rechtsverletzungen, die längere Zeit nach dem Erscheinen des Computerspiels erfolgten, nur unter besonderen Voraussetzungen bejaht werden. Diese Voraussetzungen lägen auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten Umstände wie beispielsweise der Downloadzahlen nicht vor.

III. Die gemäß § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG, § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Der Antrag, es der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschriften derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren, kann mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.

Der Bundesgerichtshof hat – nachdem das Beschwerdegericht den angegriffenen Beschluss erlassen hat – entschieden, dass der in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, nicht voraussetzt, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben (BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – I ZB 80/11, GRUR 2012, 1026 Rn. 10 bis 30 = WRP 2012, 1250 – Alles kann besser werden). Er hat ferner entschieden, dass auch die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraussetzt (BGH, GRUR 2012, 1026 Rn. 40 bis 52 – Alles kann besser werden).

IV. Danach ist der Beschluss des Beschwerdegerichts auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§ 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der Beschluss des Landgerichts abzuändern. Dem Antrag, der Beteiligten zu gestat-ten, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des § 3 Nr. 30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren, ist stattzugeben.

1. Die Antragstellerin hat gegen die Beteiligte einen Anspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG auf Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt 1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugewiesen waren.

a) Die Antragstellerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs-rechte an dem Computerspiel „F1 2010“ berechtigt, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Ihr steht auch das ausschließliche Recht zu, das Computerspiel öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a UrhG).

b) Dieses ausschließliche Recht ist dadurch verletzt worden, dass Nutzer das Computerspiel „F1 2010“ in der Zeit zwischen dem 26. Januar 2012 und dem 1. Februar 2012 über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern zum Herunterladen angeboten haben. Die Rechtsverletzung ist auch offensichtlich; sie ist so eindeutig, dass eine ungerechtfertigte Belastung der Beteiligten ausgeschlossen erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 39).

c) Die Beteiligte hat als Internet-Provider den Nutzern die Internetanschlüsse zur Verfügung gestellt und die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen zugewiesen und damit in gewerblichem Ausmaß für die rechtsverletzenden Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht.

d) Die Inanspruchnahme der Beteiligten auf Auskunftserteilung ist auch nicht unverhältnismäßig (§ 101 Abs. 4 UrhG). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin als Auskunftsberechtigte kein oder nur ein äußerst geringes Interesse daran haben kann, die Rechtsverletzer genannt zu bekommen (vgl. BGH, GRUR 2012, 1026 Rn. 36 – Alles kann besser werden).

2. Die begehrte Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die fraglichen IP-Adressen zu den besagten Zeiten zugewiesen waren, kann nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) im Sinne des § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG erteilt werden (vgl. BGH, GRUR 2012, 1026 Rn. 37 bis 39 – Alles kann besser werden).

3. Die Begründetheit des Antrags nach § 101 Abs. 9 Satz 1 UrhG auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten Zeitpunkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt jedenfalls in den Fällen, in denen – wie hier – ein Auskunftsanspruch nach § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutz-te Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus (vgl. BGH, GRUR 2012, 1026 Rn. 40 bis 52 – Alles kann besser werden).

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 Satz 5 UrhG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO.

Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 08.03.2012 – 228 O 39/12 –
OLG Köln, Entscheidung vom 11.04.2012 – 6 W 90/12 –

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