Kein Eingriff in Persönlichkeitsrecht von Corinna Schumacher durch Berichte der taz und des ZDF

04. November 2014
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Urteil des LG Köln vom 27.08.2014, Az.: 28 O 168/14

Corinna Schumacher steht kein Unterlassungsanspruch gegen die taz und das ZDF zu. Die Veröffentlichung von Fotos, die sie in Grenoble auf dem Weg in die Klinik zu ihrem verletzten Mann zeigen, greife nicht auf rechtswidrige Weise in ihr Persönlichkeitsrecht ein. Grund hierfür ist, dass die Beiträge die aufdringliche Berichterstattung anderer Medien über den Unfall Schumachers kritisierten. Daher steht eher die Informationsbeschaffung und die Meinungsbildung im Vordergrund, als die Unterhaltung der Leser.

Landgericht Köln

Urteil vom 27.08.2014

Az.: 28 O 168/14

 

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Ehefrau des siebenfachen Formel-1 Weltmeisters Michael T. Dieser ist bei einem Ski-Unfall am 29.12.2013 schwer verunglückt und lag daraufhin über Monate in einem Krankenhaus in Grenoble im Koma. Hierüber wurde in den Medien eingehend berichtet. In der Folge kam es zu einem erheblichen Presseaufkommen vor der Klinik, in der der Ehemann der Klägerin untergebracht war. Aus diesem Anlass wandte sich die Klägerin mit folgender Bitte an die Medien:

„Bitte unterstützen Sie uns in unserem gemeinsamen Kampf mit Michael. Es ist mir wichtig, dass Sie die Ärzte und das Krankenhaus entlasten, damit diese in Ruhe arbeiten können – vertrauen Sie bitte deren Statements und verlassen Sie die Klinik. Bitte lassen Sie auch unsere Familie in Ruhe.“

Ebenfalls bezog die Managerin des Ehemannes der Klägerin in der Fernsehsendung „Günther Jauch“ vom 14.04.2014 Stellung zur Frage der medienethischen Grenzen im Fall T.

Die Beklagte betreibt das Nachrichtenportal www.xxx.de. Dort veröffentlichte sie den Beitrag „T: Bitte lassen sie uns in Ruhe!“. In diesem berichtet die Antragsgegnerin über den Skiunfall und den Appell der Klägerin an die Medien die Klinik zu verlassen. Den Beitrag illustrierte die Beklagte mit einem Foto der Klägerin, welches diese auf dem Weg in die Klinik zeigt, um ihren Ehemann zu besuchen. Ob das Foto an einem der Allgemeinheit nicht zugänglichen Hintereingang des Krankenhauses aufgenommen wurde, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin wendet sich mit der hiesigen Klage gegen die Veröffentlichung ihres Bildnisses. Sie mahnte die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 31.01.2014 diesbezüglich ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 03.02.2014 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unter Darlegung ihrer Rechtsstandpunkte ab. Auch eine Fristverlängerung zur Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14.02.2014 blieb erfolglos.

Auf Antrag der Klägerin erließ das Landgericht Köln unter dem Aktenzeichen 28 O 78/14 eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 21.03.2014, die Klägerin zur Erhebung der Hauptsacheklage aufzufordern.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie werde in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt, da eine erforderliche Einwilligung ihrerseits nicht vorliege. Die Veröffentlichung des Bildnisses diene darüber hinaus auch nicht der Illustrierung eines zeitgeschichtlichen Ereignisses. Weder stelle der private Besuch ihres Ehemannes, noch ihre an die Medien gerichtete Bitte ein zeitgeschichtliches Ereignis dar. Jedenfalls stünden aber ihre berechtigten Interessen einer Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildnisses gemäß § 23 Abs. 2 KUG entgegen. Sie sei in ihrer, den Kernbestand der Privatsphäre berührenden familiären Ausnahme- und Schocksituation zu schützen. Es bestehe kein berechtigtes Informationsinteresse hinsichtlich der Veröffentlichung des Bildnisses.

