Ein bisschen Werbung macht noch keinen Störer

14. Mai 2009
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Eigener Leitsatz:

Schaltet jemand auf einer Internetseite, auf welcher vorwiegend urheberrechtswidrige Inhalte bereitgehalten werden, Werbung, so haftet dieser nicht als Mitstörer der dort begangenen Rechtsverletzung. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der Werbende irgendwelche Einflüsse auf diese Webseite hat. Folglich ist eine Mitstörerhaftung abzulehnen.

Landgericht München I

Beschluss vom 31.03.2009

Az.: 21 O 5012/09

Beschluss:

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Der Streitwert wird auf 20 000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist ein Filmproduktionsunternehmen, die Antragsgegnerin eine sogenannte Single-Börse, die ihren Geschäftsbetrieb auch über das Internet bewirbt.

Die Antragstellerin macht glaubhaft, Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte für den Dokumentarfilm Roots Germania, den sie in Co-Produktion mit dem ZDF hergestellt hat, auch für das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG zu sein. Sie hat festgestellt, dass dieser Film ohne ihre Zustimmung über die Interplattform VodPod öffentlich zugänglich gemacht wurde. Der Stream des Videos stammte von der von der Google Inc. in USA betriebenen Plattform Google Video.

Sie trägt vor, auf dieser Plattform würden zahlreiche urheberrechtlich geschützte Filme ohne Zustimmung der Berechtigten verwertet.

Die Antragsgegnerin hat nach den Feststellungen der Antragstellerin ein Werbebanner auf VodPod geschaltet, das neben dem Stream des Films der Antragstellerin erschien.

Die Antragstellerin mahnte darauf hin zunächst die Fa. Google ab, die folgende Korrespondenz endete erfolglos. Darauf mahnte sie die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2.3.2009 ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten ab und forderte sie auf, es in Zukunft zu unterlassen, in unmittelbaren Zusammenhang mit illegalen Screens des Films Werbung zu schalten.

Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, sie habe diese Werbung, die im Namen eines mit der Firma Google Inc. abgeschlossenen Werbevertrages auf VodPod platziert worden sei, entfernen lassen. Eine Unterlassungserklärung lehnte sie jedoch ab.

Am 9.3.2009 rief die Antragstellerin den streitgegenständlichen Film auf VodPod erneut ab und stellte fest, dass diesmal zwar kein Werbebanner, aber eine Textwerbung der Antragsgegnerin neben dem Film gezeigt wurde.

Auch auf eine erneute Abmahnung gab die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung ab.

Mit Antrag vom 18.3.2009 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin, mit der sie ihr verboten haben will, auf Videoplattformen, die den Film Roots Germania ohne Zustimmung der Antragstellerin öffentlich zugänglich machen, im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Film Werbung für ihr Unternehmen zu schalten und/oder schalten zu lassen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Antragsgegnerin handle als Störerin, da sie mit ihrer Werbung die Urheberrechtsverletzungen auf der Videoplattform VodPod unterstütze. Videoplattformen wie VodPod erzielten ihre Einnahmen aus der Platzierung der Werbung. Erst die bezahlten Werbegelder, auch die der Antragsgegnerin, ermöglichten es der Betreiberin von VodPod, ihre Internetseite aufrecht zu erhalten. Ohne diese Internetseite hätte der Film nicht öffentlich zugänglich gemacht werden können. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin die Urheberrechtsverletzung auch ausgenutzt. Wer Werbung im Zusammenhang mit einem Film schalte, lenke die durch den Film gemeldete Aufmerksamkeit auf sein eigenes Unternehmen. Die Antragsgegnerin hätte auch die rechtliche Möglichkeit gehabt, den Verstoß zu verhindern und Prüfpflichten verletzt, da sie nach der Abmahnung Kenntnis davon erhalten habe, dass sie mit ihrer Werbung eine Urheberrechtsverletzung unterstütze.

Die Antragstellerin bezieht sich ergänzend auf OLG München, MMR 2009, 126, in dem das OLG München die Werbung auf Internetseiten, die als Tauschbörsen auf rechtswidrige Angebote jugendgefährdener Filme ausgerichtet waren, als Wettbewerbsverstoß qualifiziert und verboten hat.

