Identifizierende Berichterstattung

20. September 2011
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Eigener Leitsatz:

Eine identifizierende Berichterstattung über den Angeklagten eines Strafverfahrens hat zu unterbleiben, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Persönlichkeitsrecht des Angeklagten zurück tritt.  Das kann gerechtfertigt sein, wenn der Angeklagte infolge der Tat erheblich in seiner privaten und wirtschaftlichen Existenz geschädigt wurde und seine Familie ebenso von einer identifizierende Berichterstattung erheblich betroffen wäre.

Landgericht München I

Beschluss vom 30.08.2011

Az.: 9 O 13876/11

 

Tenor:

Die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Entscheidungsgründe:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91a Abs. 1 ZPO.

Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Gericht hat deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.

Die Klagepartei hatte Anspruch auf die begehrte Untersagungsverfügung, §§ 1004, 823 BGB.

1. Eine identifizierende Berichterstattung hätte den Antragsteller in seinen Rechten verletzt.

Die Kammer verkennt dabei nicht die Reichweite der Pressefreiheit; sie hat nämlich zugleich dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers Rechnung zu tragen.

a. Die Öffentlichkeit einer Gerichtverhandlung bewirkt nicht nur eine Zugänglichkeit für einzelne Gerlchtsbesuchar, sondern gewährleistet auch die Möglichkeit einer Teilnahme von Pressevertretern an der Hauptverhandlung.Gegenstand der damit geschützten Berichterstattung ist sicherlich der Verhandlungsgegenstand, oftmals, aber nicht notwendig auch unter namentlicher Nennung der Beteiligten (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, §10, Rz. 189 f.).

Die Begrenzung der Pressefreiheit in Bezug auf die namentliche Nennung eines Angeklagten ergibt sich aus dessen Persönlichkeitsrecht, zumal die Nennung des Namens im Zusammenhang mit einem Strafverfahren von besonderer persönlichkeitsrechtlicher Relevanz ist. Zugleich ist aber auch zu berücksichtigen, dass oftmals gar kein Interesse der Öffentlichkeit an der Nennung auch des Namens des Angeklagten bestehen wird.

b. Es ist damit jeweils im Einzelfall – so auch hier – durch eine Abwägung zu entscheiden, ob die Namensnennung bzw. Identifizierung zulässig ist. Dabei ist darauf abzustellen, ob im Hinblick auf die Berichterstattung gerade die Identifizierung des Angeklagten ein gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers überwiegendes Informationsinteresse anzunehmen ist (Wenzel, aaO., Rz. 190).

Dies kann sich aus der Schwere der Tat, der Stellung des Angeklagten im öffentlichen Leben, einer möglichen Verbindung seines Handeins mit seinem öffentlichen Wirken ergeben. Zugleich können sich Einschränkungen aus den privaten Lebensverhältnissen des Angeklagten ergeben (Wenzel, aaO., Rz. 192).

Die vorliegend im Raum stehende Straftat ist sicherlich keine Straftat der Kleinkriminalität, sie ist jedoch auch nicht als schwere Straftat einzuordnen, bezieht man mögliche schwerwiegendere Übergriffe gegen Minderjährige oder gar Kinder sowie Kapitalverbrechen mit in die Wertungsskala.

Der Antragsteller hat die Tat als Privatmann begangen. Sie spielt sich im Bereich seiner privaten Lebensführung ab. Sein berufliches und damit nach außen tretendes Wirken vollzieht sich ohne jeden Zusammenhang zur begangenen Tat.

Der Antragsteller ist – gerichtsbekannt – infolge der von der Fernsehgesellschaft provozierten Tat erheblich in seiner privaten und wirtschaftlichen Existenz geschädigt worden. Er hat – beialler notwendigen Sanktion seines Handeins – ganz erhebliche Nachteile für sein Privatleben hinnehmen müssen und wurde geschäftlich ruiniert. Der Antragsteller hat Kinder und eine Frau. Auch diese wären durch eine weiterhin identifizierende Berichterstattung erheblich betroffen und beeinträchtigt.

All das rechtfertigt, obwohl eine nicht nur unbedeutende Straftat begangen wurde, das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers insoweit stärker zu gewichten, als eine identifizierende Berichterstattung zu unterbleiben hat.

2. Die ausgesprochene Untersagung ist verhältnismäßig.

Die von der Kammer ausgesprochenen Einschränkungen machen der Antragsgegnerin die Berichterstattung nicht unmöglich, sondern schränken sie lediglich ein. Entscheidend aber ist für die Kammer, dass die Einschränkungen nicht zensurgleich wirken, sondern lediglich einen Randbereich betreffen, der ohne erkennbares Interesse für den Leser der Zeitung ist. Für den Durchschnittsleser wird es völlig unbedeutend sein, ob über Bartholomäus Z. oder Thaddäus R. berichtet wird, ob der Antragsteller als Maler oder Lackierer bezeichnet wird (vgl. insoweit auch zur Verdachtsberichterstattung Prinz/Peters, Medienrecht, Rz. 272). Die Kammer hatte auch auszusprechen, dass nicht nur die Namensnennung unterbleibt; ein Erkennen des Antragstellers wäre sonst nicht auszuschließen gewesen (vgl. wiederum Prinz/Peters, aaO., Rz. 272 a. E.).

3. Die Berichterstattung durfte auch vorsorglich verboten werden. Eine Erstbegehungsgefahr liegt vor.

Die Kammer weiß um die hohen Anforderungen, die an die Annahme einer Erstbegehungsgefahr gestellt werden, und nimmt diese auch nur in Ausnahmefällen an. Hierfür besteht vorliegend indes Anlass. Es bestanden konkrete und greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin über das Verfahren berichten würde (BGH, Urt. v. 31.05.2001, I ZR 106/99, Abs. 35; Prinz/Peters, aaO., Rz. 329).

Diese ergeben sich aus folgenden Umständen: Unstreitig hat die Antragsgegnerin identifizierend über den anderen der beiden, nach der Fernsehberichterstattung in der Reihe "Tatort Internet" strafrechtlich verfolgten Angeklagten berichtet. Die Berichterstattung war identifizierend, obwohl der Angeklagte nicht mit seinem vollen Namen genannt wurde, nachdem Vorname; Herkunft und Beruf genannt wurden. Für den Antragsteller wäre gerade letzteres besonders misslich, da er einen seltenen Beruf ausübt.

Weiterhin berichtet die Beklagte gerichtsbekannt regelmäßig über im Licht der Öffentlichkeit stehende Strafverfahren. Dies trifft zweifellos für das Strafverfahren gegen den Angeklagten zu. Die Fernsehberichterstattung in der Sendung "Tatort Internet" hat breite öffentliche Aufmerksamkeit gefunden, nicht zuletzt, weil sie auch durch zahlreiche im öffentlichen (eben stehende Personen, Polizeidienststellen und Medien in das Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde. Die dadurch geschaffene Aufmerksamkeit für Straftaten gegen Kinder bringt ein gesteigertes Berichtsinteresse gerade über Verfahren im Nachganq zu einer solchen Sendereihe mit sich. – Das liegt auf der Hand.

Diese ex ante getroffene Einschätzung findet ex post ihre Bestätigung darin,dass die Antragsgegnerin dann – unter Berücksichtigung der ihr auferlegten Anonymisierungskriterien – tatsächlich über das Verfahren berichtet hat. Entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin steht damit unverändert im Raum, dass die Antragsgegnerin an lässlich des noch anstehenden Berufungsverfahrens in der Strafsache dann auch über dieses, aber auch über die erstinstanzliche Verhandlung, berichtet.

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