Die Klägerin beantragt,

es der Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

das nachfolgende Bildnis der Klägerin:

–          Bilddarstellung –

zu veröffentlichen/veröffentlichen zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen, so wie dies im Internet unter www.xxx.de und dort unter – Linkeinrückung – betitelt mit „T: Bitte lassen Sie uns in Ruhe!“ geschehen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sowohl der Unfall als auch der Krankenhausaufenthalt des Ehemanns der Klägerin stelle ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG dar. Die streitgegenständliche Berichterstattung sei nicht darauf ausgerichtet, nur die Neugier des Publikums an dem Privatleben der Klägerin zu befriedigen. Vielmehr setzte sich die Berichterstattung gerade mit den öffentlichen Ereignissen, dem Medienandrang vor dem Krankenhaus in Grenoble sowie der Bitte der Klägerin um Zurückhaltung auseinander. Die Aufnahme weise diesbezüglich auch einen eigenen Informationswert auf. Der Aufnahme fehle zudem jedes stigmatisierende, bloßstellende oder überrumpelnde Element und sei in eine ausgewogen gehaltene Wortberichterstattung eingerahmt. Die Aufnahmen würden die Klägerin auch nicht in einer Situation besondere Emotionalität oder in einer Situation zeigen, die grundsätzlich den Augen der Öffentlichkeit entzogen sei. Die Klägerin sei zudem eine Person des öffentlichen Lebens und bereits mehrfach in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Klägerin steht der verfolgte Anspruch aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG auf Unterlassung der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Lichtbildes nicht zu. In der konkret erfolgten Form des Beitrages unter www.heute.de greift die Veröffentlichung des Lichtbildes nicht rechtswidrig in das Recht der Klägerin am eigenen Bild ein. Der mit der Bildnisveröffentlichung verbundene Eingriff ist nach § 23 Abs. 1 Nr. KUG gerechtfertigt. Die zu konzedierenden berechtigten Interessen der Klägerin an der Unterlassung der Veröffentlichung überwiegen im Ergebnis nicht das öffentliche Interesse an der Bebilderung. Im Einzelnen:

Da die Klägerin unstreitig nicht in die Bildnisveröffentlichung eingewilligt hat, ist die Frage der Zulässigkeit an den Ausnahmetatbeständen des § 23 KUG zu messen, von denen vorliegend allein die Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG in Betracht kommt. Es kommt damit für die Zulässigkeit der Veröffentlichung entscheidend darauf an, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt und die Veröffentlichung nicht ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG verletzt.

a) Der Begriff der Zeitgeschichte ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BVerfG, NJW 2000, 1021). Bereits die Frage, ob das Bild eine Frage von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse betrifft, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (BGH, NJW 2010, 3025 (3026)). Der Begriff des Zeitgeschehens ist zu Gunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (BVerfG, NJW 2008, 3138) mit dem Ziel eines möglichst schonenden Ausgleichs zum Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (BGH, NJW 2010, 3025 (3027)).

aa) Nach diesen Maßstäben bildet das Bild zwar selbst kein Ereignis der Zeitgeschichte ab. Es zeigt die Klägerin, wie sie ihren Ehemann im Krankenhaus besucht. Dabei aber handelt es sich nicht um ein Ereignis der Zeitgeschichte, sondern um eine reine Selbstverständlichkeit, die ohne Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung ist und allein der Befriedigung von Neugier dient.

bb) Allerdings ist bei der Beurteilung, ob ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung bebildert wird, auch die dazu gehörende Wortberichterstattung zu berücksichtigen. In deren Kontext ist der Informationswert des Bildes zu ermitteln. Auch wenn Bildnisse als solche keine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthalten, kann ihre Verwendung dennoch zulässig sein, wenn sie eine ein zeitgeschichtliches Ereignis betreffende Wortberichterstattung ergänzen und der Erweiterung ihres Aussagegehaltes dienen, etwa der Unterstreichung der Authentizität des Geschilderten (BVerfG, NJW 2008, 1793).

Unter Berücksichtigung dessen behandelt die Wortberichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung. Sie greift die seitens der Klägerin an die Medien gerichtete Bitte, das Krankenhaus zu verlassen, die Ärzte in Ruhe arbeiten und auch ihre Familie in Ruhe zu lassen, auf, mit dem Hinweis, diese Bitte der Klägerin komme zu einem späten Zeitpunkt. So seien die meisten Journalisten bereits auf dem Weg nach Albertville, wo die Staatsanwaltschaft Auskunft über die Erkenntnisse zum Unfallhergang geben wolle. Die Situation vor dem Krankenhaus in Grenoble wird näher erörtert, ebenso wie die Auswirkungen des Verhaltens der Journalisten auf den Klinikbetrieb und das Befinden der Angehörigen in dieser Situation. Ebenfalls wird der Aufruf des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) zur Zurückhaltung sowie die Stellungnahme des DJV-Vorsitzenden zur Problematik des Verhaltens der Journalisten im Fall T thematisiert.

Damit wird ein Thema von öffentlichem Interesse behandelt, nämlich die Frage der Art und Weise der medialen Berichterstattung, die Auswirkungen auf den Klinikbetrieb sowie das Befinden der Angehörigen in einer solchen Situation. Dabei wird auch das Erfordernis einer respektvollen Berichterstattung bei prominenten Opfern erörtert.