Auf einen telefonisch gegebenen richterlichen Hinweis dahingehend, dass – anders als in dem vom OLG entschiedenen Fall – hier nicht die Werbung die rechtswidrige Handlung selbst sei, sondern nur eine über das Argument der Unterstützung des rechtwidrigen Streaming durch Werbung angegriffene Teilnahme, wobei die Kausalität nicht ersichtlich sei, hat die Antragstellerin noch ausgeführt, dass es auf die Frage, ob die Antragsgegnerin einen im strengen Sinn kausalen Beitrag zu der Urheberrechtsverletzung geleistet habe, nicht ankomme. Es könne auch die Ausnutzung und Unterstützung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung gehabt habe. Die Antragstellerin verweist in diesem Zusammenhang auf BGH GRUR 2001, 1038 – Ambiente.de.

Wenn das Gericht meine, eine Verantwortlichkeit sei auch deshalb nicht gegeben, weil die Antragsgegnerin nicht die Möglichkeit gehabt habe, den Verstoß zu verhindern, sei dies nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin die Antragsgegnerin bereits darauf aufmerksam gemacht habe, dass sich Werbung neben einem illegalen Screen des Films befunden habe. Nach dem ersten Hinweis hätte die Antragsgegnerin nur dem Vermarkter Google androhen müssen, die bestehende Vertragsbeziehung nicht fortzusetzen, falls der illegale Film weiterhin auf VodPod abgerufen werden könne. Jeder vernünftige Vertragspartner leiste einer solchen Aufforderung sofort Folge. Hätte die Antragsgegnerin entsprechend gehandelt, wäre es nicht dazu gekommen, dass der Film weiterhin bis zum heutigen Tag abgerufen werden könne. Die Antragstellerin, die im Gegensatz zu Google keine vertragliche Beziehung mit VodPod unterhalte und eine Rechtsverfolgung im Ausland nur unter starken finanziellen Opfern tätigen könne, habe diese einfache Möglichkeit nicht. Es leuchte auch nicht ein, warum die zum Wettbewerb ergangene Entscheidung des OLG München nicht auf die hier vorliegende urheberrechtliche Konstellation entsprechend anwendbar sein solle.

II.

Der Antrag war zurückzuweisen, da die Kammer eine Anspruchsgrundlage für das Verbot auch im Rahmen der Störerhaftung gem. § 1004 entsprechend BGB nicht sieht:

1. Der BGH hat in der von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidung GRUR 2001, 1038, 1039 a.E. – ambiente.de folgendes ausgeführt: Als Störer kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zwar grundsätzlich jeder auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden, der auch ohne Wettbewerbsförderungsabsicht und ohne Verschulden willentlich und adäquat-kausal an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Dabei kann als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, GRUR 1997, 313 [315f.] = NJW 1997, 2180 = LM H. 7/1997 HOAI Nr. 33 = WRP 1997, 325 – Architektenwettbewerb, zum UWG; GRUR 1994, 841 [842f.] = NJW 1994, 2827 = LM H. 1/1995 § 16 UWG Nr. 150 = WRP 1994, 739 – Suchwort, zum Kennzeichenrecht; GRUR 1999, 418 [419f.] = NJW 1999, 1960 = LM H. 4/199 § 97 UrhG Nr. 38 = WRP 1999, 211 – Möbelklassiker, zum Urheberrecht, jew.m.w.Nachw.).

2. Die Konstruktion der Antragstellerin, nach der die Antragsgegnerin durch Androhung gegenüber der Firma Google die streitgegenständliche Werbung einzustellen, die Möglichkeit gehabt hätte, den Verstoß zu verhindern, erscheint der Kammer weltfremd: Angesichts der Tatsache, dass nach Auffassung der Antragstellerin gerade auch die illegale Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Filme auf VodPod zur Attraktivität der Werbung beiträgt, bestehen erhebliche Zweifel am Erfolg einer solchen Maßnahme:

    aa) Die Kammer geht schon nicht davon aus, dass Google einer Aufforderung der Antragsgegnerin, die Sendung des Films auf VodPod zu verhindern, wenn sie weiterhin Werbeaufträge der Antragsgegnerin erhalten wolle, Folge geleistet hätte. Dies ist auch bei Unterstellung der Tatsache, dass die Fa. Google – die Antragstellerin führt hierzu außer der Behauptung der Einwirkungsmöglichkeit und der Tatsache, dass die von der Antragsgegnerin der Fa. Google in Auftrag gegebene Werbung bei Vodpod lief, nichts aus – auch verantwortlich für Vodpod sein soll, nicht ohne weiteres ersichtlich.

    bb) Die Kammer geht nämlich davon aus, dass die Firma Google für den Betrieb der Plattform VodPod nicht auf Werbung aus Deutschland angewiesen ist und hält es daher nicht für glaubhaft gemacht, dass die Fa. Google auf eine entsprechende Drohung der Antragsgegnerin und auch auf eine Kündigung des Werbeauftrags reagiert hätte.

    cc) Voraussetzung wäre nämlich allermindestens eine Gefährdung der Wirtschaftlichkeit der Plattform durch eine Boykottaktion der Antragsgegnerin. Nicht einmal dann ist dies ersichtlich, wenn die gesamte aus Deutschland geschaltete Werbung berücksichtigt wird.

    dd) Die Kammer hält es in weiterer Konsequenz dieses Gedankens für extrem fraglich, dass Werbetreibende aus anderen Ländern derartige Aufforderungen befolgen würden, auch wenn sie flächendeckend abgemahnt würden. Dies würde nämlich voraussetzen, dass eine solche Zahl von Werbetreibenden erreicht werden könnte, dass der Bestand der Plattform gefährdet wäre. Dafür ist weder etwas vorgetragen, noch ist ersichtlich, dass eine derartige Glaubhaftmachung für die Antragstellerin überhaupt möglich ist.

    ee) Darüber hinaus ist die von der Antragstellerin unterstellte Möglichkeit der Verhinderung der Sendung auch keine rechtliche Möglichkeit der Antragsgegnerin, sondern vielmehr eine rein tatsächliche, nämlich eine erfolgreiche Drohung, in Zukunft die Firma Google zu boykottieren.

3. Damit ist schon der Ansatz der Antragstellerin, die Störerhaftung mit der Rechtsprechung des BGH damit zu begründen, dass die rechtswidrige Handlung eines Dritten ausgenutzt und unterstützt wird, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte, nicht gegeben. Wie ausgeführt, kann die Kammer nicht davon ausgehen, dass diese Möglichkeit für die Antragsgegnerin bestand. Letztlich begehrt die Antragstellerin das beantragte Verbot aufgrund nur einer Hoffnung, dass die Firma Google sich durch ein derartiges Verhalten zur Unterbindung von rechtswidrigen Handlungen Dritter bewegen lassen könnte, die den Film der Antragstellerin auf der genannten Plattform widerrechtlich der Öffentlichkeit zugänglich machen.

4. Die Störerhaftung auf Fälle auszudehnen, in denen, wie hier allenfalls zu unterstellen, ein nicht kausaler, aber irgendwie auch unterstützender Effekt für Urheberrechtsverstöße von Dritten von einer Handlung ausgeht, die der Betreffende nach Bekanntgabe nicht ausreichend unterbunden hat, hält die Kammer für zu weit gehend.

5. Der Fall unterscheidet sich von dem vom OLG München ( MMR 2009, 126 – Affiliate- Werbung auf jugendgefährdenden Internetseiten) entschiedenen dadurch, dass dort die Werbung selbst ein Wettbewerbsverstoß war, für den die dortige Antragstellerin aktivlegitimiert war und der auch vom OLG auf Verschulden, nicht auf Störerhaftung gestützt wurde. Ein vergleichbarer Fall ist vorliegend nicht gegeben:

    aa) Die Antragstellerin kann nicht geltend machen, Wettbewerberin der Antragsgegnerin zu sein. Damit ist die Antragstellerin nicht für die Verfolgung des von ihr angenommenen Anhängens an ein rechtswidriges Streaming, das weder unter § 4 Nr. 9 UWG noch unter § 6 abs. 2 Nr 4 UWG fällt, aber jedenfalls nicht als Urheberrechts-, sondern allenfalls als Wettbewerbs verstoß – und nur als solcher – qualifiziert werden könnte, aktiv legitimiert.

    bb) Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht und es ist nicht ersichtlich, dass sie dies könnte, dass die Werbung der Antragsgegnerin gezielt zum Stream des Filmes der Antragstellerin geschaltet wurde.

    cc) Dazu kommt, dass die Antragstellerin nicht vortragen kann, dass auf der Plattform nur Raubkopien und nicht auch legale Videos laufen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Schaltung der Werbung von vorne herein rechtswidrige Inhalte unterstützen würde. Eine reine Feigenblattfunktion legaler Videos, die eine andere Beurteilung ermöglichen würde, glaubhaft zu machen, liegt ersichtlich ebenfalls nicht in den Möglichkeiten der Antragstellerin.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung nach den Angaben der Antragstellerin auf § 3 ZPO, § 63 Abs. 2 GKG.

Verfügung:

1. Beschluss zustellen an Antragstellervertreter.

2. VW m.E., sp. 24.4.2009 (sof. Beschwerde?).

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