In diesem Kontext der Wortberichterstattung kommt dem streitgegenständlichen Lichtbild ein eigener Informationswert zu. Dieses Bild illustriert die Lage vor dem Krankenhaus, die von der Beklagten thematisiert und näher beschrieben wird. Es zeigt, wie sich die Klägerin durch mehrere Fotografen hindurch drängeln muss, um ihren Mann im Krankenhaus besuchen zu können. Diese Belagerung des Krankenhauses durch Journalisten, auch wenn sie zum Zeitpunkt des Appells der Klägerin bereits abgeschwächt war, wird dem Leser durch das Bild plastisch vermittelt und setzt ihn damit besser, als eine reine Wortberichterstattung es könnte, in die Lage, den Hintergrund der Berichterstattung zu erfassen und sich auf dieser Grundlage seine eigene Meinung zu bilden. Er kann sich anhand des Bildes viel unmittelbarer die Frage stellen, ob er dieses Verhalten der Fotografen angesichts der Situation, in der sich die Klägerin befindet, einerseits und angesichts des Nachrichtenwertes, der mit dem Unfall des Ehemannes der Klägerin verbunden ist, andererseits für angemessen hält.

b) Nach diesen Erwägungen ist damit davon auszugehen, dass das Lichtbild in der konkreten Form der Veröffentlichung als Bildnis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG anzusehen ist. Indessen rechtfertigt dies nicht per se die Veröffentlichung. Vielmehr bedarf es einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (BVerfG, NJW 2008, 3138) mit dem Ziel eines möglichst schonenden Ausgleichs zum Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Diese ist sowohl im Rahmen von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG als auch im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG durchzuführen. Maßgeblich ist damit, ob überwiegende Interessen der Klägerin der Veröffentlichung des Lichtbildes auch unter Berücksichtigung des Umstandes entgegenstehen, dass dieses geeignet ist, einen erheblichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Dies ist im Ergebnis nicht der Fall.

aa) Zwar ist zugunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellen, dass diese in ihrer Privatsphäre betroffen ist. Zur Privatsphäre gehören alle Umstände, die üblicherweise das private Leben berühren und öffentlicher Erörterung entzogen sind. Dies betrifft thematisch auch den Krankenbesuch bei Angehörigen. Daran ändert nichts, dass sich die Klägerin im Zeitpunkt der Aufnahme des Lichtbildes im öffentlichen Straßenraum befand. Auch in diesem besteht der Anspruch auf Privatheit, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob es sich bei der Örtlichkeit, an dem die Bilder gefertigt worden sind, um einen der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Hintereingang befindet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, bei einem privaten Krankenbesuch nicht Nachstellungen von Journalisten ausgesetzt zu sein. Dass diese dennoch vor Ort anwesend waren, womit die Klägerin sicherlich rechnen musste, führt nicht dazu, dass der Besuch nunmehr zum Teil der Sozialsphäre wird.

bb) Dem steht aber gegenüber, dass die Berichterstattung einen erheblichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung gibt. Die Frage der Art und Weise medialer Berichterstattung und der Umgang mit den Persönlichkeitsrechten von Betroffenen, ist eine Frage, die die Grundlagen der Gesellschaft betrifft. Deswegen ist die vorliegende Berichterstattung anders zu beurteilen, als die Veröffentlichung von Fotos im Zusammenhang mit rein unterhaltenden Beiträgen. Die konkrete Veröffentlichung selbst greift auch nicht tiefgreifend in die Belange der Klägerin ein. Das Lichtbild selbst ist ebenso wie die begleitende Berichterstattung nicht herabwürdigend, sondern im Gegenteil geeignet, Sympathien für die Situation der Klägerin zu wecken. Hinzu kommt, dass die Klägerin grundsätzlich in der Vergangenheit auch selbst im Licht der Öffentlichkeit gestanden hat und damit eine Veröffentlichung von Lichtbildern als solche keinen tiefgreifenden Eingriff darstellen kann. Dieser kann allein aus der Art und Weise der Darstellung und dem konkreten Kontext folgen, der vorliegend jedoch von öffentlichem Interessen gedeckt und die Klägerin ebenfalls nicht isoliert verletzend ist.

cc) Die Klägerin beruft sich entsprechend auch allein darauf, dass sie sich bei der Anfertigung der Lichtbilder in einer enormen psychischen und emotionalen, lebenswegweisenden Ausnahmesituation befunden habe, in der ihr die Belagerung durch die Journalisten unzumutbar gewesen sei.

Diese Umstände betreffen indes nicht die konkrete Veröffentlichung des Lichtbildes, sondern waren mit dessen Anfertigung verbunden. Der Beeinträchtigungsgrad der Veröffentlichung tritt im Rahmen der Abwägung nach den obigen Ausführungen im konkreten Fall hinter das öffentliche Informationsinteresse zurück. Fraglich kann deshalb allein noch sein, ob die Umstände der Anfertigung des Fotos auch dessen Veröffentlichung entgegenstehen können, weil sie sich in jeder weiteren Veröffentlichung perpetuieren. Dies ist indes nicht der Fall. Eine solche Sichtweise käme nur in Betracht, wenn die Umstände der Anfertigung ein per se Verbot begründen würden und damit die Veröffentlichung jedweder Abwägung bereits im Grundsatz entzogen wäre. Ein solches Totalverbot allerdings kann allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen, z.B. wenn die Anfertigung des Fotos mit Verletzungen der Intimsphäre einher ginge. In allen anderen Fällen mag die Anfertigung der Fotografie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen. Ob dies rechtswidrig geschehen ist, stellt dann jedoch eine Frage der Abwägung dar. Entsprechend sind vorliegend die Umstände der Anfertigung als Abwägungskriterien zwar auch bei der Frage zu berücksichtigen, ob die konkrete Veröffentlichung zulässig ist. Sie stehen dieser aber, da sie nicht den Kern der Persönlichkeit betreffen, nicht per se entgegen. Die danach gebotene Abwägung aber fällt aus den vorstehenden Erwägungen zugunsten der Beklagten aus.

Hinzu kommt, dass jedenfalls bei der Frage, ob die Umstände der Anfertigung ein per se Verbot begründen, die hinter dem für Tatsachenbehauptungen anerkannten Agenturprivileg stehenden Erwägungen zu berücksichtigen sein können. Die streitgegenständliche Fotografie stammt von der AP. Für Wortberichterstattungen ist anerkannt, dass sich die Medien auf Meldungen der AP im Grundsatz verlassen dürfen, ohne aus Gründen der journalistischen Sorgfaltspflicht gehalten zu sein, eigene Nachforschungen anzustellen. Andernfalls wäre die unter dem Schutz der Pressefreiheit stehende aktuelle Berichterstattung nicht zu gewährleisten. Die Medien können daher auf die Wahrheit von seitens der AP verbreiteten Tatsachenbehauptungen vertrauen. Es ist diskutabel, diese Gedanken auch auf Lichtbilder anzuwenden, die von Presseagenturen verbreitet werden. Auch insoweit ist den Medien nicht zumutbar, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zu überprüfen, ob der Presseagentur beispielsweise die Urheberechte des Lichtbildners zustehen oder ob die Fotografie mit Zustimmung des Abgebildeten angefertigt worden ist. Weiterhin können die Medien auch nicht überprüfen, unter welchen Umständen die Fotos angefertigt worden sind und ob diese möglicherweise einer Veröffentlichung entgegenstehen können. Insoweit lässt sich vertreten, dass die Medien darauf vertrauen dürfen, dass hier eine entsprechende Vorprüfung durch die Presseagenturen stattgefunden hat und eine Veröffentlichung der Lichtbilder jedenfalls nicht in jedem denkbaren Fall ausgeschlossen ist. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Verwendung im Einzelfall. Für die Art und Weise der Verwendung ist das Presseunternehmen selbst verantwortlich und muss daher in eigener Verantwortung prüfen, ob die intendierte Verwendung die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten verletzt. Denn aus dem Umstand, dass bestimmte Fotos von Presseagenturen angeboten werden, folgt nicht, dass diese Fotos in jedwedem Zusammenhang und ungeachtet der konkreten Art und Weise verwendet werden dürfen. Vielmehr ist die Zulässigkeit der Verwendung in jedem Einzelfall zu prüfen. Die Erwägungen zum Agenturprivileg lassen sich vor diesem Hintergrund nur insoweit auf von Presseagenturen angebotene Lichtbilder übertragen, als es um absolute Verwertungsverbote geht. Insoweit dürfen die Medien darauf vertrauen, dass die Presseagenturen dies vorgeprüft haben, bevor sie das Bild zum Abruf durch die Medien bereitstellten.

Gerade um einen solchen Fall aber geht es vorliegend, soweit die Klägerin das Veröffentlichungsverbot aus den Umständen der Anfertigung der Lichtbilder herleiten will. Wendet man die Grundsätze des Agenturprivilegs auch auf von Presseagenturen bereitgestellte Lichtbilder an, durfte die Beklagte jedenfalls insoweit darauf vertrauen, dass es keine Umstände gibt, die der Verwendung der Lichtbilder bereits im Grundsatz entgegenstehen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

3. Streitwert: 30.000,00 Euro.

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